Thomas Bernhard: Auslöschung. Ein Zerfall. Suhrkamp Verlag, 572 Seiten.
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Auslöschung ist Thomas Bernhards letzter und zugleich umfangreichster Roman. Er wurde vom Autor 1986 zur Veröffentlichung freigegeben, geschrieben wurde er schon vier Jahre zuvor, wohl innerhalb eines halben Jahres im Jahr 1982. Es ist ein typischer Bernhard-Roman, er besteht aus einem Monolog des Ich-Erzählers Franz-Josef Murau mit seinen langen, nicht enden wollenden Sätzen. Absätze sucht man vergeblich, was dem Leser bei 500 Seiten Romantext (und 70 Seiten Anhang) dann streckenweise etwas Durchhaltevermögen abverlangt. Dennoch liest er sich eleganter als der Roman Holzfällen, welcher durch seine häufigen Einschübe „dachte ich“ und „sagte ich“ zeitweise enervierend wirkt.
Der Inhalt ist schnell wiedergegeben. Das Buch gliedert sich in zwei Kapitel. Im ersten Kapitel erhält der in Oberösterreich aufgewachsende, jetzt in Rom lebende Ich-Erzähler ein Telegramm, in dem ihm in knapper Form der Unfalltod seiner Eltern und seines Bruders mitgeteilt wird. Er sinniert darauf hin über seine Kindheit, insbesondere über seine Andersartigkeit, sein Sich-nicht-angenommen-Gefühl hinsichtlich seiner Eltern. Im zweiten Kapitel kehrt er in das Elternhaus, Schloss Wolfsegg, zurück, um dort an der Beerdigung zusammen mit seinen beiden Schwestern teilzunehmen. In der Rückschau beleuchtet er dabei das Leben des Vater und der Mutter. Aber auch alle anderen möglichen Themen streift Bernhard in seiner typischen Manier. Literatur, Kunst, die Nazi-Vergangenheit Österreichs, Katholizismus, Krankheit und Tod sind nur einige wenige weitere Themen.
Warum greift man überhaupt zu Bernhard? Drei Gründe scheinen mir wesentlich:
1. Man befindet sich in einer (wenn auch nur kleinen) Lebenskrise. Kann man in einer solchen Situation "nette" Bücher aushalten? Ich denke nicht, man kann dann zu Erbauungsliteratur greifen (wie der Bibel oder vielen Ratgebern) oder aber zu Bernhard. Der Schmerz in seinen Büchern greift auch den eigenen auf und hilft ein wenig bei der Relativierung.
2. Man ist (wenn auch nur ein wenig) ein Sonderling. Wenn man sich nirgends verstanden fühlt, dann kann das schöne Buch ziemlich verärgern. Bernhards Protagonisten sind ziemliche Sonderlinge und man fühlt sich in dem ein oder anderen Punkt plötzlich verstanden, steht nicht mehr allein da - denn ich glaube auch Sonderlinge brauchen die menschliche Gemeinschaft. So besaß das bäuerliche Schloss fünf Bibliotheken, diese wurden den Kindern lange Zeit nicht zugänglich gemacht, ein Leser galt als Sonderling, der nun tote Bruder Johannes, der sich um den bäuerlichen Betrieb kümmerte, war der Liebling der Eltern. Murau lebt hingegen als Privatgelehrter nun in Rom, was den Eltern natürlich auch suspekt erschien.
3. Man hat einfach Spaß an philosophischen Themen, die Bernhard hier teilweise auch in sehr komischer Form präsentiert. Es gibt immer wieder Stellen, die ein Schmunzeln erzeugen oder zum Nachdenken anregen.
Gruß, Thomas