David Belbin – Der Hochstapler

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    Inhalt: Mark Trace entdeckt durch eine Hausaufgabe seines Englischlehrers im Alter von 14 Jahren ein bemerkenswertes Talent: Er kann sich so in den Stil von Autoren (in diesem Fall Dickens) hineindenken, daß er sie fälschen kann. Zunächst macht er davon aber keinen Gebrauch, sondern will ein Jahr zwischen Schulabschluß und Studienbeginn in Paris beginnen. Für seinen Lebensunterhalt gibt er dort Englisch- und Französischunterricht. So lernt er die Mercers, Vater Paul und Tochter Helen, kennen. Zur eigenen Freude und als Fingerübung schreibt Mark auf einer alten Schreibmaschine vom Flohmarkt einige verschwundene frühe Geschichten von Hemingway neu. Als Helen die Blätter sieht, ist sie – in Unkenntnis der Entstehungsgeschichte – dieser speziellen Seiten – völlig begeistert, und als die Mercers plötzlich verschwinden, ahnt Mark schon, daß dies seinen Fälschungen geschuldet ist. Zurück in London fällt ihm die Eingewöhnung ins Studium recht schwer, ein Lichtblick ist erst die praktisch unbezahlte Anstellung bei der Little Review, einer zwar renommierten, aber auch ziemlich heruntergekommenen Literaturzeitschrift. Mit Tony Bracken, dem Herausgeber und einzigen Mitarbeiter, freundet sich Mark aber trotzdem schnell an. Als angekündigt wird, daß der Little Review die Zuschüsse mangels Auflage gestrichen werden sollen, erinnert sich Mark an seine Fähigkeiten ohne die Auswirkungen auch nur ansatzweise ahnen zu können ...



    Meine Meinung: Die Geschichte ist ein bißchen verrückt, aber wie zwischendurch auch gemutmaßt wird: Wenn es Fälschungen im Bereich der Malerei gibt, warum nicht auch in der Literatur? Und wie könnten diese dann zustandegekommen sein? Belbin liefert hier eine, wenn vielleicht auch nicht gerade die naheliegendste Variante. Dafür hat die Erzählung einigen Witz, denn die Anstrengungen, die Mark unternimmt, um Geschichten von Graham Greene, Roald Dahl und anderen Größen so authentisch wie möglich zu verfassen, gehen manchmal durchaus ins Detail – nicht nur sprachlicher Art. Man erfährt also ganz nebenbei ein bißchen über auffällige „Macken“ der Autoren, zum Glück aber ohne langatmige linguistische oder ähnliche Ausführungen.


    Die Verwicklungen in Marks sonstigem Leben, die nur zum Teil seiner Fälscherkunst, zum Teil jedoch schlicht seinem Erwachsenwerden geschuldet sind, bringen weitere Schmunzelszenen, denn gerade im Umgang mit Frauen hat Mark doch erhebliche Defizite, die mit Schüchternheit nur unzureichend erklärt sind. Allerdings gerät er auch an ausgesprochen selbstbewußte Frauen, die sehr genau wissen, was sie von ihm wollen und was nicht, seine Entscheidung ist da eher selten gefragt. Vor allem Helens Rolle bekommt durch den Zusammenhang mit den „Hemingway-Manuskripten“ aber noch eine besondere Bedeutung, denn natürlich ist das Thema mit der Abreise der Mercers aus Paris nicht ausgestanden. Alles in allem ist Der Hochstapler sicher kein Roman, den man unbedingt gelesen haben muß, auch nicht als Büchernarr, aber als unterhaltsame Lektüre mit einem etwas anderen Blick auf die schreibende „Szene“ (denn auch die unbekannten Möchte-Gern-Autoren fehlen nicht, die die Little Review mit ihren Werken überschwemmen) macht er Spaß.


    4ratten


    Schönen Gruß
    Aldawen

  • Nun lese ich für meine Verhältnisse schon relativ lange an dem Buch herum, ohne besonders weit gekommen zu sein, aber ich kam einfach nicht in die Geschichte rein. Mark, der aus dem behüteten Heim seiner Mutter nach Paris kommt und absolut überfordert ist, war da keine große Hilfe. Inzwischen ist er nach England zurückgekehrt, hat sein Studium begonnen - und ist auf den Herausgeber der Little Review gestoßen. Und schon übt das Buch einen viel größeren Reiz auf mich aus. :zwinker:


    Viele Grüße
    Breña

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges

  • Während ich für die ersten rund 80 Seiten Tage gebraucht habe, sind heute Abend die nächsten 120 Seiten nur so davongeflogen. ;) Und der Rest wird gleich auch noch dran glauben müssen.


    Mark erscheint mir nun viel zugänglicher, nicht unbedingt sympathisch, aber zumindest kann ich nun sein Handeln nachvollziehen. Die Verwicklungen um die Little Review sind einfach köstlich, aber erst der ernste Unterton, die drohende Pleite, runden das Bild ab. Und der Blick auf die Literaturszene Londons gefällt mir auch ausgesprochen gut, dieses Haifischbecken aus Möchtegern-Schriftstellern und solchen, die es zu etwas gebracht haben und daher natürlich nicht mehr mit jedem sprechen. Mark besucht natürlich auch Präsentationen, also Lesungen angesichts einer Veröffentlichung, ähnlich einer Vernissage. Dem Dress Code entsprechend gekleidet - schwarz, schwarz und nochmal schwarz - hält er sich dezent im Hintergund, im Grunde geht es ihm nur um die Kanapees und den Wein. Um so schlimmer, wenn sich eine Pressetante auf ihn stürzt im Glauben, er komme von einem wichtigen Magazin. :zwinker:


    Nun muss ich aber erst mal nachschauen, ob es James Sherwin tatsächlich gab.

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges

  • Hierzu bin ich euch noch eine abschließende Meinung schuldig, die im Wesentlichen - mal wieder - nur wenig von Aldawens Einschätzung abweicht.


    Trotz des schleppenden Anfangs hat mich die Geschichte dann doch gepackt, obwohl mir der Protagonist Mark bis zuletzt eher ein Rätsel blieb. Doch wenn er nicht so herrlich konsequent in seinem manchmal unreifen, manchmal unüberlegten Handeln wäre, entgingen dem Leser amüsante Verwicklungen. Am meisten hat mich die Handlung um die Little Review unterhalten, deren Herausgeber einfach zu herrlich ist. Die Idee zu Fälschungen in der Literatur gefällt mir nach wie vor, und auch Marks Zwiespalt zwischen genialem Fälscher und miserablem Schriftsteller bietet einige gute Ansätze. Da ist es auch zu verschmerzen, dass Belbins Stil selbst zwar solide, aber nicht überragend ist.


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:


    Viele Grüße
    Breña

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges

  • Es begann, als ich vierzehn war und wir im Englischunterricht "David Copperfield" lasen.


    Marks schriftstellerisches Talent zeigt sich schon in seiner Schulzeit, allerdings schreibt er nicht mit seinem eigenen Stil, sondern kann stattdessen den Stil ihm bekannter Autoren sehr gut nachahmen. Er würde gerne Schriftsteller werden und auf dem Weg dahin schreibt er sozusagen als Fingerübung als jemand anders. Die von ihm in Paris verfassten Hemingway-Geschichten finden einen Weg zu einem Händler und plötzlich ist er kein junger Autor mehr, auf dem Weg sich zu finden, sondern Fälscher.


    Der Klappentext deutete auf Gefahren und eine Thrillerähnliche Handlung hin, davon ist aber wenig zu spüren. Stattdessen treffen wir einen einsamen jungen Mann, der nur ein Talent zu haben scheint, was ihm kaum nützt. Sein Versuch einen Platz im Leben zu finden, klappt eher wenig: Im Umgang mit Frauen ist er unsicher und auch in der Selbstdarstellerszene des Literaturbetriebs fühlt er sich nicht wirklich wohl.


    Auch wenn das Buch nicht meinen Erwartungen entsprach, ließ es sich gut lesen, ich habe allerdings so manches Mal geseufzt, darüber wie wenig Mark sein Leben in den Griff zu bekommen scheint. Das Ende passte und gefiel mir gut, so dass ich das Buch mit einem Lächeln zugeschlagen habe.


    4ratten