Reinhard Kleist – Johnny Cash: I See a Darkness

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    Für diese Teil-Biographie wählt Kleist einen ganzen interessanten Ansatz. Ausgangspunkt ist Cashs Konzert in Folsom Prison 1968. Glen Sherley, dessen Greystone Chapel Johnny Cash bei den beiden Auftritten auch sang, erzählt einem Mitinsassen – voller Begeisterung über das anstehende Konzert –, was er über Johnny Cash weiß und gelesen hat, und schon findet sich der Betrachter auf den Baumwollfeldern am Mississippi wieder. Von Cashs Kindheit in Dyess über seine Army-Zeit bis zur ersten Einspielung geht es flott voran, um dann etwas ausführlicher zu werden. Man verfolgt die Anfänge bei Sun, den Wechsel zu Columbia und natürlich die Karriere zwischen musikalischen Erfolgen, Alkohol, Tabletten, Randale, Verhaftungen und Verurteilungen. Das Konzert in Folsom Prison bildet den Abschluß des Hauptteils dieser Graphic Novel. Es folgt nach einem Zeitsprung noch der Blick auf den gealterten Johnny Cash, der seine letzten Songs aufnimmt.


    Trotz dieser beträchtlichen zeitlichen Lücke fehlt eigentlich nichts. Natürlich gäbe es auch den 35 fehlenden Jahren vieles, was der Erzählung in einem solchen Rahmen wert wäre, aber dann wäre das ganze mindestens doppelt so dick geworden. Viele wichtige Stationen aus den frühen Jahren sind jedenfalls vertreten und geben damit einen guten Blick auf die Person Johnny Cash. Dabei schafft es Kleist nicht nur, die einzelnen Personen wirklich gut zu treffen, Johnny Cash sowieso, aber auch, wenn es sich bspw. um June Carter, Luther Perkins oder Bob Dylan handelt, auch die Stimmungen bei Auftritten und/oder unter Tabletteneinfluß sind toll eingefangen. Höhepunkt war dabei war für mich eindeutig die Sequenz des Kampfes mit dem inneren Dämon aus dem Tablettenentzug, grandiose Bilder! Sehr gut gefielen mir auch die Umsetzungen einzelner Songs, die meist neue Abschnitte einleiten, und in deren „Hauptperson“ man, mit einer Ausnahme und manchmal nur andeutungsweise, auch immer Johnny Cash erkennen konnte. Dabei handelt es sich um Folsom Prison Blues, Don't take your guns to town, A Boy Named Sue, The Ballad of Ira Hayes und Ghostriders in the Sky, wobei gerade letzteres ähnlich brillante Bilder liefert wie die Entziehungskur zuvor. Und wie es sich für den Man in Black gehört, ist das natürlich auch alles in Schwarz-Weiß gehalten, Farbe vermißt habe ich aber überhaupt nicht. Nicht nur, aber vor allem für Johnny-Cash-Fans ist dieses Werk sicher eine Empfehlung.


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:


    Schönen Gruß
    Aldawen

  • Ui, das hört sich toll an.


    Ich bin gerade dabei, Cash näher kennenzulernen, nachdem ich neulich eher zufällig über "San Quentin" gestolpert bin und spontan ziemlich begeistert war.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Meine Meinung
    Johnny Cash: I See a Darkness hat mich von Anfang an gefesselt. Ich mag die Art, wie Kleist Johnny Cash in seine Lieder einbindet. So wird jeder einzelne Song zu einer ganz persönlichen Sache. Schmunzeln musste ich bei den Bildern des jungen Elvis, von dem Cashs erste Frau nicht unbedingt begeistert war. Ob sie später ihre Meinung geändert hat?


    Ich finde es faszinierend, wie man nur mit Schwarz und Weiß die große Palette an Gefühlen darstellen kann, die Kleist in diesem Comic präsentiert. Sobald Johnny Cash gelitten hat hatte ich das Gefühl, als ob das Buch dunkler wurde. Umgekehrt war das auch der Fall, obwohl es gefühlt mehr Leid als Freude in diesem Buch gab.
    5ratten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Meine Bibliothek hat den Comic nicht bei Comics sondern bei Musikerbiographien stehen – das passt zwar irgendwie schon, sorgt aber dafür, dass dieser hervorragende Comic vermutlich von vielen Besuchern gar nicht wahrgenommen wird – hätte ich ihn nicht aufgrund dieses Threads gesucht, wäre er mir auch entgangen und das wäre verdammt schade gewesen.


    Kleist schildert ausgehend vom Folsom-Prison-Konzert das Leben Johnny Cashs von seiner Kindheit, bis zu diesem Höhepunkt seiner Karriere und legt nur noch ein paar Seiten nach, die die „Widerauferstehung“ Cashs mit „Hurt“ andeuten. Dazwischen gibt es eine Menge Gefühle, die Kleist in seinen Schwarz-weiß-Zeichnungen perfekt widergibt. Das Einzige was zu diesem Comic fehlt ist eine beiliegende CD mit dem passenden Soundtrack, das Bedürfnis, zu den immer wieder eingefügten, gezeichneten Liedinhalten das Ganze genau jetzt mit Cashs Stimme zu hören, überkommt einen nämlich bestimmt.



    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:


  • Das Einzige was zu diesem Comic fehlt ist eine beiliegende CD mit dem passenden Soundtrack...


    Das wäre natürlich die perfekte Kombination gewesen :daumen: Ich habe am Wochenende einen kurzen Bericht über die Konzerte in Folsom und St. Quentin gesehen und hatte direkt Gänsehaut.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • 1968 sitzt Glen Sherley im Gefängnis, genauer gesagt in Folsom. Folsom? Da klingelt was? Ja, genau, der Schauplatz von Johnny Cashs "Folsom Prison Blues". Und die Musik von Cash ist es auch, die Glen den Aufenthalt im Knast einigermaßen erträglich macht, und er schreibt davon inspiriert selbst einen Song, "Greystone Chapel". Mutig schickt er ihn seinem großen Idol und hofft, dass Johnny Cash ihn bei seinem geplanten Auftritt in Folsom singen wird.


    Das ist der Aufhänger für diese Comic-Biographie über den "Man in Black". In nahtlos ineinanderfließenden Episoden erzählt Reinhard Kleist von den wichtigsten Stationen in Johnny Cashs Leben - von der harten Kindheit als Sohn nicht gerade betuchter Farmer, in der er immer Trost und Zuflucht in der Musik gefunden hat, von seinen ersten Gehversuchen als Musiker, dem kometenhaften Aufstieg und auch von den hässlichen Seiten, die der Starruhm mit sich bringt: Alkohol, Tabletten, eine kaputte Ehe. Und zwischendurch eingestreut immer wieder Sequenzen, in denen Kleist die Handlung eines Cash-Songs illustriert (wobei die Hauptfigur häufig Cashs Gesichtszüge trägt).


    Comics sind normalerweise nicht so ganz meine Welt (obwohl ich glaube, dass mir da einiges entgeht), aber nachdem ich hier so gute Rezis gelesen hatte und vor ein paar Jahren entdeckt habe, dass Johnny Cash eine ganze Ecke mehr drauf hatte als nur "Ring of Fire", wollte ich diese ungewöhnlich Form der Biographie gerne mal ausprobieren.


    Was soll ich sagen - ich bin hin und weg von diesem Buch. Natürlich hilft es, ein klein wenig über Cashs Lebensgeschichte zu wissen, da zwar das Wichtigste erzählt wird, aber doch auch einiges unerwähnt bleibt. Und vor allem sollte man seine Lieder kennen, denn sonst dürfte es schwer werden, die oben erwähnten Einsprengsel, in denen ein Liedtext dargestellt wird, von der eigentlichen Story zu trennen. Mit den entsprechenden Vorkenntnissen hat es mir aber großen Spaß gemacht, die Songs zu erraten.


    Vom Zeichenstil war ich von der ersten Seite an begeistert. Schwarzweißzeichnungen passen ausgezeichnet zu Cash mit seinen kantigen Gesichtszügen und der ewigen Zigarette im Mundwinkel, den Kleist wirklich in allen Lebenslage und -altern perfekt einfängt. Aber auch June Carter Cash und einige andere Wegbegleiter sind super getroffen, klar erkennbar, ohne zur Karikatur zu werden. Gerade in den ganz dramatischen Momenten verzichtet Kleist auf Texte und lässt die eindrucksvollen Bilder für sich sprechen, die mehr als einmal Cashs innere Zerrissenheit und Verzweiflung besser vermitteln können als tausend Worte. Auch am Schluss des Buches sprechen die Zeichnungen für sich und haben mich enorm berührt. Und mehr als einmal hatte ich während des Lesens den entsprechenden Song sofort im Ohr, weil die Stimmung so perfekt wiedergegeben war.


    Klasse sind auch mehrere Cash-Porträtzeichnungen, die am Ende des Bandes angehängt sind. Am liebsten hätte ich sie mir alle gerahmt und aufgehängt.


    Ein echtes Muss für Cash-Fans, die auch nur die leiseste Affinität zum Comicgenre haben.


    5ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen