Umberto Eco - Die Insel des vorigen Tages

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  • [size=14px]Umberto Eco: Die Insel des vorigen Tages. HC Hanser 1999 (Neuaufl.) - PB dtv 1997.[/size]


    Roberto de la Grive, Abkömmling eines heruntergekommenen lombardischen Adelshauses, landet als einziger Überlebender eines Seeunglücks und Schiffbrüchiger auf einem verlassenen Schiff (!) vor einer unbewohnten Insel, von der ihn nicht nur die Datumsgrenze trennt, sondern auch die Tatsache, daß er nicht schwimmen kann.
    Er war im Auftrag des französischen Hofes unterwegs, um diese Datumsgrenze ausfindig zu machen, Mitarbeiter eines weltumspannenden Konkurrenzprojektes, das der Bestimmung der Längengrade diente. Was so selbstverständlich erscheint, war bis ins 18. Jahrhundert hinein ein gravierendes Problem: Die Schiffe der Entdecker fuhren ins Blaue hinein über die Ozeane, sie wußten zwar, in welchen Breiten sie sich befanden, aber nicht wie schnell oder langsam sie auf ihren Reisen vorankamen!


    Roberto ist ein sperriger Protagonist, ein Feigling und Dummkopf mit Neigung zu Paranoia und Wahnvorstellungen. Die Entdeckung, daß er auf diesem Schiff, auf dem sich ein Raum mit Vögeln und ein anderer voller Uhren befinden, nicht allein ist, versetzt ihn in Panik.
    Der Leidensgenosse, Pater Caspar Wanderdrossel, ebenfalls ein Nichtschwimmer, klärt ihn über die Geschichte des Schiffes - Daphne - und seiner Mannschaft auf: Die Mannschaft habe nach ihrem Eintreffen mit allem wichtigen Werkzeug auf die Insel übergesetzt und sei dort von Wilden niedergemacht worden.
    Roberto versucht, sich das Schwimmen beizubringen, aber es gelingt ihm nicht. Sodann entsinnt sich Wanderdrossel der Zeichnung einer Taucherglocke, die er irgendwann irgendwo in einem Buch gesehen haben will, und spekuliert darauf, daß er mittels diesem Instrument auf dem Meeresgrund zur Insel wandern könne, um das Werkzeug zurückzubringen; die beiden basteln sich diese Taucherglocke, Wanderdrossel steigt mit ihr ins Meer und verschwindet.
    Alleingelassen verlegt sich Roberto darauf, einen Roman über sein Leben und das seiner verwegensten Wahnvorstellung, eines imaginierten "dunklen Zwillingsbruders" namens Ferrante, zu entwickeln, der seinem Schicksal einen Sinn geben soll; zugleich versucht er es nochmals mit dem Schwimmen.


    Die Welt des Roberto de la Grive ist ein Kaleidoskop des 17./18. Jahrhunderts, Erinnerungen mischen sich mit Wunsch- und Wahnvorstellungen eines überreizten Gemüts. Dazwischen vermittelt Eco über einen Erzähler geschickt Wissen und Aberglauben dieser Zeit, macht vor keinem noch so absurden oder schrecklichen Detail Halt.
    Der Stil ist geradezu pompös, angelehnt an die selbstverliebte Sprache dieser Zeit läßt er seinen Erzähler Robertos Leben anhand (fiktiver) Dokumente erzählen, über dieses Leben räsonnieren ebenso wie über die damalige Zeit. Realität und Fiktion verweben sich zu einem Gemisch aus hsitorischer Realität, fiktiver Realität und fiktiver Fiktion - eine derart kunstvolles Rezept, deren Zusammensetzung und Verarbeitung bislang nur einem Umberto Eco zu Gebote steht. Der Roman ist gespickt mit Zeichen, Symbolen, Metaphern, Anspielungen, Verweisen etc., unkommentiert, parodiert, ironisiert, verfremdet etc., und das ohne daß es sich der Autor an irgendeiner Stelle dem Leser gegenüber raushängen ließe, um wie viel intelligenter, klüger, gebildeter er doch sei. Eco gönnt einem den Spaß des Wiedererkennens von Motiven, weckt den Wunsch danach, es nicht nur einmal zu lesen, sondern wieder in die Hand zu nehmen, auf die Suche zu gehen, die Spurensuche nach der Entwicklung unserer heutigen Weltanschauungen.
    Die Sprache hat eine sonderbare Sogwirkung, sobald man beginnt, sich an ihrem Zeichenkodex entlangzuhangeln, was voraussetzt, daß man sich auf diese Art des Sprechens - denn er "erzählt" diese Geschichte im wahrsten Sinne des Wortes! - einläßt.


    Selbstverständlich könnte man den Plot auf 50 Seiten oder gar weniger straffen. Selbstverständlich braucht es die geschwätzige, pompöse Sprache nicht, um eine Geschichte über die Bestimmung der Längengrade zu schreiben - das hat Dava Sobel (Längengrad. btb/Goldmann, Berlin 1998, DM 15,--) längst bewiesen. Aber Sobel liefert bei aller Gelehrtheit nur das "naturwissenschaftliche" Detail aus dem konfusen Konglomerat aus Wissenschaft und Weltanschauung einer Zeit, für die die Figur des Roberto de la Grive ein pefekter Repräsentant ist.


    Fazit: Sehr empfehlenswert!


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  • Hallo Iris,


    in meiner Studentenzeit (da hatte ich noch Zeit), habe ich mir diesen Roman gekauft, in der Hoffnung einen neuen Robinson Crusoe kennenzulernen oder etwas über die Schatzinsel zu erfahren.


    Weitgefehlt, ich war etwas enttäuscht, um nicht zu sagen entsetzt, über die Schwierigkeit der Sprache und die Länge der Textpassagen mit nahe Null,nix Info (fand ich damals). Also legte ich es beiseite. Da liegt es immer noch, etwas vergilbt, was eventuell den aktuellen Reifegrad oder die Dauer meiner Ignoranz anzeigt.
    Naja, immerhin liegt es noch da, nach mehreren Umzügen noch nicht verschollen, schon gar nicht im vorigen Tag. Aber irgendwie habe ich Angst es erneut in die Hand zu nehmen, überholt mich dann meine Zeit, oder werde ich antiquarisch - im Sinne "Zurück in die Vergangenheit" katapultiert.


    Inzwischen habe ich neben Baudolino auch das Foucoltsche Pendel gelesen, sehr schwer - sehr schwer, nur für Geduldige und Eco-Fans.


    Sollte ich die notwendige Muße oder geistige Reife besitzen oder gleich Gesinnte finden, werde ich mich aufraffen, und zur Insel des vorigen Tages zurückkehren.


    In diesem Sinne
    liebe Grüße Kathrin

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  • Hallo Kathrin!


    Zugegeben: Eco ist nicht jedermenschs Sache. :zwinker: Er hat gelegentlich etwas von Thomas Mann, der auch historische Themen bearbeitet hat (allerdings eher biblische) und mit seinem Bildungsschatz nicht hinterm Berg halten wollte. Während man jedoch Thomas Mann - bei aller Liebe zu seinem Stil - gelegentlich durchaus Arroganz vorwerfen kann, ist Eco immer ein Spieler, einer der in seine von Fabulierlust vorangetriebenen Geschichten all das einflicht, was ihm dazu so einfällt.
    Allein Anfang und Schluß von Baudolino finde ich dermaßen witzig, dass es mich mit der einen oder anderen langatmigen Passage versöhnt.


    Mein Mann hat vor Jahren Das Foucaultsche Pendel gelesen und stimmte Hellmut Karasek zu, der darüber sagte: "Lesen ist wie verdauen: Gute Bücher brauchen Ballaststoffe, damit man sie auch verdauen kann. Aber dieses Buch besteht nur aus Ballaststoffen."
    Mir ging es völlig anders. Da ich mit diesen ganzen Templer-, Freimaurer- und "Geheimorden"-Traditionen schon einigermaßen vertraut war, habe ich mich bei dieser Weltverschwörung, die erst dadurch entsteht, dass die drei neugierigen Verleger darüber recherchieren, köstlich amüsiert.
    (Im Gegensatz zu Dan Brown, dessen Kolportageromane ich weder spannend noch besonders aufschlussreich finde - aber das ist eben Geschmackssache, darüber sollte man sich nicht streiten. :smile: )



    Eco ist sicher kein Autor, dessen Romane sich als Einführung in das Thema eignen; dazu erfordert er nun doch zuviel Vorkenntnisse. Aber mit einem gewissen Hintergrund machen diese Bücher richtig Spaß.
    Als Einführung zu diesem Thema eignet sich übrigens Dava Sobels Roman Längengrad (Berlin Verlag) recht gut.
    Herzliche Grüße,


    Iris

  • Hallo allerseits
    Hallo Iris


    Ich habe erst jetzt Deine Rezension über "Die Insel.... " gesehen und stimme Dir vollkommen zu. Auch, was Du über das Foucault'sche Pendel geschrieben hast, sehe ich genauso.


    Allerdings kann ich auch Kathrin verstehen, denn leichte Kost sind diese Bücher allemal nicht (wenn auch nicht richtig schwer). Denn genau dieses Spiel mit der Sprache bewirkt ja, dass das Lesen unheimlich Spaß macht.


    Liebe Grüße


    :winken:


    Daniela

    bitte wühlt bei booklooker mal in meinen Angeboten (elahub) - ich verkaufe für die Katzenhilfe Göttingen :) -

  • Hier kommt meine Rezension zur "Insel des vorigen Tages"...


    ich habe das Buch im Rahmen des SUB-Wettbewerbs gelesen und nur deswegen (und um dann auch Inhalt für die Rezi zu haben) habe ich es überhaupt beendet.
    Ich kenne von Eco Baudolino, das Foucaultsche Pendel und der Name der Rose, aber so schwer wie dieses Buch ist mir keins davon gefallen.


    Die eigentliche Geschichte um den jungen Roberto (ein wehleidiges Jüngelchen :zwinker: ) liesse sich mit allen Nebenhandlungen in 50-100 Seiten zusammenfassen. Das ist ja nicht unähnlich den anderen Büchern, aber während ich die Ergüsse von Ecoschem Wissen sonst interessant fand, fühlte ich mich hier eher gelangweilt. Ich hatte auf Erläuterungen zum Sachthema "Längengrade - Ihre Bedeutung und Berechnung" gehofft, habe aber stattdessen mehr über die Ideengeschichte des 16. Jh. erfahren, als ich jemals wissen wollte. Roberto führt mehrere Diskussionen zum Beweis von der Existenz Gottes, ob die Sonne sich um die Erde oder umgekehrt dreht und über das Sympathetischen Pulvers (eine Wunde heilt, sofern man die Waffe, mit der die Wunde geschlagen wurde, mit diesem Pulver bestreut)
    Es mag ja sein, dass all das tatsächlich primäre Diskussionsthemen im 16. Jh. waren, aber mich interessieren sie nicht, da sämtliche Argumentationen unter Berücksichtigung des heute bekannten Wissens eher Quatsch sind :breitgrins:
    Also quälte ich mich hindurch, freute mich über jedes bisschen Handlung und habe leider immer noch keine Ahnung, wie man denn jetzt endgültig Längengrade bestimmen lernte und welche Methode funktionierte. Da werde ich wohl doch mal in ein Sachbuch schauen oder wikipedia befragen und ich frage mich, hab ich die Lösung überlesen im Wust der Informationen oder hat Eco sie bewusst offengelassen.


    3ratten gibts dafür

  • illy


    Zu dem Buch "Die Insel des vorigen Tages" kann ich mich nicht äußern, da ich es noch nicht gelesene habe.
    Aber wenn du ein Buch über Längengrade und den Beginn ihrer Berechnung lesen möchtest, gäbe es da das Buch "Längengrade" von Dava Sobel.



    Gruß
    yanni

  • Ich habe die Insel des vorigen Tages mal vor Jahren begonnen und es dann entnervt in die Ecke geworfen. Ich konnte nichts damit anfangen.


    Vielleicht sollte ich es jetzt, ein paar Jahre später, ja noch einmal versuchen. Eure Rezis sind sehr aufschlussreich und hören sich auch sehr spannend an.


    Wie sagte meine Professorin einmal: Jedes Buch hat seine Zeit. Vielleicht ist es bei dem Buch ja jetzt so weit.


    Katrin

  • An diesem Buch habe ich mir bisher auch die Zähne ausgebissen.


    Der Name der Rose, Baudolino und Das Foucaultsche Pendel habe ich sehr gerne und auch mehrfach gelesen. Auch die Glossen und Satieren von Eco
    gefallen mir sehr gut.


    Aber dieses Buch. Ich muss mich irgendwann mal wieder dran wagen. Vielleicht schaffe ich es ja doch, es mal ganz zu lesen, ohne
    von Langeweile und Desinteresse überwältigt zu werden.

  • Meine Meinung:


    Ein bisschen Ausdauer muss man schon mitbringen, um diesen Roman zu lesen. Ich habe es nicht bereut, mich darauf eingelassen zu haben, gebe aber zu, dass ich durchaus meine Schwierigkeiten damit hatte.


    Die Geschichte bewegt sich auf mehreren, ineinanderfliessenden Ebenen. In der Rahmenhandlung befindet sich Roberto de la Grive als Schiffsbrüchiger auf der Daphne, einem verlassen Schiff, das sich in der Südsee, genau auf der Datumsgrenze, befindet. Er schreibt seine Erinnerungen nieder und damit verbunden sind zahlreiche Rückblenden in den Dreißigjährigen Krieg und seine Zeit in Paris. Unterbrochen wird diese Einsamkeit durch die zeitweilige Anwesenheit eines Jesuitenpaters, der sich Robertos annimmt. Später beginnt Roberto, einen Roman zu schreiben, in dem seine Geliebte und sein erfundener Bruder Ferrante eine große Rolle spielen; hier beginnen sich Wahrheit und Fiktion zu vermischen, so dass nicht mehr klar zu sein scheint, was Roberto nun tatsächlich erlebt hat und was ihm seine Phantastereien eingeben.


    Anfangs dominiert der Geschichtsunterricht, der sich insbesondere auf die Geschehnisse des Dreißigjährigen Krieges in Oberitalien bezieht. Später nehmen die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse der Barockzeit einen breiten Raum ein, wie zum Beispiel das noch nicht gelöste Problem der Längengradbestimmung oder die Wirkungsweise des sog. sympathetischen Pulvers. Und je weiter die Geschichte fortschreitet, desto mehr beschäftigen philosophische Fragestellungen und Denkkonzepte den Leser.


    Dabei fand ich die Gedankengänge, beispielsweise über die Vielzahl der Welten, über das Wesen der Zeit, über die Hölle und über das Denken der Steine durchaus interessant; nur in dieser geballten Form schlich sich dann doch eine gewisse Langatmigkeit ein, die mir das Lesen einigermaßen schwer machte, zumal diese Passagen zu Lasten der Rahmenhandlung gehen, die sich gerade im letzten Drittel auf eine Minimum beschränkt.


    Der Roman strotzt nur so vor Anspielungen und Symbolen, von denen ich vermutlich nur einen Bruchteil erkannt habe, wie zum Beispiel Cyrano von Bergerac, der wohl für einen Protagonisten Pate stand. Auch Isaac Newton meinte ich in einem jungen Wissenschaftler zu erkennen. Der Sprachstil von Umberto Eco ist elegant und brilliert mit ausschweifenden Sätzen, interessanten Wortspielen und einer präzisen Beschreibung von Denk- und Sinnbildern.


    Bestimmt ist dieser Roman nicht der einfachste von Umberto Eco und er hat sicher seine Schwächen, aber trotzdem bin ich beeindruckt, wie der Autor die Geschichte aufgebaut und ausgearbeitet hat. Dass einiges zu Lasten der Lesbarkeit geht, ist sicher ein berechtigter Vorwurf; ebenso, dass die Geschichte an manchen Passagen mit philosophischen Betrachtungen überfrachtet ist. Für diesen Roman muss man Zeit mitbringen und sich vom Autor mit auf die Reise nehmen lassen, egal ob in die Südsee oder auf den Mond. Jedenfalls bereue ich nicht, das Buch gelesen zu haben, wenn es auch schwere Kost war



    4ratten

    :lesen: Kai Meyer - Die Bibliothek im Nebel

  • Meine Meinung


    Das gehört zwar nicht unbedingt in eine Rezi, aber ich bin echt stolz, dass ich dieses Buch endlich geschafft habe. Es lag seit 9 Jahren auf meinem SuB und wurde von mir dreimal angefangen, bevor ich es jetzt dank SLW beendet habe. Und ich musste überraschend feststellen, dass es gar nicht so furchtbar ist, wie ich lange Zeit dachte.


    Die Geschichte um Roberto la Grive hat mir sehr gut gefallen, sowohl seine Erlebnisse auf dem Geisterschiff als auch die Rückblenden auf seine Vergangenheit. Roberto ist ein etwas naiver und romantisch veranlagter Bursche, der in die meisten seiner Abenteuer eher unverhofft gerät. Für seine Fehler macht er seinen Bruder Ferrante verantwortlich. Robertos Charakter fand ich, trotz seiner Weltfremdheit oder gerade deswegen, sehr interessant und ich habe immer wieder gerne seinen Ansichten über die Liebe oder seinen Fantasien gelauscht. Manchmal habe ich über Roberto lachen müssen, besonders als er quakend durchs Wasser sprang. Und manchmal hätte ich ihm am liebsten eins übergezogen, weil er seine eigenen Fehler nicht erkennen, sondern sie lieber auf andere, insbesondere Ferrante, abwälzen wollte.


    Dieses Buch war mein erster Eco und ich bin hin- und hergerissen, was meine Meinung über seinen Schreibstil betrifft. Die opulente Auswahl an Wörtern, die der Autor verwendet, hat mich tief beeindruckt und an vielen Stellen auch begeistert. Aber mit den weitschweifenden, meist philosophischen Ausführungen bin ich weniger gut zurechtgekommen. Besonders zum Schluss hin war ich davon gelangweilt, da mich die Seelenwelt eines Steins eher weniger interessiert. Auch die Überlegungen zu den Meridianen fand ich mühsam und die Beschreibungen der meisten Gerätschaften ebenfalls.
    Gefallen hat mir hingegen die Verbindung zwischen dem Erzähler und Robertos Geschichte. Der Erzähler kommentierte immer wieder Robertos Handlungsweise und traf damit meist die Gedanken, die ich auch schon hatte.


    Dieses Buch ist harte Arbeit, viele Überlegungen habe ich nur rudimentär verstanden und die Hauptcharakter ist überproportional naiv. Aber die Grundhandlung ist klasse, Ecos Schreibstil bemerkenswert und Roberto zwar ein sehr naiver, aber dennoch liebenswerter Jüngling.
    Ich gebe 3ratten und habe mich dadurch endlich mit diesem Buch ausgesöhnt.

    "Bücher lesen heißt wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben über die Sterne." (Jean Paul)

  • Ich lese das Buch momentan für den TAMKA-Wettbewerb und muss sagen, dass ich positiv überrascht bin.
    Nachdem einige dieses Buch auf meiner Liste gesehen haben, wurde ich ein wenig beunruhigt, weil es als schwierig gilt. :breitgrins:
    Ich komme sehr gut mit dem Schreibstil zurecht (ob sich das Studium da auszahlt?!) und finde die Geschichte bisher zauberhaft. :smile:


  • Es mag ja sein, dass all das tatsächlich primäre Diskussionsthemen im 16. Jh. waren, aber mich interessieren sie nicht, da sämtliche Argumentationen unter Berücksichtigung des heute bekannten Wissens eher Quatsch sind :breitgrins:


    Das würde ich sofort so unterschreiben!


    Die Geschichte von Roberto fand ich schon spannend, allerdings sind mir die vielen Gedankenspiele zu unterschiedlichen Themen irgendwann zu viel geworden. Ich wollte einfach nur wissen, wie es Roberto ergeht und nach den ersten 180 Seiten dachte ich schon, es wird nie mehr etwas passieren.



    Aber mit den weitschweifenden, meist philosophischen Ausführungen bin ich weniger gut zurechtgekommen. Besonders zum Schluss hin war ich davon gelangweilt, da mich die Seelenwelt eines Steins eher weniger interessiert.


    Zu dem Zeitpunkt wusste ich, dass ich sehr froh sein würde, wenn ich das Buch zuklappen und beenden kann.


    Der Schreibstil von Umberto Eco ist wunderbar, darüber habe ich mich auch wirklich Seite für Seite freuen können.


    Viel bleibt mir nicht zu sagen: ich bin froh, das Buch endlich gelesen zu haben, werde es allerdings niemals als mein Lieblingsbuch bezeichnen, es gibt also 3ratten.

  • Es beruhigt mich ja schon, das ich nicht die Einzige bin die Schwierigkeiten mit dem Roman hat - ohne das die Satz und Gedankenkonstruktionen uninteressant wären oder gar schlecht. Im Gegenteil, man merkt einmal mehr das Eco ein Meister ist, der sein Handwerk versteht.


    Aus einer Laune heraus habe ich den Roman auch mal gegoogelt und habe dabei erfahren das Eco sich hier vor allem im Stil und den Bildern die er benutzt, am 16. Jahrhundert orientiert hat. Man hat hier also durchaus auch eine Art Versuch eines Barockromanes vor sich. Und trotzdem kommt auch der moderne Erzähler immer wieder durch. Vor allem merkt man das in der ganzen Bündelung der vielen Fragen die Robert aufwirft. Und auch in der Komplexität der Erzählebenen. Ein Autor der über einen Erzähler schreibt, der über einen Mann erzählt der beginnt einen Roman zu schreiben. ;) Auch die psychologische Ebene spielt hier natürlich eine Rolle. Robertos Art und Weise sich einen Doppelgänger zu erfinden und an diesem Motiv festzuhalten und ihn gar so zu verinnerlichen, das er seine ganz eigene Wahrheit konstruiert. Wobei das Doppelgängermotiv zeitlich etwas später in Mode kommt ;)
    Eigentlich wird ja auch ständig über das Schreiben und die Doppelbödigkeit von Literatur philosophiert. Das ist nach einer Weile ganz schön anstrengend, zu Mal man gerade was die Ideen und Gedankengeschichte des Barock angeht, manches mal schon fragt: "Muss das jetzt sein?" ;)
    Für mich ist die Handlung irgendwie dadurch sehr unwichtig geworden. Eco wollte vermutlich alles vermeiden was es wie Robinson Crusoe wirken lässt *g*
    Sicher kein Roman den ich noch ein mal lesen würde, da versuche ich es lieber mit einem anderen Eco. Wobei ich sagen muss das "Der Name der Rose" schon nicht so ganz mein Ding war.

  • Wunderbar dieser Abschnitt (eins zu eins nach der damaligen Rechtschreibung meiner dt. Ausgabe von 1997):

    Zitat von S.403

    [...]so öffnet sich die Kunst des Romans, obwohl sie uns warnt, daß sie uns Fiktionen vorsetzt, eine Tür in den Palast der Absurdität, die sich, hat man sie einmal leichtsinnigerweise durchschritten, hinter uns schließ.

  • Schlusswort:
    Ecos Roman ist Anspruchsvoll, keine Frage. So schreibt er und so möchte er auch schreiben. Die Leserin ist gefragt und muss sich auch geistig darauf einlassen wollen. Für mich war der Roman einerseits Genuss, sprachlicher vor allem. Andererseits aber auch langatmig und gefühlte 1000 Seiten lang. Sicher auch, weil man diese Art des Erzählens nicht mehr gewohnt ist. Weitschweifig, ausufernd, blumig in mancherlei Hinsicht. Vollgestopft mit allen möglichen philosophischen Ansätzen und Denkmustern des 16. Jahrhunderts. Aber auch jede Menge anderer Anspielungen und sogar fast schon Shakespeare-esken Formulierungen. Definitiv ist mir auch Einiges entgangen.


    Einerseits interessant, andererseits aber auch irgendwie banal, er scheint einem Ecos Spiel mit der Identität von Erzähler, Werk und Autor. Durch die Figur des Robertos vermischt sich diese Ebene sehr stark mit einander, auch wenn immer klar ist, der Erzähler (und nicht der Autor) hat das letzte Wort. Auch wenn eigentlich der Autor diktiert, das es so ist. Die Doppelbödigkeit der Literatur ist hinreichend bekannt und nichts Neues. Allein die Art wie Eco diese Eben vermittelt, ist dann wiederum auf höchstem Niveau und durchzogen von allerlei Philosophischem Gedankengut, da ich mich in der Philosophie aber nur sehr rudimentär auskenne, ist mir auch hier wohl sicher viel entgangen.


    Nach meiner Ansicht funktioniert der Roman nur teilweise ohne die Hilfe von zusätzlicher Literatur. Die Handlung um Robertos Leben erscheint nur als Rahmen für diese ganzen Ausschweifungen die Eco hier macht. Deshalb finde ich "Die Insel des bisherigen Tages" nicht so gut gelungen. Eine gute Geschichte funktioniert auch ohne, für mich funktioniert der Roman aber nur, wenn man das Wissen hat um die Gedankengänge die hier stattfinden auch zu erkennen. Sonst fragt man sich, was das eigentlich soll.


    3ratten