Eva Baronsky - Magnolienschlaf

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    Inhalt:
    Ein kleines altes Haus am Rande der Großstadt und zwei Frauen, wie sie verschiedener nicht sein könnten: Wilhelmine und Jelisaweta trennt so viel mehr als 68 Lebensjahre. Jelisaweta ist 23 und für ein paar Wochen aus Smolensk nach Deutschland gekommen, um Wilhelmine zu pflegen, die seit einem Unfall an ihr Bett gefesselt ist. Doch was als scheinbar ideales Arrangement beginnt, gerät bald außer Kontrolle und wird zu einem Kleinkrieg, in dessen Verlauf die beiden Frauen sich auf grausam-weibliche Weise attackieren. Am Ende wird jede auf die Frage zurückgeworfen, was man mit sich anfängt, nachdem man der Wahrheit ins Auge gesehen hat. Denn Schuld wartet nicht auf Kläger, Sühne braucht keinen Richter, und der Krieg ist nicht vorbei, nicht für die Greisin und nicht für das Mädchen. Der Krieg hat gerade erst angefangen. (Quelle: Aufbau Verlag)


    Die Autorin:
    Eva Baronsky, 1968 geboren, lebt im Taunus. Für ihren ersten Roman »Herr Mozart wacht auf« (2010) erhielt sie den Förderpreis des Friedrich-Hölderlin-Preises der Stadt Bad Homburg v. d. Höhe. Im Frühjahr 2011 erscheint ihr zweiter Roman »Magnolienschlaf«. (Quelle: Aufbau Verlag)


    Gebunden, 224 Seiten
    Aufbau Verlag
    978-3-351-03338-5
    17,95 €


    Meine Meinung:
    Eva Baronsky erzählt in ihrem Roman "Magnolienschlaf" die Geschichte von der 91-jährigen Wilhelmine und der 23-jährigen Jelisaweta.
    Wilhelmine ist seit dem Unfall bettlägerig und muss gepflegt werden. Ihren Verwandten fällt sie eher zur Last.
    Als Pflegerin engagiert Karin, eine etwas ruppige Verwandte von Wilhelmina, die junge Russin Jelisaweta. Diese stammt aus Smolensk und möchte zum einen etwas Geld dazuverdienen, zum anderen möchte sie ihrer herrschsüchtigen Mutter entkommen.
    Anfangs geht noch alles gut und die alte Frau ist zufrieden mit der zurückhaltenden Art von Jelisaweta, die ihre Arbeit gut erledigt. Beide verstehen sich auf ruhige Art und Weise.
    Jedoch ändert sich Wilhelmines Meinung, als sie die junge Frau russisch sprechen hört. Sie will nicht mehr von ihr gepflegt werden; glaubt, bestohlen zu werden und bezeichnet Jelisaweta als "Drecksrussin". Jelisaweta reagiert mit Wut und Trotz auf diese Anschuldigung.
    Im Laufe der Geschichte kommt immer mehr die Vergangenheit von Wilhelmine und von Jelisaweta zum Vorschein.
    Jelisawetas Großmutter Babka wurde im zweiten Weltkrieg von deutschen Soldaten vergewaltigt - in Smolensk fand 1941 eine Kesselschlacht zwischen der deutschen Wehrmacht und der Roten Armee statt.
    Auch Wilhelmine hat Schreckliches im Krieg erlebt, hatte Angst vor einer Vergewaltigung durch die Russen.
    Erst am Ende des Romanes gelingt eine Annäherung. Auch Wilhelmines Schicksal erfährt der Leser erst am Ende des Romanes, dieses möchte ich aber hier noch nicht verraten.


    Eva Baronsky ist ein feinfühlig, intensiv geschriebener Roman über zwei unterschiedliche Frauen gelungen, den ich gerne gelesen habe.
    Ihr Debütroman Herr Mozart wacht auf hat mir auch schon gefallen.


    4ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

    Ein Haus ohne Bücher ist arm, auch wenn schöne Teppiche seinen Boden und kostbare Tapeten und Bilder die Wände bedecken.<br />(Hermann Hesse)

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    Ein kleines altes Haus am Rande der Großstadt und zwei Frauen, wie sie verschiedener nicht sein könnten: Wilhelmine und Jelisaweta trennt so viel mehr als 68 Lebensjahre. Jelisaweta ist 23 und für ein paar Wochen aus Smolensk nach Deutschland gekommen, um Wilhelmine zu pflegen, die seit einem Unfall an ihr Bett gefesselt ist. Doch was als scheinbar ideales Arrangement beginnt, gerät bald außer Kontrolle und wird zu einem Kleinkrieg, in dessen Verlauf die beiden Frauen sich auf grausam-weibliche Weise attackieren. Am Ende wird jede auf die Frage zurückgeworfen, was man mit sich anfängt, nachdem man der Wahrheit ins Auge gesehen hat. Denn Schuld wartet nicht auf Kläger, Sühne braucht keinen Richter, und der Krieg ist nicht vorbei, nicht für die Greisin und nicht für das Mädchen. Der Krieg hat gerade erst angefangen. (Klappentext)


    Das Buch beginnt mit einem Auszug der Deutschen Wochenschau vom 05.03.1945, in der von den Gräueltaten der sowjetischen Soldateska berichtet wird, unter denen besonders die Frauen zu leiden hatten.
    Dann geht es weiter mit einem Rückblick aus Wilhelmines Leben. Sie sitzt zusammen mit ihrer Tochter und anderen Frauen in einem Keller, während draußen die Angriffe der russischen Armee toben. Sie hat Angst. Nicht vor dem Tod, sondern vor dem, was statt dessen auf sie wartet. Und auf ihre Tochter, die gerade zur Frau heranreift. Eine der Frauen wagt es davon zu reden, gerade was das Mädchen betrifft. Lieber tot als das, denkt sich die Mutter.


    Nach diesem kurzen Rückblick wechselt das Buch in die Jetztzeit. Wilhelmine ist inzwischen 91 Jahre alt und liegt nach einem Sturz von der Leiter mit zwei Wirbelbrüchen in ihrem Bett. Sie möchte gar nicht erwachen, aber der Druck auf ihre Blase wird immer stärker. Keinesfalls möchte sie in die Windel machen. Sie, die immer so unabhängig war, ist nun auf Hilfe angewiesen. Dieses Hilfe hat sie in Karin, ihrer Nichte, die täglich nach ihr sieht. So auch heute, allerdings viel früher als sonst, was Wilhelmine einerseits begrüßt, da ihr jemand auf den Toilettenstuhl helfen kann, andererseits gehörten diese frühen Morgenstunden ihr persönlich, auch wenn sie im Moment nicht in der Lage ihr Ritual durchzuführen.


    Karins frühe Anwesenheit hängt mit der Ankunft der russischen Pflegerin zusammen, die heute aus Smolensk eintreffen wird um Wilhelmine zu versorgen. Die 23jährige junge Russin kommt mit dem Bus aus der weit entfernten Stadt und während ihrer Fahrt denkt zu zurück an ihre Großmutter. Ewa. Wie sie sich, ohne Wissen ihrer Mutter, aufmachte in den Ort, an dem ihre Babka früher wohnte. Leider ohne Ergebnis. Und nun fährt sie nach Frankfurt, glaubt sie zumindest. Schnell wird ihr klar, dass man sie falsch informiert hat. Denn es ist nicht Frankfurt, wo sie arbeiten soll, sondern ein kleines Kaff, genau so ein Ort, an den sie eben nicht wollte.


    Ihr Empfang ist einfach schrecklich. Karin ist in Eile. Ein Termin beim Friseur wartet und Dieter, ihr Mann, ist spät mit der Russin eingetroffen. In aller Eile zeigt sie Jelisaweta, man darf sie Lisa nennen, das Haus und zeigt ihr die schlafende Wilhelmine und weg ist sie. Keine Vorstellung der beiden, keine Eingewöhnungszeit, nicht mal die Möglichkeit sich auszuruhen. Immerhin war Lisa über 35 Stunden mit dem Bus unterwegs. Diese macht sich mit dem Haus vertraut und muss feststellen, dass es vernachlässigt und verdreckt ist. Im Kühlschrank vergammeln die Lebensmittel. Karin scheint sich gerade mal um das Nötigste gekümmert zu haben. Lisa beschließt erst mal Bad, Küche und ihr Zimmer zu reinigen, aber bevor sie dazu kommt, schläft sie auf dem Sofa ein.



    Zwei Frauen unterschiedlicher Generationen, aus ehemals verfeindeten Ländern, beide mit Altlasten behaftet, das erschien mir ein interessantes Thema zu sein. Bisher wurden die beiden eingeführt, auch wenn sie noch keinen direkten Kontakt hatten. Man fragt sich, was aus der Tochter geworden ist, warum ist nicht sie es, die sich um ihre Mutter kümmert?
    Jelisawetas Rückschau lässt den Leser ahnen, dass mit der Großmutter irgend etwas anders war. Warum sonst hätte ihre Mutter getobt, wenn sie erfahren hätte, dass Jelisaweta in das Dorf gefahren war, aus dem ihre Babka stammt? "Versteh doch, was hätte ich tun sollen?", waren die Worte einer alten Frau, die sie mit Ewa verwechselte. Wurde Ewa von der Alten damals verraten? Was gab es da zu verraten? Und warum fragt Jelisaweta nach ihrem Großvater?
    Viele Frage, die mir im Kopf herumgehen. Fragen, die hoffentlich im Laufe der Geschichte geklärt werden. Ich könnte mir vorstellen, dass Wilhelmines Tochter ein Opfer der russischen Soldaten wurde, wie die Frauen es erwarteten, und Lisas Großvater Deutscher war. Mal sehen, was davon zutrifft. Immerhin spricht Lisa gut Deutsch.


  • Das hört sich nach einer spannenden Geschichte an und ich werde mit Interesse Deine Eindrück verfolgen.


    Da man immer nur häppchenweise Informationen aus dem Leben der beiden Frauen bekommt, fällt es mir schwer das Buch zur Seite zu legen.
    Lisa beginnt also sich um Wilhelmine zu kümmern. Sie bezeichnet sie im Stillen als genügsam und eine, die nicht zur Last wird, sich nie beschwert, so ganz anders als viele der alten Frauen im Krankenhaus in Smolensk, wo sie sich für ein Vierteljahr beurlauben ließ.
    Wilhelmine ist angetan von ihrer Pflegerin und nennt sie stets "Kind". Sie will ihr keine für beide unangenehme Arbeiten aufhalsen, wie sie glaubt. Stets entschuldigt sie sich, bedankt sich für alles und ist gerührt von Lisas Freundlichkeit. Was sicher auch daran liegt, dass Lisa sie anscheinend an ihre Tochter erinnert.


    Am nächsten Tag erscheint Karin wieder um Lisa ihre Bügelwäsche zu bringen und die restlichen Anweisungen zu geben, da sie und ihr Mann bereits am nächsten Tag in Urlaub fahren wollen. Lisa, die inzwischen weiß, dass Karin keineswegs so genau weiß was Wilhelmine möchte, setzt sich in einigen Dingen durch und zieht damit Karins Unmut auf sich.
    Als am Abend das Telefon klingelt, nimmt Lisa auf Bitten Wilhelmines das Gespräch an, das sich als ein Anruf einer Freundin Lisas entpuppt. Lisa unterhält sich mit ihr auf russisch. Wilhelmine wird schlagartig klar, woher Lisa kommt und plötzlich verwandelt sich die freundliche alte Frau in eine Furie. Sie schreit Lisa an, sie solle verschwinden, wirft mit allen greifbaren Gegenständen nach ihr. Die Drecksrussin soll verschwinden, erklärt sie ihrem Neffen am Telefon und Karin solle kommen, da sie zurück ins Bett wolle.
    Karin erscheint auch, macht Lisa Vorwürfe und erhöht dann auf Lisas Druck deren Bezahlung, wenn sie weiter die Betreuung übernimmt. Schließlich wollen Karin und Dieter in Urlaub!


    Von da an herrscht Kleinkrieg zwischen den beiden Frauen. Jede versucht die andere zu ignorieren oder zu provozieren. Und Stück für Stück kommen Erinnerungsfetzen aus Wilhelmines Leben zum Vorschein. Erinnerungen, die sie zu unterdrücken sucht, aber nicht immer gelingt es ihr. Ebenso wird Lisa durch die Telefongespräche mit ihrer Mutter und Freundin an Episoden aus ihrem Leben erinnert. An ihr Leben vor den Umzug nach Smolensk, an ihre Babka und das Getuschel der anderen Frauen.
    Tante Minnchen, wie Karin sie nennt, hat fortan in ihren Rückblicken keine Tochter mehr an ihrer Seite. Was ist aus ihr geworden? Warum wollte sie nach dem Krieg sterben? Die Russen nehmen sich einfach ungefragt was sie wollen, auch jetzt noch, denkt sie, als Lisa sich selbstverständlich in Wilhelmines Haus allem annimmt.


    Doch nun ist Wilhelmine in einen Zustand zurückgekehrt, den sie schon nach dem Krieg verfallen war. Sie ist wie apathisch, isst nicht, was Lisa zusehends Probleme macht.

  • Wilhelmines Hungerstreik ist im Sand verlaufen. Lisa hat die Angelegenheit alleine durchgezogen. Durch Wilhelmines Alpträume stieß sie auf den Namen Gisela. Aber selbst Karin kann ihr nicht sagen, wer das ist. Also konfrontiert Lisa Minchen mit diesen Namen, aber diese bestreitet eine Gisela zu kennen. So macht sich Lisa ihre eigenen Gedanken dazu. Sie vermutet, dass Gisela ein ähnliches Schicksal wie ihre Mutter hat und macht Wilhelmine Vorwürfe für das, was sie annimmt, dass sie getan hat. So klärt sich nach und nach die Geschichte von Lisas Familie und am Ende erfährt man auch was aus Gisela wurde. Über Lisas Reaktion war ich erst mal erstaunt.


    Ein Teil meiner Vermutungen stellte sich als richtig heraus und auf den Rest war ich so nicht gefasst. :entsetzt: Ich brauchte erst mal eine Zeit um beide Lebensgeschichten zu überdenken, wieder und wieder.
    Durch die Geschichte, die Babka Lisa immer erzählte, wurde Lisa auf ein Buch aufmerksam, das es wirklich gibt. Die Puppe, die ein Baby haben wollte
    Anfangs hatte ich ja eine Vermutung, bedingt durch diese Geschichte, die Babka ja ganz anders erzählte, die sich glücklicherweise nicht bewahrheitete.

  • Zu Beginn des Buches gibt es einen Rückblick in Wilhelmines Leben, in die Zeit des 2. Weltkrieges in Berlin. Sie sitzt mit anderen Frauen und ihrer jungen Tochter in einem Keller und wartet die feindlichen Angriffe ab. Alle haben Angst vor den Russen, die die Deutsche Wochenschau als Steppenhorden bezeichnete.


    Wilhelmine Hennemann ist 91 Jahre alt und seit einem Sturz von der Leiter ans Bett gefesselt. Versorgt wird sie von Karin, der Frau ihres Neffen Dieter. Diese hat eine Pflegerin für Tante Minchen engagiert, da sie in Urlaub fahren wollen und auch sonst nicht genügend Zeit aufbringen können um die alte Dame zu versorgen.


    Jelisaweta kommt aus Smolensk, ist Krankenschwester und möchte mit dieser Stelle schnell Geld verdienen, das sie ihrer Mutter nach Hause schickt. Durch die Telefonate mit der Mutter und einer Freundin, sowie durch Erinnerungen, die sie im Haus von Wilhelmine überfallen, erfährt man mehr über die familiäre Situation von Jelisaweta, genannt Lisa.

    Als Wilhelmine plötzlich erkennt, dass Lisa Russin ist, dreht die alte Frau, die sonst sehr liebenswürdig und zurückhaltend ist, regelrecht durch. Sie beschimpft die junge Frau und ist auch nicht mehr zu beruhigen. So bricht ein regelrechter Kleinkrieg zwischen diesen beiden so verschiedenen Frauen aus.


    Warum reagiert Wilhelmine derart auf die Anwesenheit von Lisa, was ist aus ihrer Tochter geworden und welches Geheimnis trägt Lisa mit sich herum? Diese Fragen werden im Laufe der Geschichte geklärt. Dass Karin nicht so aufopfernd ist, wie sie sich gerne hinstellt, ist Lisa bald klar. Wilhelmine weiß nichts davon und doch hat sie ein noch viel größeres Geheimnis, das sie quält.


    Eva Baronsky hat mit diesem Roman gezeigt, wie viel man auf nur wenigen Seiten vermitteln kann.
    Was am Ende des Romans zu Tage tritt, hätte ich nicht erwartet. Zwar hatte ich so einiges vermutet, doch was letztlich offenbart wurde, war schlimmer als ich dachte. Lange habe ich darüber nachgedacht, welche Motivation die einzelnen Personen hatten, das zu tun, was sie taten. Die Frauen repräsentieren eigentlich zwei Seiten einer Medaille.
    Ein Buch über das man sicher lange diskutieren kann und doch nie zu einem wirklichen Ergebnis kommen wird.