H.P. Lovecraft - Berge des Wahnsinns

Es gibt 36 Antworten in diesem Thema, welches 7.370 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Jari.

  • Das Buch ist jetzt zur Hälfte durch. Momentan stecke ich der Geschichte Der Fall Charles Dexter Ward.
    Die Höhepunkte waren bisher ohne Frage Der Ruf des Cthulhu und Die Farbe aus dem All.


    Wobei letztere Geschichte wohl eine der wenigen ist, bei der die Bedrohung aus dem Weltall kommt
    und nicht aus dem Meer oder der Erde. Echt krass was der Familie Gardner wiederfahren ist.


    Auch Cthulhu ist eine immer wiederkehrende Bedrohung, die gleichfalls in der ersten Geschichte Dagon
    schon angedeutet ist. Genau wie wie der Maat Johanson in Der Ruf des Cthulhu erlebt der namenlose
    Erzähler das Auftauchen der "Insel" aus dem Meer und findet dort etwas, dass ihn bis zu seinem Tod
    nicht mehr losläßt.


  • Die Farbe aus dem All.


    Großartige Geschichte, oder? Ich sehe schon, ich muss mir mal wieder ein paar Geschichten zu Gemüte führen. Der morgige Halloweentag wäre der geeignete Anlass.

  • In der Tat.
    Was ich aber nicht verstehe ist, warum Gardner mit seiner Familie den Hof nicht verlassen hat.
    Gut, es war sein Zuhause, das gibt man nicht so einfach auf, aber bevor ich zusehen muss wie
    meine Frau wahnsinnig wird und mir die Kinder wegsterben reagiere ich doch auf die Bedrohung.
    Gardner macht aber gar nichts und das Ergebnis ist absolut erschütternd.


  • Aber das ist doch der Punkt. Wenn alles so logisch und rational wäre, dann wäre der Horror nicht da ^^ Gerade das ohnmächtige Mitansehen des Grauens fügt sich als Mosaikstein in den Gesamtalptraum. Nicht denken - fühlen! Und insbesondere die Tragik, dass Gardner ohnmächtig und zu phlegmatisch war, zu reagieren, geradezu erstarrt, ist ja auch ein reizvoller Aspekt. Somit gesellt sich zu dem nicht fassbaren, abstrakten Grauen auch noch der menschliche Horror sozusagen.


  • Also ist der Horror nicht das, was der Meteorit aus dem All mitgebracht hat, sondern vielmehr die Unlogik
    die in Gardners handeln (oder eben nichthandlen) steckt? :gruebel:


    Kann es sein dass du ein typisch männliches Rationalitätsproblem hast? *gg*
    Hast du schon mal erlebt dass z. B. auch bei Shakespeare alle Charaktere rational handeln (ich sage nur Hamlet und Ophelia)? Das ist doch die Tragik. Leidenschaften, oder im Falle von Lovecrafts Farbe aus dem All das Phlegmatische, verschärfen die Spirale der Dramatik. Hast du noch nie eine totale Antriebslosigkeit verspürt, die du nicht erklären konntest?
    Wenn du was rationales suchst, empfehle ich doch eher Dissertationen ^^ Oder zumindestens Wissenschaftsromane. Lem würde wohl eher passen. Lovecraft beschäftigt sich mit u. a. Abgründen in der menschlichen Seele, mit Rationalität kommst du da nicht weiter, sondern vielmehr mit der Tatsache, dass in - um mit Carl Jaspers zu sprechen - "Grenzsituationen" der Verstand aussetzt und nur noch Ängste und Triebe die Oberhand gewinnen.

  • Vielleicht ist es ja auch - ganz rational - das erste Symptom der Krankheit?


    (Was ich zwar nicht glaube, Lovecraft will wohl einfach die Stumpfheit des menschlichen Lebens und der "Hinterwäldler" im Speziellen darstellen. Solche stumpfen Typen auf demLand gibt's bei ihm ja zu Hauf.)

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)


  • ...


    Schade, ich dachte man könnte sich hier über die Geschichten mal austauschen.
    Offensichtlich ist das nicht so. Wenn man jetzt schon bei einem Hinweis auf mangelnde
    Logik in einer Geschichte zu hören bekommt, man sollte lieber Dissertationen lesen, hat
    sich die Sache hier für mich erledigt.


    Jeder der die Geschichte wirklich gelesen hat weiß, dass Gardner nicht von Ängsten oder
    Trieben geleitet wurde oder stumpfsinnig oder dumm war, sondern nur im Bezug auf seine
    Familie nichts unternommen hat. Er hat seinen Hof weiterhin bewirtschaftet und nach Alter-
    nativen gesucht als dort nichts mehr wuchs, er hat weiter am Gemeindeleben teilgenommen
    und und und. Da sind keine Ängste gewesen.


    Ist aber auch egal, das Thema habe ich hier durch.


  • Schade, dass es Selbstreflexion offenbar nur selten im Angebot gibt und ebenfalls Humor. Wenn du genau gelesen hast, habe ich das mit der Dissertation als humoristische Provokation verwendet (^^ sind Augenbrauenzwinkern). Wenn du tatsächlich so zartbesaitet bist, dass du mit solch schwacher Kritik nicht klarkommst und dich sofort zurückziehst, tut es mir leid. Ich nehme mir lieber Reich-Ranicki und das literarische Quartett als Vorbild, da gings immer hoch her, aber das was man dabei an Gedanken, Gefühlen und Vorstellungen anderer jenseits der Logik mitbekam, war es mehr als wert.

  • Wobei gerade Lovecraft ein sehr stringenter Autor ist. Mangelnde Logik kann man ihm eigentlich nicht vorwerfen. Dieses Festhalten an der angestammten Scholle, der eigenen Farm, um jeden Preis, ist durchaus logisch. Was sollte denn Gardner tun? Wegziehen? Wie - ohne Geld? Die Farm verkaufen? An wen - wenn sie schon nicht mehr rentierte?

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Ich finde, "Berge des Wahnsinns" sollte als letzter Lovecraft gelesen werden, es handelt sich m.E. sozusagen um den krönenden Abschluss seines Werkes, nicht so sehr handlungsmässig, als was die Logik des lovecraftschen (materialistischen) Grauens angeht. Mit einer Mythologie, wie sie dem Autor immer wieder unterstellt wird, was wir wohl dem Herrn Derleth zu verdanken haben (Lovecraft zufolge ein armer anthropozentrischer Schlucker :zwinker:), hat das allenfalls noch am Rande zu tun, vielmehr ist es die vollkommene Gleichgültigkeit des Kosmos dem Menschen gegenüber, die für Lovecraft die eigentliche Quelle allen Horrors ausmacht. Die Perspektive kann allerdings gewechselt werden, wie z.B. das Ende von "Schatten über Innsmouth" zeigt, diese fiktiven Wesen sind nicht per se "böse" oder schrecklich, sie sind es unter einem bestimmten, notwendig beschränkten und wohl zur menschlichen Kondition gehörenden Gesichtspunkt.

    Tell all of my friends, I don&#039;t have too many: just some rain-coated lovers&#039; puny brothers. Dallow, Spicer, Pinkie, Cubitt - rush to danger, wind up nowhere.<br />Patric Doonan - raised to wait. I&#039;m tired again, I&#039;ve tried again...<br />and now my heart is full. Now my heart is full and I just can&#039;t explain, so I won&#039;t even try to.<br />(Morrissey)

    Einmal editiert, zuletzt von Rydal ()

  • Ich habe bisher noch keinen Lovecraft gelesen, aber mein Schatz hat genau dasselbe über "Berge des Wahnsinns" gesagt wie du. Schatz ist ein grosser Liebhaber der Lovecraftschen Bücher :winken:

    //Grösser ist doof//

  • Lustig, ich habe mir auch schon überlegt, vielleicht mit etwas anderem von ihm anzufangen. Danke für den Hinweis, Rydal.


  • ich habs vor vielen Jahren gelesen und es zählt für mich zu den besten Horrorbüchern aller Zeiten.
    Obwohl ich es gar nicht als "Horror" ala Blut und Gemetzel bezeichnen will.
    Bei H.P. ist der Horror eher subtil und wirkt wohl nur, wenn man Lovecraft ein wenig seelenverwandt ist und wenn man entsprechende Fantasie und Wissen hat.

  • Es ist amtlich. Mein zweiter Versuch ist jetzt auch gescheitert. Der Stil ist mir einfach zu umständlich. Gerade als es spannend wird, schweift der Erzähler wieder ab und erklärt, wie sehr er mit seinem Bericht doch die Öffentlichkeit warnen muss, was er davor schon gefühlte zehnmal getan hat. Das stört mich. Ich habe dann das Gefühl, es geht nicht vorwärts. Ausserdem haben mich die übertriebenen Adjektive bei den Beschreibungen genervt. Vor jedem zweiten Wort steht ein "schrecklich", "unsäglich", "furchteinflössend" usw. Am Anfang hat das noch eine gewisse Wirkung aber mit der Zeit wirkt das auf mich nur noch bemüht. Also bin ich jetzt wohl der erste einsame Horrorfan, der Lovecraft nicht mag. :zwinker: Vielleicht bin auch einfach zu jung oder zu sehr vom Film beeinflusst. Aber es sagt mir wirklich nichts.

  • Inhalt:


    Eine Expedition in die Antarktis und ein Wissenschaftler, der verzweifelt versucht, diese aufzuhalten. Was hat er gesehen? Im ewigen Eis taucht plötzlich eine Stadt auf, die auf eine fortschrittliche Rasse schliessen lässt. Doch wer war es, der diese Stadt gebaut hat?


    Meine Meinung:


    H.P. Lovecraft ist der Begründer des modernen Horrors, doch in „Berge des Wahnsinns“ gibt er sich eher nüchtern und sachlich. Die Sicht des Wissenschaftlers untermauert dies noch.


    Deswegen besteht die Geschichte auch grösstenteils aus Beobachtungen und Beschreibungen. Stimmung kam so für mich weniger auf, aber für jene, die diesen Stil mögen, wird das Buch ein besonderes Lesereignis sein.


    Richtig spannend wurde die Geschichte leider auch erst gegen Schluss, als die Stadt der Alten genauer erforscht wird. Aber auch da spürte ich selten wirklichen Horror, aber darauf will das Buch auch nicht hinaus.


    Es ist interessant, Lovecrafts Universum aus dem Blick eines Wissenschaftlers zu erleben. Mit dem Hintergedanken, dass all diese Figuren real sein könnten. Schlussendlich wird es einem da doch etwas mulmig zumute.


    Lovecraft benutzt eine schöne, aber fordernde Sprache. Den Einfluss der Wissenschaft bemerkt man schon auf den ersten Seiten. „Berge des Wahnsinns“ ist definitiv kein Buch, das man nach einem harten Tag zur Entspannung liest. Die Geschichte erwartet die volle Aufmerksamkeit des Lesers und verzeiht es nicht so schnell, wenn man mal nicht ganz bei der Sache ist.


    Fazit:


    „Berge des Wahnsinns“ bietet einen interessanter Einblick in die Welt des H.P. Lovecraft. Für Einsteiger oder jene, die den berühmten Horror Lovecrafts suchen, ist das Buch jedoch weniger geeignet. Es ist ein reiferes Werk, das gewisse Kenntnisse der anderen Werke des Autors voraussetzt und wahrscheinlich erst dann seine wahre Kraft entfaltet.


    Diese Basis schien mir jedoch noch zu fehlen, weswegen ich nicht vollkommen von diesem Buch überzeugt bin. Dass Lovecraft schreiben kann, beweist er jedoch vorzüglich. Aufbau, Struktur, Wandel passen sehr gut zueinander und ergeben ein stimmiges Bild.


    3ratten

    //Grösser ist doof//