Elias Canetti - Die Stimmen von Marrakesch

Es gibt 8 Antworten in diesem Thema, welches 4.579 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Breña.

  • Elias Canetti - Die Stimmen von Marrakesch. Aufzeichnungen nach einer Reise


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    Dass es sich bei "Die Stimmen von Marrakesch" um einen Reisebericht handelt, verrät bereits der Untertitel "Aufzeichnungen nach einer Reise". Dass dies aber kein ganz gewöhnlicher Report, sondern vielmehr ein wunderbares Stückchen Literatur ist, beginnt man bereits nach den ersten Zeilen zu ahnen ...


    Elias Canetti, der die Stadt im Süden Marokkos bereits vor über 50 Jahren bereist hat, nimmt uns mit auf seinen ganz eigenen Streifzug durch das ursprüngliche Marrakesch, spaziert mit uns über Kamelmärkte und durch den Souk, erkundet das jüdische Viertel, schenkt uns Einblicke in private Häuser und eine Schule.


    Der faszinierenden Stadt mit ihrer fremdartigen Kultur (-> Marabus), aber auch ihrer Armut (-> Blinde, Bettler) und mitunter kargen Gegend tritt Canetti ohne Scheu und mit einer scharfsinnigen Beobachtungsgabe gegenüber.


    Die - meist sehr kurzen - Kapitel sind jeweils einer Begegnung, einem Ereignis gewidmet und in sich abgeschlossen. Dennoch wirkt das Ganze nie abgehackt, sondern fließend und in sich stimmig. Aufgrund der plastischen Beschreibungen meint man bereits nach den ersten paar Seiten die flirrende Atmosphäre förmlich spüren zu können. Der Stil ist sehr angenehm zu lesen. Alles ist ganz leicht, wie eine Wolke.


    Auf gut 100 Seiten schafft es der Autor nicht nur Fernweh zu verursachen, sondern auch wehmütige Träume zu wecken, einmal so ursprünglich zu reisen wie Elias Canetti selbst es getan hat - weit abseits von allem Sightseeing und Touristengedränge.


    4ratten

    Ich hieß hier mal caithlin.<br /><br />&quot;If I had a dollar for every time i felt more emotion for a fictional character than people in real life, I could pay for the psychiatric help I obviously need.&quot;

  • In einem Anflug von Masochismus habe ich "Die Stimmen von Marrakesch" gelesen, als meine Freunde in Marokko auf Urlaub waren. :rollen:


    Was Caithlin über die Atmosphäre und den Stil geschrieben hat, kann ich nur bestätigen - wirklich sehr angenehm und einprägsam! Allerdings glaube ich mich erinnern zu können, dass mich manche Kapitel doch etwas gelangweilt haben. Andere sind mir bis heute lebhaft im Gedächtnis. Das Büchlein gewährt tatsächlich interessante Einblicke in diese fremdartige Kultur - aber da es dermaßen dünn ist, kann es naturgemäß nicht allzu tief unter deren Oberfläche dringen.


    Insgesamt vergebe ich 3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:


    Zum Wiederlesen wird mich das Büchlein wohl nur dann reizen, falls es mich selbst einmal nach Marokko verschlagen sollte. :zwinker:


    Liebe Grüße,
    Bluebell

    [color=darkblue]&quot;Date a girl who reads. Date a girl who spends her money on books instead of clothes. She has problems with closet space because she has too many books. Date a girl who has a list of b

  • Habe das leider noch nicht gelesen, lese mich aber gerade durch Canettis Autobiographie und finde die zwar spannend, aber Canetti ist mir dabei sehr unsympatisch. Da ich gerade eine Hausarbeit ueber hn schreibe, habe ich auch erst mal genug von ihm und werde wohl so schnell nicht wieder was von ihm in die Hand nehmen.

    &quot;Ganze Literaturen wären nicht, riegelten die Maedchen ihre Türen auf&quot; Kurt Tucholsky

  • Über dieses Buch bin ich schon mal irgendwo gestolpert und fand, daß es sich durchaus spannend anhörte. Darin bin ich durch caithlin bestätigt worden, es rutscht also weiter nach oben auf der "Wird-demnächst-mal-gelesen-Liste" :smile:


    Schönen Gruß,
    Aldawen

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    Im Klappentext steht treffend, Canetti beginne "in kurzen literarischen Skizzen die rätselhafte Stadt in ihrer ganzen Sinnlichkeit und Lebendigkeit zu beschwören". Er bietet dem Leser in der Tat keine Schilderung spannender Begebenheiten sondern Einblicke in sein Bild der Stadt. Er teilt Momentaufnahmen, die er eingefangen hat, und gibt die Atmosphäre von Marrakesch in den Fünfzigern wieder. Dabei zeigt sich sein Können besonders darin, mit wenigen Worten viel Stimmung zu vermitteln. Er weiß, was es wert ist berichtet zu werden, und welche Gedanken er mit dem Leser teilen kann. Dadurch erhalten die Texte wiederum eine sehr persönliche Note, die über den Charakter eines Reiseberichts hinaus geht.


    In verschieden umfangreichen Texten, die für sich abgeschlossen sind, führt Canetti den Leser durch die Straßen der Stadt und über ihre Märkte. Er richtet den Blick mal auf die Bettler, mal auf die Händler, mal auf die Fremden, die einen Teil des bunten Stadtbildes ausmachen. Den Mittelpunkt stellt für mich sein erster Besuch im jüdischen Viertel, der Mellah, dar, besonders eindrucksvoll ist seine Beschreibung des jüdischen Friedhofs.


    Da mir Sprache und Stimmung des Büchleins so gut gefallen, werde ich bestimmt immer mal wieder reinlesen. Insgesamt gibt es
    4ratten:marypipeshalbeprivatmaus:


    Viele Grüße
    Breña

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges

  • Diese Skizzen lassen mich zwiespältig zurück. Sie sind durchaus angenehm zu lesen und könnten mich auch dazu bringen, mir mehr von Canetti zu Gemüte zu führen. Aber, und das ist ein ziemlich dickes Aber, mich hat hier auch etwas gestört, was möglicherweise vor allem dem Sujet geschuldet ist: mal mehr, mal weniger unterschwellig kam – zumindest für mich – eine gewisse Arroganz, ein Überlegenheitsgefühl des gebildeten, vor allem im Vergleich zu den Menschen der Stadt nicht unvermögenden Europäers gegenüber einer fremden Welt zum Ausdruck.


    Canetti nimmt das, was er sieht, auf ohne nach dem Hintergrund zu fragen, Verständnis zu suchen. Er macht sich ein Vergnügen daraus, Bettlern ein Schnippchen zu schlagen und ist damit zwar nicht ganz so ein A... wie der Restaurantwirt, der mit seinen Kumpels mal eine Prostituierte um ihre Einnahme brachte, aber nicht viel besser (und jedenfalls nicht genug, um sich vom Verhalten dieses Mannes peinlich berührt fühlen zu dürfen). Er ist stolz darauf, in der ganzen Zeit nicht ein Wort Arabisch gelernt zu haben. Was für eine Art von Wahrnehmung ist das eigentlich? Jedenfalls keine, die mich anspricht und die ich in dieser Intention gutheiße. Nein, ich glaube, so schnell wird doch kein weiteres sein Werke den Weg zu mir finden ...


    3ratten (mit ein bißchen Goodwill für den an sich angenehmen Stil)


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • Dieses Gefühl der Überlegenheit hat sich mir tatsächlich nicht vermittelt. Ich hatte zwar den Eindruck, dass Canetti bewusst die Rolle eines Betrachters einnimmt und eben in erster Linie fragmentarische Begebenheiten schildert, dass er aber nicht ausdrücklich nach einer Abgrenzung zu den Bewohnern der Stadt sucht.
    Jetzt frage ich mich, ob ich so unsensibel gelesen habe (ich war in erster Linie von Stimmung und Atmosphäre eingelullt, ich gebe es zu :zwinker:), oder ob du durch deinen Afrika-Schwerpunkt einfach verstärkt auf solche Punkte achtest. :gruebel:


    Viele Grüße
    Breña

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges


  • Jetzt frage ich mich, ob ich so unsensibel gelesen habe (ich war in erster Linie von Stimmung und Atmosphäre eingelullt, ich gebe es zu :zwinker:), oder ob du durch deinen Afrika-Schwerpunkt einfach verstärkt auf solche Punkte achtest. :gruebel:


    Das kannst Du ja mit einer Wieholek untersuchen :zwinker: Aber im Ernst: Würde mich interessieren, ob Du mit meiner Einschätzung im Hinterkopf auch herauslesen kannst, oder ob ich vielleicht einfach übersensibel reagiert habe. Das könnte ja schließlich genauso der Fall sein ...


    Schönen Gruß,
    Aldawen


  • Das kannst Du ja mit einer Wieholek untersuchen :zwinker: Aber im Ernst: Würde mich interessieren, ob Du mit meiner Einschätzung im Hinterkopf auch herauslesen kannst, oder ob ich vielleicht einfach übersensibel reagiert habe. Das könnte ja schließlich genauso der Fall sein ...


    Da mich das nun auch interessiert werde ich das Buch nachher aus dem Regal wieder auf den Schreibtisch räumen und die Wieholek zeitnah starten. Versuchsergebnisse später wieder hier. :zwinker:

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges