Yasushi Inoue - Das Jagdgewehr

Es gibt 6 Antworten in diesem Thema, welches 2.801 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Juva.

  • Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links

    Yasushi Inoue (1907-1991)
    Das Jagdgewehr
    Originaltitel: 猟銃 ryōjū
    Erstveröffentlichung: 1949
    aus dem Japanischen von Oscar Benl
    Verlag: Suhrkamp
    Taschenbuch
    98 Seiten


    Klappentext (gebundene Ausgabe)
    Mit einem Jagdgewehr „auf dem wunderlich einsam wirkenden Rücken des Jägers“, der seinen Weg durchs Gebirge zieht, fängt alles an. Fasziniert von diesem Bild, schreibt ein Dichter das Gedicht „Das Jagdgewehr“. Der einsame Jäger liest das Gedicht in seiner „Jägerzeitung“, erkennt sich selbst in den Zeilen wieder und schreibt dem Dichter, genauer: Er schickt ihm die Abschiedsbriefe dreier Frauen, die sein Leben bestimmten: seiner Frau, seiner Geliebten und deren Tochter. Aus drei Perspektiven erzählen diese Briefe die Geschichte seines Lebens, die Geschichte einer verbotenen Liebe, die in Wirklichkeit eine Geschichte der Einsamkeit ist. Und sie erklären, weshalb der Mann mit dem Jagdgewehr so still und einsam seinen Weg geht.


    Meine Meinung
    Das Besondere an dieser Erzählung ist die Form: Es findet keine eigentliche Handlung statt, denn alles, was geschieht bzw. geschah, wird in den Briefen der drei Frauen geschildert. In diesen Briefen - allesamt auf die eine oder andere Weise Abschiedsbriefe - setzt sich mosaikartig das Leben des einsamen Jägers vor den Augen des Lesers zusammen.


    Da ist die betrogene Ehefrau, die all' die Jahre von der Geliebten ihres Gatten wusste und ihn im Gegenzug genauso betrog. Dann ist da die Geliebte, die während all' der Jahre ihrer verbotenen Liebe hin und her gerissen, letztlich aber glücklich war, auch wenn sie sich stets über das Unrecht dabei im Klaren war. Und schließlich die Tochter der Geliebten, die erst aus den Tagebüchern ihrer Mutter von der Liebesbeziehung erfährt.


    Schlicht und nüchtern, aber stets in einer schönen Sprache wird die Geschichte des Jägers vor dem Leser ausgebreitet. Jede der Frauen schildert mit ihren eigenen Worten und aus ihrer Sicht, wie das Lügengebäude nach all' der Zeit einstürzt. Hier braucht es keinen Cliffhanger oder unerwartete Wendungen. Alles, was geschieht, geschieht folgerichtig, und doch scheint die Katastrophe unausweichlich und unvermeidbar - das Leben des Jägers bricht auseinander.


    Das erweckt streckenweise den Eindruck, als werde hier mit dem erhobenen moralischen Zeigefinger gewedelt, aber natürlich spiegelt sich in dem Buch die japanische Gesellschaft um die Mitte des 20. Jahrhunderts wider, und das hat mich sehr fasziniert. Man kann erkennen, welche gesellschaftlichen Zwänge damals herrschten, welche Rolle Ehre und Anstand spielten und was die Aufdeckung eines Ehebruchs bedeutete. Nicht umsonst hat die Enthüllung der Liebesbeziehung in diesem Buch fatale Folgen...


    Das Buch hat mir eine schöne Lesezeit bereitet und bekommt von mir:
    4ratten

  • Meine Meinung:
    Dieses kleine Büchlein hat mir einen stürmischen Nachmittag versüßt.
    Durch diese Ausgangssituation bekommt man beim Lesen irgendwie eine gewisse Distanz, weil man den Rahmenerzähler im Kopf hat. Man wäre dem ganzen wohl näher wenn man die Briefe aus der Sicht des eigentlichen Empfängers lesen würde. Denn auch der Erzähler offenbart seine eigenen Gedanken zu den Briefen nicht, schreibt sogar es sei wohl besser so. So bleibt man als Leser mit seinen Gedanken zu den Briefen allein gelassen- eine ganz wunderbare Einsamkeit.


    Irgendwie war ich ganz versunken. Für mich lasen sich die drei Briefe sehr eindringlich und vorallem auch sehr nachvollziehbar. Ich konnte mir total gut vorstellen das eine Frau - selbst wenn sie nicht aus Japan ist und es in der heutigen Zeit passieren würde, so oder ähnlich reagieren und handeln würde. Obwohl man wie erwähnt eine Gewisse Distanz wahrt, kommt man Shoko als auch ihrer Mutter Saiko und Midori, der Eherfrau Josukes doch auch irgendwie nahe. Es war ganz eigentümlich. Nähe und Abstand gleichermaßen. Denn vor allem Midori, schreibt sehr distanziert und lässt ihren Mann spüren das wirkliche Nähe nie möglich gewesen war. Sehr schön fand ich die Veränderung des Tonfalles sodass man wirklich das Gefühl hatte jeweils den Brief einer völlig anderen Person zu lesen.


    Am Ende bleibt die Frage warum er die Briefe dem Erzähler geschickt hat. Wollte er sie vielleicht doch aus dem Haus haben, sich der Wahrheit in ihnen nicht weiter stellen? Er hat den Erzähler gebeten die Briefe nach dem Lesen zu verbrennen. Übrigens auch mit dem Zusatz das der Erzähler über die Briefe ihn selbst kennenlernen würde. Über die Briefe anderer, nicht über die eigenen Aussagen. Ich persönlich habe mich aber viel intensiver mit den Frauen hinter diesen Briefen beschäftigt, das auch ein Mann, an den die Briefe ja gerichtet waren, in ihrem Leben eine Rolle spielte nahm ich immer eher am Rande wahr. Vielleicht sagt das sogar mehr über Josuke aus als man glaubt...
    Ein sehr melancholisches Büchlein das mir aber gut gefallen hat. Vor allem weil seine drei Fraugenfiguren für mich sehr realistisch gezeichnet waren. Auch abseits der damals vorherrschenden moralischen Zwänge könnte ich mir doch vorstellen das bestimmte Handlungen auch heute noch denkbar wären.


    4ratten

  • Das Buch war ein Geburtstagsgeschenk von einem sehr lieben Menschen, der mich wohl besser kennt, als ich mich selbst. Also ein Volltreffer. :smile:


    Ich finde auch, dass man jede Frau sehr gut verstehen konnte, denn jede war ja in einer anderen Situation zu Josuke. Und jeder Brief hatte seinen eigenen Stil und Sprache. Allerdings habe ich schon insgesamt einen guten Handlungsstrang erkannt.


    Warum er die Briefe dem Erzähler geschickt hat, interpretiere ich für mich so, dass ihm bewusst wurde, dass er drei Frauen verloren hat und große Schuld auf sich geladen hat und nun nur noch allein mit seinem Jagdgewehr durch die Welt streift.


    Was ich auch nach jedem Brief dachte und fühlte, dass sich jede der drei Frauen alles von der Seele geredet hat und jeder einzelne Brief eine schallende Ohrfeige für Josuke war.


    Im übrigen ist das Buch aus meiner Sicht einmal sehr zeitlos und zum anderen auch nicht nur für die japanische Gesellschaft zutreffend, sondern in jedem Land und in jeder Gesellschaftsform stets hochaktuell.


    4ratten

  • Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Den Hinweis auf Yasushi Inoues Novelle "Das Jadgewehr" verdanke ich Denis Schecks "Schecks Kanon", in dem der Autor diese Novelle zu den 100 wichtigsten Werken der Weltliteratur zählt. Da kann man sich natürlich fragen, was ein so kurzer Text (ca. 90 Seiten) in Briefform weltbewegendes erzählen kann - der Autor behandelt eine Geschichte von Liebe und Tod, auf die man sich einlassen muss.


    Die Rahmenhandlung ergibt sich aus der Darstellung eines nicht namentlich gekennzeichneten Erzählers, der das Gedicht "Das Jagdgewehr" geschrieben und in einer bei Jägern populären Zeitschrift veröffentlicht hat. Daraufhin schreibt ihm ein gewisser Josuke Misugi, dass er sich in der Beschreibung des Jägers wiedererkannt habe, von dem Gedicht tief bewegt sei und ihm deshalb drei Briefe, die er selbst erhalten habe, zuschicke, damit er sie lese.

    Diese drei Briefe stammen von Shoko, der Tochter seiner ehemaligen Geliebten, Midori, seiner Ehefrau, und Saiko, der Geliebten selbst, und sie enthüllen nach und nach das komplizierte Beziehungsgeflecht, in dem sich alle befinden.


    Im Fokus der Novelle steht die Frage nach der Liebe, wie die ProtagonistInnen sie auffassen und was sie für sie zu tun bereit sind. Besonders an Midori wird deutlich, dass Liebe eine zentrale Kraft im Leben der Menschen ist - ihre Abwesenheit führt zu Kälte und Gleichgültigkeit.


    Gewisse Einblicke in die japanische Tradition und Kultur erleichtern es sicherlich, die vielen kleinen Anspielungen im Text besser einordnen zu können, sei es, dass die Interpretation der Schrift eines Briefes thematisiert wird oder die Farbgebung und das Muster eines für die Handlung zentralen Kleidungsstücks (eines Haori, einer Kimonojacke).


    Trotz des geringen Umfangs liest sich diese Novelle nicht einfach so weg, weil man sich mit den einzelnen ProtagonistInnen und dem, was sie schreiben, durchaus beschäftigen muss. Ich habe mehrfach zurückgeblättert, um Bezüge noch einmal für mich zu verdeutlichen, und mir mit dem Schreiben der Rezension mehr Zeit als üblich gelassen, um meine Gedanken zu sortieren. Eine fremdartige, aber lohnende Lektüre, letztendlich kann ich Schecks Empfehlung jetzt nachvollziehen.


    5ratten

  • Schön, dass Dir das Buch ebenfalls gefallen hat. :)

    Aber psssst ... dazu haben wir schon einen Thread ... ;)


  • Schön, dass Dir das Buch ebenfalls gefallen hat. :)

    Aber psssst ... dazu haben wir schon einen Thread ... ;)


    Da habe ich wohl leider nicht gründlich genug gesucht... :/

    Danke für den Hinweis und schön, dass wir so viele Gemeinsamkeiten in Bezug auf die Novelle haben. ;)