Meine 6. Rezi zum SUB-Wettbewerb 2007
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Henry Miller: Wendekreis des Krebses
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Der „Grand Galop chromatique“ für Klavier, ein auf Effekthascherei angelegtes brilliantes Virtuosenstück des Komponisten Franz Liszt, das aber sterilmechanisch über die Tastatur hoppelt und das Gefühl musikalischer Schönheit meinem Herzen verschlossen bleibt. Das Klavierstück lief gestern im Radio, und ich erinnerte mich an eine Szene aus dem „Wendekreis des Krebses“. Der Erzähler, Henry Miller selbst, sieht einem Freund zu, wie der sich mit einer Hure um einen Koitus bemüht. Das Bild von dem Paar vergleicht Miller mit einer leidenschaftslos sterilen „Maschine, deren Zahnradantrieb ausgerastet ist“.
Henry Miller erzählt von seinem Leben in Paris während der dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts und wie sich aus dem einleitenden Absatz schon erahnen lässt, betrachtet er sein Leben kritisch. Er vergleicht Paris mit einem Krebsgeschwür, „das wächst und wächst, bis man davon aufgefressen wird.“ Auf Anhieb ist gar nicht klar, worin sich Henry Millers Gesellschaftskritik eigentlich bezieht, ein aufmerksames Lesen ist erforderlich. Je weiter ich mit der Lektüre fortschritt, je mehr wurde mir offenbart. Es zeigte sich, hinter dem Roman steht eine östlich angehauchte Philosophie.
Der Mensch braucht seine Freiheit, damit er zu sich selbst kommen kann, wird aber durch die Umwelt und durch andere Menschen abgelenkt, die ihm Zeit rauben, das Leben durcheinanderbringen und in die eigene Seele dringen. „...was der Künstler braucht ist Einsamkeit.“, sagt Miller und meint wahrscheinlich damit, wenn jemand künstlerisch Kreativ ist, muss sich derjenige von der äußeren Welt lösen, damit er sein Kunstwerk gestalten kann. Diese Interpretation schreibe ich einfach mal so hin. Jeder Leser wird sich seine eigenen Gedanken darüber machen. Miller kritisiert das sterile bürgerliche Leben. Über die Betrachtung gespreizter Beine eines Torso einer jungen Frau von Auguste Rodin kommt einer Autor zur ostlichen Philosophie, alles sei doch nur eine „Illusion“, auch der „Sexus..eben nur eine Leere“.
Mir hat der Roman sehr gefallen, weil viel mehr darin steckt, als ich mir erträumt habe. Ich habe ja nur das wesentlichste genannt. Henry Miller schreibt großartige Sätze, die ich mir am liebsten einrahmen und an die Wand hängen würde, wenn Platz wäre. Er entwirft grandiose surrealistische Bilder von Paris und seinen Kampf um ein wenig Geld zum Essen, verschiedene Jobs usw. Der Weg von einer Hure zur nächsten ist nur ein Versuch, der angeödeten Welt zu entkommen.
Henry Miller bedient sich in diesem Roman einer heute noch sehr modern anmutenden Sprache, die sehr zeitlos und frisch daherweht. Er hat schon was besonderes, der Miller, zitiert aus Goethes Gesprächen mit Eckermann, philosophiert über ein Gemälde von Matisse...und und und.
Liebe Grüße
mombour