Der Das-Gedicht-des-Tages Thread

Es gibt 7 Antworten in diesem Thema, welches 2.841 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Valentine.

  • Hallo allerseits,
    ich bin eigentlich nicht die typische Lyrik-Leserin, habe auch nie den Drang verspürt, selber Gedichte zu verfassen, aber hin und wieder stoße ich auf eins, das mich wirklich bewegt. Ich habe gerade eine alte Mappe ausgegraben, in denen ich seit der Schulzeit verschiedene Gedichte gesammelt habe, und da kam mir der Gedanke, ob man hier nicht einen thread starten könnte, in dem jede/r Gedichte einstellen kann, die ihm/ihr aus welchem Grund auch immer am Herzen liegen.


    Als einzige Regel würde ich vorschlagen: jeder nur ein Gedicht pro Tag - Kommentare ausdrücklich erwünscht.


    [hr]


    Ich mache mal den Anfang mit einem Gedicht passend zur Jahreszeit - darüber mußte ich 1987 mal eine Deutscharbeit schreiben, 12. Klasse war das glaube ich.


    Günter Grass


    Bohnen und Birnen


    Bevor die grünen Dotter welken,-
    die Hennen brüten einen frühen Herbst,-
    [...]
    so wollen wir die grünen Bohnen essen,
    mit Hammelfleisch mit Nelke und mit Birnen.


    (aus Günter Grass, "Die Vorzüge der Windhühner", 1956)


    Ich hatte immer schon ein Faible für Grass' deftige, sinnliche Sprache. Meine Mutter stammt aus dem selben Danziger Vorort wie Grass, und so kommt mir vieles ganz vertraut bei Grass vor: das in die Pilze gehen, von dem er gerne schreibt und malt und auch dieses Gericht, das wir früher immer im Herbst gegessen haben (allerdings mit Bauchspeck, nicht mit Hammel). Nicht alles an dem Gedicht ist mir klar (besonders die beiden "noch eh ..." Zeilen), aber insgesamt spricht mich dieses erdige, sinnliche, durch-den-Magen-gehende unglaublich an.


    [hr]


    So, das war mein Aufschlag - macht wer mit und spielt den Ball, äh ein Gedicht, zurück?


    Nächstes Mal kommt vielleicht was von Enzensberger von mir.


    Liebe Grüße


    Morwen

    "What we remember is all the home we need."

    Roberet Holdstock, Avilion


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    Einmal editiert, zuletzt von Morwen ()

  • Schöne Idee, aber aufgrund der Urheberrechte nur für gemeinfreie Werke umsetzbar.


    Schöne Grüße,
    Thomas

  • OK, schade zwar, aber ich kann verstehen, dass hier niemand Ärger will.


    Aber wie wär's, wenn man jeweils nur die ersten zwei, drei Zeilen postet, das müßte als Zitat völlig legal sein (wir zitieren ja auch ganze Sätze aus Büchern), und wen das Gedicht interessiert, der findet es sicher an dutzenden Stellen im Internet.


    Ich hoffe, das ist so OK, wenn nimue aber findet, dass das rechtlich zu heiß ist, nehme ich das Gedicht auch ganz raus.


    LG


    Morwen

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  • November von Heinrich Seidel


    Solchen Monat muss man loben;
    keiner kann wie dieser toben,
    keiner so verdrießlich sein,
    und so ohne Sonnenschein!
    Keiner so in Wolken maulen,
    keiner so mit Sturmwind graulen!
    Und wie nass er alles macht!
    Ja, es ist ´ne wahre Pracht.


    Seht das schöne Schlackerwetter!
    Und die armen welken Blätter,
    wie sie tanzen in dem Wind
    und so ganz verloren sind!
    Wie der Sturm sie jagt und zwirbelt
    und sie durcheinanderwirbelt
    und sie hetzt ohn´ Unterlass;
    ja, das ist Novemberspaß!

    Bücher sind Magie zum Mitnehmen.

  • Was ist bloß am Herbst, dass er dichterisch so ergiebig ist?
    Man will ja schon fast die Kitsch-Keule herausholen, wenn man so ein unbeschwert-gereimtes Naturgedicht liest - geht ja heutzutage garnicht mehr! :zwinker: Macht aber auch Spaß, wenn jemand noch wirklich mit Sprache umgehen kann.


    Mir fällt sonst bei Herbst immer der Rilke ein: schon fast ein Klischee seiner selbst, aber es ist eines der wenigen Gedichte, die ich wirklich auswendig kann:


    Rainer Maria Rilke


    Herbsttag


    Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
    Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
    und auf den Fluren laß die Winde los.


    Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
    gieb ihnen noch zwei südlichere Tage,
    dränge sie zur Vollendung hin und jage
    die letzte Süße in den schweren Wein.


    Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
    Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
    wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
    und wird in den Alleeen hin und her
    unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

    "What we remember is all the home we need."

    Roberet Holdstock, Avilion


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  • Der Rilke ist aber wirklich schön, ich mag den auch sehr.


    Mir fällt noch Hesses "Im Nebel" ein.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen