Rainer M. Schröder - Liberty 9 - Sicherheitszone

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    Zitat:
    "Aber die Saat war ausgebracht und schon in ihr aufgegangen,
    auch wenn sie noch nichts davon ahnte."
    (S. 140)


    Inhalt:
    Hyperion, im Jahr Phönix 59 nach dem Großweltenbrand, Sicherheitszone Liberty 9


    Durch hohe Stacheldrahtzäune und bewaffnete Guardians streng von der Außenwelt abgeschnitten, lebt Kendira zusammen mit den anderen Electoren in der Lichtburg der Sicherheitszone Liberty 9. Nur Wenige in ihrem Alter haben bisher so frühzeitig die höchste Stufe der Ausbildung, den Alpha-Level, erreicht. Kendira ist eine Auserwählte, so werden die Electoren auch genannt.
    Eines Nachts schreckt sie aus einem Albtraum auf. Bis zum morgendlichen Fahnenappell ist es noch eine knappe Stunde. Da bis dahin nicht mehr an Schlaf zu denken ist, beschließt sie, zu ihrem Lieblingsplatz am Vista Hill zu gehen und dort die restliche Nacht zu verbringen. Hier beobachtet sie den jungen Servanten Dante, einen Bediensteten, der trotz Verbotes für seinesgleichen den Kletterfelsen besteigt. Dante stürzt ab und landet zum Glück im Fangnetz. Die Regeln, denen Kendira unterliegt, besagen, dass sie den Servanten wegen des Verstoßes an die Oberen melden muss. Damit droht Dante die Auslöschung. Aber Kendira schweigt und bewahrt ihn so vor dieser drastischen Strafe.
    In der Nacht hatten sich die Guardians im Totenwald Gefechte mit den Nightraidern geliefert. Nach dem Fahnenappell treffen die Guardians mit gefangenen Nightridern in der Sicherheitszone ein. Die Gefangenen erwartet der sichere Tod. Zur Abschreckung werden sie vor den Toren der Stadt an das Gitter von Rockcastle Hill gebunden, bis die Geier ihre Reste verzehrt haben...


    Auf dem Weg zu ihrem nächsten Run im schwarzen Würfel belauscht Kendira zufällig ein geheimes Gespräch zwischen Dante und einem anderen Servanten. Aber was meinen die Servanten, als sie über die Abschiebung ihresgleichen ins Gefängnis reden? Die beiden bemerken, dass sie belauscht werden. Kendira kann die Situation gerade noch retten.
    Nach dem Run trifft sich Kendira heimlich mit Dante. Dante erzählt ihr von seinem Plan. Langsam gerät Kendira immer weiter in eine Zwickmühle...
    Nach und nach entdeckt sie weitere Ungereimtheiten. Nach dem Cleansing von Master Seyward, bei dem Seelengift im Zimmer entdeckt wurde, zeigt Dante ihr Seywards Botschaft an der Zellentür der Arrestzelle. Kendiras Zweifel am System werden immer größer. Werden sie alle von den Oberen, vom System überhaupt, belogen und betrogen?


    Meinung:
    Als ich angefangen hatte, das Buch zu lesen, fühlte ich mich ehrlich gesagt fast ein wenig überfordert. Auf den ersten Seiten wurde ich mit mir fremden Liberty - 9 - Begriffen regelrecht bombardiert und in diese Welt ohne Vorwarnung hineingeworfen. Deshalb habe ich auch erst mit dem Gedanken gespielt, das Buch nochmal zur Seite zu legen und ihm später noch eine Chance zu geben. Doch dann ist das passiert, was ich nach diesem Beginn nicht zu hoffen gewagt hatte. Auf den folgenden Seiten kam ich wirklich schnell mehr und mehr in die Geschichte hinein und wurde vollends in den Bann von Liberty 9 gezogen. Zum Glück habe ich weitergelesen. Vom irritierenden Anfang darf man sich hier wirklich nicht beeinflussen lassen!


    Die Protagonisten, die wir nicht bis in die Tiefe kennenlernen, sind gut dargestellt und lassen uns teilweise an ihren Gedanken zu Handlungen teilhaben.
    Nachdem ich Kendira in der Geschichte kennengelernt hatte, ist sie mir sofort ans Herz gewachsen. Sie wirkt anfangs kühl und besonnen. Man merkt ihr an, dass sie stolz darauf ist, eine der Auserwählten zu sein. Sie steht voll zum System und lässt an der Rechtmäßigkeit keine Zweifel zu. Trotzdem spürt man gleich, dass sie intelligent ist und auch Gefühle ihr nicht fremd sind.
    Carson, ebenfalls ein Elector, fühlt sich zu Kendira hingezogen. Er ist stark und clever, sieht gut aus. Der Traum eines jeden Mädchens also. Auch er steht durch stetige Gehirnwäsche absolut hinter dem System. Kendira erwidert seine Gefühle jedoch nur zögerlich und zurückhaltend.
    Dante, als Servant der untersten Gesellschaftsstufe zugehörig, kennt seinen Platz in der Sicherheitszone. Erleben wir ihn anfangs zurückhaltend und gehorsam, entwickelt er sich zusehends zu einem richtigen Anführer. Beim Lesen steht man sofort zu Dante und wünscht sich, dass er die Probleme, denen er sich gegenüber findet, lösen kann. Auch Dante fühlt sich zu Kendira hingezogen. Aber was fühlt Kendira wirklich?
    Die vielen Nebencharaktere wurden ebenfalls gut und ohne überflüssige Einzelheiten beschrieben.


    Der Schreibstil des Autors ist flüssig und sehr gut zu lesen. Über kleine Unebenheiten kann man hinwegsehen und diese haben meinen Lesefluss auch nicht wirklich gestört. Die Welt von Liberty 9 lässt er uns mitunter detailreich und bildlich vorstellbar erleben. Spannung wird zusehends aufgebaut, so dass ich das Buch kaum noch aus den Händen legen konnte.
    In der Sicherheitszone erleben wir viele spannende Momente, aber auch grausame Darstellungen werden uns, z. B. beim Cleansing, geschildert. Bei der Beschreibung einiger Rituale, u. a. bei den Lichtmessen in Liberty 9, ist mir unwillkürlich ein Vergleich zur Kirche aufgefallen. Bei der Lichtmesse erhalten die Beteiligten zum Ende hin hier allerdings einen Happy Cube. Mehr dazu sollte man aber selbst lesen.


    Zum Ende des Buches hin lief mir allerdings alles ein wenig zu glatt. Auch hatte ich den Eindruck, dass der Autor schnell zum Ende der Geschichte finden wollte, sich aber dann doch nicht so richtig lösen konnte und so den Schluss aus meiner Sicht etwas zu sehr verzögert hat.
    Dennoch hat Herr Schröder seine Idee hinter der Geschichte hervorragend umgesetzt.


    Urteil:
    Mit Liberty 9 erhält man ein spannendes und gut durchdachtes Buch, das einen in seinen Bann ziehen kann. Die kleinen Unebenheiten kann man verzeihen. So komme ich auch zu dem Ergebnis, dass 4 Ratten für Liberty 9 auf jeden Fall angemessen sind. Ein echtes Muss für Fans spannender Dystopien mit dem entsprechenden Etwas!


    4ratten

    his-and-her-books.blogspot.de

  • Die Geschichte:
    Die Geschichte spielt 59 nach dem Großweltenbrand, der das Leben auf der Erde für immer verändert hat.
    In Liberty 9, einer Sichereitszone abgeschieden von anderen Menschen, leben Kendira und ihre Freunde. Ihr größtes Ziel ist bei ihrem Training nach strengen Regeln eine der Besten zu werden und später im Lichttempel zu dienen. Doch was ihre Aufgabe da sein wird, weiß sie nicht. Als sogenannte Electorin glaubt sie zu den Auserwählten zu gehören.
    Neben des Electoren gibt es aber noch die sogenannten Servanten. Die Servanten sind weniger privilegiert und erledigen die schweren Arbeiten und bedienen die Electoren. Für Kendira ist die Welt in Ordnung, doch eines Tages trifft sie Dante, einen Servanten und ihre ganze Weltanschauung gerät aus den Fugen. Denn obwohl sie eigentlich nicht mit ihm sprechen dürfte, fühlt sie sich zu ihm hingezogen. Er ist nicht überzeugt von dem grausamen System in Liberty 9 und hinterfragt vieles, so dass auch Kendira misstrauisch wird.


    Zu Beginn lernt man als Leser nach und nach das Leben der Electoren kennen. Diese auserwählten Menschen müssen eine strenge Ausbildung mit strengen Regeln über sich ergehen lassen. Es gibt viele unbekannte Begriffe, die nach und nach beleuchtet werden. Am Anfang hatte ich damit ein paar Probleme, weil ich die Zusammenhänge nicht verstehen konnte. Es gab sehr viele fehlende Informationen, die mir die ersten Seiten erschwert haben, so dass das Buch zuerst keine leichte Lektüre ist. Liberty 9 ist an sich eine recht anspruchsvolle Dystopie, in der man sich erst einmal einfinden muss.
    Als die Begriffe und das System, dass hinter der Sicherheitszone steckt, erklärt sind, habe ich einen guten Einstieg in das Leben von Kendira und ihren Freunden erhalten. Nach und nach hat alles Sinn gemacht und sich zu einem gut ausgeklügelten Gesamtbild zusammengefügt.
    Es gibt einige interessante Aspekte in dem Buch, die zum Nachdenken anregen, wie z.B. das totalitäre System, dass an der Bibel und dem kirchlichen Glauben orintiert ist. Hier wird wieder deutlich, wie leicht man Menschen doch beeinflussen kann. Vor allem, wenn sie es von klein auf so kennen. Auf mich hat die ganze Sicherheitszone oft wie eine große Sekte gewirkt. Die Idee ist fasziniernd und erschreckend. Die Menschen in Liberty 9 werde dazu hart bestraft, wenn sie sich nicht an die Regeln halten. Diese Bestrafungen sind grausam und zeigen dem Leser schnell, dass in der Sicherheitszone nicht alles blumig ist, obwohl die Electoren eigentlich ein gutes Leben führen.
    Die Handlung ist insgesamt sehr spannend und es gibt vor allem zum Schluss viele überraschende Wendungen, die mich in ihren Bann gezogen haben.
    Das Ende ist schlüssig und macht Lust auf den Folgeband.
    Es bleiben aber insgesamt noch viele Fragen offen, die hoffentlich in den nächsten Bänden geklärt werden.


    Die Protagonisten:
    Kendira ist zu Beginn noch die blind gehorchende Electorin, die mit ihrem Leben zufrieden ist und nicht den Drang hat mehr über die Hintergründe zu wissen. Sie wirkt naiv und manchmal auch etwas unterkühlt. Durch Dante entwickelt sie Zweifel und sie verändert sich sehr. Ich finde allerdings, dass sie etwas zu schnell auf Dante hört, wenn man bedenkt, dass sie fest an Liberty 9 und ihre Bestimmung geglaubt hat. Dennoch ist sie mir schnell sehr sympathisch geworden. Sie ist eine eindrucksvolle Protagonistin, die nicht nur an sich selber denkt.
    Carson ist schon länger in Kendira verliebt und ebenfalls ein Elector. Er glaubt ebenfalls fest an das System, ist aber ein angenehmer Protagonist, der die Geschichte bereichert.
    Dante ist mir von der ersten Seite an ans Herz gewachsen. Er lässt sich nicht unterkriegen oder vom System täuschen, ist wissbegierig und stets kritisch. Mir hat es sehr gut gefallen, wie er mit Kendira in Kontakt getreten ist.
    Alle Protagonisten sind sehr gut und authentisch ausgearbeitet.


    Der Schreibstil:
    Der Schreibstil ist insgesamt angenehm zu lesen und sehr detailliert. Zwar ist der Beginnn mit vielen unbekannten Begriffen erst einmal schwierig, aber wenn man das überwunden hat, ist der Schreibstil einfach und flüssig zu lesen.
    Die meiste Zeit wird die Handlung aus Kendiras Sicht geschildert (personaler Erzähler), es gibt aber auch Passagen aus der Sicht einer der Oberen, die über Liberty 9 herrschen. Diese Passagen haben mir gut gefallen, da sie mich sehr neugierig auf den weiteren Verlauf der Handlung gemacht haben.

    Das Cover/der Buchtitel:
    Das Cover ist an sich ein richtiger Hingucker, die Farben sind toll und passen zu dem Auge des Mädchens. Allerdings mag ich generell nicht mehr viele Cover, die ein Mädchengesicht tragen, weil es zu viele davon gibt.
    Der Titel passt sehr gut zu dem Inhalt und hatte mich neugierig gemacht.


    Fazit:
    Alles in allem handelt es sich hierbei um eine gute, spannende und faszinierende Dystopie, bei der man sich von dem Anfang nicht abschrecken lassen darf. Ich freue mich schon auf den 2. Band.


    4ratten

  • Kendira und ihre Freunde leben in Liberty 9. Ein eingezäuntes Areal mitten in der Wildnis. Innerhalb der Umzäunung, die dem Schutz vor Rebellen dienen soll, werden die Jugendlichen auf ihr Leben im Dienst der "Erhabenen Macht" vorbereitet. Kendira ist dabei bereits auf dem höchsten Level angekommen und wartet gespannt darauf, wann das Luftschiff kommt, um sie abzuholen. Doch eine zufällige Begegnung mit dem Servanten (Bediensteten) Dante bringt ihr Weltbild ins Schwanken. Dante stellt Fragen, über die sich Kendira noch nie Gedanken gemacht hat. Zu fest wurden ihr von kleinauf alle "Wahrheiten" über ihr Leben und den Sinn und Zweck desselben beigebracht. Durch Dante fängt sie nun aber an, die Dinge ebenfalls zu hinterfragen - und bringt sich damit in große Gefahr, denn selbständiges kritisches Denken gehört offensichtlich nicht zu den Eigenschaften, die die Jugendlichen lernen sollen.


    Ich war sehr gespannt auf dieses Buch und bin mit recht hohen Erwartungen an die Lektüre herangegangen. Diese konnte es aber über weite Strecken leider nicht erfüllen. Insbesondere am Anfang war ich geradezu erschlagen von den vielen fremden Begriffen, die ohne irgendeine Erklärung benutzt werden. Leider gibt es auch kein Glossar, das hätte hier sicherlich einige Erleichterung bringen können.


    Die Figuren blieben für mich eher blass. Kendira entwickelte sich nach und nach, Dante war auch ein Lichtblick, allerdings habe ich mich bei ihm immer gefragt, woher sein kritisches Denken überhaupt kommt, von seinem Hintergrund erfahren wir nämlich nicht viel. Die Mitglieder von Kendiras Clique hingegen konnte ich bis zum Ende des Buches kaum auseinanderhalten, so nichtssagend blieben sie irgendwie alle.


    Über die Welt, in der diese Geschichte spielt, erfährt der Leser nur sehr wenig. Das liegt natürlich mit daran, dass auch Kendira nichts über die Welt außerhalb von Liberty 9 weiß, geschweige denn über die geschichtlichen Hintergründe, die zu dieser Welt geführt haben. Als Leser fand ich das ein wenig unbefriedigend, auch wenn ich annehme, dass hier im nächsten Teil mehr Einzelheiten bekanntgegeben werden, denn natürlich handelt es sich mal wieder um einen Reihen-Auftakt. Ich fand diesen ersten Band allerdings insgesamt doch recht unbefriedigend, so dass ich noch nicht sagen kann, ob ich überhaupt weiterlesen werde. Wenigstens war das Ende kein totaler Cliffhanger, sondern kann als Zwischenergebnis so auch für sich allein stehen – wenn man bedenkt, dass keine einzige der grundsätzlichen Fragen über das Woher und Warum dieser Welt beantwortet wurde!


    3ratten

    LG, Dani


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  • Die Biografie von Rainer M. Schröder, Verfasser des vor mir liegenden Romans ist bewegt und umfangreich. 1951 in Rostock geboren und Ostberlin aufgewachsen, konnte Schröder mit seiner Familie noch vor dem Mauerbau in den Westen flüchten. Er durchlief eine Operngesangsausbildung, war bei der Luftwaffe und Lokalreporter einer Tageszeitung. Doch damit nicht genug. Bevor er als freier Autor tätig wurde, studierte er Jura und nebenbei noch Theater-, Film und Fernsehwissenschaften und arbeitete als Theaterautor und Verlagslektor. Schröder zog in die USA und nach einer Hobbyfarmer-Episode in die Welt. Nordamerika, Südamerika, Australien, Afrika. Da er in Europa geboren und aufgewachsen ist, fehlen ihm einzig die Antarktis und Asien, um sagen zu können, dass er alle Kontinente der Welt bereist hat. Er betätigte sich als Schatzsucher unter Wasser, arbeitete in einer Goldmine, zog durch Wüsten und Savannen und überstand auch mehr als einen Wintersturm auf den Meeren oder paddelte mit Indios über den Amazonas. Seine Erlebnisse und Erfahrungen hat er in zahlreichen Büchern teils unter Pseudonym (Ashley Carrington) verarbeitet. Schröders Arbeiten wurden mehrfach ausgezeichnet. Er zählt zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Schriftstellern im Bereich Jugendbuch und historischer Roman.


    Spätestens nach einem Blick auf seine Homepage, von der die vorgenannten Informationen stammen, war ich neugierig auf seinen bei cbj erschienenen Roman Liberty 9. Nicht nur weil ich immer auf der Suche nach Büchern bin, die ich getrost lesewilligen Nichten und Neffen oder den Kindern von Bekannten und Freunden empfehlen kann, auch weil mich die Inhaltsangabe auf der Verlagsseite angesprochen hat.


    Entsprechend enthusiastisch entfernte ich die Verkaufsfolie des Buches, öffnete es und begann zu lesen. Nebenbei erwähnt, auch die Gestaltung des Schutzumschlages sprach mich an (ich mag Blautöne und nicht nur der Titel ist in Blau-metallic gedruckt, auch die abgebildeten Augen sind blau, ebenso wie Teile des Hintergrunds, die einen Wald darstellen).


    Die Geschichte wird größtenteils in dritter Person aus der Sicht der Hauptfigur Kendira erzählt, drei Passagen auch aus der eines Aufsehers (im Buch Konventobere genannt). Sie erstreckt sich über einen relativ kurzen Zeitraum von Tagen, allenfalls jedoch wenigen Wochen. Liberty 9 ist nicht nur der Titel des Romans, es ist auch die Bezeichnung des Habitats, in dem sich das Leben der Auserwählten Kendira abspielt. Ihres und das von zweihundert anderen Auserwählten. Daneben gibt es noch etliche Servanten, die ihnen dienen, Konventobere, die sie ausbilden, oder Guardians, die sie gegen die (bösen) Nightraider verteidigen. Bis auf die Nightraider sind alle Libertianer, doch nur die Auserwählten werden jahrelang auf ihren Dienst im Lichttempel vorbereitet. Der befindet sich außerhalb von Liberty 9 und ist nur mittels eines Lichtschiffs erreichbar. Liberty 9 ist eine Sicherheitszone in einer Welt, die der unseren ähnelt und doch anders ist. Naturkatastrophen und Kriege haben dafür gesorgt, dass es nur wenige Habitate gibt, in denen sich das Leben lohnt. Daneben gibt es noch die Dunkelwelt. Einen wenig erstrebenswerten Ort, wenn man den Konventoberen Glauben schenkt. Kontrolle, Disziplin und das Training auf ihre künftige Aufgabe beherrschen den Alltag der Auserwählten.


    Strenge Strafen stehen auf Verstöße gegen die Ordnung. Das Schlimmste, was passieren kann, sind neben einer Hinrichtung sogenannte Cleansings. Die führen in der Regel zu einer völligen Auslöschung des logischen Denkvermögens, nicht selten jedoch auch zum Tod. Die Strafaktionen werden grundsätzlich vor den Augen aller durchgeführt.


    Liberty 9 muss so um das Jahr 2.100 herum spielen. Es wird zwar von einer neuen Zeitrechnung gesprochen, in der Kendira und die anderen Figuren im Jahr Phönix 59 leben. Allerdings erwähnt Dante, einer der Servanten, den etwa 2.100 Jahre zurückliegenden Beginn des Christentums. So viel verändert hat sich dort aber der Alltag gar nicht. Es gibt noch Tablets und Joysticks, Ego-Shooter-Spiele, Trikes und Schnellfeuergewehre oder Flammenwerfer, Lichtspielereien und Sphärenklänge dank Synthesizern. Die Auserwählten sind Internatsgleich untergebracht. Individualität wird nicht unbedingt gefördert. Auch zum Essen und Trinken gibt es – zumindest für Kendira und die anderen Auserwählten – auch Dinge, die man aus dem hier und jetzt kennt. Pancakes mit Sirup etwa, oder Kakao. Auch der Alkohol spielt noch eine (untergeordnete) Rolle, übt er doch den Reiz des Verbotenen auf die Jugendlichen aus und den des Vergessens auf die Konventoberen. Sogar eine Art Hostie gibt es, wenngleich sie in Form eines high machenden Beneficium während der Lichtmesse etwas pervertiert wird.


    Schröder geht mit Liberty 9 eine Idee an, die so neu nicht ist. Auserwählte in einer Zone, die streng abgeschirmt sind. Außenstehende, die ihnen ans Zeug wollen. Die Tatsache, dass ein goldener Käfig eben auch nur ein Käfig ist. Gegenseitige Bespitzelung, Verrat. Strikte Zensur und Bücherverbrennungen. Junge Menschen, die aufbegehren. Abgesehen von reellen Bezügen zu den nach außen abgeriegelten Ländern des früheren Ostblocks oder bestimmten Sekten wurde diese Thematik schon in zahlreichen anderen Romanen verwendet.


    Kendira hat, bevor sie Dante kennenlernt, keine Zweifel an dem System. Zu gut hat die Gehirnwäsche, der sie von klein auf unterzogen war, funktioniert. Dennoch findet sie (und neben ihr auch einige andere) keinen Gefallen an der öffentlichen Hinrichtung von Nightraidern oder an den ebenso öffentlichen Cleansings - egal ob es sich dabei um Servanten, Auserwählte oder Konventobere handelt.


    Logischerweise will keiner Gefahr laufen, ein solches Cleansing als Hauptakteur zu erleben. Ein Grund für eine solche Strafaktion wäre es, den Verstoß eines anderen nicht zu melden. Genau das jedoch tut Kendira nicht, als sie Dante bei etwas eindeutig Verbotenem erwischt. Dante gelingt es, Zweifel am System in Kendira zu wecken. Bereits nach kurzer Zeit ist sie felsenfest davon überzeugt, dass ihre höhere Berufung tödlich für sie endet. Und nicht nur sie geht das Risiko ein, sich Zweifel zu erlauben. Sie zieht auch weitere Auserwählte auf ihre Seite, von denen einer übrigens ebenfalls sehr an ihr interessiert ist und sie irgendwie auch an ihm. Die Ereignisse überschlagen sich und letztlich wagt sie an der Seite von Dante und drei weiteren Auserwählten einen Ausbruchsversuch aus Liberty 9.


    Klingt gut, nicht? Allerdings gibt es den einen oder anderen Punkt, der das Lesevergnügen schmälert; den Spannungsbogen gar eher einer schlaff herunterhängenden Wäscheleine ähneln lässt. Ansonsten wären mir die untypisch häufigen Schreibfehler sicher nicht aufgefallen, die ich im Buch gefunden habe. Von kleineren logischen Denkfehlern ganz zu schweigen.


    Da wären zunächst einmal die Figuren. Die Auserwählten ähneln in meinen Augen trotz ihrer Erhabenheit eher verwöhnten und zickigen Teenies von heute, zeichnet doch der Autor eine recht … sagen wir mal gewöhnliche Figurenvielfalt. Die Unsympathischen unter ihnen sind meist etwas dicklich, weniger erfolgreich oder haben etwa eine feuchte Aussprache. Die sympathischeren Figuren sind dagegen gut aussehend, schlagfertig, erfolgreich. Kendira selbst zeigt sich angesichts ihrer angeblichen Zweifel immer wieder erstaunlich oberflächlich. Die aufkeimende Angst vor ihrem scheinbar unausweichlichen Ende wirkt so wenig glaubwürdig.


    Allein gemeinsam ist jedoch, dass sie samt und sonders recht unscheinbar sind und vor der Beschreibungsfreude des Autors an ihrem Umfeld verblassen. Überaus erschöpfend ergeht Schröder sich nicht ausschließlich in der detailreichen Schilderung ihrer Gewänder, der Einrichtungen und der Umgebung. Neben der stetig wiederkehrenden metergenauen Angabe bestimmter Dinge führt er auch bestimmte Rituale und die dabei vorgetragene Litanei der Sprechchöre oder beispielsweise auch den Ablauf der Trainingseinheiten sehr erschöpfend aus. Und LeserInnen, die sich bis jetzt noch nicht so genau mit Jesus Christus und seinem Tod auskannten, werden nach der Lektüre von Schröders Roman etwas schlauer sein. Warum? Weil die Bibel zum sogenannten Seelengift gehört, das dem Konstrukt der Erhabenen Macht gefährlich werden könnte, sollte es denn Auserwählten oder Servanten in die Hände fallen. Sie steht seltsamerweise übrigens anscheinend auf gleicher Stufe wie etwa der Graf von Monte Christo. Ansonsten trägt allerdings dieser gedankliche Abstecher in die Grundzüge des Christentums eher zur Verwirrung bei, bringt er den Roman doch nicht wirklich weiter. Insgesamt wäre es praktischer gewesen, einzelne Begriffe in einem Anhang kurz zu erklären, da die Erklärung innerhalb der Geschichte einfach zu langatmig ist.


    Manchmal retten gute Dialoge etwas, doch bei Liberty 9 gehen sie leider angesichts aller Beschreibungen vollkommen unter. Was gesagt wird, wirkt stellenweise hölzern. Ebenso das, was gedacht wird. Einzig Nekia, eine der Auserwählten, sticht mit ihrer Wortwahl etwas daraus hervor. Allerdings - und das möchte ich positiv herausstellen - gibt es einen ganz klaren Vorteil. In manchen Büchern wird bei Dialogen auf Fäkalsprache zurückgegriffen, als wäre das heute die einzig sinnvolle und vor allem mögliche Art, sich zu unterhalten. Davon wird man in Liberty 9 jedoch dankenswerterweise verschont.


    Was in meinen Augen unglücklicherweise ebenfalls unterging, war die Weiterführung einer an sich guten Grundidee. Recht klar beschrieben hat Schröder die harten Strafen für Zuwiderhandlungen, die querbeet alle betrafen. Weniger klar wird dargestellt, warum einigen Servanten und später auch Auserwählten Zweifel am System kommen, beziehungsweise wie diese Zweifel sich erhärten. Es wird das eine oder andere erwähnt, aber das war es auch schon. Man erfährt nicht, wie Liberty 9 überhaupt erst entstanden ist. Warum und weshalb werden die Auserwählten in sogenannten Embrolabs herangezogen, in der Lichtburg erzogen und trainiert, von Servanten bedient? Wie werden sie auserwählt? Warum leben sie in einer Sicherheitszone? Es werden zwar Kriege und Naturkatastrophen erwähnt, doch wirklich darauf eingegangen wird nicht. Auch der künftige Dienst der Auserwählten ist Mysterium. Nicht nur für die Servanten und Auserwählten, auch für LeserInnen. Die paar Andeutungen gegen Ende des Buches - teils von einem zweifelnden Konventoberen, der aus seinem bisherigen Tun die Konsequenzen ziehen will, teils von Nightraidern, deren Motivation im Übrigen auch etwas konstruiert scheint – deuten darauf hin, dass der Autor genauso im Dunkeln tappt. Vor allem rechtfertigt keine dieser Andeutungen den Aufwand, mit dem die Auserwählten jahrelang „ausgebildet“ werden.


    Laut Pressemappe handelt es um Social Fiction, bei der die Technik zwar noch Lichtjahre von regulärer Science-Fiction entfernt ist, jedoch eine „buchstäblich blendende“ Rolle in dem Roman spielt. Dem kann ich nur zustimmen. Etwas anderem jedoch nicht. Man erfährt aus der Pressemappe auch, dass es sich bei Liberty 9 um einen dramatischen Action-Thriller handelt, der von einem Meister der Spannungsliteratur erzählt wird. Die Grundidee mag spannend sein, tatsächlich wirkt Liberty 9 aber wie ein mühsames Konstrukt auf mich, das Fragen aufwirft aber kaum Antworten findet. Ebenso sollen Liebe und Freundschaft ein zentrales Thema sein, sowohl den Kern als auch das Gewebe bilden, welches die Geschichte zusammenhält und weiterbringt. Das kam so nicht bei mir an, da beides an sich zu wenig ausgeführt wird. Die Liebe und Freundschaft, die im Klappentext erwähnte unwiderstehliche Anziehungskraft - all das scheint lediglich auf dem guten Aussehen Kendiras, Carsons (der interessierte Auserwählte) und Dantes zu fußen.


    Fazit 1ratten


    Es soll sich ja um den Auftakt einer Trilogie handeln. Das würde die offenen Fragen erklären, die Andeutungen, die im Sande verlaufen und diese wie vergessene Handlungsfäden wirken lassen. Bedauerlicherweise habe ich jedoch weder in der Pressemappe noch auf der Verlags- oder Autorenseite und schon gar nicht irgendwo im Buch oder auf dem Buchumschlag einen Hinweis gefunden, der bestätigt, dass es sich hier um einen Auftaktroman handelt. Alles in allem möchte ich Liberty 9 nur einen von fünf Punkten geben, da ich den Roman weder sonderlich spannend noch eindrucksvoll, die Charaktere viel zu schwach und die Geschichte insgesamt zu konstruiert empfunden und von einem Autor wie Schröder einfach mehr erwartet habe.



    Copyright © 2012 by Antje Jürgens (AJ)

    Man sagt, dass die Welt ohne Fantasie ein trostloser Ort wäre.<br />Doch was wäre die Fantasie ohne Worte? Sie sind die Flügel, auf denen Fantasien in die ganze Welt gelangen können.