Hallo,
hier kommt meine zweite Rezension für den SuB-WB06.
Klappentext
Zwei Frauen, die auf einer Insel ein Spiel spielen, das "sich so ein Leben vorstellen" heißt. Ein Premierenfest, das ein unerwartetes, frühmorgendliches Ende in der Wohnung des Regisseurs findet. Ein Mann, der in seinem Sommerhaus an der Oder Besuch erhält und an eine Vergangenheit erinnert wird, die er nicht mehr kennen will. Judith Hermanns Figuren inszenieren sich ihr Leben, Sie lassen sich nur passiv oder als Zuschauer, nur spielerisch in "Lebensläufe" ziehen. Ihre Gedanken kreisen immer wieder um dieselben Themen: um Liebe und Vergänglichkeit und die Angst vor dem Ungelebten, dem verhinderten Leben.
Meine Meinung
In insgesamt neun Kurzgeschichten schlüpft Judith Hermann in verschiedene Figuren und gewährt dem Leser einen flüchtigen, aber zugleich auch sehr intimen Einblick in deren Seelenleben. Die Handlung der Geschichten steht dabei im Hintergrund, Geschehnisse sind eher alltäglicher Art. So hat man eine Person kaum kennen gelernt, da verlässt man sie auch schon wieder, ohne dass etwas Besonderes passiert ist. Judith Hermann’s Charaktere sind und bleiben einsam. Wie aus der Distanz scheinen sie sich selbst zu beobachten, können ihre eigenen Gefühle nicht so recht greifen.
Das klingt zwar nicht gerade sonderlich spannend, wird aber auf so wunderbar melancholische Weise beschrieben, dass diese bedrückende, aber irgendwie auch schöne, ruhige Stimmung auf den Leser übergeht.
Die einfache, klare Sprache der Autorin hatte eine Art Sogwirkung auf mich. Immer wiederkehrende Bilder, lebendige Vergleiche und eine fast schon poetische Ausdrucksweise zeichnen eine dichte Atmosphäre, die leicht und zugleich auch so schwer ist. Judith Hermann hat eine sehr eigene Stimme entwickelt, die auch die Perspektive eines Mannes glaubwürdig wiedergeben kann.
Schade ist allerdings, dass sich die Figuren auf die Dauer zu sehr ähneln. Die meisten sind sehr starke Raucher (wie die Autorin selbst) und entstammen der Künstlerszene. Hier hätte ich mir ein wenig mehr Abwechslung gewünscht.
FAZIT: Das vor dem Text abgedruckte Zitat von Tom Waits spiegelt die Stimmung des Buches sehr schön wieder: „The doctor says I’ll be allright, but I’m feelin’ blue.“ Ein Buch also, das man vielleicht besser nicht lesen sollte, wenn man ohnehin schon etwas deprimiert ist.
Bewertung: