Jonathan Safran Foer – Extrem laut und unglaublich nah

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    Jonathan Safran Foer, Extrem laut und unglaublich nah


    Kurzbeschreibung:


    Oskar Schell ist „Erfinder, Goldschmied, Amateur-Entomologe, Frankophiler, Veganer, Origamist, Computer-Spezialist, Sammler“ und noch vieles mehr. So jedenfalls steht es auf seiner Visitenkarte, die allerdings zwei seiner größten Talente verschweigt. Denn Oskar ist ein Kind, ein neunjähriges Kind, um genau zu sein. Und Oskar ist traurig, grenzenlos traurig. Bei den Terroranschlägen auf das World Trade Center am 11. September 2001 hat er seinen Vater verloren. Letzteres spornt ihn an, sich auf die Suche zu machen. Ersteres schenkt den Lesern von Jonathan Safran Foers Roman Extrem laut und unglaublich nah einen der interessantesten, klügsten, spektakulärsten und bezauberndsten Ich-Erzähler der letzten Zeit.


    Teilnehmer:


    tjaa
    Avila
    tina
    Murkxsi
    Rottweilerin
    Valentine
    [hr]
    Viel Spaß!

  • Obwohl ich (noch) nicht auf der Teilnehmerliste stehe, mach' ich trotzdem mal den Anfang: :smile:


    Den Beginn fand ich sehr "erheiternd". Oskar gibt dem Leser einen kleinen Vorgschmack in seine verrückte Gedankenwelt, indem er darüber nachdenkt, was er alles erfinden könnte. Ich musste mehrmals schmunzeln, doch dann scheint sich die Stimmung zu trüben, denn er befindet sich plötzlich in einer Limousine, die auf direktem Weg zur "Beerdigung" seines Vaters ist.


    Seit dieser Stelle bin ich mir nicht sicher, ob Oskar mir sympathisch ist oder eher doch nicht. Er schwankt zwischen dem armen Jungen, der seinen Vater verloren hat; dem Quasselfritzen, der zu viele Fragen stellt; dem mutigen, neugierigen "Helden", der nicht ruht, bis er die Antworten auf welche Fragen auch immer gefunden hat und dem frühreifen Vatersöhnchen, das nicht so schlau ist, wie es den Anschein macht.


    Schön im Buch finde ich die bildhafte Darstellung mehrerer Dinge. Zum Beispiel

    Echt toll gemacht!


    Ich bin gerade mit dem Kapitel fertig,


    Ich bin gespannt, wie es weitergeht und wie sich der Garn mehr und mehr aufrollt und man alles und wirklich zu verstehen beginnt. Ich hoffe, dass ich am Ende genauso begeistert sein werde, wie von Alles ist erleuchtet. :breitgrins:

  • Hallo,


    ich habe jetzt die ersten beiden Kapitel gelesen und ich bin froh dieses Buch zu lesen, denn es scheint ein gutes Buch zu sein.


    Was zum:


    Oscar ist ein kleiner Klugscheißer, aber ich mag ihn. Er sagt was er denkt und dabei ist er ehrlich. Ich musste grinsen über seinen Brief an Stephen Hawking, den ich übrigens auch sehr mag.
    Ich denke jeder von uns weiß, wo er an jenem 11. September war und das ist auch etwas, was wirniemals vergessen werden. Um wieviel schlimmer muss es dann für die Menschen sein, welche unmittelbar davon betroffen sind. Ich weiß noch, ich war in Kapstadt und ich konnte es nicht fassen. Wir haben in diesem Kapitel erst einen kleinen Vorgeschmack auf Oscar erhaltenund ich bin gespannt, wie er damit umgeht, dass sein Vater bei dem Anschlag ums Leben kam. Oftmals kristalisiert sich dies ja sehr viel später heraus, wie man an dem Brief des Großvaters sieht.


    Warum ich nicht bei Dir bin:


    Dieser Brief ist ..., ja ich weiß gar nicht wie ich ihn beschreiben soll. Er hat mich sehr berührt. Wieviel Qual ein Mensch haben muss, dass er auf einmal nicht mehr in der Lage ist sich auszudrücken. Vielleicht weil man nach solch einem Trauma irgendwann gar keine Worte mehr hat, die allem noch gerecht werden können. Weil es einem die Seele zerreißt, den Namen eines geliebten Menschen auszusprechen, der nicht mehr da ist und den man nie aufhören wird zu vermissen. Weil alles so unwiederbringlich ist und man das Gefühl hat, dass eigentlich nie wieder etwas Gutes geschehen kann.
    Ich fand die Szene gleichzeitig komisch und unendlich traurig als der Großvater die Großmutter (ich nehme an, dass sie es war) kennenlernt.


    Bis jetzt kann ich nur sagen, das Buch ist schon auf den ersten Seiten so geschrieben, dass es mich berührt.


    Liebe Grüße Tina

  • Ich hab auch bisher nur das erste Kapitel gelesen.



    Den Beginn fand ich sehr "erheiternd". Oskar gibt dem Leser einen kleinen Vorgschmack in seine verrückte Gedankenwelt, indem er darüber nachdenkt, was er alles erfinden könnte. Ich musste mehrmals schmunzeln, doch dann scheint sich die Stimmung zu trüben, denn er befindet sich plötzlich in einer Limousine, die auf direktem Weg zur "Beerdigung" seines Vaters ist.


    Seit dieser Stelle bin ich mir nicht sicher, ob Oskar mir sympathisch ist oder eher doch nicht. Er schwankt zwischen dem armen Jungen, der seinen Vater verloren hat; dem Quasselfritzen, der zu viele Fragen stellt; dem mutigen, neugierigen "Helden", der nicht ruht, bis er die Antworten auf welche Fragen auch immer gefunden hat und dem frühreifen Vatersöhnchen, das nicht so schlau ist, wie es den Anschein macht.


    Ja, das kann ich alles nur so unterschreiben. Oskar ist ein recht eigentümlicher Junge, bei dem ich noch nicht ganz weiß, was ich denken soll. Seine Gedankenwelt ist ziemlich quer, aber durchaus interessant und irgendwo auch lustig. Sein Gedanke über die Limousinen sagt irgendwie alles aus. Auf der einen Seite hat er recht, aber auf der anderen Seite ist das natürlich Irrsinn. Der Weg iwird durch die Limousine ja nicht kürzer, allerdings habe ich angefangen über den Sinn einer Limousine nachzudenken. :breitgrins:



    Ich denke jeder von uns weiß, wo er an jenem 11. September war und das ist auch etwas, was wirniemals vergessen werden.


    Ja, das stimmt. Ich war im Kino. Allerdings weiß ich nicht mehr in welchem Film. Ich denke mal, dass ist bei allen großen historischen Ereignissen, über die so sehr im Fernsehen berichtet wird, so.


  • Der Weg iwird durch die Limousine ja nicht kürzer, allerdings habe ich angefangen über den Sinn einer Limousine nachzudenken. :breitgrins:


    Ja, ich muss auch die ganze Zeit über alles nachdenken, worüber er sich den Kopf zerbricht. Da kommt bald (im Kapitel Gugolplex) noch 'ne Stelle mit nem Rettungswagen und (fast) genau diese Gedanken, die er dazu hat, hab' ich auch manchmal. Da dachte ich wirklich: "Hey! Raus aus meinem Kooopf!" :breitgrins:

  • Ich habe gestern am Spätnachmittag angefangen und konnte das Buch kaum noch aus der Hand legen. Die Themen berühren mich sehr, der Verlust des Vaters und der 11. September. Das war das bisher einschneidendste zeitgeschichtliche Ereignis in meinem Leben. Normalerweise verfolge ich sowas zwar recht interessiert, kann mich aber ganz gut emotional "heraushalten". Da ging das nicht, ich war vollkommen entsetzt, geschockt, sprachlos und habe angesichts dieser TV-Bilder, die aussahen wie ein völlig überzogener Actionfilm, geheult.


    Oskar ist mir auf seine verschrobene Art ziemlich sympathisch. Seine Erfindungen finde ich supercool, solche Dinge hab ich mir als Kind auch immer gerne ausgemalt. Sein Verhältnis zu seinem Dad war offenbar sehr vertraut und eng. Als ich von dem ersten Telefonanruf aus den Twin Towers las, hatte ich Gänsehaut und einen Kloß im Hals. Damals waren ja oft solche Anrufprotokolle in den Berichten über die Anschläge zu lesen. Diese (beinahe) letzten Worte haben mich unheimlich berührt. Außerdem musste ich an das Gedicht "9/11: Out of the Blue" von Simon Armitage denken. Davon gibt es eine wunderbare inszenierte Lesung bei youtube - die ich mir nur einmal bis zum Ende anschauen konnte, weil ich absolut in Tränen zerflossen bin - und es geht unter anderem um eben solche letzten verzweifelten Versuche, die Familie zu erreichen, sie zu beruhigen und sich dabei vielleicht auch selber Mut zuzusprechen.


    Im 2. Kapitel habe ich mich gefragt, wer dieser Thomas ist, der nach und nach seine Sprache verliert und sich mit kreativen Mitteln über diese Sprachlosigkeit hinwegzuretten versucht. Später klärt sich das ja noch auf, zunächst konnte ich das Ganze aber nicht wirklich einordnen.


    Die Stelle mit dem Rettungswagen hat mir auch gut gefallen, und als Oskar dadurch inspiriert eine Rangliste aufstellt, wen er am meisten liebt, und Dad natürlich an erster Stelle steht, kamen mir schon wieder die Tränen.


    Ist Eure Ausgabe auch mit Fotos und Zeichnungen ausgestattet? Besonders nett fand ich die bunten Kritzelseiten aus dem Bastelladen.


    Auf weitere Details gehe ich später noch mal ein, aber ich wollte mich schon mal kurz zu Wort melden.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • So, nun habe ich das Buch zur Hand und kann noch etwas mehr Senf dazugeben ...


    What the ...


    Allein schon der Beginn ist genial (und entscheidet wahrscheinlich sofort über "find ich klasse, das Buch" und "was für ein Krampf"). Oskars Gedankenkette fand ich sehr witzig. Er ist etwas altklug, der Kleine, aber phantasiebegabt, und das mag ich an ihm. Auch die Szene mit dem Ju-Jitsu-Lehrer war klasse :breitgrins: Erst sieht alles ganz normal aus, wie ein gewöhnlicher Ausschnitt aus dem Leben eines ungewöhnlichen kleinen Jungen, und dann zeichnet sich immer mehr ab, was passiert ist, dass Dads Gutenachtgeschichte gegen Kapitelende die letzte sein wird :sauer:


    Why I'm not where you are


    Diesen verstummten Mann konnte ich zunächst gar nicht einordnen, ist er doch zu alt, um Oskars Vater zu sein. Ob ihn die selektive Stummheit aus heiterem Himmel befallen hat oder durch ein noch nicht beschriebenes Trauma hervorgerufen wurde? Die Begegnung mit der Frau fand ich auch sehr berührend, die gerade ins andere Extrem verfällt und Wortschwälle von sich gibt.


    Googolplex


    Allein schon das Wort ist cool ;)


    Die Idee mit dem Armband, das Dads letzte Nachricht auf dem Anrufbeantworter symbolisieren soll, hat mich schon wieder fast in Tränen ausbrechen lassen. Was für Ideen der Junge hat, seinen Verlust zu verarbeiten. Die neuerliche Beziehung mit diesem Ron nimmt er seiner Mutter ja ziemlich übel.


    Ich bin gespannt, wozu der Schlüssel, den Oskar gefunden hat, letztendlich gehören wird. Seine Überlegungen zur Anzahl der Schlösser in New York sind wieder typisch für ihn, tragisch und komisch gleichzeitig. Er ist ja wild entschlossen zu seiner Suche und geht dabei ganz schön clever zu Werke. Und mutig, so alleine quer durch New York zu marschieren.


    Ein weiterer sehr berührender Moment: als Oskar das Telefon hervorholt und sich traut, den AB mit Dads Stimme erneut abzuhören. Man spürt förmlich, wie bei ihm die Panik wächst, während Rauch hereinquillt - das ist schon schwer zu lesen, wie muss es da erst dem Jungen gehen, wenn er die Stimme hört, die Stimme seines Vaters.


    My feelings


    Den Brief der Großmutter fand ich erst ziemlich verwirrend. Offenbar sind Oskars Großeltern beide deutscher Herkunft und nach dem Krieg in die USA gekommen. Sehr schön die karg beschriebenen Szenen, in denen sich die beiden bei der Entstehung der Statue immer näher kommen.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen






  • Ist Eure Ausgabe auch mit Fotos und Zeichnungen ausgestattet? Besonders nett fand ich die bunten Kritzelseiten aus dem Bastelladen.


    Ja, also meine schon. Die bunten Kritzeleien waren wirklich toll. Erstaunlich fand ich auch die Namen und Farben-Sache - und vor allen Dingen, dass Oskar den Namen seines Vaters überall findet.
    Es kommt ja auch eine Passage, wo ziemlich viele Bilder hintereinander kommen. Teilweise frag ich mich, was sie bedeuten ...



    Ich bin gespannt, wozu der Schlüssel, den Oskar gefunden hat, letztendlich gehören wird. Seine Überlegungen zur Anzahl der Schlösser in New York sind wieder typisch für ihn, tragisch und komisch gleichzeitig. Er ist ja wild entschlossen zu seiner Suche und geht dabei ganz schön clever zu Werke. Und mutig, so alleine quer durch New York zu marschieren.


    Ich frag mich ja, ob der Schlüssel vielleicht etwas mit dem letzten Rätsel, das Vater Oskar gestellt hat, zu tun hat ...



    Den Brief der Großmutter fand ich erst ziemlich verwirrend.


    Ja, den fand ich auch verwirrend. Momentan bekommt man immer so Häppchen zu geworfen, ich bin mal gespannt, wie sich das Puzzle nachher fügt. Es kommt mir so vor, als ob Oskars Vater uns eines seiner Rätsel stellen würde und wir immer mehr Hinweise finden. :)


  • Erstaunlich fand ich auch die Namen und Farben-Sache


    ... und über diesen Test, dass man sich schwertut, wenn z.B. das Wort "blau" in roter Farbe gedruckt wird und man die Schriftfarbe benennen soll, hab ich kürzlich erst in einem Psychologiemagazin gelesen.


    Zitat

    und vor allen Dingen, dass Oskar den Namen seines Vaters überall findet.


    Bin gespannt, wie es sich auflöst, dass der Name auf dem Kritzelblatt stand!


    Zitat

    Es kommt ja auch eine Passage, wo ziemlich viele Bilder hintereinander kommen. Teilweise frag ich mich, was sie bedeuten ...


    Ich auch. Immerhin habe ich Laurence Olivier als Hamlet erkannt.


    Zitat

    Es kommt mir so vor, als ob Oskars Vater uns eines seiner Rätsel stellen würde und wir immer mehr Hinweise finden. :)


    Das ist ein schöner Gedanke :herz:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • So,


    ich habe heute auch wieder einige Seiten gelesen und das Buch berührt mich immer mehr. Es ist interessant wie viele verschiedene Arten es gibt mit Trauer umzugehen, wie effektiv sei jetzt mal dahin gestellt. Die Art von Oskar finde ich gut. Er setzt sich mit dem Leben seines Vaters auseinander und wird extrem aktiv. Die Art des Großvaters über die ermordete Anna finde ich einfach nur herzzerreißend.


    Gugoplex:
    Oscar kann es seiner Mutter nicht verzeihen, dass sie einen Freund hat. Für ihn ist das ein Zeichen, dass sie seinem toten Vater nicht nachtrauert und für ihn ein Schlag ins Gesicht. Trotzdem liebt er seine Mutter.
    Schlimm fand ich vor vielen Dingen Oskar so panische angst hat. Das schlimme und perverse ist ja, dass das alles hätte gar nicht sein müssen, da der Vater ja nicht durch einen Unfall ums Leben kam, sondern durch einen Akt absoluter Gewalt. Was Oskar von ihm erzählt, finde ich seinen Vater unheimlich charmant. Auf jeder Seite stehen so viele Berührende dinge, dass ich das ganz Buch zitieren könnte was wohl etwas den Rahmen sprengen würde.
    Ich finde es unglaublich mit welcher Akribie er Wahrscheinlichkeitsrechnungen aufstellt, die ihm zeigen wie seinen Chancen sind, das Schloss zum Schlüssel zu finden, aber ihm ist keine Mühe zu viel. Sein Vorhaben alle Blacks von New York aufzusuchen. Das ist die reinste Sysiphusarbeit. Interessant fand ich auch, was er seiner Mutter alles aufzählte, was ihn traurig macht. Das ist so ein Buch, da weiß man nicht ob man lachen oder weinen soll.
    Witzig fand ich auch seine Berechnung wie viel Schlüssel jede Minute in New York geboren werden.
    Auch ich habe dieses faszinierenden Bilder in meinem Buch und auch die Kritzeleien in aus dem Schreibwarenladen. Es scheint ja tatsächlich, als hätte Oskars Papa ein Geheimnis gehabt.
    Ich bin sehr, sehr neugierig.
    Süß finde ich die Unterhaltungen via Walkie Talkie mit seiner Oma. Sie mag ich auch ganz besonders gerne.
    Die Nachricht auf dem AB, ja – da musste ich auch schlucken. Das schlimme ist ja; wir lesen einen Roman, aber es wird auch so gewesen sein. Die Geschichte des 11. Septembers ist leider keine Fiktionen und das macht das Buch so extrem sensibel.



    Meine Gefühle:
    Ein sehr kompliziertes Kapitel. Ich war anfänglich etwas verwirrt, weil ich irgendwann den Überblick verloren hatte, wer jetzt schreibt, erzählt und von wem die Rede ist, so dass ich es stellenweise noch einmal lesen musste, aber ich wohl beim ersten Lesen einfach geschludert. Ich glaube dieses Kapitel verlangt ganz bewusst unsere ganz besondere Aufmerksamkeit und Konzentration, weil es eben nicht nur Oskars, Großvater und Großmutter betrifft, sondern auch in gewisser Weise ihn ganz persönlich., Auch dort wird mit einer Trauer, ausgelöst durch sinnlose Gewalt gehadert und der Versuch irgendwie damit zu leben. Es war ganz klar herausgestellt, dass nach solch einem traumatischen Erlebnis das Leben nie wieder so sein wird wie es war; ja man könnte fast sagen, dass das Leben zweigeteilt ist, sogar ein neues Leben ist, denn es hat nichts mehr mit dem alten Leben gemein, außer die Erinnerungen, welche es einem immer wider schmerzlich Tag für Tag ins Gedächtnis rufen. Dieses eine Leben ist zerstört. Aus den Resten den Trümmern wird versucht wieder etwas herzustellen. Es erinnert mich an eine zerbrochene Vase, man kann sie kleben, aber sie hat für den Rest ihres Daseins die sichtbaren Bruchstellen und wenn auch nur ein Stück fehlt, was ist es dann? Ist es immer noch eine Vase? Kann man sie noch als Vase nutzen oder kann sie ihrer eigentlichen Aufgabe Wasser zu bewahren nicht mehr nachkommen, weil es durch ein fehlendes Stück wieder ausläuft. Ich weiß nicht warum mir dieser Vergleich kommt, aber daran musste ich die ganze Zeit denken.


    Oskars Oma tut mir unendlich leid. Sie ist die zweite Wahl und sie weiß es auch.
    Dieser Wunsch der beiden Großeltern nicht zu sein, sich aufzulösen, das ist schon ergreifend geschildert.
    Die beidseitige Entscheidung nie wieder Deutsch zu reden kann ich gut nachempfinde. Es ist ein bewusster Cut, aber ... leider lässt sich unser Unterbewusstsein nicht täuschen. Die Vergangenheit holt jeden wieder ein.
    Witzig finde ich die Gemeinsamkeit von Großmutter und Enkel Briefe zu sammeln.
    Es ist gut für die Beiden, dass sie sich gegenseitig haben, denn sie brauchen sich und sie könne sich ohne viele Worte verstehen. Sie wissen was der andere empfindet.


    Das einzige Tier:
    Oskar beginnt mit dem aufsuchen der Blacks und er macht es mit System, wie fast alles was er tut. Ich hatte so manches Mal das Gefühl, dass Oskar zwar nicht bekam wonach er suchte, aber dafür die Leute von ihm. Ich glaube so einigen hat er die Augen geöffnet. Es zeigt sich zumindest daran, welches Interesse sie an dem Jungen hatte und dass sie ihm zugehört hatte, ihn nicht abgewiesen, wie ein nervendes Kind, sondern sie merkten alle dass er etwas Wichtiges mitzuteilen hat. Das fand ich klasse, dass einem Kind zugehört wird. Ich merke ebenfalls, dass ich durch Oskar noch so einige lerne.


    So ich höre jetz tmal auf, sonst wird der Beitrag hier zu lang. Ihr seht ich kann mich kaum bremsen zu schreiben, so sehr beschäftigt mich das Buch.


    Liebe Grüße Tina

  • Oh zu der Schriftfarbe, das fand ich auch interessant. Ich habe mir noch nie Gedanken darum gemacht. Wenn ich einen Stift ausprobiere schreibe ich immer auf hebräisch Schalom. Das ist so eine merkwürdige Marotte von mir. Vielleicht weil dieses Wort so oft auf der Welt fehlt.

  • Uups, ich schon wieder. :smile:


    Warum ich nicht bei Dir bin 21-05-1963


    Großvater erzählt von dem Gespenst seiner Vergangenheit: Anna. Seine einzige und große Liebe. Durch ihr Nicht-Sein ist sein Leben ein Nichts. Ich frage mich, wen ich dieses Buch lese, woher der Großvater, wenn er so litt unter der Vergangenheit, den Mut aufbracht zu weiterzuleben, denn anscheinend ist für ihn das Leben ja nur noch ein einziger Kompromiss. Er leidet jeden einzelnen Tag durch den Verlust eines Menschen vor vielen Jahren.
    Lustig fand ich die Szene, als die beiden aufeinander warteten, sich nicht sahen und dann feststellen mussten, dass jeder vor dem Haus des anderen auf der Lauer gelegen hatte.
    Schlimm ist es mitzuerleben, wie wenig sich eigentlich das Ehepaar zu sagen hat, wie sich gegenseitig meiden, aus dem Weg gehen und nur noch in festen Regeln leben können, damit alles unvorhergesehene vermeiden und unangenehme Erfahrungen ausgeschlossen werden, aber es funktioniert nur bedingt.
    Als die Großmutter ihrem Mann die tausend leeren Seiten ihre Lebens zeigte, da brauchte ich eine Weile um zu verstehen. Auch dann, als sie ihn bat ihre Geschichte zu lesen, suchte er nur nach Anna darin.


    Superschwere Bleifüße:


    Oh stimmt, das wollte ich eigentlich schon viel früher erwähnen. Den Begriff superschwere Bleifüße, den finde ich einfach nur genial. Ich finde er beschreibt mit einem Wort genau, wie einem zumute ist, wenn es einem so richtig seelisch mies geht. Man hat Bleifüße. Wie einfach und treffend ausgedrückt. Ich stelle immer wieder fest, dass ich aufatme, wenn Oskar erzählt. Auch wenn er eine genauso schwere Last auf seinen Schulter trägt, wie damals die Großeltern, so ist er doch lebendiger. Er geht sehr aktiv und gesellig mit seiner Trauer um. Er handelt und zieht sich nicht in sich zurück, wobei; manchmal tut er das auch, aber er ist trotz allem voll mit Leben und ich hoffe, dass er durch seine Art die Dinge anzugehen, die Möglichkeit hat sein Leben eines Tages „normal“ zu führen.
    Er muss den Geist in Hamlet spielen. Er ist enttäuscht, aber letztendlich fügt er sich bis zur letzten Vorstellung wo er innerlich ausrastet. :breitgrins: Ich saß draußen auf der Bank am Spielplatz, als ich dieses Stelle las und ich musste so laut lachen, dass mich die anderen Mütter etwas verwirrt ansahen und meine Tochter etwas peinlich berührt ankam und altklug fragte: „Mama, geht’s Dir gut?“ :redface: Letztendlich stellt sich ja heraus, dass da nur der Wunsch zur Tat existierte, aber ich sah diese Szene so bildlich vor mir, die Eltern und Lehrer mit offenen Mündern. Nur als die Stelle kam, an der er gewalttätig wurde, dachte ich dann doch, dass es nicht sein kann, denn er ist ja, wie er immer betont Pazifist. Ja, auch schon Kinder wissen, wann andere Menschen nicht wirklich wissen wollen, wie wir uns fühlen.
    Abe Black gefällt mir ebenfalls. Ich fand es schön, dass so viele Blacks zu der Hamlet-Aufführung gekommen sind.
    Mr. Black knackige 103 Jahre alt ist auch eine interessante Figur, mit seinen Kurzbiografie Karten aller Menschen, die er kannte (persönlich oder auch nur namentlich). Ich hatte so für Oscar gehofft, dass der Mr. Black, der über ihnen wohnt etwas über seinen Vater sagen könnte, aber er hatte noch nicht einmal eine Karte über ihn angelegt. Armer Oskar. Auch er hat sein Päckchen zu tragen. Wie kann das hohe Alter doch eine Strafe für die Zurückgebliebenen sein. Er ist ein Trauernder, welcher sich komplett zurückzieht. Ob Oskar ihn mit seinem Elan da herausbringen kann. Er hat sich so zurückgezogen, dass er noch nicht einmal mehr hören wollte.
    Das Gespräch am Abend mit der Mutter ist schlimm. Ich habe mir vorgestellt wie ich mich fühlen würde, wen meine Tochter so etwas zu mir sagen würde. Ich kann es nicht. Ich glaube es würde mich innerlich zerreißen.
    Oskars blaue Flecken schockieren mich. Dieser arme kleine Kerl.



    Ich muss mich jetzt mal meinem anderen Leserundebuch widmen, sonst bin ich mit diesem zu schnell fertig. Ich kann es nur sehr unwillig aus der Hand legen.


    Viele Grüße Tina

  • Guten Morgen


    Ich habe gestern kurzer Hand entschlossen, noch bei euch einzusteigen. Ich konnte mich nicht entscheiden, was ich lesen soll. :breitgrins:
    Ich habe allerdings erst das erste Kapitel gelesen.


    Was zum
    Ich empfinde Oskar als total sympatisches Kind. Aber auch sehr ungewöhnlich. Er ist überintelligent und fragt immer ganz genau nach, wenn er etwas nicht weiß. Sein Vater muss ein sehr geduldiger und liebevoller Mensch gewesen sein. Das wird schon im ersten Kapitel deutlich.
    Am Ende des Kapitels wird dann auch klar, dass der Vater beim Anschlag auf das World Trade Center ums Leben gekommen ist.
    Ich weiß noch genau, dass mich meine Eltern an dem Tag gerufen haben und als ich runter kam, saßen sie vor dem Fernseher und ich fragte, was sie für einen Film schauen würden. Für mich war einfach nicht vorstellbar, dass diese Bilder real sein könnten.

    &quot;Bücher sind Spiegel: Man sieht in ihnen nur, was man schon in sich hat&quot;<br />Carlos Ruiz Zafón<br />:lesen:

  • Hallo Ninette,


    schön das du dabei bist. Ich bin gefesselt und begeistert von dem Buch und ich hoffe, dass es Dir auch so geht.


    Liebe Grüße Tina

  • Danke Tina.
    Ja es gefällt mir bis jetzt sehr gut. Ich hatte so eine "Keine Lust auf irgendein Buch" Phase, aber das Buch hat mich schon gepackt, besonders weil ich seinen kleinen Helden gerne mag, schräge Typen erobern immer schnell mein Herz. :breitgrins:

    &quot;Bücher sind Spiegel: Man sieht in ihnen nur, was man schon in sich hat&quot;<br />Carlos Ruiz Zafón<br />:lesen:

  • Ich habe das Buch gerade nicht da, aber das Kapitel "Warum ich nicht bei dir bin", in dem der Großvater von seiner Ehe berichtet, fand ich auch ziemlich heftig. Wie sich immer mehr diese Zwanghaftigkeit bemerkbar macht, mit der sie sich Rückzugsräume zu schaffen versuchen. Kein Wunder, dass die Beziehung scheitert.


    Auch der Versuch der Großmutter, ihre Lebensgeschichte aufzuschreiben, ist symptomatisch - sie sieht so schlecht, dass sie nicht merkt, dass die Schreibmaschine kein Farbband mehr hat. Oder hat sie es doch gemerkt und absichtlich weiße Seiten produziert? Das habe ich nicht so ganz verstanden.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen






  • Auch der Versuch der Großmutter, ihre Lebensgeschichte aufzuschreiben, ist symptomatisch - sie sieht so schlecht, dass sie nicht merkt, dass die Schreibmaschine kein Farbband mehr hat. Oder hat sie es doch gemerkt und absichtlich weiße Seiten produziert? Das habe ich nicht so ganz verstanden.


    Die Antwort auf diese Frage kommt noch in einem späteren Kapitel.


    Liebe Grüße Tina

  • Gut. Dann brauche ich nicht mehr an meinem Verstand zu zweifeln ;) Hätte ich mir aber eigentlich denken können, denn in diesem Buch passiert ja nichts zufällig.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Heavier boots



    Oh stimmt, das wollte ich eigentlich schon viel früher erwähnen. Den Begriff superschwere Bleifüße, den finde ich einfach nur genial. Ich finde er beschreibt mit einem Wort genau, wie einem zumute ist, wenn es einem so richtig seelisch mies geht. Man hat Bleifüße. Wie einfach und treffend ausgedrückt. Ich stelle immer wieder fest, dass ich aufatme, wenn Oskar erzählt. Auch wenn er eine genauso schwere Last auf seinen Schulter trägt, wie damals die Großeltern, so ist er doch lebendiger. Er geht sehr aktiv und gesellig mit seiner Trauer um. Er handelt und zieht sich nicht in sich zurück, wobei; manchmal tut er das auch, aber er ist trotz allem voll mit Leben und ich hoffe, dass er durch seine Art die Dinge anzugehen, die Möglichkeit hat sein Leben eines Tages „normal“ zu führen.


    Ich lese auch am liebsten von Oskar selbst. Trotz seines Traumas - er leidet ja sehr stark unter dem Verlust des Vaters - ist er so quirlig und phantasievoll und voller Tatendrang.


    Die "heavy boots" im Original gefallen mir auch sehr gut als Stimmungsbild.


    Die Phantasien am Rande von "Hamlet" fand ich ebenfalls ziemlich witzig.


    Die Suche nach den Blacks geht weiter. Den 103jährigen Mr. Black fand ich bislang am interessantesten mit seiner Karteikartensammlung und seinen Ein-Wort-Charakteristiken. So ganz unrecht hat er ja nicht, wenn er meint, dass die meisten Berühmtheiten aufgrund von Krieg oder von Geld berühmt geworden sind. Überhaupt scheint Mr. Black ja ein "Jäger und Sammler" zu sein und ein Dokumentator. Die Steinsammlung fand ich auch schön.


    Und als Oskar traurig fragt, warum sein Vater in der Sammlung nicht auftaucht, wenn er doch für ihn so bedeutsam war, hätte ich ihn am liebsten mal ganz fest in den Arm genommen. Sein Dad muss ja sein ein und alles gewesen sein ...


    Die Vorwürfe an seine Mutter müssen diese sehr, sehr hart getroffen haben. Heftig, für beide Seiten, aber auch verständlich, dass Oskar so empfindet.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen