Gustav Schwab - Die schönsten Sagen des klassischen Altertums

Es gibt 15 Antworten in diesem Thema, welches 5.539 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von sandhofer.

  • Hallo!


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    Ich lese das Buch gerade im Rahmen des SLW 10 und es ist von der Liste das Buch mit dem Kriterium "Schon einmal angefangen, aber nicht beendet". So langsam wird mir klar, wieso ich es im ersten Anlauf nicht zu Ende gelesen habe.


    Zum einen liegt das sicher an den teilweise monströsen Kettensätzen des Herrn Schwab. Die waren zu seiner Zeit vielleicht en vogue, aus heutiger Sicht finde ich es schon fast unlesbar. Aber gut, man darf sich auch mal anstrengen beim Lesen, insofern ist das das kleinere Übel.


    Sehr viel mehr Mühe habe ich mit dem Inhalt (für den Gustav Schwab ja nichts kann). Irgendwie scheinen die alten Griechen ständig besoffen oder geistig zurückgeblieben sein. Nehmen wir als Beispiel mal die Geschichte um die "Sieben gegen Theben":


    1. Eine Armee marschiert durch einen Wald, es gibt nirgends Wasser und die Leute haben mächtig Durst. Da treffen sie auf eine junge Frau, die grade einem Kind die Brust gibt und meint, dass sie der Armee einen Fluss zeigen könne. Sie legt das Baby ins Gras und marschiert mit der Armee zum Fluss. Inzwischen wird das Kind von einer Schlange gefressen.
    Was hat sich diese Dumpfbacke dabei überlegt, einen Säugling einfach im Wald liegen zu lassen? Gehts noch?


    2. Nach zahlreichen Ereignissen kommt es zu einer Art Showdown mit folgender Ausgangslage: Ein emotional gestresster Held sitzt in einer Höhle, davor steht sein Vater und diesen möchte der Held gerne töten. Er geht auf den Vater los und statt ihn zu treffen, fügt er sich selber eine unmittelbar tödliche Verletzung (!) mit seinem Schwert zu.
    Sowas will ein professioneller Soldat sein? Den sollte man nicht mal mit einem Küchenmesser unbeaufsichtigt lassen.


    3. Immer wieder dasselbe: Ein Seher prophezeit etwas, dem Prophezeiungsempfänger passt es nicht in den Kram und er ignoriert das Gesagte. Die Erfahrung nach 200 Seiten Gustav Schwab zeigt zumindest mir, dass die Seher immer zu 100 Prozent recht haben mit ihren Vorhersagen. Bei der hohen Trefferquote ist es mir nicht verständlich, wie jemand (der sich schon die Mühe macht, einen Seher zu befragen) solche Prophezeiungen ignorieren kann.


    Natürlich sind diese Sagen auch symbolisch zu verstehen und es kann schon sein, dass man diese Geschichten im Altertum so erzählt hat, damit sie sich besser einprägen oder weils damals einfach niemanden gestört hat, dass zirka jeder Dritte, der in den Geschichten vorkommt, schwachsinnig ist. Aber mir ist das schon zu viel des Doofen.


    Und dann kommt noch die (aus heutiger Sicht) unverhältnismässige Gewalt dazu. Zum Beispiel in der Geschichte von Niobe mit ihren 14 Kindern. Sie lacht die Göttin Leto aus, die nur zwei Kinder hat und verhindert, dass Leto vom Volk gepriesen wird. Darauf lässt Leto mal die sieben Söhne Niobes töten. Niobe (auch so eine Schwachsinnige) hat gerade sieben Kinder verloren und weiss nichts besseres, als Leto darauf aufmerksam zu machen, dass sie mit ihren sieben Töchtern immer noch mehr Kinder hat als Leto. Worauf Leto natürlich auch noch die sieben Töchter umlegen lässt.
    Abgesehen davon, dass Niobe eine wirklich dumme Zicke ist, muss ich mich aber auch fragen, ob Leto dem Kindergartenalter schon entwachsen ist. Solch ein Gemetzel anzurichten, nur weil sie nicht verehrt wird? Es würde doch reichen, Niobe zu strafen, ohne gleich 14 unschuldige Menschen zu töten? Und das ist nicht das einzige Beispiel, in dem Götter wegen Kleinigkeiten unverhältnismässige Rachefeldzüge starten. Die verhalten sich alle wie Kleinkinder, denen man grade das Spielzeug weggenommen hat statt wie würdige Götter...


    Ich werde das Buch wohl im Laufe des Jahres in kleinen Portionen zu Ende lesen und vielleicht ab und zu hier über meine Fortschritte in der Welt der Halbschlauen berichten. Vielleicht kann mir ja jemand von euch noch ein Fünkchen Hintergrundwissen mitgeben, der mir diesen 2500 Jahre alten Blödsinn erträglicher macht.


    :winken:


    Alfa Romea

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.


  • Sehr viel mehr Mühe habe ich mit dem Inhalt (für den Gustav Schwab ja nichts kann). Irgendwie scheinen die alten Griechen ständig besoffen oder geistig zurückgeblieben sein. (...)
    weils damals einfach niemanden gestört hat, dass zirka jeder Dritte, der in den Geschichten vorkommt, schwachsinnig ist. Aber mir ist das schon zu viel des Doofen.


    Hm, könnte es sein, daß Du die Sagen versuchst zu lesen wie einen modernen Roman? Das wird nicht funktionieren, würde ich sagen. Genausowenig wie eine solche Heransgehensweise bei der Bibel funktionieren würde. Zunächst einmal sind es religiöse Texte, die – unter anderem – Handlungsanweisungen vermitteln bzw. Beispiele dafür, wie man es eben gerade nicht machen soll. Es geht m. E. darum zu zeigen, welche Folgen menschliche Schwächen haben, und es geht darum zu zeigen, daß Verstöße auch geahndet werden. Wenn schon nicht von einem menschlichen Richter, dann eben von höherer Instanz.



    2. Nach zahlreichen Ereignissen kommt es zu einer Art Showdown mit folgender Ausgangslage: Ein emotional gestresster Held sitzt in einer Höhle, davor steht sein Vater und diesen möchte der Held gerne töten. Er geht auf den Vater los und statt ihn zu treffen, fügt er sich selber eine unmittelbar tödliche Verletzung (!) mit seinem Schwert zu.
    Sowas will ein professioneller Soldat sein? Den sollte man nicht mal mit einem Küchenmesser unbeaufsichtigt lassen.


    Ich nehme an, du meinst die Szene mit Haimon und seinem Vater Kreon. Nun, ob Haimon ein professioneller Soldat ist, steht zunächst mal dahin, in meiner Ausgabe wird jedenfalls nichts dergleichen gesagt. Außerdem sollte aus der Darstellung ersichtlich sein, daß Haimon zunächst versucht, seinen Vater Kreon mit dem Schwert zu attackieren. Als dieser ausweicht und aus der Höhle flüchtet, stürzt Haimon sich absichtlich in sein eigenes Schwert, weil er den Verlust seiner Verlobten Antigone nicht erträgt. Sich ins eigene Schwert zu stürzen war eine ehrenhafte Form des Selbstmordes. Der Gestrafte ist in diesem Fall tatsächlich Kreon, der nicht nur den Sohn verliert, sondern bei der Rückkehr in den Palast auch erfahren muß, daß seine Frau sich ob dieser Familientragödie gleichfalls umgebracht hat.



    Es würde doch reichen, Niobe zu strafen, ohne gleich 14 unschuldige Menschen zu töten? Und das ist nicht das einzige Beispiel, in dem Götter wegen Kleinigkeiten unverhältnismässige Rachefeldzüge starten. Die verhalten sich alle wie Kleinkinder, denen man grade das Spielzeug weggenommen hat statt wie würdige Götter...


    Götter haben ein Anrecht auf Verehrung, zumindest ihrer Ansicht nach, und Niobe umzubringen, wäre für diese ja praktisch die kleinere Strafe, da sie zwar anschließend in der Unterwelt mitbekommen könnte, daß sie gestraft wird, aber Toten macht das tendentiell wenig aus – auch in der griechischen Mythologie. Um Niobes Hybris zu strafen wählt Leto den effektivsten Weg. Unverhältnismäßig? Wenn man mit einem neuzeitlichen Verständnis von Recht, Strafe und Sühne herangeht, dann sicher. Nur gab es in der Zeit ja noch kein Justizwesen wie bei uns. Die göttliche Strafe muß „unverhältismäßig“ ausfallen, damit sie einen Abschreckungseffekt erzielt. Worauf sollte der wohl sonst beruhen? Im übrigen unterscheiden sich die griechischen Götter da kaum vom alttestamentarischen Gott, der auch ausgesprochen rachsüchtig ist. Oder wie ließe sich sonst die Sintflut erklären?


    Im wesentlichen sehe ich zwei Möglichkeiten, wie Du weiterlesen kannst: Entweder nimmst Du die Erzählungen einfach als Abenteuergeschichten, bei denen Logik ja nicht immer und unbedingt ein Kennzeichen der Konstruktion ist, oder Du greifst zu ergänzender Literatur wie z. B.


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    oder einem ähnlichen Werk :winken:


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • Hallo Aldawen!


    Vielen Dank für deine ausführliche Antwort, sie hilft mir in der Tat weiter! :smile:



    Hm, könnte es sein, daß Du die Sagen versuchst zu lesen wie einen modernen Roman?


    Nein, das schon nicht. Ich weiss ja, wie alt die Geschichten sind und wie alt die Übersetzung. Dass sich die Welt (und die Art, eine Geschichte zu erzählen) inzwischen sehr stark geändert hat, ist mir schon klar. Mir ist auch bewusst, dass sich Geschichten, die wohl lange Zeit nur mündlich überliefert wurden, besser einprägen, wenn eben übertrieben wird. Vielleicht ists für mich einfach zu viel Übertreibung...



    Als dieser ausweicht und aus der Höhle flüchtet, stürzt Haimon sich absichtlich in sein eigenes Schwert, weil er den Verlust seiner Verlobten Antigone nicht erträgt.


    Upps, das drang bei mir trotz zweimaligem Lesen der Stelle nicht durch. Das ist natürlich was anderes als ein blöder Unfall...



    Die göttliche Strafe muß „unverhältismäßig“ ausfallen, damit sie einen Abschreckungseffekt erzielt. Worauf sollte der wohl sonst beruhen? Im übrigen unterscheiden sich die griechischen Götter da kaum vom alttestamentarischen Gott, der auch ausgesprochen rachsüchtig ist. Oder wie ließe sich sonst die Sintflut erklären?


    Das ist in sich logisch. Mir war offenbar zu wenig klar, dass es sich bei diesen Sagen um religiöse Texte handelt. Natürlich wusste ich, dass es um Götter geht (und die meisten Sagen kannte ich ja vorher schon), aber dass diese Geschichten eine Art Bibel darstellen sollen, war mir tatsächlich nicht bewusst. Das liegt sicher daran, dass die Religion heute nicht mehr praktiziert wird - beim Koran wäre mir das sicher nicht passiert :zwinker:


    Na, mal sehen, wie ich damit im weiteren Verlauf zurecht komme...



    Im wesentlichen sehe ich zwei Möglichkeiten, wie Du weiterlesen kannst: Entweder nimmst Du die Erzählungen einfach als Abenteuergeschichten


    Ein sehr guter Tipp, ich werde das wohl so machen, da mir nicht nach ergänzender Literatur ist. Ich habe das ansatzweise schon versucht, mir hat einfach wirklich noch den entscheidende Hinweis gefehlt, dass das religiöse Texte sind. (Wobei ich da mit ein bisschen nachdenken auch selber drauf kommen können hätte... :rollen: )


    Vielen Dank nochmals!


    Alfa Romea

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • Gern geschehen! :winken: Und jetzt mit neuem Blick noch viel Spaß mit den ganzen Göttern und Helden :breitgrins:

  • Hallo Alfa_Romea


    Vielleicht bist Du auch einfach zu alt für diese Geschichten :breitgrins: . (Oder zu jung.) Ich habe Schwab - allerdings in einer gekürzten Version - mit etwa 10 oder 12 gelesen, und ihn heiss geliebt ... als Abenteuergeschichten eben ...


    Nein, das schon nicht. Ich weiss ja, wie alt die Geschichten sind und wie alt die Übersetzung.


    Es ist im eigentlichen Sinn keine Übersetzung. Eher eine Bearbeitung. Schwab hat meist verschiedene Versionen derselben Sage vor sich gehabt und diese dann "normalisiert", das heisst, quasi eine Standard-Version angelegt. Es ist nämlich keineswegs so, dass die alten Sagen in nur einer Version überliefert worden wären. Da gab es auch lokale Neben-Sagen, indem diese oder jene Stadt diesen oder jenen Gott oder dieses oder jenes Ereignis in einer Variation auch für sich reklamierte.


    Mir war offenbar zu wenig klar, dass es sich bei diesen Sagen um religiöse Texte handelt. Natürlich wusste ich, dass es um Götter geht (und die meisten Sagen kannte ich ja vorher schon), aber dass diese Geschichten eine Art Bibel darstellen sollen, war mir tatsächlich nicht bewusst.


    Religös: ja. Bibel - nicht in dem Sinn, dass es kanonische Texte waren, nach denen sich eine bestimmte Lehre richtete und die von Priestern gepredigt wurde. Die griechische Religion und ihre Mythologie war eine im Volk verankerte Sache. So war z.b. primär mal der Familienvater für die Opferungen zuständig. Ähnlich bei den alten Römern. Und es ist wohl auch vielerorts dieser Volkscharakter, der in den Sagen durchschlägt. Noch heute kann man in jeder Kneipe hören, dass dieser oder jener für dieses oder jenes mitsamt seiner ganzen Familie totgeschlagen gehört ... :winken:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)


  • Vielleicht bist Du auch einfach zu alt für diese Geschichten :breitgrins: . (Oder zu jung.) Ich habe Schwab - allerdings in einer gekürzten Version - mit etwa 10 oder 12 gelesen, und ihn heiss geliebt ... als Abenteuergeschichten eben ...


    Ging mir genauso. Wir hatten so ein schöne, dicke, gebundene Ausgabe, die meine Schwester und ich beide heiß geliebt haben und zig Mal gelesen haben, wohl auch ungefähr in dem Alter. Und ich habe immer noch eine Schwäche für diese Sagen und die Götterwelt. Weshalb ich dann die denkbar ungünstigste Begleiterin für einen Film wie "Troy" war, weil ich ständig gemeckert habe, was nun wieder nicht stimmt. :breitgrins:

  • Hallo,


    ich habe Teile dieser Sagen vor kurzer Zeit als Hörbuch gehört und habe mich zumindest teilweise mit ähnlichen Gedanken wie Alfa_Romea getragen. (Noch eher bei meinem Georgienbuch vom Helden Amirani). Nun hat mir Eure Erläuterung auch etwas weitergeholfen.


    Interessant finde ich, dass ihr diese Sagen im Kindesalter gelesen habt - das gab es bei mir überhaupt nicht, meine Familie kennt sich mit diesen Sagen auch gar nicht aus und mri wurden diese Geschichten auch nie angetragen. Der Grund für das Hörbuch war, dass ich endlich mal näheres über die einzelnen Götter, Helden und deren Geschichten wissen wollte. In diverser Literatur wurden Inhalte dieser Sagen nämlich als Allgemeinwissen betrachtet - eine Lücke die es zu schließen galt.
    Sie als Abenteuergeschichten zu lesen ist natürlich gleich um einiges spannender und ich werde mir wohl bei audible auch die anderen Teile von Schwabs Sagensammlung laden und vllt. auch mal eine


    schöne, dicke, gebundene Ausgabe,

    zulegen, damit meine Kinder diese dann mit mir gemeinsam lesen können.


    Viele Grüße
    schokotimmi


  • Es ist nämlich keineswegs so, dass die alten Sagen in nur einer Version überliefert worden wären. Da gab es auch lokale Neben-Sagen, indem diese oder jene Stadt diesen oder jenen Gott oder dieses oder jenes Ereignis in einer Variation auch für sich reklamierte.


    Und teilen damit das Schicksal aller zunächst mündlich erfolgten Überlieferung, die eine spätere vereinheitlichte Schriftfassung erhält.



    Interessant finde ich, dass ihr diese Sagen im Kindesalter gelesen habt - das gab es bei mir überhaupt nicht, meine Familie kennt sich mit diesen Sagen auch gar nicht aus und mri wurden diese Geschichten auch nie angetragen.


    Das ist eigentlich sehr schade. Ich habe sie – zumindest in Auszügen – erzählt bekommen, bevor ich selber lesen konnte. Und kaum konnte ich lesen, habe ich mich selber an die Schwab'sche Fassung gemacht, Götterstammbäume gemalt und ähnliches. Die Sagen der antiken griechischen und römischen Welt haben bis heute für mich ihren Reiz bewahrt und ich greife immer wieder mal zum Buch, um die eine oder andere nachzulesen. Im Gegensatz dazu sind mir merkwürdigerweise die Edda als auch Teile des germanischen klassischen Sagenschatzes eher fremd geblieben.



    Das liegt sicher daran, dass die Religion heute nicht mehr praktiziert wird - beim Koran wäre mir das sicher nicht passiert :zwinker:


    Dazu noch ein Wort. Daß wir diese Texte heute nicht mehr oder kaum in ihrer religiösen Bedeutung wahrnehmen, hat natürlich auch viel mit ihrer Rezeption über die Jahrhunderte hinweg zu tun, ihrer Verankerung im europäischen Gedankengut, ihrer „Verwertung“ in bildender Kunst, Literatur usw. usf. Dadurch sind sie ein bißchen zu Vorlagen für farbenprächtige Spektakel verkommen und ihres ursprünglichen Bedeutungsgehaltes ziemlich entkleidet. Das macht ihre Aufnahme nicht gerade einfacher, weil man sich im Grunde von diesen ganzen Bildern und Interpretationen lösen müßte, wenn man sie liest – wobei, wie sandhofer ja richtig sagte – es sowieso nicht die jeweils eine, richtige Fassung gibt, da diese Vereinheitlichung deutlich jüngeren Datums ist.


  • Es ist im eigentlichen Sinn keine Übersetzung. Eher eine Bearbeitung. Schwab hat meist verschiedene Versionen derselben Sage vor sich gehabt und diese dann "normalisiert", das heisst, quasi eine Standard-Version angelegt.


    Eine weitere interessante Information, danke! :smile: Ich wusste doch, dass es sich lohnt, hier mal alles loszuwerden, was mich beim Lesen gestört hat und dann um Erklärungen zu bitten...


    Mir gehts inzwischen beim Lesen auch besser. Ich habe es definitiv aufgegeben, die Handlungsweisen der alten Griechen auch nur ansatzweise nachvollziehen zu wollen. Dafür liegen zu viel Zeit und zu viele weltanschauliche Gräben zwischen mir und diesen Menschen. Als Abenteuerliteratur ists gar nicht so schlecht.


    Auch wenn ich mit Agamemnon einer Meinung bin, dass man die unschuldige Iphigenie nicht für das treulose Weib (=Helena) von Menelaos opfern sollte... aber eben, die Griechen hatten offenbar komplett andere Moralvorstellungen als ich.



    Noch heute kann man in jeder Kneipe hören, dass dieser oder jener für dieses oder jenes mitsamt seiner ganzen Familie totgeschlagen gehört ... :winken:


    Das sind sicher dieselben, die am lautesten schimpfen, wenn es unter der balkanstämmigen Bevölkerung wieder mal einen so genannten Ehrenmord gab. :rollen: (Klar ist es ein langer Weg, von der Meinung, dass jemand totgeschlagen gehört bis zur tatsächlichen Ausführung - aber letztlich sind solche Leute doch Brüder im Geiste, auch wenn das jeder der Stammtischbrüder entsetzt von sich weisen würde.)


    Genau diese Blutrünstigkeit - man muss immer gleich alle erschlagen, um wirklich Rache zu üben - stört mich schon ziemlich. Auch wenns nur Sagen aus einer längst vergangenen Zeit sind, finde ich das doch ziemlich übel. Wärs ein moderner Roman, wäre er schon längstens ungelesen ins Altpapier gewandert.


    Das ist eigentlich sehr schade.


    Einerseits sicher, weil diese Sagen (aus meiner Sicht) schon fast zur Allgemeinbildung gehören und man die Figuren - dank der von dir erwähnten Verankerung im europäischen Kulturgut - immer noch kennt.


    Andrerseits bin ich nicht sicher, ob ich meinen Kindern etwas vorlesen möchte, das meinen eigenen Wertvorstellungen oftmals widerspricht. Das gilt übrigens auch für die Bibel, insbesondere das Alte Testament. Damit wird den Kindern doch nur eingebleut, dass sie zu tun haben, was von ihnen verlangt wird, weil sie sonst vom "lieben" Gott gestraft werden. Wobei die Strafe dann meistens unverhältnismässig hart ausfällt. Sowas ist Angstmacherei und fördert weder die Moral (die oberste Maxime ist dann "lass dich nicht erwischen" statt "handle richtig") noch das Selbstbewusstsein. Klar muss man einem Kind beibringen, dass es zu gehorchen hat. Aber Drohungen sollten sich niemals auf unsichtbare Geistwesen oder Götter beziehen und auch Strafen sollen gerecht und nachvollziehbar sein... Das ist jetzt übrigens nicht alles auf meinem Mist gewachsen, sondern auch auf dem des Philosophen und Atheisten Michael Schmidt-Salomon.


    Ein schwieriges Thema und auch nicht ganz on topic :breitgrins: Drum schliesse ich hier mal ab - ich habe ja keine Kinder und muss mir diese Frage folglich nicht ernsthaft stellen...


    :winken:


    Alfa Romea

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.


  • Götterstammbäume gemalt


    Und ich dachte immer, ich wäre die Einzige gewesen, die so weit gegangen ist ... :redface::zwinker:


    Grüße von Annabas

  • Und ich dachte immer, ich wäre die Einzige gewesen, die so weit gegangen ist ... :redface::zwinker:


    Nee, das solltest Du doch nach den Erfahrungen hier im Forum inzwischen wissen: Es gibt immer jemanden, der mindestens genauso verrückt ist :breitgrins:

  • Genau diese Blutrünstigkeit - man muss immer gleich alle erschlagen, um wirklich Rache zu üben - stört mich schon ziemlich. Auch wenns nur Sagen aus einer längst vergangenen Zeit sind, finde ich das doch ziemlich übel. Wärs ein moderner Roman, wäre er schon längstens ungelesen ins Altpapier gewandert.


    Die alten Griechen waren ein blutrünstiges Volk. Die sind auch in der Realität - z.B. in ihren ständigen Bürgerkriegen - nicht sehr zimperlich miteinander umgegangen. Da haben Griechen andere Griechen nicht nur in der Schlacht, sondern auch danach, kaltblütig dahingemetzelt, die Frauen vergewaltigt und dann ganze Städte deportiert ...

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Die alten Griechen waren ein blutrünstiges Volk. Die sind auch in der Realität - z.B. in ihren ständigen Bürgerkriegen - nicht sehr zimperlich miteinander umgegangen. Da haben Griechen andere Griechen nicht nur in der Schlacht, sondern auch danach, kaltblütig dahingemetzelt, die Frauen vergewaltigt und dann ganze Städte deportiert ...


    Oh ja, diese Blutrünstigkeit ist mir auch schon aufefallen - eine Sache die uns in der Schule auch eher verschwiegen wurde, man war nur voll Lobes für Demokratie und Kultur... bei den Römern klang es wenigsten bei den Gladiatoren mal an, aber wenn man sich mal ein wenig mit den Kulturen, z.B. auch den Maya beschäftigt merkt man wie viel Blut damals floss!


    Das ist eigentlich sehr schade. Ich habe sie – zumindest in Auszügen – erzählt bekommen, bevor ich selber lesen konnte. Und kaum konnte ich lesen, habe ich mich selber an die Schwab'sche Fassung gemacht, Götterstammbäume gemalt und ähnliches. Die Sagen der antiken griechischen und römischen Welt haben bis heute für mich ihren Reiz bewahrt und ich greife immer wieder mal zum Buch, um die eine oder andere nachzulesen. Im Gegensatz dazu sind mir merkwürdigerweise die Edda als auch Teile des germanischen klassischen Sagenschatzes eher fremd geblieben.


    Ja ich finde es auch schade und werde versuchen es bei unserem(n) Kind(ern) anders zu machen. Denn meine vorrige Aussage läßt sich eigentlich auf fast alle Sagen beziehen.


    Viele Grüße
    schokotimmi


  • Wir hatten so ein schöne, dicke, gebundene Ausgabe, die meine Schwester und ich beide heiß geliebt haben und zig Mal gelesen haben, wohl auch ungefähr in dem Alter. Und ich habe immer noch eine Schwäche für diese Sagen und die Götterwelt. Weshalb ich dann die denkbar ungünstigste Begleiterin für einen Film wie "Troy" war, weil ich ständig gemeckert habe, was nun wieder nicht stimmt. :breitgrins:


    Das ging mir ganz genauso, der Film war einfach nur dämlich :rollen:. Ich habe die griechischen Sagen geliebt, wir haben sie in der 6. Klasse auch in der Schule durchgenommen. Aber schon vorher war ich unglaublich faszniniert von dieser Götterwelt. Ich müsste meinen Schwab auch mal wieder aus dem Regal holen.

    Die Literatur gibt der Seele Nahrung,<br />sie bessert und tröstet sie.<br /><br />:lesen:<br />Alfred Kerr: Die Biographie

  • Der Herr Schwab, die Griechen, ihre Götter und ich haben bis zum Ende des Buches nicht mehr zueinander gefunden. Der Blödsinn, den ich im ersten Posting bemängelt habe, zog sich erwartungsgemäss auch im weiteren Verlauf des Buches durch und die Griechen wurden mir immer unsymphatischer.


    Es war eine Qual, diesen Mist* zu lesen und ich bin froh, dass es vorbei ist. Den Tipp, diese Geschichten als Abenteuerliteratur zu lesen, habe ich beherzigt. Aber dafür wars dann wiederum ein bisschen umständlich geschrieben. Halt so, wie sich Leute, die nie Klassiker lesen, einen Klassiker vorstellen: Trocken, komplizierte, lange Sätze, schwer zu verstehen und mit eingebautem Nach-fünf-Seiten-fallen-mir-die-Augen-zu-Mechanismus. Alles vorhanden.


    Insgesamt finde ich diese Sagensammlung ziemlich abschreckend. Wenn ich künftig etwas über die griechische Mythologie wissen möchte, werde ich wohl eher bei Wikipedia als bei Schwab nachsehen...


    Tschüss, Griechen. Machts gut ohne mich... Mit auf den Weg gibts noch 3 von 10 möglichen Punkten, weil eure Geschichten eine Inspiration für viele spätere Werke westlicher Autoren waren. Sozusagen der Antiken-Bonus.


    Alfa Romea


    *Mist ist in dem Zusammenhang ein hartes Wort und eine ausschliesslich subjektive Wertung meinerseits. Ich bin zu alt und zu erfahren, um diesen einfach gestrickten Göttergeschichten mit den ewig gleichen Abläufen und den immer wiederkehrenden moralischen Aussagen irgendwas abgewinnen zu können. Da gehts mir beim Lesen von Märchen übrigens genau gleich. Egal, ob Göttersagen oder böse Hexen: Mit diesen "Kindergeschichten" (ich weiss schon, dass Märchen und Sagen nicht unbedingt und ausschliesslich Kindergeschichten sind, ich finde nur grade kein besseres zusammenfassendes Wort) möchte ich mich nicht näher beschäftigen, es ist zu langweilig.
    Sollte ich mal Kinder haben, kann sich das ändern - aber derzeit habe ich mangels geeignetem Zielpublikum keinen Grund, mich mit Sagen oder Märchen auseinanderzusetzen. Natürlich gäbe es noch die historische und die literarische Ebene, auf denen ich mit damit beschäftigen könnte - aber auch dafür interessiert es mich einfach zu wenig.
    Aus demselben Grund habe ich vor ein paar Jahren auch "Tausendundeine Nacht" abgebrochen. Deshalb konnte ich "Karlsson vom Dach" von Astrid Lindgren nur ein paar Kapitel weit lesen: Solche "Kindergeschichten" gehen mir in ihrer Vorhersehbarkeit und in ihrem ewig gleichen Aufbau einfach nur auf die Nerven.

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • Aus demselben Grund habe ich vor ein paar Jahren auch "Tausendundeine Nacht" abgebrochen. Deshalb konnte ich "Karlsson vom Dach" von Astrid Lindgren nur ein paar Kapitel weit lesen: Solche "Kindergeschichten" gehen mir in ihrer Vorhersehbarkeit und in ihrem ewig gleichen Aufbau einfach nur auf die Nerven.


    1001 Nacht hat eigentlich nicht unbedingt den Ruf von "Kindergeschichten". Eher von "Geschichten, um Kinder zu machen" ... :wegrenn: :clown:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)