Lustig, dass es zu diesem Buch noch keinen Thread gibt. Das Forum ist auch nach Jahren noch für Überraschungen gut :smile:
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Inhalt:
Die US-Armee experimentiert in einem Geheimlabor mit äusserst tödlichen Superviren und eines Tages entweicht eines davon. Einer der Soldaten, die die Anlage bewachen, kann fliehen, bevor die Anlage abgeriegelt wird. Er flüchtet mit Frau und Kind, um eine Ansteckung zu verhindern. Was er nicht weiss: Er selber ist bereits angesteckt und es braucht lediglich einen Hauch von nichts, um andere Menschen mit dem Virus zu infizieren. Was er ebenfalls nicht weiss: Gegen das entwichene Virus ist weniger als ein Prozent aller Menschen immun. Für alle anderen verläuft die Krankheit tödlich.
Und so verbreitet sich der Erreger, gegen den die Armee leider noch kein Gegenmittel erfunden hat, rasant und aller eingeleiteten Massnahmen zum Trotz recht ungehindert in den USA und der ganzen Welt. «The Stand» beschreibt die Ausbreitung der Seuche und das erste Jahr danach.
Meine Meinung:
Ich habe die ungekürzte, 1990 erschienene Version von «The Stand» gelesen, und zwar zum zweiten Mal. Das erste Mal war irgendwann zu Teenagerzeiten und da es mich interessierte, wie mir das Buch jetzt gefallen würde (damals fand ich es super), nahm ich es wieder zu Hand. In meiner Jugendzeit hatte ich viel King gelesen und war begeistert, vor allem von seinen treffenden Charakterisierungen von Menschen und seinen Ideen. Aus heutiger Sicht halte ich King immer noch für einen äusserst fantasiereichen und talentierten Geschichtenerzähler, aber nur für einen mittelmässigen Autoren. Seine Geschichten sind zu ausschweifend erzählt, eine Straffung täte gut. (Das gilt auch für seine siebenbändiges Monsterwerk «Der dunkle Turm».) Ich habe nichts gegen detailreiche Bücher oder lange Geschichten, wenn es dafür einen vernünftigen Grund gibt oder mit grossem Können erzählt wird. Beides fand ich bei King nicht.
Was die Charaktere angeht, bin ich immer noch sehr zufrieden mit der Vielfalt der vorkommenden Typen und damit, dass King sich grosse Mühe gibt, fast jeden Charakter nachvollziehbar zu machen. So erfahren wir auch die Beweggründer der «Bösen», was durchaus dazu führen kann, dass man sie eher für ihr Schicksal bedauert als sich vor ihnen zu fürchten, auch wenn klar ist, dass sie zu absolut scheusslichen Taten fähig sind. King zeigt, dass nicht in jedem Brandstifter oder Mörder ein Psychopath oder ein Sadist steckt, sondern oftmals ein Mensch, der ganz anders geworden wäre, wenn seine Veranlagung nicht mit schwer zu verarbeitenden Erlebnissen gekreuzt worden wäre. Es sind oft die Aussenseiter, die letztlich irgendwann austicken. Auf der anderen Seite zeigt King aber auch den Gegenentwurf zu traumatisierten Kindern, die als Erwachsene auf die schiefe Bahn geraten: Es gibt auch in «The Stand» Charaktere, die eine furchtbare Geschichte hinter sich haben und sich trotzdem dafür entschieden, auf der «guten» Seite zu bleiben.
Gut gegen Böse ist sowieso das Leitmotto dieses Buches. Nachdem fast die gesamte nordamerikanische Bevölkerung ausgerottet ist, versuchen die übrig Gebliebenen zunächst das Trauma zu verarbeiten und zu überleben. In dem Teil wird die Geschichte aus Sicht höchst unterschiedlicher Protagonisten erzählt. Von jedem erfahren wir die Vorgeschichte und wie er die Seuche erlebt (hat). In einem weiteren Schritt sehnen sich die meist auf sich selbst gestellten Menschen nach Gesellschaft. Sie beginnen einander zu suchen und bald zeichnet sich eine Tendenz ab: die «Guten» finden zueinander, während die kriminellen Elemente und anderen Tunichtgute von einer Art bösen Dämon angezogen werden: Randall Flagg. Er verkörpert das ultimativ Böse, sein Ziel ist es, den kleinen Rest der Menschheit auch noch platt zu machen und dazu braucht er Helfer, denn allein mit seinen schwarzen magischen Tricks schafft er es offenbar nicht.
So bilden sich zwei Arten von Gemeinschaften, diejenige der Rechtschaffenen und Flaggs dunkle Armee. Allerdings betreibt King da keine pure Schwarz-/Weissmalerei, sondern beschreibt die Gemeinschaften mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen. Überhaupt gibt es in dem Buch immer wieder beinahe philosophische Überlegungen, die meist von dem Soziologen Glen Bateman geäussert werden. Der pensionierte Professor macht immer wieder sehr pointierte und manchmal recht düstere Aussagen darüber, wie sich die menschliche Gemeinschaft nach dem Beinahe-Kahlschlag entwickeln wird. Seine Analysen waren für mich die besten und unterhaltendsten Seiten des Buches, es machte richtig Spass zu lesen, wie er entstehende Gesellschaften kritisch und keineswegs durch die rosarote Brille des unerschütterlichen amerikanischen Optimismus sah. Und wie die daneben stehenden unerschütterlichen Optimisten lange Gesichter dazu machten...
Fazit:
Ein zu langes Buch mit vielen interessanten Facetten, die zeigen, dass King durchaus das Potenzial hätte, viel bessere Bücher zu schreiben, wenn er sich mehr darauf konzentrieren würde, auf den Punkt zu kommen. Trotz präventiver Selbstverteidigung im Vorwort. (Dort schreibt er, dass eben genau die Details eine Geschichte ausmachen. Ich stimme ihm grundsätzlich zu, aber auch bei Details ist irgendwann der Punkt erreicht, an dem sie keinen Nutzen mehr haben, sondern das Ganze nur noch in die Länge ziehen.)
6 von 10 Punkten
Wer von euch hat es noch gelesen und möchte hier noch seine Eindrücke schildern? Es ist schliesslich eines von Kings dicksten Büchern und es war vor Beendigung des Dunkler-Turm-Zyklus wohl auch das beliebteste und es ist sicher noch immer eines der meistdiskutierten des Horrormeisters :smile: Ich bin schon neugierig, wie andere Literaturschockler darüber denken...