Johanna Adorján - Eine exklusive Liebe

Es gibt 7 Antworten in diesem Thema, welches 2.241 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Valentine.

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    1991 nehmen sich Vera und István, ein älteres Ehepaar, zusammen das Leben. Während Vera mit Anfang 70 noch topfit ist, leidet István an einer fortschreitenden Herzerkrankung und hätte seine Frau in absehbarer Zeit wohl alleine zurückgelassen. Dieser ultimativen Trennung haben sich die beiden nun durch den gemeinsamen Suizid entzogen, die Familie bleibt verstört zurück und rätselt um die genauen Beweggründe.


    Vera und István waren die Großeltern der Autorin. In jüdischen Familien in Ungarn geboren und aufgewachsen, floh Vera während des Holocaust zunächst nach Deutschland, István wurde in ein KZ verschleppt.


    Johanna Adorján erzählt in diesem Buch auf zwei Ebenen: einmal versucht sie, den letzten Lebenstag ihrer Großeltern bis zur abschließenden gemeinsamen Tat nachzuzeichnen, wie er möglicherweise gewesen sein könnte, andererseits schildert sie ihre eigenen familiären Erlebnisse und blickt zurück in die Vergangenheit, in die bewegte Lebensgeschichte von Vera und István.


    Es klingt beinahe, als wäre die Autorin wirklich dabei gewesen, so detailliert und plausibel beschreibt sie den Schicksalstag dieses Ehepaares, das sich zeitlebens nach ungarischer Tradition siezte und sich dennoch so nahe war, dass einer nicht ohne den anderen zurückbleiben wollte. In einer klaren, angenehmen, schnörkellosen Sprache nähert sie sich ihrer Familiengeschichte und berichtet von ihren eigenen Versuchen, mit dem Grauen umzugehen, das ihre Großeltern erlebt haben.


    Eine berührende und persönliche Auseinandersetzung mit der eigenen Familie und deren Vergangenheit.


    4ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Das erinnert mich an das Ende von André Gorz und seiner Frau.


    Sein "Brief an D." ist einer der berührendsten Texte, den ich je gelesen habe:

    Bald wirst Du jetzt zweiundachtzig sein. Du bist um sechs Zentimeter kleiner geworden, Du wiegst nur noch fünfundvierzig Kilo, und immer noch bist Du schön, graziös und begehrenswert. Seit achtundfünfzig Jahren leben wir nun zusammen, und ich liebe Dich mehr denn je. Kürzlich habe ich mich von neuem in Dich verliebt, und wieder trage ich in meiner Brust diese zehrende Leere, die einzig die Wärme Deines Körpers an dem meinen auszufüllen vermag


    Auch diese beiden haben sich gemeinsam das Leben genommen, da keiner von beiden ohne den anderen leben wollte. Und Zyniker und sogenannte Realisten wollen einem einreden, dass es "Ewige Liebe" nicht geben kann...
    :heul:

    Auch ungelebtes Leben<br />geht zu Ende<br />- Erich Fried

  • Autor: Johanna Adorján
    Titel: Eine exklusive Liebe
    Verlag: Luchterhand Literaturverlag
    Seiten: 192
    erschienen: 16.02.2009


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    Inhalt:
    Johanna Adorján beschreibt die Geschichte von Vera und István, ihren Großeltern, trotz das die Familie ebendiese Geschichte am liebsten verschweigen würde. Denn Vera und István haben sich vor 16 Jahren gemeinsam das Leben genommen. Auf einfühlsame Weise setzt sie sich mit dem letzten Tag im Leben der außergewöhnlichen Großeltern auseinander und webt zusätzlich die eigenen Erinnerungen an die beiden und die Familie an sich mit ein. Außerdem beschreibt sie Unterhaltungen mit Freunden und Bekannten der Großeltern nach deren Tod, für die Recherche zu diesem Buch.


    Autorin (von amazon.de):
    Johanna Adorján, 1971 in Stockholm geboren, studierte in München Theater- und Opernregie. Seit 1995 arbeitet sie als Journalistin, seit 2001 in der Feuilleton-Redaktion der "FAS".


    Meine Meinung:
    Vera und István müssen Zeit ihres Lebens ganz besondere Personen gewesen sein. Sie sietzen sich bis zuletzt und behandeln sich derart respektvoll, dass man nicht glauben mag, dass diese beiden fast ihr ganzes Leben miteinander verbracht haben. Der Leser begleitet Vera, die eher unwirsche und praktisch veranlagte Großmutter beim Aufräumen der Wohnung, bei der Auswahl von Geschenken, beim letzten Telefonat, usw. István, dem es gesundheitlich nicht sehr gut ist, wirkt eher wie ein leiser Begleiter der Handlung. Er scheint auch sonst eher still und in sich gekehrt gewesen zu sein. Nur bei der Wahl der Methode des Selbstmordes habe ich ihn als aktiven Teil des Buchs wahrgenommen.


    Insgesamt hat mich "Eine exklusive Liebe" beeindruckt, aber nicht berührt, wenn man mal davon absieht, dass die Tatsache an sich, dass zwei Menschen aus Liebe am gleichen Tag aus dem Leben scheiden, schon genug berührt. Um mich zu berühren, hätte Johanna Adorján einfühlsamer schreiben müssen, sie wirkte an einigen Stellen irgendwie zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Anders kann ich es leider nicht sagen.


    Fazit: Ich kann mich der begeisterten Meinung von Elke Heidenreich ausnahmsweise mal nicht anschließen.Trotzdem finde ich, ist dieses Buch eine lohnenswerte Lektüre.


    2ratten



    Viele Grüße,
    Muertia

    :lesen: Rebecca Gablé - Der dunkle Thron<br />SuB: 6 (+16 bereits bestellte Bücher, um den SuB mal ein wenig aufzuwerten)

  • Hallo!


    Ich kenne die Kritik von Frau Heidenreich zwar nicht, aber ich bin begeistert. Gleichermaßen bin ich aber auch betroffen denn das Gefühl, nicht mehr ohne den anderen leben zu können, ist wahrscheinlich nicht so abwägig. Dann allerdings so konsequent zu sein, gemeinsam Selbstmord zu begehen... ich weiß nicht, in wieweit ich dazu bereit wäre.


    Die Erzählerin beschreibt den letzten Tag im Leben ihrer Großeltern so, als ob sie dabei gewesen wäre. Aber sie lernt ihre Großeltern auch neu kennen durch die Gespräche, die sie nach deren Tod über sie führt. So entsteht eine anrührende Geschichte über Liebe bis zum Tod und vielleicht auch darüber hinaus, die mir ganz zum Schluß noch eine Träne entlockt hat.


    5ratten


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Liebe Valentine,


    Frau dankt für die Erinnerung. Eigentlich wollte ich eine Rezi schreiben, jedoch ich hab es vergessen. Das Buch war so nett und berührend, dass auch ich es empfehlen möchte. Es ist so lieb, dass die Autorin auf den Spuren ihrer Grosseltern herumreist, nach Paris zu irgendwelchen Freunden, zu einer Tante, versucht herauszufinden, wie ihre Grosseltern denn waren und vorallem wer sie waren. Auch, die Parallelgeschichte des Todes, bzw. des Todestages finde ich extrem berührend. Dieses alte Paar ist einfach nur nett. Und ihr Tod berührend. Besonders die Episode der Hundevergabe fand ich berührend.
    Alles in Allem ein ganz ganz extrem tolles Buch.


    5ratten

  • Ich habe lange gezögert, bis ich mich an dieses Buch gewagt habe, denn eigentlich finde ich Bücher oder Filme, in denen jemand seinen Tod entgegen lebt, so beklemmend, dass ich sie weder lesen noch sehen kann.


    Jetzt bin ich froh, dass ich das Buch endlich gelesen habe.
    Mich hat vor allen die Präzision berührt , mit der die Großmutter ihre letzten Stunden plant und verbringt. Sie backt schon mal die Weihnachtsplätzchen vor und packt die Geschenke ein, dann bringt sie den Hund zu Freunden.


    Komischerweise war das auch mein häufigster Gedanke: wie gut, dass sie den Hund weggebracht haben, sodass er nicht die ganze Zeit im Haus sein musste, bis wieder jemand das Haus betritt.
    Ich denke, die Großmutter muss ein sehr unsicherer Mensch gewesen sein, wenn sie glaubt, dass ihr Mann der einzige Mensch auf der Welt, der sie liebt und dass sie sich ein Leben ohne ihn nicht vorstellen konnte.


    Das Buch liest sich trotz des ernsten Thema sehr gut und ich habe es auch an einem Tag ausgelesen.


    Ich vergebe
    4ratten

    Wear the old coat and buy the new book (Austin Phelps)

  • Hallo,


    ich stelle fest, dass ich noch immer allein auf weiter Flur bin mit meiner Meinung.


    :verschwoerung:


    Die Beklemmung, die ihr beschreibt, habe ich zwar auch gespürt, aber wirklich berührt hat mich das Geschriebene eben nicht. Und genau das hätte ich aber in Bezug auf das Thema erwartet.
    Vielleicht habe ich das Buch auch zu einem für mich falschen Zeitpunkt gelesen und sollte ihm noch eine weitere Chance einräumen.
    Schnell gelesen wäre es ja.


    Viele Grüße,
    Muertia

    :lesen: Rebecca Gablé - Der dunkle Thron<br />SuB: 6 (+16 bereits bestellte Bücher, um den SuB mal ein wenig aufzuwerten)

  • Muertia, das macht doch nichts, wenn Du mit dem Buch wenig anfangen konntest. Manchmal ist das einfach so, auch wenn es allen anderen Lesern zu gefallen scheint ;)


    Mir geht es so mit "Shutter Island". Ich fand das Buch ziemlich doof und höre ansonsten nur Lobeshymnen :breitgrins:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen