"Würde" - Allgemeine Fragen und Kommentare

Es gibt 9 Antworten in diesem Thema, welches 2.569 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Aldawen.

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    Kapstadt, die Mutterstadt Südafrikas, die Schöne mit den vielen Gesichtern. Während im Schatten des Tafelbergs Flüchtlinge ums Überleben kämpfen, korrupte Polizisten ihr Gehalt aufbessern und das organisierte Verbrechen blüht, frisst der Alltag an Richard Calloways Glück: Eine triste Vorstadtidylle, eine eintönige Ehe und Dinnerparties, auf denen man sich nichts zu sagen hat. Doch dann übernimmt Richard einen Fall, der sein Leben für immer verändern wird: Ein russischer Geschäftsmann soll einen Jungen überfahren haben. Der Augenzeuge ist verschwunden. Und die Aktenlage ist undurchsichtig. Als Richard dann auch noch auf die sinnliche nigerianische Einwanderin Abayomi trifft, wagt er sich Schritt für Schritt hinaus aus seinem Alltag. Doch auch der kleinste Schritt kann ein Schritt zu viel sein …


    Teilnehmer:
    dubh
    Annabas
    Schokotimmi
    Nanu?!


    Moderation:
    Aldawen/Doris



    Hier könnt ihr allgemeine Fragen besprechen. Danke an Aldawen, dass sie als Afrika-Expertin des Forums als Moderatorin mithilft. Ich bin schon gespannt, ob sie Ungereimtheiten aufdeckt :zwinker:.


    Viel Spaß allen Teilnehmern!

  • Hallo miteinander,


    gleich im ersten Abschnitt taucht eine Frage auf: zum "Biafra-Krieg"
    Im Buch steht, dass die Großmächte in diesem Krieg nicht eingriffen. Leider habe ich das Buch gerade nicht zur Hand und kann die Stelle nicht heraussuchen. Es steht aber im zweiten Kapitel, wo es um Ifasen und Abayomi geht.


    Jetzt sind mir aber die Biafra-Spendensammlungen noch sehr geläufig. So in den Jahren 1968/69 etwa hatten wir in der Grundschule eine sehr engagierte Religionslehrerin die uns Kinder zum Spendensammeln begeisterte. Von dem tatsächlichen Hintergrund des Krieges wussten wir vermutlich eher nichts, aber wir gingen "für die armen Kinder" mit Sammelbüchsen auf die Straße. Das heißt doch, dass den großen Spendenorganisationen das Elend in Biafra durchaus bekannt war und damit muss es auch den Ost- und Westregierungen und auch der Bevölkerung in diesen Ländern bekannt gewesen sein.


    Umso schlimmer erscheint es damit, dass politisch nichts unternommen wurde - wenn das wirklich so war.


    Grüße von Annabas :winken:

  • Hallo,


    um ehrlichzu sein habe ich in diesem Buch das erste mal etwas von Biafra gehört, vielleicht gilt ja als klitzekleines Argument dass ich zu dieser Zeit noch gar nicht geboren war und mein Wissen zur Geschichte Afrikas erbärmlich gering ist.


    Aber ich habe mal gegoogelt und folgenden interessanten Artikel der Taz gefunden, der teilweise Annabas Frage beantwortet.


    Auf weitere Infos bin ich gespannt, Wikipedia gibt leider nichts dazu her.


    Viele Grüße
    schokotimmi

  • Biafra ist in mancherlei Hinsicht ein trauriges Thema. Sicher ist im Hinblick auf die Wertigkeit internationaler Humanität richtig, was in dem von schokotimmi zitierten taz-Artikel steht, auch mit Blick auf die Probleme, diese als politisch-moralische Kategorie zu etablieren. Und daß die Ärzte ohne Grenzen ihre Geburtsstunde dort hatten, weiß vermutlich kaum noch jemand. Aber das war ja nicht Annabas' Frage.



    Im Buch steht, dass die Großmächte in diesem Krieg nicht eingriffen.
    (...)
    Das heißt doch, dass den großen Spendenorganisationen das Elend in Biafra durchaus bekannt war und damit muss es auch den Ost- und Westregierungen und auch der Bevölkerung in diesen Ländern bekannt gewesen sein.


    Umso schlimmer erscheint es damit, dass politisch nichts unternommen wurde - wenn das wirklich so war.


    Natürlich war es bekannt, aber wie bis heute zählen nicht alle Menschenleben gleich viel, das ist – bei allen humanitären und politischen Fortschritten – leider immer noch so. Daß die Großmächte nicht eingegriffen, kann man so allerdings nicht sagen. Die Amerikaner und damit auch die Weltöffentlichkeit waren zu dieser Zeit allerdings wohl mehr auf Vietnam konzentriert, da blieb für Biafra nicht so viel Aufmerksamkeit übrig. Zudem ist Nichteinmischung in innere Angelegenheiten ein lang gehegtes Prinzip des Völkerrechts, und da die Sezession international nicht anerkannt war, galt der Biafrakrieg als Bürgerkrieg und mithin eine innernigerianische Angelegenheit. Trotzdem haben sich die übrigen vier ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates in diesem Krieg engagiert. Großbritannien als frühere Kolonialmacht stützte das Federal Military Government (FMG), während die Franzosen Biafra halfen, in der Hoffnung, bei einem Zerbrechen dieses bevölkerungsreichen, anglophonen Staates im sonst überwiegend frankophonen Westafrika, den eigenen Einfluß zumindest in diesem Teil des Kontinents auszudehnen. Die UdSSR und China haben ihre eigenen Streitigkeiten nach Nigeria „exportiert“, wobei die UdSSR auf der Seite des FMG stand, China auf der Biafras. Allerdings hatte das vor allem Auswirkungen für militärische Hilfen und wirkte nicht im Sinne einer politischen Lösung und Befriedung.


    Die Regierung von Biafra hat während des Krieges große Anstrengungen unternommen, den Krieg zu internationalisieren. Dafür wurde extra eine Werbeagentur mit entsprechender Propaganda beauftragt. Der Erfolg war, im Hinblick auf die angestrebten Ziele, eher mäßig, brachte aber tatsächlich einige Sympathien – vor allem eben jene, die in den Aktivitäten der Hilfsorganisationen gipfelten. Zudem wurde dadurch erreicht, daß Nigeria seine Politik transparenter machte und auf revanchistische Aktionen nach dem Kriegsende verzichtete, so daß die Wiedereingliederung Biafras in den Staat vergleichsweise schnell und ruhig gelang. Die fortschreitende Unterteilung Nigerias in immer mehr Provinzen ist allerdings eine recht direkte und wenig hilfreiche Folge des Krieges, da die Zahl der Klientel- und Patronagenetze damit stark angestiegen ist.


  • Aber ich habe mal gegoogelt und folgenden interessanten Artikel der Taz gefunden, der teilweise Annabas Frage beantwortet.


    Danke! Der Artikel ist wirklich interessant!


    Grüße von Annabas :winken:

  • Aldawen, du bist unbezahlbar! :smile:


    @ Annabas
    Ich kam auch ins Stutzen, als ich die Passage las, laut der die Welt (ausgenommen GB) so tat, als hätte es Biafra nie gegeben. Ich war zur fraglichen Zeit im Kindergarten, wo eine Spardose in Form eines farbigen Kindes stand, in das wir unser Taschengeld deponieren sollten, um den Kindern in Biafra zu helfen. Wenn also damals schon selbst Kinder in westlichen Ländern auf die Situation in Biafra aufmerksam gemacht wurden, kann man kaum behaupten, dass die Welt das Problem einfach negierte. Offensichtlich bezieht sich die Aussage im Buch auf politische Einmischung.

  • Danke Aldawen für die Ausführungen, du bist spitze. Also war es mit Biafra eigentlich so wie es immer ist, die "Einmischung" erfolgt nach persönlichen Gesichtspunkten. Man stand auf der Seite, die gerade für einen selbst die beste war. Im ersten Moment "schockiert" war ich von der Aussage Biafra hat eine Werbeagentur engagiert und eine Kampagne gefahren, aber am Ende ist es keine schlechte Idee und Politik lebt doch von bzw. durch Werbung...


    Viele Grüße
    schokotimmi


  • Leider habe ich das Buch gerade nicht zur Hand und kann die Stelle nicht heraussuchen. Es steht aber im zweiten Kapitel, wo es um Ifasen und Abayomi geht.


    Ich habe die Stelle, die mich irritiert hat, gefunden! Auf Seite 43:


    Zitat

    Im Jahr 1970 fand der biafranische Traum ein blutiges Ende. Mehr als eine Million Menschen wurde dabei getötet. Großbritannien ignorierte die Gräueltaten, während die restliche Welt so tat, als hätte es Biafra nie gegeben.


    Grüße von Annabas :winken:

  • Falls ihr es noch nicht entdeckt habt: Es gibt am Ende des Buches ein Glossar, in dem die kursiv gedruckten Begriffe erklärt werden.

  • Ich pack das jetzt mal hierhin, damit ich es leichter wiederfinde, falls da noch etwas dazu kommt. Ich war nämlich beim Lesen des dritten Abschnitts irgendwann irritiert, weil meine ganze chronologische Vorstellung über den Haufen geworfen wurde, und ich bin immer noch sicher, daß sich Brown hier, ich nenne es mal noch vorsichtig, Ungenauigkeiten in der nigerianischen Zeitgeschichte geleistet hat.


    Also: Abayomi hat Ken Saro-Wiwa kurz vor dessen Hinrichtung kennengelernt, zu dem Zeitpunkt war sie 15, daraus folgt, daß sie 1980 geboren wurde (Kapitel 9). Die große Flüchtlingsbewegung nach religiös-ethnischen Auseinandersetzungen war 2004, zu dem Zeitpunkt müßten dementsprechend Ifasen und Abayomi nach Südafrika gekommen sein, da der Junge nicht einmal zwei war, als die Familie in Südafrika ankam, müßte er 2002/2003 geboren sein, jetzt ist er vier, wir wären also im Jahr 2006 oder 2007 (Kapitel 2). Dann kann Ifasen aber nicht noch in Nigeria mit seinen Kollegen über den Präsidenten Yar'Adua diskutiert haben (Kapitel 11), denn Yar'Adua wurde 2007 erst Präsident, mithin zu einer Zeit, als Ifasen schon längst in Südafrika gewesen sein muß.


    Da Abayomis Bruder Abazu etwas älter ist, aber auch nach 1970 geboren wurde, kann er höchstens zwanzig gewesen sein, als er wegen regimekritischer Artikel vor Abacha fliehen mußte, denn der war Militärdiktator von 1993 bis 1998 und es soll kurz nach dessen Machtübernahme gewesen sein. Nun ist es zwar nicht ausgeschlossen, daß ein so junger Mann wegen seiner Ansichten verfolgt wird, ich frage mich aber, warum sich zehn Jahre später unter einer ganz anderen, inzwischen wieder zivilen, Regierung jemand für Abayomis Kontakte zu ihrem Bruder interessieren sollte, und warum das so bedrohlich ist, daß die ganze Familie deswegen zu fliehen beschließt. Teils aus einer Yoruba- und teils aus einer Igbo-Familie stammend, sollte es für Abayomi in Abeokuta, also in „Yoruba-Land“ nicht so gefährlich sein. Daß sich Ifasen und seine Eltern als Haussa Sorgen machen, das wäre logischer. Das alles paßt für mich nicht besonders gut zusammen. Aber vielleicht zaubert Brown ja noch ein paar zusätzliche Familiengeschichten aus dem Hut, die mir das glaubhaft machen.