Tana French - Sterbenskalt/Faithful Place

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    Originaltitel: Faithful Place


    Undercoverpolizist Frank hat seine Familie seit über 20 Jahren nicht gesehen, doch als in einem Abbruchhaus der Cover seiner Jugendliebe Rosie gefunden wird, die damals, als sie gemeinsam nach England gehen wollten, nicht am vereinbarten Treffpunkt aufgetaucht ist, muss er sich seiner Vergangenheit stellen, um herauszufinden was damals wirklich geschah.


    Wie bereits gewohnt, kennt man den Erzähler dieser Geschichte schon aus dem vorigen Buch von Tana French, aber während Frank in Totengleich nur eine Nebenrolle spielte, dreht sich hier alles um ihn und seine Familie. Ich hatte Frank als ziemlich ichbezogenen und nicht gerade freundlichen Menschen in Erinnerung und konnte die leichte Zuneigung, die Cassie für ihn empfunden hat, so gar nicht nachvollziehen. In „Sterbenskalt“ lernen wir Frank wirklich kennen. Er wird dadurch nicht vollkommen sympathisch, es gibt immer noch einige unangenehme Charakterzüge, aber man erfährt die Hintergründe, warum er zu dem Menschen wurde, der er ist und kann ihn so in gewisser Weise verstehen und sein Verhalten nachvollziehen.


    „Sterbenskalt“ ähnelt den vorherigen Romanen der Autorin insofern, dass es wieder einmal eigentlich nicht um das Lösen eines Kriminalfalls geht, sondern um die Auflösung einer psychologisch vertrackten Situation. Frank muss sich den Gespenstern seiner Vergangenheit stellen und akzeptieren, dass seine Familie ein Teil seiner selbst ist, der ihn nachhaltig geprägt hat, so sehr er auch versucht hat, sich von ihnen zu entfernen und sie von seinem Erwachsenenleben fernzuhalten. Und auch wenn Franks Kindheit und Jugend in den 1980ern stattfand, wirken Teile davon, als lägen sie viel weiter in der Vergangenheit, so manches Mal fühlte ich mich an „Die Asche meiner Mutter“ als Paradebeispiel irischer Armut und Perspektivlosigkeit erinnert.


    Ich habe das Buch in kürzester Zeit verschlungen und auch wenn es thematisch einige Unterschiede zu den ersten beiden Büchern gibt, dürfte „Sterbenskalt“ all die Leser wieder begeistern, die die Vorgänger schon mochten. Noch in diesem Jahr soll mit „Broken Harbour“ das vierte Buch der Autorin erscheinen – für mich ein Pflichtkauf.


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    Einmal editiert, zuletzt von Valentine ()

  • Das lese ich auch gerade! Und finde es auch schon wieder sehr fesselnd. Und toll, dass bald schon wieder ein Neues von ihr erscheint!

    Gruß suray

  • So, nun habe ich das Buch durch.


    Also, ich fand das Buch zwar wieder gut, aber es hat mich nicht so begeistert wie die beiden Vorgänger. Das liegt wohl auch daran, dass ich ab der Mitte des Buches wusste wer der Mörder ist. Das hat für mich die Spannung sehr rausgenommen.


    Aber was Tana French wieder bravourös geschafft hat, ist, die Charaktere mit Leben zu füllen, so dass man immer wieder in das Leben am Faithful Place eintauchen konnte. Insbesondere die Vergangenheit, die in den 80ern spielt, war so gut beschrieben, dass mein eigenes pubertäres Erleben in den 80ern auch wieder in mir hochpulsierte. Da ist sie wirklich eine begnadete Schreiberin. Auch das irische Leben konnte ich mir gut vorstellen. Ich war in den 80ern ein paar Mal in England in Familien unterwegs und das hatte doch sehr viel Ähnlichkeit.


    Deswegen von mir 4ratten

    Gruß suray

  • Ich hab das Buch auch gelesen!



    Das liegt wohl auch daran, dass ich ab der Mitte des Buches wusste wer der Mörder ist. Das hat für mich die Spannung sehr rausgenommen.


    Vermutet hab ich auch schon relativ bald eine Person, was sich auch als richtig bewies.


    Mein 2. Buch von Tana French!! Ich habe mich schon sehr darauf gefreut. Aber ich finde Totengleich war um einiges besser und spannender... obwohl ich auch dieses Buch innerhalb weniger Tage verschlungen habe, was bei mir eher selten vorkommt!


    Es geht in diesem Buch um Frank Mackey und hauptsächlich NUR um ihn. Es ist zwar ein Krimi, aber ich will gleich mal betonen, dass es hauptsächlich psychologisch um seine Familie geht und um Rückblenden seiner Jugend. Wer hier einen blutrünstigen Krimi erwartet, wird sicher enttäuscht. Mir gefiel es aber sehr gut, weil ich so psychologische Krimis sehr mag. Und es zeigt vor allem Franks menschliche Seite ;) Mir kam er vorher auch immer viel härter vor! Vom Schreibstil wieder 1a und sehr gut zu lesen!


    Nun gut, ich kannte Frank von „Totengleich“ als eher harten Burschen, hier sieht man auch seine menschliche Seite und es wird auch klar, wie er so geworden ist, wie er ist. Allerdings zeigt er sich auch öfters so, wie ich ihn kenne aus Totengleich – keine Grenzen kennend, tun was er will, auch wenns nicht das normale Verhalten ist...
    Frank muss zurück in sein altes Wohngebiet, er wird konfrontiert was aus all den Leuten geworden ist... die Vergangenheit wird immer wieder beleuchtet bis in jeden Winkel. Auch der Todesfall ist mal was anderes, da es auch nicht mehr viele Anhaltspunkte gibt.
    Etwas langweilig fand ich aber teilweise die Stellen mit seiner Tochter, ich meine es machte Frank sympathischer, aber irgendwie ... naja es geht etwas zu viel um seine Familie und so.



    Insbesondere die Vergangenheit, die in den 80ern spielt, war so gut beschrieben, dass mein eigenes pubertäres Erleben in den 80ern auch wieder in mir hochpulsierte. Da ist sie wirklich eine begnadete Schreiberin. Auch das irische Leben konnte ich mir gut vorstellen.


    Ich konnte mich da auch richtig hineindenken und das war das, was mir am Besten gefiel am Buch, dieser psychologische Aspekt. Und teilweise war mir fast leid, dass ich nicht in den 80ern in der Pubertät war. ;)


    PS: Ich wüsste auch schon einen guten Kandidaten für das nächste Buch. Von wem würdet ihr noch gern ein Buch haben als Hauptakteur?


    :schmetterling:


    Gott hat dem Menschen die Phantasie gegeben, damit er darüber hinwegsehen kann was er nicht ist und den Humor, damit er ertragen kann, was er ist.

    (Horace Walpole)


  • Und teilweise war mir fast leid, dass ich nicht in den 80ern in der Pubertät war. ;)


    Früher war es mir immer irgendwie peinlich, dass ich in den 80ern groß geworden bin. Ich fand damals die 70er cooler. Aber im Nachhinein war das echt ne freakige Zeit! Alles war möglich! Popper, Punks, Rocker, Metals... Und alle so nebeneinander, obwohl man natürlich peinlichst darauf bedacht war bloß nicht so auszusehen wie die "anderen". Und wie durchgeknallt die Sänger und Bands rumgerannt sind. Und das war einfach normal. Echt ne tolle Zeit!Die Grunge-Zeit fand ich auch noch klasse, aber alles was danach kam, finde ich langweilig.

    Gruß suray

  • Ich habe nun die ersten 206 Seiten gelesen und muss euch zustimmen: Das Leben in den 80ern wird so unglaublich gut beschrieben und bisher kann ich noch nicht richtig festmachen, wer der Mörder ist - aber natürlich habe ich schon meine Vermutungen. :breitgrins:
    Ob ich damit richtig liege, werde ich später wissen und dann kann ich euch auch verraten, was ich dachte.

  • Na gut, aber beachtet, dass ich erst au Seite 248 bin. :zwinker:


    Ich bin gespannt, ob meine Meinung sich noch ändert mit den nächsten gelesenen Seiten.

  • Mir sind heute Nacht neue Ideen gekommen und nun bin ich sooo gespannt, wie es weiter geht. :breitgrins:


    "Zum Glück" bin ich krank zu Hause und kann aufgrund dessen auf jeden Fall noch lesen heute.

  • So, und hier folgt nun meine Meinung vom Buch. :zwinker:


    Mit meiner Vermutung, dass


    Tana French schafft es wie immer, mich zu überzeugen. "Sterbenskalt" ist mein drittes Buch, was ich von ihr gelesen habe, und ich konnte es kaum aus den Händen legen. Ihre Art, Spannung aufzubauen, ist grandios und die Charaktere sind wie immer unglaublich. Auch die Rückblenden in Francis' Vergangenheit haben mir sehr gut gefallen und Holly ist so unglaublich niedlich. :breitgrins:


    Der einzige Kritikpunkt, den ich habe, ist


    Somit gibt es 4ratten.

  • Tana French


    Sterbenskalt


    Faithful Place



    Frank Mackey von der Dubliner Undercover-Abteilung wird von seiner Vergangenheit eingeholt: Man findet bei Abbrucharbeiten in einem Haus in der Nachbarschaft seines Elternhauses den Koffer seiner Jungendliebe Rosie. Bisher ging man davon aus, dass Rosie nach England ausgewandert ist, entgegen des gemeinsamen Planes allerdings allein, ohne Frank. Aber ohne Koffer erscheint diese Möglichkeit plötzlich eher in einem anderen Licht. Deshalb fängt Frank an zu recherchieren, obwohl er nicht zuständig ist und ausdrücklich andere Weisungen erhält. Als ein Leichnam auftaucht, gehört er sogar in den kleinen Kreis der Hauptverdächtigen.


    Aber Frank hat sich noch nie viel um Vorschriften und Regeln geschert. Heimlich ermittelt er weiter und ist der Mordkommission immer einen Schritt voraus. Zu seinem Leidwesen ist er gezwungen, nach 22 Jahren wieder Kontakt mit seiner Familie aufzunehmen. Dort scheint sich nicht viel geändert zu haben: der Vater ein gewalttätiger Säufer, die Mutter völlig ungeeignet für die Erziehung von Kindern, obwohl sie 5 hat. Franks Brüder und Schwestern sind ebenfalls erwachsen geworden und haben versucht, etwas aus ihrem Leben zu machen. Man erinnert sich an alte Zeiten, aber es sind keine "guten alten Zeiten".



    Dieser Roman ist eigentlich ein einzelnes Buch, man kann nicht von einem Teil einer Serie sprechen. Frank, den man in Totengleich schon als harten Burschen kennenlernt, stellt sich hier oft als ein berechnender Sack heraus, ein richtiger Scheißkerl. Aber er hat natürlich auch sympathischere Stärken. Und seine "zauberhaften" Eltern lassen den Leser ein ums andere Mal wirklich schaudern.


    French hat es wieder geschafft, mich von Anfang bis Ende dieses 590 Seiten dicken Romans gut zu unterhalten!


    4ratten

    Bücher sind Magie zum Mitnehmen.

  • Endlich habe ich auch Sterbenskalt gelesen, nachdem ich Grabesgrün und Totengleich vor einigen Jahren las und beide sehr gut fand.


    Was mir bei Tana Frenchs Büchern gefällt, ist, daß sie eine lose Reihe bilden - jedes Buch hat eine andere Hauptperson, die man aus einem der früheren Bücher schon kennt - bei Totengleich war es Cassie,die in Grabesgrün eine recht ausführliche Rolle spielt, diesmal ist es Frank Mackey, der in Totengleich zwar selten auftritt, mir aber da schon als Person gefallen hat. So vermeidet Tana French, daß die Leserschaft mit der Zeit gelangweilt vom ewiggleichen Kommissar ist. :breitgrins:


    Das zweite was mir bei Tana French gefällt, ist, daß es eigentlich immer nur sekundär um die Aufklärung eines Mordfalles geht. Viel wichtiger sind Milieustudien, Hintergrundinformationen, psychologische Befindlichkeiten und ihre Entstehung sowie zwischenmenschliche Problematiken. So auch hier.


    Frank Mackey ist (wie schon die Protagonisten der vorigen Bücher) viel enger in den Kriminalfall verwickelt, den er aufklärt, als er sein sollte - die Tote, die nach 22 Jahren in seiner Heimatstraße gefunden wird, ist eine Jugendfreundin von ihm. Nach und nach erfahren wir in Rückblenden genaue Einzelheiten über die Geschehnisse von vor 22 Jahren und vor allem über Franks Herkunftsfamilie, ihre Defizite, ihre Probleme. Eine sehr interessante Darlegung, vor allem der Folgen, die das Verhalten der Eltern auf die fünf Kinder (Frank und seine beiden Brüder und beiden Schwestern) hat. Bis zum Ende werden hier immer wieder und wieder neue Details aufgedeckt. Allerdings beschlich mich irgendwann das Gefühl, daß Tana French hier ganz schön dick aufgetragen hat, gerade was Franks Beweissuche betrifft. Nicht alles konnte ich nachvollziehen. Trotzdem wird das mit einer Intensität geschildert, daß die Personen plastisch vor meinem inneren Auge erschienen und ich fast geglaubt habe, selber in Faithful Place zu Hause zu sein und seine Bewohner kamen mir wie alte Bekannte vor.


    Insgesamt hat mich das Buch sehr gut unterhalten und spannend fand ich es auch, ich konnte es kaum aus der Hand legen - allerdings habe ich ungefähr nach drei Vierteln des Buches gedacht, nun könnten sie mal zu Potte kommen. Einen Verdacht bezüglich der Identität des Mörders hatte ich auch irgendwann, nicht allzu früh, aber vor seiner Entlarvung. Es gab genug Hinweise. Von da an war aber nicht mehr die Überführung des Mörders oder die Beweislage das Interessante, sondern wie Frank damit umgeht, daß gerade diese Person der Mörder ist und was er mit der Person macht, und was aus alldem für Franks Tochter folgt (über letzteres wüßte ich gern mehr).


    Und gefragt habe ich mich eines: wie kann man seiner Familie 22 Jahre lang aus dem Weg gehen, wenn man doch in derselben Stadt bleibt?


    Fazit: viereinhalb Leseratten und nun bin ich sehr gespannt, ob es in "Schattenstill", das ich noch nicht gelesen habe, auch wieder eine neue, bereits bekannte Hauptfigur gibt.


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.

    Einmal editiert, zuletzt von kaluma ()

  • Das zweite was mir bei Tana French gefällt, ist, daß es eigentlich immer nur sekundär um die Aufklärung eines Mordfalles geht. Viel wichtiger sind Milieustudien, Hintergrundinformationen, psychologische Befindlichkeiten und ihre Entstehung sowie zwischenmenschliche Problematiken.


    Das hast du schön ausgedrückt :winken: Genau das hat mir bei diesem Buch auch sehr gut gefallen. Bei so einem alten Fall sind die Ermittlungen schwierig und man ist auf die kleinsten Spuren angewiesen. Deshalb war der Blick in das alte Umfeld, in dem sich der Mord ereignet hat, so interessant. Wie waren die Leute damals, wie haben sie sich entwickelt? Diese Fragen zu beantworten war für mich viel spannender als die Suche nach dem Täter. Für den gab es nur wenige Möglichkeiten und so war mir auch vor Frank klar, wer Rosie umgebracht hatte.


    Franks Kindheit und Jugend wurde sehr bedrückend erzählt. Das hat dieser Krimi mit den meisten andern, die ich aus Irland gelesen habe, gemeinsam. Natürlich spielt die Autorin hier ein bisschen mit dem Klischee, aber zum einen gibt es das in jedem Land, in dem ein Krimi spielt, zum anderen passt es einfach sehr gut zu der Geschichte. Anders hätte ich es mir nicht vorstellen können.


    Was mir gut gefallen hat, ist dass man nach und nach auch eine andere Sicht der Vergangenheit als die von Frank gezeigt bekommen hat. Auch wenn seine Familie wirklich nicht toll ist, vielleicht war es nicht ganz so schlimm, wie er es sieht. Es heißt zwar, dass man sich immer nur an die schönen Sachen erinnert, aber bei ihm ist es genau anders herum. Da tut es ihm mal ganz gut, wenn er sieht, dass er nicht der Einzige war, der gelitten hat.


    Sterbenskalt war der erste Krimi, den ich von Tana French gelesen habe. Ich freue mich schon auf den nächsten.
    4ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Nachdem ich von "Totengleich" so begeistert war, möchte ich dieses Buch auch unbedingt lesen. Frank fand ich da schon eine sehr interessante Figur.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Ich lese mich ja quasi rückwärts durch TF Werke :breitgrins:
    Angefangen habe ich mit Schattenstill (sehr gut!), habe jetzt Sterbenskalt fertig (genial) und werde mir auch irgendwann die ersten beiden Roman von ihr zu Gemüte führen.


    Wie schon bei ihrem letzten Buch, hat mir auch hier gefallen, dass der eigentliche Mord eine untergeordnete Rolle spielt. Sie langweilt die Leser nicht mit pathologischen Details und verfällt auch nicht in die akribische Darstellung kriminalistischer Kleinigkeiten. Mir persönlich kommt das sehr entgegen. Leser, die das mögen, sind bei TF allerdings falsch.


    Wieder einmal gräbt sie tief in der Psyche ihres Ermittlers, bzw. ist das ganze Buch eine wunderbarste Milieustudie der unteren, irischen Schicht. Es ist wirklich interessant zu lesen und für mich persönlich klingt alles extrem realistisch. Dabei schreibt sie weder von oben herab, noch allzu sehr bewertend. Sie stellt einfach dar und lässt es auch nicht an Mitgefühl mangeln.


    Das einzige, was mir ein wenig negativ auffällt, jetzt, wo ich das 2. Buch von ihr gelesen habe, ist, dass sich die Hauptpersonen (also in Sterbenskalt Francis und ich Schattenstill Rocky) recht ähnlich sind in ihrer Denk- und Verhaltensweise. Obwohl sie aus verschiedenen, sozialen Schichten kommen und auch angeblich völlig unterschiedliche Charaktere haben. Es fällt nicht auf, wenn man nur Sterbenskalt liest. Wenn man aber auch Schattenstill kennt, fällt das vielleicht ein wenig auf.
    Ich finde es jetzt keineswegs schlimm, aber denke, das hätte man besser machen können.


    Insofern von mir 4ratten

  • Fast genau 22 Jahre ist es her, dass Frank Mackey in einer kalten Winternacht vergeblich auf seine Freundin Rosie gewartet hat, die mit ihm nach London abhauen wollte, um dort ein neues, besseres Leben zu beginnen. Heute ist Frank Anfang 40, geschieden, Vater einer Tochter und bei der Dubliner Polizei für Undercover-Ermittlungen zuständig. Den Berufszyniker bringt so schnell nichts aus der Ruhe, abgesehen vielleicht vom neuen Freund seiner Exfrau, aber als in einem abbruchreifen Haus in der Straße, in der er aufgewachsen ist, die Leiche einer jungen Frau gefunden wird, erschüttert ihn das doch ziemlich, vor allem, weil schnell klar ist, dass die Tote da nicht erst seit gestern liegt.


    Bald verdichten sich die Hinweise, dass es sich bei der Unbekannten um Rosie handeln könnte. Das hieße, dass sie ihn doch nicht versetzt hat, um alleine nach London oder sonstwohin zu gehen, obwohl der Brief, den er damals fand, darauf schließen ließ. Und zum ersten Mal seit 22 Jahren kehrt er in seine alte Straße und zu seiner Familie zurück, weil er hofft, irgendwelche Anhaltspunkte dafür zu finden, was Rosie - falls sie es denn ist - zugestoßen sein könnte.


    Obwohl Frank Polizeibeamter ist und Ermittlungsarbeiten durchaus eine Rolle spielen, würde ich das Buch nicht als typischen Krimi einordnen. Viel mehr steht Franks persönliche Geschichte im Vordergrund, sein problematisches Verhältnis zu seiner Familie, sein Aufwachsen in einer der weniger privilegierten Gegenden Dublins, seine große Liebe zu Rosie und sein übermächtiger Wunsch, ein für allemal aufzuklären, was damals passiert ist.


    Frank ist zwar ein sperriger Typ und manchmal ganz schön hinterhältig-manipulativ, aber trotzdem mochte ich ihn irgendwie. Vielleicht gerade, weil er kein aalglatter Schwiegermutterliebling ist. Überhaupt kann Tana French das richtig gut, "echte" Menschen zu erschaffen. Auch die Familiendynamik bei den Mackeys ist gut getroffen, die alten Rivalitäten und Gemeinsamkeiten zwischen den Geschwistern, das Alkoholproblem des Vaters, die Mutter, die sich ihr ganzes Leben lang abgearbeitet hat und dafür von den Kindern heute noch Dankbarkeit erwartet. Ebenso ist das Porträt der gesamten Straße, die hier eine so wichtige Rolle spielt, wunderbar gelungen, auch im Hinblick auf die Gegenüberstellung von "damals" und "heute".


    Dass es kein klassischer Krimi ist, bedeutet beileibe nicht, dass das Buch unspannend wäre, ganz im Gegenteil. Allerdings ist es über weite Strecken keine vordergründig-actionreiche Spannung, sondern eher auf der subtilen, persönlichen Schiene.


    Ich mag die gesamte Reihe über die "Dublin Murder Squad" sehr gerne, die lose zusammenhängt, aber jedesmal aus dem Blickwinkel eines anderen Protagonisten erzählt wird.


    4ratten


    Übrigens: im neuesten Buch von Tana French, das gerade auf englisch erschienen ist, spielt der hier eingeführte Jungspund Stephen Moran die Hauptrolle. Ich bin gespannt!

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Vor knapp einem Jahr habe ich Schattenstill gelesen und war begeistert. Sterbenskalt fand ich im Vergleich dazu zum einen weniger faszinierend und aufregend. Zum anderen zog es sich immer wieder. Es fühlte sich zäh an und man kam kaum einen Schritt voran – dass die Familie nicht perfekt ist, wusste man zu diesem Zeitpunkt auch schon.


    Das zweite was mir bei Tana French gefällt, ist, daß es eigentlich immer nur sekundär um die Aufklärung eines Mordfalles geht. Viel wichtiger sind Milieustudien, Hintergrundinformationen, psychologische Befindlichkeiten und ihre Entstehung sowie zwischenmenschliche Problematiken. So auch hier.


    Wunderschön beschrieben! Es ist wahrlich weniger ein Krimi als eher die Beschreibung und Analyse der gesellschaftlichen Zustände vor Ort – und wieder erinnerte es mich ein wenig an Ein plötzlicher Todesfall. Jedoch mit weit weniger Figuren und auch qualitativ etwas entfernt.


    Über den Protagonisten Francis kann man sich wunderschön aufregend. Er ist überaus arrogant, selbstgerecht (bestes Beispiel: „Welcher Mann versucht denn, seine Probleme zu lösen, indem er ein Mädchen einschüchtert?“) und hat einen beißenden Sarkasmus. Er ist nicht sympathisch und man wundert sich, was die nette Nachbarin damals an ihm gefunden hat.

    Etwas langweilig fand ich aber teilweise die Stellen mit seiner Tochter, ich meine es machte Frank sympathischer, aber irgendwie ... naja es geht etwas zu viel um seine Familie und so.


    Gerade diese Stellen fand ich spannend. Dass die junge Holly Geheimnisse für sich behält, im Voraus plant, wie sie hinter dem Rücken ihres Vaters etwas herausfinden kann und dass sie trotz allem ein verletzliches junges Mädchen ist, dass sich eine heile kleine Familie wünscht.


    Das Ende überraschte mich sehr! Ich erwartete einen Paukenschlag oder wenigstens, dass da noch etwas kommt. Stattdessen ist man verwundert, dass es gaaanz langsam auf das Ende zusteuert – und fertig.


    Fazit: Die Spannung hielt sich nicht durchgängig, das Ende war etwas enttäuschend und aus den gesellschaftlichen Verhältnissen hätte man mehr machen können – oder das Buch kürzen können. Trotz allem geht man mit, kann richtig wütend auf den Ermittler sein und erhält tolle Einblicke in zerrüttete Familien, die mehr oder weniger gezwungen trotzdem zusammenhalten wollen.


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    Es geschah kurz nach Anbruch des neuen Jahres, zu einem Zeitpunkt,

    als die violetten und gelben Blüten der Mimosenbäume rings um die Ambulanz

    aufgesprungen waren und ganz Missing in Vanilleduft gehüllt war.


    Abraham Verghese – Rückkehr nach Missing

    Einmal editiert, zuletzt von British_Soul ()

  • Francis "Frank" Mackey wächst zusammen mit seinen Geschwistern Seanus "Shay", Carmel, Kewin und Jackie am Faithful Place 8 in Dublin auf. Der Vater Alkoholiker und dauernd arbeitslos, die Mutter hiermit permanent überfordert, verlassen die beiden Ältesten frühzeitig die Schule um das Geld für das Nötigste ranzuschaffen und den Jüngeren eine Ausbildung zu ermöglichen. Mit 18 will Frank mit seiner Freundin Rosie Daly Irland mit der Fähre Richtung England verlasen. Aber in der Nacht des Aufbruchs kommt Rosie nicht.
    22 Jahre später erfährt Detective Frank Mackey, dass am Faithful Place 16 ein Koffer gefunden wurde. Der Koffer, den Rosie für ihre damalige Abreise gepackt hatte...


    Tana French hat mit diesem Roman nicht nur einen Krimi geschrieben, sondern einen (bzw. zwei) Mord/e in eine Familiengeschichte verpackt, deren Lesen mir Gänsehaut beschert hat. Die ersten 50 Seiten ziehen sich zwar etwas, aber dann geht es Schlag auf Schlag und ich bin fasziniert in die Welt der Mackeys, deren Nachbarn und den Faithful Place abgetaucht. Ich habe sehr viel erfahren über das Leben in einer nicht vom Leben priviligierten Familie, dem Verhalten und den Vergnügungen der damaligen Jugend in Dublin und einem Lebensgefühl, dass ich auch aus meiner Jugend kenne. Das Heute von Frank Mackey mit seiner Exfrau Olivia und seiner kleinen Tochter Holly nehmen einen weiteren Teil der Geschichte in Anspruch, die in den Zeiten immer wieder wechselt, was der Spannung keinen Abbruch tut, sondern sie eher noch erhöht.


    FAZIT. Ein absolut lesens- und empfehlenswerter Kriminal- und Familienroman.
    :smile: :smile: :smile: :smile: