Literaturkritik spielt keine große Rolle mehr

Es gibt 121 Antworten in diesem Thema, welches 20.879 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Anubis.

  • Ich lese bzw. sehe oder höre mir manche Literaturkritik beinahe schon lieber an, als das dazugehörige Buch zu lesen.


    Das geht mir auch so. :breitgrins: Liegt natürlich auch daran, dass eine Kritik anstrengungsloser zu lesen ist als so manches besprochenes Buch. Außerdem mag ich es, wenn Kritiker mal wieder das nächste Großwerk der Weltliteratur entdeckt haben. Das ist eine spaßige Jagd.


    Gruß, Thomas

  • @klassikfreund
    Klar aus dieser Perspektive gesehen ist das schon verständlich.
    Was das Bildungsbürgertum angeht... Thomas Mann ist da ein gutes Beispiel, wenn ich den Zauberberg lese muss ich immer auf die französische Übersetzung am Ende des Bandes blättern wenn ich zu diesen Passagen gelange. Als Thomas Mann den Roman verfasste konnte er noch davon ausgehen das seine Leser diese Sprache fließend lesen können.


    Andererseits hat sich auch die Frage was Bildung beinhalten soll und wer mit welcher Bildung studieren kann verändert. (Und das ist ja auch gut so) Insofern gibt es diese Bildungselite ja schon noch, sonst hätten wir ja keine Abiturienten und keine Universitäten. Aber sie setzt eben andere Masstäbe, auch wenn man gerade in bestimmten Studiengängen immernoch die Fans von gehobener Literatur findet und da steht eben dann Kafka neben Terry Pratchett und Thomas Mann neben Romanen von Ingrid Noll.


    Stellt sich natürlich auch die Frage welche Rolle die Literaturkritik spielen möchte. Klar das sie sich dann auch immer mehr dem Pupliklum zu wendet das sie liest, schaut, diskutiert. Das merkt man ja auch an der Sendung von Denis Scheck, der aber wie ich finde schon genau diese Mischung aus beidem hinbekommt. Und dem man auch das Herzblut an der Literatur sehr abnimmt. Sicher ein Grund für mich ihn sympathisch zu finden und seine Sendung gerne an zu schauen. Definitiv jemand der mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg hält aber auch nicht erwartet das jeder Leser seiner Meinung sein soll. Das finde ich sehr angenehm und ich denke das macht auch einen Teil seines Erfolges aus (das und die Tatsache das wohl schon jeder gerne mal ein Buch das er furchtbar findet einfach mal in die Tonne kloppen wollte^^ )


  • Ich will keine andere Literaturkritik, ich mag es jedoch auch nicht, wenn jemand mit universitären Slang daherkommt. Aber ich finde das weder in den großen Tageszeitungen noch im Fernsehen.


    Da muss ich Dir beipflichten. In den Medien, in denen ich Buchkritiken lese bzw. anschaue (hauptsächlich Die Zeit, Berliner Zeitung, und im Fernsehen: Druckfrisch, LeseZeichen), sind die Kritiken nicht unverständlich, die meisten jedenfalls nicht. Ich habe das Gefühl, dass diejenigen, die Buchkritiken für elitär und unverständlich halten, einfach nur die falschen Rezensionen lesen bzw. anschauen. Oder hegt hier der eine oder die andere etwa ein klitzekleines Vorurteil...? :zwinker:

  • Nehmen wir doch mal I. Mangold von der ZEIT. Er hatte ja eine wenig erfolgreiche ZDF-Fernsehsendung als Nachfolgesendung für die Heidenreich. Er mag vielleicht etwas arrogrant auftreten, aber jeder seiner Empfehlungen war in einer klaren Sprache formuliert. Wenn man halt schon weghört, nur weil jemand intellektuell auftritt und es wohl auch ist, da wundert es mich nicht, wenn reflexartig reagiert wird.


    Gruß, Thomas

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  • Nana, der Mangold setzt es nach eigenen Aussagen ja auch mit Intellektualität gleich, wenn man beim Wäschewaschen keinen Weichspüler benutzt. :zwinker:

  • Hm also mir persönlich ging es eher um den Gegenstand der Kritik als die Formulierung. Der Gegenstand ist meist eine bestimmte Art von Literatur die mich persönlich nicht so anspricht weshalb es für mich eher sinnlos ist die Rezensionen dazu zu lesen. Vom Verständnis her sehe ich da auch keine Formulierungen die man nicht lesen könnte. Ich glaub das findet man dann eher an der Uni (und auch dort wird immer mehr Wert darauf gelegt nicht zu abgehoben zu klingen, die Kunst einen Sachverhalt der kompliziert ist verständlich zu formulieren wird hier großgeschrieben).


    MacOss
    Dennis Scheck hat einfach den falschen Sendeplatz. Find ich nach wie vor sehr sehr schade.


    @Ophelia
    Oje meine Schwester und ihre Freunde hatten doch Recht, ich bin Intelektuell. :breitgrins: (Ihre Kriterien: Ich trage eine Brille und Lese sehr viel *gg*)


  • Oder hegt hier der eine oder die andere etwa ein klitzekleines Vorurteil...? :zwinker:


    Habe ich auch schon gedacht.


    Nehmen wir die gestrige Rezension der immer intellektuell daherkommenden NZZ. Buch ist Péter Nádas' Parallelgeschichten. Eine hervorragende Rezension! Aber beim zweiten Lesen ... (siehe unten)


    http://www.nzz.ch/magazin/buch…fleisches_1.15825670.html


    Gehört der folgende Abschnitt zu den Unverständlichen?
    Zitat:
    Die Logik von Zeit und Raum, die Regeln von Chronologie und Dramaturgie sind weit dynamischer aufgelöst, als der Titel es vermuten lässt. Diskontinuität herrscht, Perspektiven springen, Erzählstränge brechen; Geschichten verlieren, Motive verwirren und Bilder verschlingen sich; Allegorien stehen fremd, und Spuren laufen ins Leere.


    -> verwendete Fremdworte: Logik, Chronologíe, Dramaturgie, dynamisch, Diskontinuität, Perspektive, Motive, Allegorien


    Das liest sich schon anspruchsvoll, aber es bleibt noch verständlich. Schwierig wird es halt, wenn man die Hälfte der Fremdworte nicht kennt (und im Laufe des Textes folgen doch noch etliche, das merke ich jetzt aber erst beim zweiten Lesen. Für mich sind mehr als 90% bekannt. "die Aporie der Erfüllung" verstehe ich dann auch nicht beim ersten Lesen, aber ist der Gesamtzusammenhang dann unklar? Dort heißt es:


    Atemlos liest man diese Passagen – kaum je sind einem der Rausch der Scham, die Faszination des Fremden und die Aporie der Erfüllung so gefährlich nahe gerückt wie hier.


    Den Begriff "Aporie" habe ich jetzt noch mal nachgeschlagen und so liest man die nächste Rezension schon einfacher.


    Diese Rezension mag nicht ganz so einfach daherkommen, aber ich habe auch fast keine andere zu diesem Buch gelesen, die mir so gut gefallen hat.


    Gruß, Thomas

    Einmal editiert, zuletzt von Klassikfreund ()


  • Nehmen wir doch mal I. Mangold von der ZEIT. Er hatte ja eine wenig erfolgreiche ZDF-Fernsehsendung als Nachfolgesendung für die Heidenreich. Er mag vielleicht etwas arrogrant daherkommen, aber jeder seiner Empfehlungen war in einer klaren Sprache formuliert. Wenn man halt schon weghört, nur weil jemand intellektuell auftritt und es wohl auch ist, da wundert es mich nicht, wenn reflexartig reagiert wird.


    Naja, Ijoma Mangold schaut aber auch immer sehr angestrengt und scheint unter dubiosen Schmerzen zu leiden, wenn er seine Gedanken auszudrücken versucht. :breitgrins: Ganz im Gegensatz zu Denis Scheck, der immer ein Schmunzeln im Gesicht hat und auch die größten Buchverrisse noch mit einem Augenzwinkern versieht.


    Aber um mal eine Lanze für die geschmähten Literaturkritiker zu brechen: Heute vormittag lief die Wiederholung der Sondersendung von "Literatur im Foyer" anlässlich der Leipziger Buchmesse, in der sich die Kritiker Thea Dorn, Felicitas von Lovenberg, Ijoma Mangold und Denis Scheck über aktuelle Neuerscheinungen unterhalten haben. Sie sprachen über einige Bücher, die auch hier im Forum diskutiert bzw. in Leserunden gelesen werden, so u.a. Christian Krachts "Imperium" oder "Für den Rest des Lebens" von Zeruya Shalev. Die Sendung war sehr kurzweilig und ganz und gar nicht unverständlich. Ich habe mich prächtig unterhalten gefühlt. :smile:


    Die Sendung ist übrigens noch in der ARD-Mediathek abrufbar:
    http://www.ardmediathek.de/ard…517136?documentId=9827870


  • Nana, der Mangold setzt es nach eigenen Aussagen ja auch mit Intellektualität gleich, wenn man beim Wäschewaschen keinen Weichspüler benutzt. :zwinker:


    Aber das ist doch genau der Reflex, den ich beschreibe. Der Kritiker kommt unsympathisch herüber, daher wird er abgelehnt.


    Gruß, Thomas

  • Naja, Ijoma Mangold schaut aber auch immer sehr angestrengt und scheint unter dubiosen Schmerzen zu leiden, wenn er seine Gedanken auszudrücken versucht. :breitgrins: Ganz im Gegensatz zu Denis Scheck, der immer ein Schmunzeln im Gesicht hat und auch die größten Buchverrisse noch mit einem Augenzwinkern versieht.


    Das ist das Problem des Fernsehens. Ich kannte Mangold erst als schreibenden Kritiker und hatte daher immer ein positives Bild von ihm. Ich nehme ihn in Fernsehsendungen v.a. inhaltlich wahr.


    Ja, er wirkt sehr angestrengt. Der Arme ...


    Willemsen ist aber ein ähnlicher Fall, wirkt immer ruhelos.

  • Ich glaube es macht schon etwas aus ob man als Zuschauer oder Leser den Eindruck hat, das der Kritiker einen als Leser von Romanen auch ernst nimmt. Wenn er einem selbst dann vorkommt, als ob er bestimmte Lesergruppen etwas abfällig behandelt (zum Beispiel Fantasyleser etc.), kann das dazu führen das man sich ausgeschlossen und angegriffen fühlt.


    Zu Scheck: Ich glaube schon das ein Teil seiner Sympathipunkte daher kommt, dass er eben genau das nicht macht. Er lässt seinen Zuschauern ihren eigenen Geschmack ohne Bücher auszulassen die eben einen Anspruch haben. Außerdem kommt sicher auch gut an, das er sich nicht immer so bitter ernst nimmt, ohne das ich ihn als Kritiker nicht ernst nehmen kann.


    Ich habe grad Schecks Kommentar im Literatur im Foyer gesehn. Musste schon schmunzeln *gg*


  • Das ist das Problem des Fernsehens. Ich kannte Mangold erst als schreibenden Kritiker und hatte daher immer ein positives Bild von ihm. Ich nehme ihn in Fernsehsendungen v.a. inhaltlich wahr.


    Ja, er wirkt sehr angestrengt. Der Arme ...


    Ich will auch nicht missverstanden werden. Ich halte sehr viel von Ijoma Mangold, er ist ein schlauer Kerl, der seinen Standpunkt immer nachvollziehbar begründen kann, auch wenn ich nicht immer einer Meinung mit ihm bin.

  • Aber das ist doch genau der Reflex, den ich beschreibe. Der Kritiker kommt unsympathisch herüber, daher wird er abgelehnt.


    Das war eine bewusste Provokation, Thomas. :zwinker:

  • Das war eine bewusste Provokation, Thomas. :zwinker:


    Fragt sich nur, ob Mangold uns mit seiner Aussage nicht provozieren wollte.


  • Ich glaube es macht schon etwas aus ob man als Zuschauer oder Leser den Eindruck hat, das der Kritiker einen als Leser von Romanen auch ernst nimmt. Wenn er einem selbst dann vorkommt, als ob er bestimmte Lesergruppen etwas abfällig behandelt (zum Beispiel Fantasyleser etc.), kann das dazu führen das man sich ausgeschlossen und angegriffen fühlt.


    Zu Scheck: Ich glaube schon das ein Teil seiner Sympathipunkte daher kommt das er eben genau das nicht macht. Er lässt seinen Zuschauern ihren eigenen Geschmack ohne Bücher auszulassen die eben einen Anspruch haben. Außerdem kommt sicher auch gut an das er sich nicht immer so bitter ernst nimmt ohne das ich ihn als Kritiker nicht ernst nehmen kann.


    Das ist das Faszinierende an Denis Scheck: Er hat keine Berührungsängste. Wenn ihm zum Beispiel - wie letztens "Der Name des Windes" von Patrick Rothfuss - auch mal ein Fantasy-Roman gefällt, preist er ihn auch vorbehaltlos in seiner Sendung an.


  • Ich glaube es macht schon etwas aus ob man als Zuschauer oder Leser den Eindruck hat das der Kritiker einen als Leser von Romanen auch ernst nimmt. Wenn er einem selbst dann vorkommt als ob er bestimmte Lesergruppen etwas abfällig behandelt (zum Beispiel Fantasyleser etc.) kann das dazu führen das man sich ausgeschlossen fühlt und sich dann angegriffen fühlt.


    Da ist was Wahres dran. Und dennoch: Peter Hamm würde wohl sagen, dass nur wenige Werke der Fantasy-Literatur an seine Maßstäbe herankommen.


    Ich denke, es ist auch gut, dass es klare Abgrenzungen gibt. Eine "wir haben alle Leser lieb"-Kritik kann nicht kritisch sein. Der NZZ-Kritiker äußerst sich einfach nicht über das Fantasy-Genre. Er tritt damit zumindest keinem direkt auf die Füße.


    In anderen Bereichen gibt es diese klaren Abgrenzungen auch: In der klassischen Medizin werden alle? / große Teile der Homöopathie abgelehnt. Oder in der Physik der Wünschelrutengänger.


    Gruß, Thomas


    P.S. ich schätze, dass dieser Thread morgen mittag geschlossen ist :breitgrins:

  • MacOss
    Definitiv. In Cornelia Funke ist er ja auch praktisch verliebt :breitgrins:


    @klassikfreund
    Genau das finde ich schade. Hi und da auch mal als Literaturkritiker über den eigenen Tellerand zu schauen wäre denk ich mal nicht verkehrt - und würde vielleicht auch umgekehrt da zu führen das so manch anderer auch über seinen Tellerrand schaut und erstaunliches entdecken könnte.