Brasilien: Gefangene können mit Bücherlesen ihre Haftstrafe verkürzen

Es gibt 39 Antworten in diesem Thema, welches 5.776 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Valentine.

  • Heute entdeckt:


    Zitat

    Zugelassen sind Bücher aus den Bereichen Belletristik, Philosphie oder Wissenschaft. Die Häftlinge haben vier Wochen Zeit, ein Buch zu lesen und müssen dann eine Rezension schreiben. Betreuer erhoffen sich dadurch ein erweitertes Weltbild der Gefangenen. Für jedes abgeschlossene Buch gibt es vier Tage Haftverkürzung.


    Quelle


    Was die dann wohl lesen? Dan Wells "Ich bin kein Serienmörder" oder Rita Mae Browns "Schade, dass Du nicht tot bist"? Eventuell aber auch "Der faule Henker" von Jeffrey Deaver. Ziemlich cool wäre allerdings "Uhrwerk Orange" von Anthony Burgess :breitgrins:


    Liebe Grüße
    nimue

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • Mir fällt noch "Papillon" ein ... oder "Der Graf von Monte Christo".

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Wenn schon Bücher-affine Menschen die Idee nicht ernst nehmen können ... :horac:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)


  • Wenn schon Bücher-affine Menschen die Idee nicht ernst nehmen können ... :horac:


    Stimmt. Ich kann das tatsächlich nicht ernst nehmen. Vielleicht bin ich nicht bücher-affin genug :zwinker:


    Edit: Es wäre schön gewesen, wenn Du auch etwas zum Thema beigetragen hättest (gerne auch ernsthafter), anstatt hier - mal wieder - den Moralapostel zu spielen :winken:

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

    Einmal editiert, zuletzt von nimue ()

  • So schlecht finde ich die Idee nicht. Immerhin sind die Gefangenen ein bißchen beschäftigt, was sicherlich auch für ihren Gemütszustand nicht schlecht ist. Und wenn sie noch ein Buch wählen, dass sie über das Lesen hinaus beschäftigt...
    Vor etlichen Jahren habe ich in einer Buchhandlung gearbeitet, die ihre ausgedienten Leseexemplare immer einer Gefängnisbibliothek gespendet hat. Thriller sollten da nicht dabei sein - also gehe ich einfach mal davon aus, dass es schon zu einer inhaltlichen Zensur kommt, die verhindern soll, dass sich die Leute noch 'Anregungen' holen. Allerdings sitzen ja auch nicht nur Mörder und Vergewaltiger. :zwinker: Und nur Zen- und Meditationsbücher sind wahrscheinlich auch langweilig...

    Liebe Grüße

    Tabea


  • So schlecht finde ich die Idee nicht. Immerhin sind die Gefangenen ein bißchen beschäftigt, was sicherlich auch für ihren Gemütszustand nicht schlecht ist. Und wenn sie noch ein Buch wählen, dass sie über das Lesen hinaus beschäftigt...


    Ich finde den Grundgedanken auch gar nicht schlecht.


    Aber man wird ja wohl noch ein bisschen rumblödeln dürfen :rollen:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Die Haftbedingungen in brasilianischen Gefängnissen sind notorisch schlecht. Eigentlich sogar miserabel. Gewalt von und an Häftlingen ist an der Tagesordnung. Insofern ist das auch ein verzweifelter Versuch der Behörden, die notorische Überbelegung zu mindern. Ob die Lektüre eines Buchs einen Menschen besser macht, wage ich zu bezweifeln. Aber - abgesehen von allem andern: Ein lesender Häftling macht keinen Krawall. Und vielleicht kommt er ja wirklich auf andere Gedanken auch nach seiner Entlassung ...

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Betroffen sind bisher nur vier Gefängnisse - ich vermute, dass dies die Vorzeigegefängnisse sein werden, um Brasilien zur WM 2014 als "modern" zu präsentieren. Ziel des Programms ist nicht Läuterung, sondern Entlastung der Gefängnisse, weil diese überfüllt sind.


    Hier ist auch ein ausführlicherer Artikel zu dem Thema Lies dich frei


    Und ja, ich halte die Idee noch immer für lächerlich, weil man meiner Meinung nach den Insassen besser Fertigkeiten für einen ordentlichen Beruf (Hilfe zur Selbsthilfe) an die Hand geben sollte, anstatt sie durch Bücherlesen und Rezensieren vorzeitig zu entlassen, damit sie in den Gefängnissen weniger Kosten verursachen und weniger Platz belegen.

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • Und ja, ich halte die Idee noch immer für lächerlich, weil man meiner Meinung nach den Insassen besser Fertigkeiten für einen ordentlichen Beruf (Hilfe zur Selbsthilfe) an die Hand geben sollte, anstatt sie durch Bücherlesen und Rezensieren vorzeitig zu entlassen, damit sie in den Gefängnissen weniger Kosten verursachen und weniger Platz belegen.


    Das ist sehr gut gedacht, sehr nobel und sehr - europäisch. Entschuldige, wenn ich moralisiere, aber ... Wir reden hier von einem Land, in dem keine Berufsbildung existiert wie wir sie in Deutschland oder der Schweiz kennen. Wenn Papa oder Mama Geld haben, gehst du zur Uni. Egal, ob du Kernphysiker werden willst. Schönheitschirurg, Buchhalter oder Fremdenführer. Vor allem die handwerklichen Berufe aber lernst du mehr oder weniger by doing, ohne systematische Ausbildung, ohne Abschlussdiplom.


    Sodann: Sogar, wenn Du eine Ausbildung hast, hast du keinen Job deswegen. Und wenn sich dann sogar diplomierte Buchhalter und doktorierte Juristen als Kellner in einem mittelklassigen Club bewerben - welche Chance hat da ein Ex-Knacki?


    Sodann: Brasilien kämpft m.W. immer noch mit einer hohen Rate an Analphabeten, bzw. Leuten, die knapp lesen und kaum schreiben können. Auch dem könnte so ein Programm ein bisschen abhelfen.


    Last but not least: Wenn du keine Arbeit hast, keine sinnvollere Freizeitbeschäftigung als mit deinen Kumpels rumhängen und rauchen, saufen, koksen - dann ist ein Abgleiten in die Kriminaliät vorprogrammiert. Wenn aber auch nur 2 von 4'000 Geschmack am Lesen bekommen, oder zumindest Lesen als valable Option zum Herumhängen schätzen lernen ... hast du schon wieder 2 weniger, die die wertvollen Gefängnisplätze füllen.


    Nein, ich halte die Idee nicht für lächerlich. Es ist ein verzweifeltes Sich-an-einen-Strohhalm-Klammern, das ich eher betrübt und mitleidsvoll sehe ... :winken:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Da kann ich sandhofer nur vollumfänglich zustimmen! Die Frage, die sich mir da nur stellt - wenn es da so viele Analphabeten gibt, wer bringt ihnen das Lesen bei?

    Gruß suray

  • Sodann: Brasilien kämpft m.W. immer noch mit einer hohen Rate an Analphabeten, bzw. Leuten, die knapp lesen und kaum schreiben können. Auch dem könnte so ein Programm ein bisschen abhelfen.


    Die Häftlinge haben nur vier Wochen Zeit für ein Buch.



    Da kann ich sandhofer nur vollumfänglich zustimmen! Die Frage, die sich mir da nur stellt - wenn es da so viele Analphabeten gibt, wer bringt ihnen das Lesen bei?


    Ich schätze mal, dass nur die Häftlinge Chancen auf die Verkürzung haben, die auch lesen können. Schließlich haben sie nur vier Wochen Zeit, ein Buch zu lesen und zu rezensieren. Auch hier sehe ich ein Kernproblem und eine Benachteiligung von den anderen.


    Ein Land, in dem Straßenkinder von der Polizei erschossen werden (man fragt sich, was Brasilien mit den Straßenkindern zur WM 2014 anstellt - ich hoffe nicht, dass sie sich an der Ukraine ein Beispiel nehmen), entlässt nun durch dubiose Aktionen Häftlinge vorzeitig. Tut mir leid, das passt für mich nicht zusammen.

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

    Einmal editiert, zuletzt von nimue ()

  • Na ja, die meisten Häftlinge werden doch vorzeitig entlassen. In Deutschland auch. Meistens wenn die Haft zu dreiviertel verbüßt ist. Das kann ja sonst auch kein Mensch bezahlen.


    Und vier Tage für ein Buch finde ich jetzt nicht so wahnsinnig viel. Aber 4 Wochen für ein Buch finde ich okay. Hey, die haben doch viel Zeit zum Lesen, oder? Aber einen Leselernkurs fände ich dann auch zwingend wichtig!

    Gruß suray


  • Na ja, die meisten Häftlinge werden doch vorzeitig entlassen. In Deutschland auch.


    Schon. Deutschland ist aber nicht Brasilien. Auch Jahre nach dem Militärregime zeichnet sich Brasilien noch durch massive Menschenrechtsverletzungen aus.

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • Auch Jahre nach dem Militärregime zeichnet sich Brasilien noch durch massive Menschenrechtsverletzungen aus.


    Ja. Allerdings ist es wohl keine Menschenrechtsverletzung, wenn durch Lesen ein paar Tage Haft erlassen werden können, oder?

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)


  • Ja. Allerdings ist es wohl keine Menschenrechtsverletzung, wenn durch Lesen ein paar Tage Haft erlassen werden können, oder?


    Wo habe ich das behauptet? :rollen:


    Ich messe der Literatur nur nicht diesen Grad an Bedeutung zu, dass sie aus Verbrechern bessere Menschen macht. Und werden zu Unrecht Inhaftierte deshalb früher entlassen, dann sollte dieses Programm für sie eigentlich gar nicht nötig sein.

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

    Einmal editiert, zuletzt von nimue ()

  • Na ja, du hast irgendwie diese Menschenrechtsverletzung ins Spiel gebracht... Ich sehe es auch so wie sandhofer - ein paar Tage weniger Haft in diesen maroden Gefängnissen ist doch okay, oder? Was hat das mit den verübten Menschenrechtsverletzungen zu tun?

    Gruß suray

  • Ich sehe den Zusammenhang zwischen Bücherlesen zur Haftverkürzung und den von Dir pläötzlich ins Spiel gebrachten Menschenrechtsverletzungen nicht ...

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)


  • Ich sehe den Zusammenhang zwischen Bücherlesen zur Haftverkürzung und den von Dir pläötzlich ins Spiel gebrachten Menschenrechtsverletzungen nicht ...


    Eben. Und genau das ist der Widerspruch an der ganzen Sache. Selbst in Deutschland würde ich den Sinn dieser vorzeitigen Haftentlassung durch Bücherlesen anzweifeln und kurios finden. In Brasilien ist das jedoch meiner Meinung nach pure Heuchelei am System - vielleicht konkret im Sinne der nahenden WM. War doch in China zu den olympischen Spielen ähnlich, soweit ich mich erinnere. Auch dort wurde durch gezielt gestreute Pressemitteilungen von China und über China ein positives Bild gestreut, aber das Fazit ein Jahr nach den Olympischen Spiele sah schon wieder ganz anders aus.

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

    Einmal editiert, zuletzt von nimue ()

  • Ah, okay, jetzt habe ich dich verstanden! Ja, da hast du natürlich auch irgendwie recht. Aber der einzelne Häftling ist vielleicht ganz glücklich über ein paar Tage weniger. Und ob dieses Projekt nun irgendwen von außen so sehr beeindrucken wird??? Das bezweifel ich allerdings. Ich finde es jedenfalls nicht so spektakulär.


    Ich fände das für deutsche Gefängnisse übrigens ne prima Idee! Besser als so manch anderes was zur vorzeitligen Entlassung führen kann...

    Gruß suray