Das Dekameron - Dritter Tag

Es gibt 22 Antworten in diesem Thema, welches 11.144 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von mohan.

  • Die üppige Beschreibung des Gartens, den die Gesellschaft an diesem Tag besucht, stach mir sehr ins Auge. Dieses Übermaß an Wachstum, die Vielfalt an Leben, das er barg, steht doch in argem Gegensatz zu den Vorgängen, die sich außerhalb der Gemeinschaft der jungen Leute abspielen. Hier wird das pralle Leben geschildert, unbeeinflusst von Krankheit und Tod.


    Die Geschichten dieses Abschnitts, soweit ich sie bisher gelesen haben, erscheinen mir auch nicht mehr so ausufernd wie manche des zweiten Tages zu sein. Sie scheinen jedoch in zweierlei Art das gleiche Motiv zu haben. Zum einen, dass die Personen durch Scharfsinn das erlangten, was sie verlangten oder Verlorenes wiedergewannen und zum anderen, dass sich die Erzählungen (bisher) nur um die Erfüllung ihrer sexuellen Wünsche drehen.



    Masetto, aus der ersten Geschichte, ist ein schlauer Bursche. Mit seiner List verschafft er sich eine Stellung im Nonnenkloster und ist den Damen ein williges Opfer. Womit er nun nicht gerechnet hat, ist das ausufernde Verlangen der Damen, das ihn an den Rande des Zusammenbruchs zu bringen droht. In seiner Not ist er gezwungen seine Maskerade zu beenden. Da er durch teilweises Unterschlagen der Wahrheit und Schmeicheleien seine Position halten und letztendlich sogar noch zu verbessern weiß, dürfte hier eher der Neid der Männer angestachelt werden, denn die Damen sind mit Erröten beschäftigt.


    In der zweiten wird nicht nur von der Schlauheit eines Stallburschen berichtet, sonder ebenso sehr von der Klugheit eines Königs. Der Stallknecht beweist Geistesgegenwart und weiß sich dadurch zu retten, der König jedoch ist m. M. die bemerkenswerteste Figur. Durch seine Besonnenheit lenkt er die Geschicke aller in die rechte Bahn zurück. So wird niemand Schaden haben.


    Nummer drei ist mal wieder ein derber Schlag auf die Kirchenmänner. Philomela greift den Klerus mit ihren Worten heftig an. Und die Geschichte über den einfältigen Beichtvater gibt das ihrige dazu. Zwar war mir die adlige Dame auf Grund ihrer Ansichten ziemlich unsympathisch, aber ihrer Raffinesse muss ich Bewunderung zollen. Was mir besonders im Gedächtnis geblieben ist, war der Nachsatz der Philomela. :breitgrins:
    Dann aber wußten sie es so einzurichten, daß sie, ohne Hülfe des gestrengen Pfaffen ferner zu bedürfen, in gleicher Freude noch viele Nächte verbringen konnten, zu welchem Glücke ich Gott bitte, daß er auch mir und allen andern Christenseelen, die Verlangen danach tragen, in seiner heiligen Barmherzigkeit bald verhelfe.
    Also die Gelegenheit sich auf diese Art zu vergnügen, egal mit wem, ist eine göttliche Barmherzigkeit. Zu gern hätte ich gewußt, wer, bei ihren Worten, sich von den Herren angesprochen fühlte. Denn es war ja schon in der Kirche klar gewesen, dass Philomela eine der Damen ist, in die einer der Herren verliebt ist.


    In der vierten wird die Lasterhaftigkeit der Mönche zur Schau gestellt und wie sie mit allen Tricks arbeiten um an das Ziel ihrer Wünsche zu kommen. Etwas erinnerte mich die ganze Sache an die Geschichte der Bartolomea.


    Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Und bei der fünften Erzählung kommt sogar noch einen Liebhaber dazu. Eigentlich hat es Zima dem Gatten aufs Butterbrot geschmiert, aber da hat dies nicht mal bemerkt, so sehr war er von seiner Überlegenheit überzeugt. :rollen:

  • Ja, der paradiesische Garten gefiel mir auch. Gibt es tatsächlich Orangenbäume, die gleichzeitig Blüten und Früchte tragen? Erstaunlich, dass überhaupt keine anderen Menschen auftauchen, die auf ähnliche Weise wie unsere Gesellschaft auf der Flucht vor der Pest sind. So weit sind sie von der Stadt nun auch wieder nicht entfernt, dass da kein anderer mehr ist, der auf die gleiche Idee kommt, sich auf diese Weise einer Ansteckung zu entziehen.


    Die erste Geschichte vermittelte unwahrscheinlich viel Lebensfreude. Das schöne Wetter, die jungen Nonnen, der Mann im besten Alter und die ganze Ungezwungenheit haben so etwas richtig Lebensbejahendes. Etwas zweideutig könnte man sagen: Sie haben nicht viel in ihrem Kloster, aber sie machen das Beste daraus.


    Die Pfiffigkeit des Stallknechtes in der zweiten Geschichte gefiel mir gut. In dieser brenzligen Situation noch so schnell und überlegen zu handeln hätte nicht jeder geschafft. Das heißt - wenn das Leben davon abhängt, vielleicht doch.


    In der vierten Geschichte kommt es dem Geistlichen Don Felice gerade recht, dass Bruder Puccio schnell selig werden möchte und nach einer Buße geradezu giert, denn auch Puccios Frau giert, allerdings nach etwas ganz anderem. In der Zeit der Buße nimmt sich Felice dann auch hingebungsvoll Puccios Angetrauter an. Fazit: Männer, kümmert euch zur rechten Zeit um eure Frauen.

  • Die Beschreibung des Gartens hat wirklich etwas paradiesisches und gerade bei dem momentan vorherrschenden Matschwetter wäre ich zu gern in das Buch hineingestiegen und hätte das schöne Wetter genossen. :sonne:



    Erstaunlich, dass überhaupt keine anderen Menschen auftauchen, die auf ähnliche Weise wie unsere Gesellschaft auf der Flucht vor der Pest sind. So weit sind sie von der Stadt nun auch wieder nicht entfernt, dass da kein anderer mehr ist, der auf die gleiche Idee kommt, sich auf diese Weise einer Ansteckung zu entziehen.


    Ich wage zu behaupten, dass sie noch nicht weit genug von der Stadt entfernt sind um wieder auf die Menschen zu treffen, die ebenfalls aus der Stadt geflohen sind. Das erste Haus lag nur "zwei kleine Meilen" von Florenz entfernt und das zweite Haus ist auch nichtmal "zweitausend Schritte" vom ersten Haus entfernt. Vermutlich sind die meisten Einwohner von Florenz viel weiter weg geflohen als nur sozusagen bis vor die Stadttore.


    Die erste Geschichte musste ja wieder von einem Mann erzählt werden. Erstaunlich, wie sehr die anfangs keuschen Nonnen sich an Masettos Diensten erfreuen. :breitgrins: Und für mich ungewohnt zu lesen, dass Masetto zugibt, mit den Frauen überfordert zu sein. Ich hatte eher den Eindruck, dass Männer in der Hinsicht keine Schwächen zugeben wollen. Insgesamt eine tolle Geschichte.


    Auch die zweite Geschichte gefiel mir gut. Besonders bewundernswert ist in meinen Augen der König, der trotz der erlittenen Schmach klug genug ist einzusehen, dass eine offene Verfolgung ihn und seine Frau erst recht beschämen muss. Seine Art, den Übeltäter ausfindig zu machen und ihn zu kennzeichnen ist gewitzt, aber auch der Stallbursche weiß sich zu helfen und erkennt sogar nach der "Ansprache" des Königs, dass er genug erreicht hat und lieber in Zukunft die Finger von solchen Unternehmen lassen sollte. :daumen:


    LG Myriel

  • In der sechsten Geschichte wird die Frau erneut als unstetes Wesen dargestellt. Ricciardo wendet eine List an um seine Angebetete, die ihrem Mann treu ergeben ist, zu verführen. Um seinen Betrug nicht auffliegen zu lassen, muss er sich ihr zu erkennen geben und bringt es sodann auch noch fertig sie restlos gefügig zu machen.
    Ziemlich unglaubwürdige Geschichte. :rollen:


    Anderes sieht es in der siebten aus. Dort verlässt ein abgewiesener Liebhaber, ohne jemanden davon zu erzählen, seinen Heimatort und macht anderweitig sein Glück. Als er nach Jahren unerkannt zurückkehrt, erfährt er, dass er vor kurzem ermordet wurde und der Mann seiner ehemaligen Geliebten dafür gehenkt werden soll. Mit viel Einfühlungsvermögen bringt der "Tote" alles wieder ins Lot und kann seine frühere Liebschaft weiterführen.
    Der Angriff auf die Kirche wird in dem seitenlangen Monolog sehr deutlich.


    Die achte Erzählung ist echt haarsträubend. Was Lauretta uns da auftischt, ist nun wirklich allerhand. Ein Abt hat ein Auge auf eine junge Frau geworfen, deren Ehemann nicht nur rasend eifersüchtig ist sondern auch noch schwach im Kopf. Mittels eines Pülverchens wird jener als Scheintoter bestattet, später vom Abt ins "Fegefeuer" befördert um für seine Eifersucht bestraft zu werden. Zu gegebener Zeit muss er jedoch von den Toten auferstehen. Dass man dem armen Mann das einreden konnte, kann ich ja noch glauben, aber allen anderen?
    Was mich aufhorchen liess, war die Bemerkung des Abts über das Pulver, das er verwendete. Es sei das gleich, das auch der Alte vom Berg in Gebrauch hätte!


    Und das Glück der junge Frau aus der neunten Geschichte soll am Standesdünkel ihres Gatten scheitern. Sie ist ihm von zu geringer Geburt und daher verlangt er schier unmögliches um sie als seine Frau anzuerkennen. Sie mag zwar keine Adlige sein, aber dumm ist die Dame ganz sicher nicht. Das hat sie ja schon bewiesen, als sie an seiner Stelle seine Ländereien auf Vordermann brachte.


    Den Abschluß machte wieder Dioneus. Diese Geschichte gefiel mir besser als seine letzte.
    Das einfältige Mädchen hilft einem Einsiedler den Teufel immer und immer wieder in die Hölle zu schicken. In ihrem Eifer fühlt sich dieser schon bald überfordert und ist froh, als sie weggeholt wird. :zwinker:


    Sowohl die 6. als auch die 7. Geschichte enden mit den Worten:
    Gott gewähre uns die Freuden der unserigen.
    Die Erzählerinnen sind Fiammetta und Emilie. Handelt es sich bei den beiden und Philomena, die eine ähnliche Bemerkung machte, um die drei Damen, denen die Herren zugeneigt sind? Dioneus wagt es genau so offen zu reden, denn er fordert die Damen gerade dazu auf, zu lernen den Teufel in die Hölle zu schicken. Denn der liebe Gott sieht solche Übungen gern. :breitgrins:

    Einmal editiert, zuletzt von yanni ()

  • Bei der dritten Geschichte bekommen Mönche mal wieder ihr Fett weg, obwohl es der Mönch hier sogar zur Abwechslung mal gut gemeint hat. Leider konnte er es nicht mit der gerissenen Dame aufnehmen und auch ihr Liebhaber war dem Mönch überlegen.


    Was mir besonders im Gedächtnis geblieben ist, war der Nachsatz der Philomela. :breitgrins:
    Dann aber wußten sie es so einzurichten, daß sie, ohne Hülfe des gestrengen Pfaffen ferner zu bedürfen, in gleicher Freude noch viele Nächte verbringen konnten, zu welchem Glücke ich Gott bitte, daß er auch mir und allen andern Christenseelen, die Verlangen danach tragen, in seiner heiligen Barmherzigkeit bald verhelfe.
    Also die Gelegenheit sich auf diese Art zu vergnügen, egal mit wem, ist eine göttliche Barmherzigkeit. Zu gern hätte ich gewußt, wer, bei ihren Worten, sich von den Herren angesprochen fühlte. Denn es war ja schon in der Kirche klar gewesen, dass Philomela eine der Damen ist, in die einer der Herren verliebt ist.


    Jaa, der Nachsatz ist mehr als deutlich, aber der Beginn der vierten Geschichte hat mir einen Verdacht gebracht:
    Als Filomena am Ende ihrer Geschichte angelangt war und schwieg, lobte Dioneo den Verstand der Dame nachdrücklich und mit schönen Worten, nicht minder aber auch das Schlußgebet der Filomena, ...
    Ist es möglich, dass Dioneo und Filomena eines der heimlichen Paare unserer Gesellschaft sind?


    Die vierte Geschichte fand ich nicht so toll. Mal wieder hat ein Mönch sich an eine Frau herangemacht, mal wieder hat die Frau ihn gerne empfangen. Etwas naiv fand ich nur, dass der Mönch und die Frau genau hinter der Wand vergnügt haben, vor der der Mann seine Buße getan hat. :vogelzeigen: Logisch dass er sie irgendwann hören musste.


    Die fünfte Geschichte war auch nicht so meins. Warum hat Zima so getan, als antworte ihm die Frau? Ihr Mann konnte sowieso nicht hören, was er gesagt hat, also hätte er mit der Frau auch mehr Klartext reden können. Ganz nach dem Motto: Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht. :rollen:


    Unbedingt unglaubwürdig fand ich die sechste Geschichte nicht. Frauen können seeehr eifersüchtig sein und dass Catella sich dazu hingibt, in das Bad zu gehen um ihren Gatten den Kopf zu waschen find ich auch logisch, genau wie die Tatsache, dass sie, nachdem sich Ricciardo zu erkennen gegeben hat wütend wird. Wie Ricciardo sie dann dazu bringt, dass sie mit ihrer Geschichte nicht an die Öffentlichkeit gehen kann (O-Ton: Dir glaubt eh keiner, wenn ich mein Lügenmärchen erzähle!) ist mMn auch überzeugend. Frauen haben damals nicht viel gezählt und wer sollte einer glauben, die eben ihren Mann betrogen hat und sich nun aus der Affäre ziehen will? Nöö, da kann Catella gleich genießen, was ihr Ricciardo bieten kann. Ein Zurück gibt es eh nicht. :teufel:


    Die siebte Geschichte gefällt mir gut. Tedaldo verlässt seine Heimat, als er merkt, dass er bei seiner Geliebten nicht mehr erwünscht ist. Als er sieben Jahre später zurückkommt, wurde er angeblich ermordet und der Mörder soll der Gatte seiner Geliebten sein. Dass Tedaldo ein reines Herz hat zeigt sich darin, dass er den Gatten seiner Geliebten aus dem Gefängnis holt und die wahren Mörder anzeigt.
    Der Monolog Tedaldos über die Verderbtheit der Mönche passt genau in das Bild, was sich auch schon vorher in den anderen Geschichten gezeigt hat, nur dass diesmal die Sache auf den Punkt gebracht ausgesprochen wird. :bang:
    Was mich einzig gestört hat ist, dass Tedaldo und seine Geliebte ihre Affäre wieder aufleben lassen. :rollen: Naja, es wäre sonst wohl auch eine zu brave Geschichte geworden. :zwinker:


  • Was mich einzig gestört hat ist, dass Tedaldo und seine Geliebte ihre Affäre wieder aufleben lassen. :rollen: Naja, es wäre sonst wohl auch eine zu brave Geschichte geworden. :zwinker:


    Aber gerade aus Sehnsucht nach seiner ehemaligen Geliebten ist er doch erst zurückgekommen. Und etwas Entschädigung für seine Mühen hat er ja doch verdient. :zwinker:

  • Filostratos Geschichte 1 über Masetto von Lamporecchio, den Gärtner im Nonnenkloster, ist komisch in ihrer Behandlung der Nonnen, tastet aber nicht christliche Werte an.


    Pampineas Geschichte 2 von der Königin zwischen dem König und dem Stallknecht, handelt einmal mehr von einer der verbreiteten Personenkonstellationen, die sich bis heute ausgeprägter Beliebtheit erfreuen.


    Filomenas Geschichte 3 stellt einen Beichtvater vor, der als ein etwas naiver (tumber?) Zeitgenosse sich als Vermittler missbrauchen lässt.


    In Panfilos Geschichte 4 stärken Don Felice und Puccios Frau Isabetta sich mit einem Mahl für die Liebesnacht, während der Ehemann Puccio di Rinieri Buße tut, um auf der Überholspur selig zu werden. Da haben wir wieder den Zusammenhang von Sex und Essen. Und von Sex und Buße? Später wird dies wieder aufgegriffen: die Frau hat sich an die Speise des Mönchs gewöhnt und zieht sie der Diät ihres Mannes vor. Ein Mönch muss bei dem Lebenswandel, den diese Gruppierung bei Boccaccio führt, natürlich ein reichhaltigeres Menü anbieten können als der ungeschulte Ehemann. Dass er sich dabei auch noch als Ehebrecher betätigt…
    Welches Selbstverständnis hatten die Mönche früher, dass sie so etwas wie das Decamerone lange Zeit freudenvoll durchrutschen ließen? Hier missbraucht der Geistliche ein katholisches Instrument.
    Puccio traut dem Geistlichen und beurteilt ihn nach seiner Oberfläche, die zur Täuschung benutzt wird. Will Puccio sich täuschen lassen, weil der erwartete Gewinn ihm als akzeptable Kompensation erscheint?
    Für mich die beste Geschichte des Tages.



    In Elisas Geschichte 5 hält sich der Edelmann Francesco ein halbes Jahr in Mailand auf, während seine Frau daheim ereignislos vor sich hin altern soll. Zima schenkt Francesco ein schönes Pferd und vergnügt sich mit seiner Frau. Was für ein Tauschhandel, über den man da stolpern könnte, wenn man hinter die vordergründige Standardsituation (2 Männer - 1 Frau) blickte.


    In Fiammettas Geschichte 6 gibt Ricciardo Minutolo vor, Filippello Fighinolfi werde mit seiner, Ricciardos Frau, im Bade ein Techtelmechtel haben. Darauf geht Filipellos Frau Catella, in die Ricciardo verliebt ist, zu dem Treffen. Während sie glaubt, mit ihrem Mann geschlafen zu haben, war es tatsächlich Ricciardo. Körperliches Begehren mit Verliebtsein verwechseln, gefügig werden, um dann festzustellen, dass es sich gelohnt hat…. Dabei ist Ricciardo ein Edelmann, kein Pirat, wie zuvor in einer ähnlichen Geschichte.


    Emilias lange Geschichte 7 variiert nicht eins der Grundthemen, die bestimmend für das Decamerone sind, und erzählt eine in diesem Werk einzigartige Geschichte, wenngleich - schon fast: natürlich - die Kirche wieder ihr Fett abbekommt.


    Laurettas Geschichte 8 ist schon eine Horrorerzählung. In ihr gibt es einen Kirchenvertreter, der sich blasphemisch verhält, um an eine Frau zu kommen, die verheiratet ist (Bestattung als scheintot, Fegefeuer, Auferstehung von den Toten!).


    In Geschichte 9 lobt Neifile Laurettas Erzählung und gibt vor, mit ihrer dahinter zurückzufallen, erzählt tatsächlich aber ein der besten Geschichten. Die weibliche Hauptfigur ihrer Erzählung hat etwas von Neifile. Beide wirken passiv und unterwürfig, sind es aber nicht wirklich.


    Dioneos Geschichte 10 über einen Mönch, die Einsiedlerin Alibech und den retournierten Teufel setzt sich ebenfalls ab von den vielen Geschichten, die Grundmotive variieren, ist auch eine der besten bislang.


    Am Ende setzt die Königin Filostrato die Krone auf und sagt: „Nun werden wir sehen, ob der Wolf es besser verstehen wird, die Schafe zu führen, als bisher Schafe die Wölfe geführt haben.“
    Worauf Filostrato mit den Worten reagiert: „Und so nennt uns denn nicht Wölfe, da ihr euch nicht wie Schäflein benommen habt.“
    Ziemlich klare Aussagen über „Wölfe“, die drei Männer, und „Schafe“, die sieben Frauen.
    Darauf dichtet Neifile Filostratos Mundwerk mit den Worten ab: „Höre, Filostrato, statt uns belehren zu wollen, hättet ihr lieber wie Masetto aus Lamporecchio, von den Nonnen Klugheit lernen und die Sprache nicht eher wiederbekommen sollen, als bis die Knochen ohne Lehrmeister hätten pfeifen gelernt.“


    Die Gruppe ist, was spätestens im Gespräch am Ende des dritten Tages deutlich wird, sittsam und liberal in den Anschauungen und diskutiert recht frei. Die Aussage: „Hier endete Lauretta ihr Lied, das von allen überdacht, von verschiedenen aber verschieden verstanden ward.“ lässt sich wohl auch auf das Decamerone insgesamt anwenden.


    Mit den Geschichten vier, sieben, neun und zehn hält der dritte Tag für mich einige der bislang besten bereit.

  • Aber gerade aus Sehnsucht nach seiner ehemaligen Geliebten ist er doch erst zurückgekommen. Und etwas Entschädigung für seine Mühen hat er ja doch verdient. :zwinker:


    Hier stimme ich yanni zu. Für die Handlungsmotivierung ist diese Rückkehr zudem wichtig. Außerdem ist es eine der Anforderungen, die Neifile als Königin des Tages an die Geschichten formuliert hat: Verlorenes wiederzugewinnen.


  • Die Erzählerinnen sind Fiammetta und Emilie. Handelt es sich bei den beiden und Philomena, die eine ähnliche Bemerkung machte, um die drei Damen, denen die Herren zugeneigt sind?


    Ja, das erscheint mittlerweile naheliegend. Mal sehen, ob wir an den Folgetagen weitere Informationen erhalten, die diese Überlegung stützen..

  • Hier stimme ich yanni zu. Für die Handlungsmotivierung ist diese Rückkehr zudem wichtig. Außerdem ist es eine der Anforderungen, die Neifile als Königin des Tages an die Geschichten formuliert hat: Verlorenes wiederzugewinnen.


    Absolute Zustimmung zum letzten Punkt. Allerdings hatte ich gedacht, nach 7 Jahren in der Fremde wäre seine Leidenschaft etwas abgekühlt, aber offenbar hat der Seewind die Glut erst Recht angeheizt. :boff:

  • Absolute Zustimmung zum letzten Punkt. Allerdings hatte ich gedacht, nach 7 Jahren in der Fremde wäre seine Leidenschaft etwas abgekühlt, aber offenbar hat der Seewind die Glut erst Recht angeheizt. :boff:


    Ach ja, wahre Liebe. Wir kennen das aus den beiden Filmen mit Ethan Hawke und Julie Delpy, aus der Odyssee, von Harry und Sally, von unseren Großeltern und wem nicht alles. :smile:

  • In der sechsten Geschichte erschleicht sich Ricciardo mittels einer List die Liebe von Catella, die eigentlich glaubte, an einem heimlichen Stelldichein ihres eifersüchtig gehüteten Mannes teilzunehmen. Einerseits ist es traurig zu lesen, wie wenig (nur das richtige Verhalten im Bett) dazu gehört, dass die Liebe so schnell wechselt, andererseits schön, dass man(n) mit List und Geschick wieder einmal weiter kommt als mit Gewalt.


    Die siebte Geschichte von Tedaldo, der nach sieben Jahren zurückkehrt, gefiel mit sehr gut, auch wenn sie nicht so unbeschwert und humorvoll ist wie die meisten anderen. Mit zunehmender Länge der Erzählung kommt auch mehr Tiefe in die Handlung.


    In Geschichte 9 lobt Neifile Laurettas Erzählung und gibt vor, mit ihrer dahinter zurückzufallen, erzählt tatsächlich aber ein der besten Geschichten. Die weibliche Hauptfigur ihrer Erzählung hat etwas von Neifile. Beide wirken passiv und unterwürfig, sind es aber nicht wirklich.


    Als passiv und unterwürfig habe ich die Hauptperson Giletta nie empfunden. Sie war zwar ruhig, aber zielstrebig und selbstbewusst. Mir gefiel es, dass sie überlegt gehandelt und nie aufgesteckt hat. Eine schöne Geschichte.


    Nach der letzten Geschichte machte Filostrato eine Bemerkung gegenüber Lauretta, die mich vermuten lässt, dass diese beiden heimlich verbandelt sein könnten: "Nichts, was von dir ist, könnte anders als schön und lieblich sein." Und das Lied von der unglücklichen Liebe war dann auch wirklich schön.

  • Der Mönch in der achten Geschichte war mir mal sympatisch, obwohl auch er nicht seinem Stand entsprechend gehandelt hat sondern nur Frauen im Kopf hatte. Seine Idee mit dem Fegefeuer war jedoch mal etwas ziemlich ambitioniertes und er konnte es auch umsetzen, ohne dass er entdeckt wurde. Ziemlich mutig!


    Als passiv und unterwürfig habe ich die Hauptperson Giletta nie empfunden. Sie war zwar ruhig, aber zielstrebig und selbstbewusst. Mir gefiel es, dass sie überlegt gehandelt und nie aufgesteckt hat. Eine schöne Geschichte.


    Da stimme ich Doris völlig zu. Als passiv und unterwürfig kann man es nicht bezeichnen, wie sie erstens überhaupt zu ihrem Mann gekommen ist und zweitens auch nicht die Art und Weise, wie sie die Bedingungen ihres Mannes erfüllt hat.


    Die zehnte Geschichte ist mMn typisch für Dioneo. Er bricht gewissermaßen mit der vorherigen eher gedämpften Stimmung und erzählt eine Geschichte, die alle wieder auf heitere Gedanken bringt. Er hat sein Ziel also mal wieder erreicht. :breitgrins:



    Nach der letzten Geschichte machte Filostrato eine Bemerkung gegenüber Lauretta, die mich vermuten lässt, dass diese beiden heimlich verbandelt sein könnten: "Nichts, was von dir ist, könnte anders als schön und lieblich sein." Und das Lied von der unglücklichen Liebe war dann auch wirklich schön.


    Damit hätten wir also Dioneo und Filomena sowie Filostrato und Lauretta. Andererseits macht Neifile am Ende des dritten Tages Filostrato zum König. :gruebel: Oder zeigt dann Filostrato erst durch die Krönung von Lauretta seine Gefühle? Immerhin neckt Neifile den frisch gekrönten König mehr freundschaftlich als verliebt ...

  • :winken: ,
    ich bin in den letzten Tagen arbeitsbedingt nur wenig zum Lesen und gar nicht zum Schreiben gekommen, und auch jetzt habe ich keine Zeit für längere Beiträge, weil ich gleich übers Wochenende wegfahre. Buch kommt natürlich mit, und Montag bekommt ihr mehr von mir zu lesen.



    Gibt es tatsächlich Orangenbäume, die gleichzeitig Blüten und Früchte tragen?


    Das ist ganz normal für Orangenbäume. Klick

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Ich habe erst bis Geschichte sechs gelesen und finde es etwas schade, dass das Motto des Tages so ausgelegt wird, dass das "Heißersehnte" immer nur sexueller Natur ist. Von Zeit zu Zeit eine etwas "offenherzige" Geschichte zu lesen macht mir ja nichts, aber hier geht es schon ganz schön wild zur Sache :redface:


    Die erste Geschichte fand ich ganz witzig, die keuschen Nonnen scheinen ja wirklich jede Gelegenheit wahrzunehmen, die sich ihnen bietet. Und dass der arme Masetto damit etwas überfordert war, kann ich mir schon gut vorstellen. Neun Frauen sind ja eine ganze Menge!


    Der Stallknecht in der zweiten Geschichte hat sich das alles ganz gut ausgedacht und scheint ja auch ein witziger Kerl zu sein...


    Die eifersüchtige Frau in der sechsten Geschichte hat ja auch ihre "Strafe" für die übermäßige Eifersucht bekommen, aber am Ende hat es ihr dann doch noch Spaß gemacht :rollen:


    Allgemein ist mir aufgefallen, dass mit dem Wort "Liebe" in den Geschichten meist eher sexuelle Begierde gemeint ist. Das finde ich etwas seltsam :confused:

    ~~better to be hated for who you are, than loved for who you&WCF_AMPERSAND're not~~<br /><br />www.literaturschaf.de


  • Ich habe erst bis Geschichte sechs gelesen und finde es etwas schade, dass das Motto des Tages so ausgelegt wird, dass das "Heißersehnte" immer nur sexueller Natur ist. Von Zeit zu Zeit eine etwas "offenherzige" Geschichte zu lesen macht mir ja nichts, aber hier geht es schon ganz schön wild zur Sache :redface:


    Das ist mir noch gar nicht so aufgefallen. Wenn man vom Dekameron hört oder liest, steht immer der amouröse Aspekt im Vordergrund, so dass ich eigentlich nicht viel anderes erwartet habe. Aber jetzt, wo Du es erwähnst, sticht es erst so richtig ins Auge. Eigentlich sollte man meinen, dass es damals außer den Grundbedürfnissen, also Nahrung, Schutz und Fortpflanzung, noch anderes Erstrebenswertes gegeben haben sollte. Schließlich haben wir es nicht mit mit der armen, sondern eher der gehobenen Gesellschaftsschicht zu tun, die ihr Augenmerk noch anderes wie z. B. Reichtum, Ansehen oder Kulturelles richten konnten.


    Aber ich kann Dich beruhigen, es kommen später auch noch andere Themen zum Zug.

  • Das ist mir noch gar nicht so aufgefallen. Wenn man vom Dekameron hört oder liest, steht immer der amouröse Aspekt im Vordergrund, so dass ich eigentlich nicht viel anderes erwartet habe. Aber jetzt, wo Du es erwähnst, sticht es erst so richtig ins Auge. Eigentlich sollte man meinen, dass es damals außer den Grundbedürfnissen, also Nahrung, Schutz und Fortpflanzung, noch anderes Erstrebenswertes gegeben haben sollte. Schließlich haben wir es nicht mit mit der armen, sondern eher der gehobenen Gesellschaftsschicht zu tun, die ihr Augenmerk noch anderes wie z. B. Reichtum, Ansehen oder Kulturelles richten konnten.


    Aber ich kann Dich beruhigen, es kommen später auch noch andere Themen zum Zug.


    So ungewöhnlich ist das gar nicht. Alexander Ballhaus beschäftigt sich in seinem Buch Liebe und Sex im Mittelalter mit dem Themenbereich:


    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links

  • So, den dritten Tag habe ich nun auch beendet.


    In der siebten Geschichte fand ich es etwas seltsam, dass es angeblich zwei Menschen gibt, die exakt gleich aussehen. Aber zum Glück wurde diese Tatsache am Ende der Geschichte noch aufgeklärt, noch seltsamer hätte ich gefunden, wenn statt Tedaldo jemand anderer umgebracht worden wäre, der ihm nicht mal ähnlich sieht.



    Laurettas Geschichte 8 ist schon eine Horrorerzählung. In ihr gibt es einen Kirchenvertreter, der sich blasphemisch verhält, um an eine Frau zu kommen, die verheiratet ist (Bestattung als scheintot, Fegefeuer, Auferstehung von den Toten!).


    Ja, die Geschichte war wirklich krass! Wie man sowas glauben kann, vor allem mit dem Fegefeuer... :entsetzt:


    Die neunte Geschichte hat mir sehr gut gefallen, eine intelligente Frau, die durch ihre List und ihre Intelligenz doch noch zum Ziel ihrer Wünsche kommt :daumen:


    Und die zehnte Geschichte war auch sehr witzig, den Teufel zurück in die Hölle schicken ist ja auch eine nette Umschreibung für Sex :zwinker:

    ~~better to be hated for who you are, than loved for who you&WCF_AMPERSAND're not~~<br /><br />www.literaturschaf.de