Es ist schon etwas länger her, dass ich die Bücher gelesen habe und weiß nicht, ob ich mich noch an alles richtig erinnere, aber das beschäftigt mich dann doch noch. Ich habe diesen medialen Zerriss damals überhaupt nicht mitbekommen.
Ich war eher schockert darüber, dass Sabine im Buch immer von linguistischer Arbeit und Respekt vor den Stammestraditionen schreibt, die Eltern aber von Wycliff angestellt waren, um zwar schon die Sprache zu lernen, aber für die Bibelübersetzung. Das kommt im zweiten Band zu tragen, als erwähnt wird, dass die Fayu jetzt an Gott glauben.
Missionsarbeit also. Für mich das Gegenteil von Respekt, denn hier heißt es ja "unser Gott ist besser als eurer!"
Anklänge daran findet man schon im ersten Buch.
Ich hatte das Buch überhaupt schon so begonnen, dass es um Missionare ging, ich denke das wurde doch irgendwo erwähnt. Dementsprechend kritisch war ich gegen die Eltern und ihre „Arbeit“ dort eingestellt, und was sie eigentlich damit bezwecken wollten. Jedoch nicht weil missionieren gleich Zwangsmissionierung ist. Ich kenne Wycliff aber nicht. Ich konnte nicht herauslesen, dass die Intention die war, die Fayu-Kultur zu „guten Christenmenschen“ umzuerziehen oder erweckungs-theologisch die verlorenen Seelen der Wilden zu retten.
Im Gegenteil, ich fand den Blick niemals überheblich oder herablassend, sondern sehr respektvoll. Ich denke Fayu- und weisse Kinder sind im gegenseitigen Einfluss aufeinander aufgewachsen. Wie sollte man das auch verhindern.
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Mich wunderten auch die sehr guten Fotos im ersten Buch. Das waren analoge Fotos, die später digitalisiert wurden und sie sollten als Familienerinnerungsfotos durchgehen. Sie sehen aber - vor allem die auf dem Buchumschlag - eher wie Werbefotos für einen Film aus. Also auch ziemlich gestellt?!
Wurde da evtl. schon früh Vorarbeit für eine Vermarktung geleistet?
Wenn ja, wird auch der Blick der Kinder auf die Fayu anders gewesen sein als im Buch geschildert, denn es wird wohl dann schon früh erklärt worden sein, dass man mit bestimmten Szenen später Geld machen kann.
Das finde ich jetzt arg unterstellt. Dass die Eltern nur deswegen in den Dschungel gegangen sind, um ihre Kinder zu benutzen, damit die dann darüber lukrative Bücher schreiben. So sekten-gehirngewaschen kam sie mir wirklich nicht vor. Und anders kann man es gar nicht verhindern, dass sich Kinder anfreunden, wenn sie so nahe miteinander leben. Oder die Welt als vertraut ansehen, in der sie jahrelang aufgewachsen sind.
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Am Ende frage ich mich, ob dies nicht, wie ich irgendwo las (Webseite vergessen) eine "typische", wenn auch drastische und vielleicht außergewöhnlich tiefgreifende Geschichte über den Verlust der Kindheit ist?
Und ob nicht DAS vielleicht eher den Reiz des Buches ausmacht, das Gefühl, das jeder Erwachsene mit einer einigermaßen glücklichen Kindheit kennt "Die unbeschwerten Jahre sind für immer vorbei" (die Jahre, als man eben ohne große Gedanken an die Zukunft unbeschwert vor sich hin lebte, nicht, dass man danach nie wieder unbeschwert leben kann...nur nicht so ).
Genau so hab ich es gelesen, als drastische und außergewöhnliche, tiefgreifende Geschichte. Jedoch alles andere als typisch. Die wenigsten Menschen müssen beim Übergang von romantischer Kindheit zu Erwachsen-werden einen derartigen Kulturschock überwinden, von Depression und Selbstmordversuch ganz zu schweigen. „Dschungelkind“ mag nicht objektiv genug geschildert sein, aber das hätte auch kaum zu dem Kindheitsbericht gepasst, bei dem ich nicht gezweifelt habe, dass Sabine es so empfunden hat, wie sie es eben geschildert hat.