Judith Schalansky - Der Hals der Giraffe

Es gibt 33 Antworten in diesem Thema, welches 8.771 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Lykantrophin.

  • kaluma: Hast du den Roman heruntergeladen? Sind die Skizzen zu sehen? Ich denke (nach eigener Erfahrung mit anderen Büchern) auch, dass diese auf dem Reader wiedergegeben werden.



    So - bin inzwischen auf Seite 102, also etwa zur Hälfte durch und ich muss sagen, ganz so amüsant wie zu Beginn ist es nicht mehr, was aber dem Lesevergnügen keinen Abbruch tut.


    Man lernt die Protagonistin näher kennen und ich muss sagen, sie führt ein trauriges und einsames Leben: Ihre Ehe ist geprägt von Sprachlosigkeit, genauso wie das Verhältnis zu ihrer in Amerika lebenden Tochter. Schockiert hat mich*,


    Auch hängt sie - wie ich finde, durch Nostalgie geprägten - Erinnerungen aus DDR-Zeiten nach und man könnte meinen, dass diese ihrer darwinistisch geprägten Weltanschauung näher kommen, was ja so eigentlich nicht der Realität entspricht.


    Erst spät entdeckt (eigentlich erst gerade eben :redface:) habe ich, dass auf jeder rechten Seite oben ein Begriff aus der Biologie steht, der den Inhalt der Seite zusammenfasst.


    *Muss/Sollte man hier in diesem Bereich spoilern?

  • Verdammt kaum ein paar Tage hier und schon kauf ich wieder Bücher. :breitgrins: :rollen:

    Viele Grüsse,

    Weratundrina :verlegen:


    Help me, help me ~ Won't someone set me free? ~ There's no right side of the bed ~ With a body like mine and a mind like mine

    ~ IDLES ~


  • ich habe das Buch letzte Woche im Antiquariat gefunden und habe jetzt richtig lust, es auch zu lesen, aber ich habe momentan so viel angefangene Bücher. Ich muss mal schauen, ob ich es vielleicht doch noch lese. Ihr habt mich jetzt richtig neugierig gemacht.

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    Klappentext
    Anpassung im Leben ist alles, weiß Inge Lohmark. Schließlich unterrichtet sie seit mehr als dreißig Jahren Biologie. In einer Stadt im hinteren Vorpommern. Dass ihre Schule in vier Jahren geschlossen werden soll, ist nicht zu ändern – die Stadt schrumpft, es fehlt an Kindern. Aber noch vertreibt Inge Lohmark, Lehrerin vom alten Schlag, mit ihrem Starrsinn alles Störende. Als sie schließlich Gefühle für eine Schülerin entwickelt und ihr Weltbild ins Wanken gerät, versucht sie in immer absonderlicheren Einfällen zu retten, was nicht mehr zu retten ist.
    Judith Schalanskys Bildungsroman wurde 2011 zum großen Presseund Publikumserfolg. Kritikerinnen und Kritiker bejubelten den »besten Roman des Jahres« und die Leserinnen und Leser machten ihn zum Bestseller. Schauplatz der Geschichte ist eine der irrwitzigsten Anstalten der Welt: die Schule.



    Meine Meinung
    Erzählt wird die Zeitspanne eines halben Jahres (Herbst bis Frühling) einer alternden Biologie- und Sportlehrerin vom alten Schlag, die selbst (sowie auch ihre Schule und ihr Leben) nicht mehr zukunftsfähig ist in personaler Perspektive. Der Leser erhält dadurch Einblicke in ihre Art zu denken und in ihre darwinistisch geprägte Weltanschauung. Nebenbei blitzen immer wieder von Wehmut gefärbte Erinnerungen an den Sozialismus auf.
    Die Protaginistin unterhält praktisch keine sozialen Kontakte: Ihr Mann lebt sein eigenes Leben mit seinen Straußen, die Ehe ist geprägt von Sprachlosigkeit, kommuniziert wird über "Wäschehaufen".
    Ihre in Amerika lebende Tochter hat den Kontakt praktisch zu ihr abgebrochen und erst am Ende erfährt man den Grund dafür.
    Mit dem Nachbarn führt sie nur aus einer Art missverstandenen sozialen Verantwortung heraus (Mitleid wäre hier der völlig falsche Begriff) kurze Gespräche.
    Über ihre Kollegen und Schüler findet sie kaum ein positives Wort. Anfangs ist dies amüsant, vor allem, wenn es um ihre Schüler geht, auf die sie einen erfrischend unverstellten Blick wirft. Auch Ihre Kollegen werden scharfzüngig beschrieben und bekommen entsprechend alle ihr Fett weg. Amüsant liest sich das deshalb, weil einfach auch viel Wahres in ihren Beschreibungen liegt. Allerdings wird schnell klar, dass sie selbst einige Defizite vor allem im Umgang mit Menschen aufweist. Sätze wie "'Und finden Sie ihre Blutgruppe heraus. Und die Ihrer Eltern. Samt Rhesusfaktor.' [...] Mal sehen, ob wieder ein Kind dabei war, das danach keinen Vater mehr hatte." (s. 135) bringen einen zum Lachen, gleichzeitig ist man entsetzt über so viel Zynismus. Sie erklärt ihre mangelnde Empathie mit Darwin: Nur die Starken, die sich selbst wehren, setzen sich durch. Man hat also eine völlig verhärtete Frau vor sich und nur häppchenweise bekommt man eine Erklärung dafür, wie sie so werden konnte.


    Die Passage aus dem Klappentext "Als sie schließlich Gefühle für eine Schülerin entwickelt und ihr Weltbild ins Wanken gerät, versucht sie in immer absonderlichen Einfällen zu retten, was nicht mehr zu retten ist." ist irreführend, weil sie viel mehr verspricht als letztendlich geschrieben steht.


    Spannend sind die Ausflüge in die Biologie, teilweise lernt man ganz interessante Dinge/Vorgänge kennen. Stellenweise sind die Beschreibungen und - gegen Ende des Romans - philosophischen Betrachtungen jedoch langatmig, da bloße Aufzählung bzw. wiederholen sich viele Aussagen. Der Untertitel "Bildungsroman" ist meiner Meinung nach zu hoch gegriffen.


    Anstrengend und der Erzählperspektive geschuldet ist, dass zwischen direkter Rede und Erzählerkommentar die Grenzen oft verschwimmen.


    Positiv sind die die Ausführungen begleitenden Skizzen und Seitenüberschriften.


    Alles in allem ist dieser Roman ein kurzweiliges Lesevergnügen.


    4ratten

  • So, bin mit der Lektüre des Romans durch :smile:.
    Das Ende ist wirklich überraschend und löst das Verhältnis der Protagonistin zu ihrer Tochter auf. Traurig fand ich, dass sie im Grunde genommen ihre Defizite erahnt und weiß, dass sie nicht mehr zu retten ist.


    Hier findet ihr meine Rezension.

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    Inhalt laut Amazon
    Anpassung im Leben ist alles, weiß Inge Lohmark. Schließlich unterrichtet sie seit mehr als dreißig Jahren Biologie. In einer Stadt im hinteren Vorpommern. Dass ihre Schule in vier Jahren geschlossen werden soll, ist nicht zu ändern – die Stadt schrumpft, es fehlt an Kindern. Aber noch vertreibt Inge Lohmark, Lehrerin vom alten Schlag, mit ihrem Starrsinn alles Störende. Als sie schließlich Gefühle für eine Schülerin entwickelt und ihr Weltbild ins Wanken gerät, versucht sie in immer absonderlicheren Einfällen zu retten, was nicht mehr zu retten ist.
    Judith Schalanskys Bildungsroman wurde 2011 zum großen Presseund Publikumserfolg. Kritikerinnen und Kritiker bejubelten den »besten Roman des Jahres« und die Leserinnen und Leser machten ihn zum Bestseller. Schauplatz der Geschichte ist eine der irrwitzigsten Anstalten der Welt: die Schule.


    ******************


    Fange jetzt mit dem ersten Buch für den Monat Mai an.


    Ich habe nun extra die Ausgabe verlinkt, die ich besitze, weil ich sie so schön finde.
    Schade dass so in grober Leinenbindung mit Druck nur noch so wenig Bücher hergestellt werden. Ich nehme an hier wird das Design dem Inhalt angepasst - geht es doch um eine ältere Biologielehrerin im Osten des Landes.
    Bin über das Forum auf das Buch aufmerksam geworden und wollte es lesen weil ich originelle Mutter-Tochter Geschichten mag. Dass es nun zufällig zum Monatsthema passt, trifft sich gut.

    Viele Grüsse,

    Weratundrina :verlegen:


    Help me, help me ~ Won't someone set me free? ~ There's no right side of the bed ~ With a body like mine and a mind like mine

    ~ IDLES ~



  • Schade dass so in grober Leinenbindung mit Druck nur noch so wenig Bücher hergestellt werden.


    Frau Schalansky ist u.a. Buchgestalterin, und nimmt in dieser Funktion direkt Einluß auf die Gestaltung ihrer Bücher.

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

  • Ah, interessant. :winken:


    Bisher liest es sich sehr gut. Jeder hat vermutlich beim Lesen direkt ein solch altmodisches Exemplar von Lehrer vor Augen. Herrlich wie sie sich über ihre modernere Kollegin echauffiert.
    Der Wandel den sie laut Inhaltsangabe durchmachen wird, wird bestimmt schmerzhaft für sie. Oder befreiend. Wer weiss. Bin gespannt!

    Viele Grüsse,

    Weratundrina :verlegen:


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    ~ IDLES ~



  • Jeder hat vermutlich beim Lesen direkt ein solch altmodisches Exemplar von Lehrer vor Augen. Herrlich wie sie sich über ihre modernere Kollegin echauffiert.


    Ich hatte mir tatsächlich eine ältliche Gouvernante mit strengem grauem Dutt vorgestellt, die mit dem Zeigestock in der Hand durch die Schülerreihen schreitet und zuschaut, wie ihre Schüler über megakomplizierten Aufgaben brüten... :breitgrins:

  • Ganz so altmodisch sieht sie in meinem Kopf nicht aus. :breitgrins:


    Sehr tragisch- sie weiss nicht mal ob ihre Tochter Kaffee trinkt.
    Kam mir gleich der doofe Spruch in den Sinn "Lehrers Kinder Pfarrer Vieh gedeihen selten oder nie" :redface:


    Bin noch nicht besonders weit. Gestern kam mir der Garten dazwischen.

    Viele Grüsse,

    Weratundrina :verlegen:


    Help me, help me ~ Won't someone set me free? ~ There's no right side of the bed ~ With a body like mine and a mind like mine

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  • Meine abschliessende Meinung
    Die Protagonistin bleibt für mich leider bis zum Ende ein echtes Ekelpaket. Nichts desto trotz, oder vielleicht gerade deshalb ist es ein Genuss ihren trockenen, meist um Sachlichkeit bemühten Gedankengängen zu folgen und sie bei ihren oft harten Gesprächen mit ihren Mitmenschen zu belauschen.
    Zwischendurch gerät ihre Welt ja ein wenig ins Wanken, ich hätte mir schlussendlich etwas mehr Charakterentwicklung gewünscht, aber dafür war der Roman dann auch zu kurz.
    Die Einblicke in das Leben in der DDR vor und nach der Wende sind auch sehr aufschlussreich und haben bei mir jetzt (zusammen mit dem Leserundenbuch, das ich grad lese) wirklich mal wieder das Interesse an der jüngeren deutschen Geschichte geweckt - besonders am Leben im Kleinen.


    Ich habe insgesamt einige Fakten über Biologie gelernt und auch viel darüber nachgedacht und das erlernte Wissen mit meiner Familie geteilt. ;)
    Besonders zu erwähnen sind auch die hübschen Zeichnungen, die sich durch das Buch ziehen und die wie aus einem sehr alten (DDR :schulterzuck:) Schulbuch entsprungen wirken.
    Unbedingt zu empfehlen, wenn man sich für eine interessante Charkterstudie erwärmen kann und nicht auf "Actionbücher" angewiesen ist. Äussere Handlung gibt es nämlich gar nicht mal so viel, obschon auch einige Nebencharaktere wie Lehrerkollegen und Nachbarn gut portraitiert werden.
    Ich vergebe:
    4ratten

    Viele Grüsse,

    Weratundrina :verlegen:


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  • Ich kann mich Weratrundrina in vielen Punkten anschließen.

    Obwohl Inge Lohmeyer keine Sympathieträgerin ist (und ich sie als "reale" Person weder zu Schulzeiten noch jetzt gerne als Lehrerin gehabt hätte), ist ihre Sicht auf die Welt doch interessant. Völlig schnörkellos teilt sie uns in Gedanken ihre Beobachtungen über ihre nähere Umwelt auch über ihre Lehrumwelt mit. Als passionierte Biologielehrerin sieht sie die Welt unveränderlich an Naturgesetze gebunden und hat im Gegensatz zu ihren Unterrichtsfach nur wenig für ihre Schüler und Schülerinnen übrig.

    Schlanskys klarer, unverkitschter Schreibstil ließ mich immer weiterlesen. So hart sich I. Lohmeyer nun gibt, so misantrophisch sind auch ihre Gedanken. Sei es die kurze Trauer über den Untergang des DDR-Staates, die Sorge über die baldige Schließung des Gymnasiums in Vorpommern, auf dem sie unterrichtet oder die kurzen bissigen Gedankengänge über Schüler*innen und Kolleg*innen: Immer behält die Autorin eine gradlinige klare "Sprechstimme" für ihre Hauptprotagonistin bereit.

    Handlung im Sinne von "Ereignissen" gibt es nur wenig, das Ende blieb für mich etwas offen.


    4ratten