Felicitas Hoppe - Die Nibelungen

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    In ihrem Roman "Die Nibelungen - ein deutscher Stummfilm" knöpft sich Felicitas Hoppe das Nibelungenlied selbst, aber auch darauf basierende Theaterinszenierungen vor, und lässt dabei weder das Heldenepos noch den Theaterbetrieb gut aussehen.


    Der Roman wird in weiten Teilen von einem Ich-Erzähler bestimmt, der als "Zeitzeuge im Beiboot" das gesamte Geschehen, das auf der Bühne der Nibelungenfestspiele in Worms stattfindet, miterlebt und kommentiert. Unterbrochen wird dieser Bericht in den Pausen mit Interviews der SchauspielerInnen, die sich zu ihren Rollen und zum Stück äußern. In diesen Interviews wird die den gesamten Roman durchziehende, extrem kritische Sichtweise auf das Nibelungenlied teilweise nochmal deutlich zugespitzt.


    Dass man das Nibelungenlied durchaus kritisch sehen darf, ergibt sich schon aus der Tatsache, dass es immer wieder ideologisch ausgelegt und dadurch auch politisch-nationalistisch missbraucht worden ist. Ob die Auseinandersetzung damit allerdings als Vorwand dienen sollte, die gesamte Handlung und alle Figuren der Lächerlichkeit preiszugeben, ist aus meiner Sicht bedenkenswert. Am Anfang des Romans ist es durchaus unterhaltsam, dass sich Felicitas Hoppe über die Absonderlichkeiten des Kulturbetriebs und des hier verwendeten Stoffs lustig macht, allerdings tut sie das mit zunehmender Vehemenz den gesamten Roman hindurch, was ich als unangemessen erachte: Wenn dieser Stoff so fürchterlich altmodisch und so sehr abzulehnen ist, warum muss man dann einen Roman darüber schreiben?


    "Wir reden hier [...] von einer alten höfischen Ordnung, die sich auf der Bühne von Worms kaum vermitteln lässt." (S. 184) ist eine durchaus zutreffende Feststellung. Und auch, dass der Stoff nicht "auch nur annähernd zeitgemäß" ist (S. 199) würde niemand, der sich mit dem Nibelungenlied beschäftigt hat, bestreiten. Was das Ganze dann so merkwürdig erscheinen lässt ist, dass die Autorin gleichzeitig von ihren LeserInnen offenbar erwartet, dass sie über umfangreiches Vorwissen nicht nur zur Handlung und den Figuren des Nibelungenliedes verfügen, sondern auch mit dem mittelhochdeutschen Original sowie der Forschungsliteratur dazu vertraut sind. Ohne dieses Wissen sind viele der Anspielungen im Roman nämlich nicht zu verstehen, besonders auch an den Stellen, wo die Autorin auf solche Aspekte wie (aus unserer heutigen Sicht) Logikfehler in der Handlung oder beispielsweise die Tatsache eingeht, dass das Nibelungenlied und die sich daran anschließende Klage vermeintlich schlecht zueinander passen.


    Und diese Betonung des Fachwissens, die ja eigentlich dazu führen sollte, sich klarzumachen, dass ein historischer Text auch innerhalb seiner Entstehungsgeschichte zu sehen ist, auch wenn man sich mit der Rezeptionsgeschichte selbstverständlich kritisch auseinandersetzen muss, passt für mich einfach nicht zu der absoluten Respektlosigkeit, mit der die Autorin das Heldenepos, dem man durchaus eine literaturgeschichtliche Bedeutung attestieren muss, hier bearbeitet. Auf mich als Leserin wirkt die Haltung, die sich in diesem Roman widerspiegelt, unfassbar überheblich und arrogant, ich kann darin leider weder den "schelmischen Ton" noch die "feine Ironie" entdecken, die einige KritikerInnen so begeistert haben.


    Felicitas Hoppes Roman war 2021 auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis, vermutlich unter anderem wegen der ungewöhnlichen Erzählweise. Diese ist ausdrucksstark, auf Dauer aber unfassbar anstrengend zu lesen, weil durch kurze Sätze, die teils etwas überfrachtet wirken, ein atemloses Durchhetzen der Handlung erzeugt wird, dass es doppelt schwer macht, die wichtigen Details dabei zur Kenntnis zu nehmen.


    Wenn ich das Buch nicht für den Tamkatz-Wettbewerb angemeldet hätte, hätte ich es ganz sicher nicht zu Ende gelesen und lieber nochmal zum mittelhochdeutschen Original gegriffen - da hätte ich mir wenigstens eigene Gedanken dazu machen dürfen, während Frau Hoppe ihren LeserInnen hier mit dem Holzhammer einprügelt, wie sie das Geschehen zu bewerten haben. Schade, dass den LeserInnen hier gleichzeitig zu viel (Vorwissen!) und zu wenig (eigene Sichtweisen) zugetraut wird, dadurch macht der Roman absolut keine Spaß!


    1ratten

  • Darüber habe ich tatsächlich auch nachgedacht, aber ich möchte den Tamkatz-Durchgang jetzt gerne zügig beenden, deshalb habe ich mich durchgequält. ;)