Huhu, ihr Lieben!
Ich habe es gewagt, mich ziemlich weit aus meinem gewohnten Genre-Fenster hinauszulehnen und endlich mal etwas vom Österreicher Thomas Glavinic gelesen, von dem mir alle in letzter Zeit nur noch vorschwärmen.
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Inhalt:
Das erschütternde Protokoll eines für die Medien arrangierten Doppelmordes und ein ebenso verstörender wie atemberaubender Kriminalroman über die gefährliche Macht des Fernsehens und die Abscheulichkeit von Reality- TV.
»Ich wurde gebeten, alles aufzuschreiben.« Mit diesem Satz beginnt der Ich-Erzähler seinen Bericht über ein Osterwochenende, an dem er und seine Lebensgefährtin ein befreundetes Paar in der Steiermark besuchen. Während die Medien minutiös über einen am Karfreitag begangenen Doppelmord an zwei Kindern berichten, den der Mörder mit einer Videokamera aufgenommen haben soll, pendeln die vier Freunde zwischen Fernseher und Kartenspiel, Küche und Gesprächen hin und her. Angewidert und zugleich voller Lust an der Sensation, kommentieren sie das Vorgehen der Medien. Draußen, in der »wirklichen« Welt, wird unterdessen fieberhaft nach dem Mörder gesucht.
Meine Meinung.
Was mir als erstes aufgefallen ist, war die seltsame Erzählweise. Der Ich-Erzähler spricht teilweise sehr hochgestochen und ausschließlich im Passiv. Es kommt keine einzgie direkte Rede in diesem Buch vor und seine Lebensgefährtin Sonja nennt er auch nur "meine Lebensgefährtin". Das ist einerseits seltsam und lässt den Leser keine so richtig enge Verbindung zum Erzähler aufbauen, andererseits aber auch furchtbar interessant.
Der grausame Doppelmord kommt gleich zu Anfang der Geschichte ins Gespräch. In den Medien ist das Thema dauerpräsent. Ein Mann zwang vor laufender Kamera zwei kleine Jungen zum Selbstmord, indem er sie zwingt auf einen Baum zu klettern und herunterzuspringen.
Das Schlimme an diesem Buch ist aber nicht nur die Beschreibung der Morde, sondern vor allem das Sich-Ertappt-Fühlen. Als die Diskussion im Buch etwa dahin führt, dass ein deutscher TV-Sender das tatsächliche Mordvideo zeigen will und vor dem Sendergebäude Demonstrationen stattfinden, habe ich mich dabei erwischt, wie ich mit mir selbst streite, ob es nun moralisch vertretbar sei so etwas zu zeigen. Einerseits gilt es ja, den Täter (auch mithilfe der Stimme auf dem Video) zu identifizieren, andererseits kann man so etwas einfach nicht im Fernsehen zeigen.
Genau das war wohl auch Thomas Glavinic' Ziel beim Schreiben dieses Romans. Ich mochte, dass verschiedene Charaktere verschieden über dieses Thema denken. So findet man auf jeden Fall immer einen, mit dessen Meinung man übereinstimmt.
Ein kurzes (156 Seiten) Buch, das erstmal ziemlich viel Grauen enthält und bei mir noch stark nachringt. Von diesem Autor werde ich definitiv noch mehr lesen, denn ich glaube, er ist eines dieser Talente, das es schafft auf wenigen Seiten ganz viel Nachdenken beim Leser zu erzeugen.
Liebe Grüße,
Wendy