Hallo Sandhofer
Mir ist klar, dass diese Attituden im damaligen Russland verbreitet waren und Dostojewskij eine historische Strömung wiedergibt. Das macht diese Attituden aber nicht wahrer oder zeitgemässer. Wie überhaupt diese ganzen ideologischen Diskussionen in seinen Romanen fürchterlich zeitgeistig und daher für uns Heutige irrelevant geworden sind. Diese slavophilen Ergüsse, diese absolute Überschätzung der orthodoxen Kirche, diese Diskussionen über Atheismus etc sind doch auf dem historischen Müllhaufen gelandet und mag uns heutige kaum mehr zu berühren.
Was die Schuld angeht, da müsste man eine grössere Diskussion starten... natürlich redet Dostojewskij dauernd davon. "Alle sind schuldig", ist so ein Lieblingssatz von ihm. Aber was heisst das konkret?
Ich lese die Literatur nicht aus historischem Interesse, sondern um meinen Horizont zu erweitern, neue Gedanken zu bekommen oder einfach um der Schönheit willen. Und in allen drei Dimensionen hat Dostojewskij mir nichts mehr zu bieten. Die Schuldfrage ist doch heute vor allem in der Tiefenpsychologie und in der Philosophie ziemlich ausdiskutiert worden, und ich sehe ehrlich gesagt nicht ein, wieso man hinter diesen Standard zurückgehen soll.
Und was Nietzsche mit der Schuldfrage zu tun hat, ich weiss ja nicht..
Aber das wäre ein Thema für eine Dissertation.
Ralf