Anja Baumheier - Die Erfindung der Sprache

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    Adam Riese heißt er - doch ein Rechengenie ist er nicht, vielmehr interessiert sich Adam brennend für Sprache, Wörter, Linguistik und hat dementsprechend auch sein Studienfach gewählt. Ironischerweise hat er als Kind so spät mit dem Sprechen begonnen, dass man schon dachte, mit dem Jungen stimme etwas nicht. Und auch sonst war er anders als die anderen Kinder, tat sich schwer im Umgang mit Gleichaltrigen, liebte und brauchte Routinen und war fasziniert von Kleinigkeiten, die den meisten belanglos erschienen.


    Aufgewachsen ist er auf einer kleinen friesischen Insel und lebt nun als Doktorand in Berlin, ein zurückgezogener Typ, der mit quälender Unsicherheit zu kämpfen hat und dieser Neon-Anzeigetafel in seinem Kopf, die ihm ständig mit irgendwelchen Bedenken dazwischenfunkt. Eines Tages erreicht ihn der Hilferuf seiner Großmutter, er möge unbedingt nach Hause kommen, weil seine Mutter Oda im Krankenhaus ist und sämtliche Kommunikation eingestellt hat. Solche unvorhergesehenen Zwischenfälle kann Adam eigentlich gar nicht brauchen, aber natürlich folgt er der Aufforderung und kehrt in seine Heimat zurück. Anscheinend hat ein neu erschienenes Buch Odas Zusammenbruch ausgelöst, das irgendwie mit Adams Vater zu tun zu haben scheint.


    Hubert Riese, ein handwerklich begabter Allrounder, war seinerzeit auf die Insel gekommen, um den altersschwachen Leuchtturm zu renovieren und war geblieben, weil er sich in Oda verliebt hatte. Doch schon kurz nach Adams Geburt fing er an, sich merkwürdig zu verhalten, witterte überall bizarre Bedrohungen und verschwand schließlich spurlos, als Adam dreizehn war. Nun hofft Adam, mit Hilfe des Buchs und dessen Autorin endlich herauszufinden, wo Hubert abgeblieben ist, und so beginnt die verrückteste Zeit in seinem eigentlich so wohlgeordneten Leben.


    So zwiegespalten wie in diesem Fall bin ich selten. Kritisch gesehen hat das Buch einiges, was ich normalerweise nicht mag oder was mich nervt. Die Figurenzeichnung bedient so einige Klischees, von der gutmütigen, stets lecker kochenden und backenden Oma bis zum alltagsuntauglichen Nerd hart an der Grenze zum Asperger-Spektrum. Es gibt sachlichen Quatsch wie die Tatsache, dass Hubert stets als waschechter Bayer dargestellt wird, der in den Bergen aufgewachsen ist - aber aus Bad Kissingen kommt, also weit weg vom Hochgebirge. Und sprachlich treibt es die Autorin manchmal arg auf die Spitze mit etwas zu sprechenden Figurennamen und ihren kreativen Wortungetümen und Adjektivketten, vor allem bei den Farben geht es da im wahrsten Sinne des Wortes häufig übertrieben bunt zu mit Avocadogrün, Kressegrün, Hoffnungsgrün und weiß-der-Geier-was-noch-Grün. Angesichts all dessen war ich anfangs lange hin- und hergerissen, ob ich das Buch überhaupt zu Ende lesen möchte.


    Aber aus irgendeinem Grund hat mich die leicht abgedrehte Story dann doch gepackt, vielleicht auch, weil ich irgendwann beschlossen habe, sie einfach als nettes, unterhaltsames Märchen für Erwachsene zu lesen und nicht jedes Bisschen auf die Realitäts- und Logikanspruchswaage zu legen. Denn gemocht habe ich diese verschworene kleine Inseldorfgemeinschaft, in die Adams Familie eingebettet ist, ja doch, auch wenn sie ein bisschen arg harmonisch daherkommt, und über die Suche nach Hubert, den damit einhergehenden Roadtrip, der Adam einiges abverlangt, und die Lösung verschiedener kleiner Rätsel am Rande habe ich gerne gelesen. Auch den Humor mochte ich größtenteils, ab und zu musste ich richtig lachen über die messerscharf beobachteten, ein wenig bissig beschriebenen Skurrilitäten des deutschen Alltags, und mit vielen musikalischen Bezügen und dem Schauplatz der letzten Etappe von Adams Reise hat die Autorin bei mir offene Türen eingerannt.


    Somit landet das Buch trotz einiger Abzüge in der B-Note doch noch bei guten 3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Eine tolle Rezi, die mir so richtig gut gefällt :thumbup: (mit diesem Roman hab ich irgendwie auch schon des öfteren "geliebäugelt") Vielen Dank für Deine Leseeindrücke, liebe Valentine !

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • Das bereitet mir Bauchschmerzen. ^^ Das Buch liegt auf meinem SUB und ich hatte mir davon vorallem keine Skurrilität versprochen. Das muss ich dann wohl mal testen. Aber momentan klingt es ehrlicherweise nicht nach einem Buch für mich.

  • Ich habe das Buch mit Vorfreude begonnen, weil ich aufgrund des Titels eine besondere Erwartung hatte. Die hat sich leider nach spätestens der Hälfte des Buches verflüchtigt.

    Valentine Ich finde es besonders, dass du "beschlossen" ;) hast, dass das Buch doch nicht so abgedreht ist. Ich habe es am Schluss nur noch quer gelesen, weil ich wissen wollte, welches Ende ansteht,. Selten eine so zusammengeschusterte Geschichte gelesen!


    Die weiteren Bücher der Autorin, die ich schon auf meiner Wunschliste hatte, habe ich wieder gelöscht.

    Man kann im Leben auf vieles verzichten, aber nicht auf Katzen und Literatur!

    (gesehen auf einem Plakat)

  • Buecherkatze : es hat mich selbst gewundert, dass es mich noch so gekriegt hat, weil es, wie bereits in der Rezi geschrieben, so viele Dinge enthält, die ich eigentlich überhaupt nicht leiden kann. Ich kann es auch nicht so recht begründen, warum es mir am Ende doch ganz gut gefiel, aber es war so. Geholfen hat bestimmt, dass viel Musik im Spiel war (sogar ein Choral kam vor, den ich sehr mag) und die Reise am Ende in mein Lieblingsland geführt hat, speziell auf eine Insel, die ich superschön finde.


    Ich verstehe aber auch alle, die mit dem Buch nicht warm werden. Es ist schon eine ziemlich spezielle Mixtur und ich muss jetzt auch nicht unbedingt gleich wieder was von der Autorin lesen.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen