Manfred Köhler - Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

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  • Einmal Kasachstan und zurück...


    Mit "Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte" - E-Book bei Amazon - , wagt sich der junge Autor Manfred Köhler an einen fast archaisch besetzten Stoff heran. Es geht um nichts weniger, als um den Einbruch des kriminell -dämonisch- Chaotischen in eine, bis dahin unangetastete, gutbürgerliche Existenz. Menschheits-Urängste werden heraufbeschworen im Nicht-Angesicht der lauernden Gefahr von ganz unten.


    Ein gewaltiger Stoff, würdig eines Dichters gleichen Formats, würdig eines Faulkner, eines Joseph Conrad, eines Hemingway. Und aber, unser Autor stellt sich mit Bravour der Herausforderung, bewältigt den ungeheuren Plot fast spielend - bis, ja bis er dann, etwa nach dem ersten Drittel, doch noch (leider) in die Action-Grube fällt.


    Denn: Plötzlich - dem unerforschlichen Willen des Autors nach - wird der Romanheld von dem kleinen Ladendieb-Ganoven plus Spiessgesellen brutal über 4000 Kilometer Strecke entführt, und ab da geht es leider mit dem Roman und seiner sprachlichen und atmosphärischen Qualität bergab.


    Es folgen zuhauf - nach ausgelatschtem Klischee 9 - die haarsträubendsten Abenteuer im fernen Kasachstan, aber der Leser (ich) möchte das eigentlich alles gar nicht wissen, möchte da nicht dabei gewesen sein, wartet, Seiten-überschlagend, darauf, wann der Held denn nun wieder endlich heimischen Boden erreicht.


    Pustekuchen, das zieht sich endlos hin, und es gibt zudem immer mehr und mehr Ungereimtheiten.


    Zum Beispiel fällt mir als Landsmann dann auch auf: Nirgendwo finde ich das Wort deutsch. Weder wird der Bösewicht als Deutschrusse bezeichnet, noch das einsame Dorf in Kasachstan als eine deutsche Siedlung, noch der Hilfskonvoifahrer als Russe, es gibt auch kein Polen, kein eigentliches Russland, es bleibt alles im ängstlichen Rührmichnichtan. Das stimmt mich nachdenklich.


    Dann wieder, wie in der Kadaversammlerin, ist der Held ziemlich unbedarft, wieder spielt seine Frau keine Rolle.


    Und, für Unbedarftheit einige Beispiele. Schliesslich erfuhr der Held ja den Namen seines Peinigers. Warum hat er dann nicht einfach drei Muskelmänner von der Russenmaffia engagiert, mit dem Auftrag diesen Brutalo grün und blau und noch mehr zu schlagen, sozusagen halbtot - und mit seinem Blut auf den Boden zu schreiben, das schickt dir der und der.... Nie wieder wäre der auch nur in die Nähe des Hauses gekommen.


    Und, wie kann Einer, der um sein Leben flieht, zu Beginn der Fahrt nicht kontrollieren ob genug Benzin im Tank ist, wie kann der Pastor das auch nicht beachten. Warum muss der Fiebernde blödsinnigerweise 60 Kilometer vorfahren, statt sich gleich in der Ladung zu verstecken. Und es gibt mehr derartige Stellen, wo ich immer nur den Kopf schütteln konnte. Etwa, wie ein Todkranker mit Lungenentzündung und 42 Grad Fieber das alles und noch mehr leistet. Tja, Superman müsste man sein.


    Dann: Endlich sieht er also also Frankfurt und seine Melanie wieder. Und aber, da, an der Stelle, beisst es bei mir total aus. da hat sich der Verfasser aber voll in die Eisen gelegt: Lösegelderpressung, er will alles, alle 15 Millionen+Auto und Haus und sozusagen auch das (bisherige) Leben der Beiden.


    Also, lieber Manfred Köhler, bitte so nicht! Das ist schlicht und einfach gesagt Humbug, ist es doch schlichtweg völlig ausgeschlossen, dass ein dahergelaufener Ladendieb mit kriminellen Allüren Bescheid weiss, oder sich informieren kann, über die Vermögensverhältnisse eines gesellschaftlich weit über ihm stehenden Bürgers, und Niemand wird ihm auch darüber Auskunft geben, weder in der Bank, noch von Seiten des Vermögensverwalters, oder der Melanie.


    Und es ist ausserdem völliger Nonsens, die Geschichte mit den zugesandten Körperschnipseln: Dieser Kleinganove lebt schon länger in Frankfurt, fast ohne Mittel, fristet sein kümmerliches Dasein mit Ladendiebstahl und Ähnlichem und hat doch aber den direkten Draht sozusagen zum Kreml, kann dort - weit hinten im riesigen Land - seinen privaten Leichenfledderer beauftragen.


    Also. Da habe ich fast aufgehört, zu lesen, habe viele Seiten nur noch überflogen - zwang mich aber dann doch weiter, denn: Das ergreifende Wiedersehen mit Melanie hat mich so gerührt, dass ich eben nicht aufhören konnte.


    Natürlich steht und fällt der Text mit der zunehmenden Dämonisierung dieses Honkes, lässt man die als Leser gedanklich weg, geht da einfach nicht mit, hält sich an die eigentliche (allein mögliche) Realität, wird Vieles was da ausgemalt wird, märchenhaft und noch märchenhafter, hängt in der Luft - ohne Boden, oder Seil.


    Und ehrlich gesagt: Es gehört auch ausserdem eine ordentliche Portion Dummheit dazu - von Seiten des Helden der Geschichte. - Wäre das eine Art James Bond gewesen, wäre all das Entsetzliche nicht geschehen, wäre dieser Roman nie geschrieben worden.


    Sonst gibt es heutzutage überall so viele strahlende Helden, hier haben wir mal den Dummen, der jeden Morgen aufsteht und sich dann auf einmal plötzlich in Kasachstan wiederfindet.


    EDIT: Betreff angepasst. LG, Saltanah

    Einmal editiert, zuletzt von Saltanah ()

  • Der Thread beinhaltet die Rezension eines Buches. Ist das so schwer nachzuvollziehen? Oder sind etwa vielleicht Buch-Rezensionen in Literaturschock nicht erwünscht....?

    Einmal editiert, zuletzt von bernhard01 ()

  • Holden hat den Titel doch nur angepasst, damit andere deine Rezi auch finden können. Das ist doch schön! :winken:

  • Ja, ist schön und dankenswert! Leider ist mein ursprünglicher Titel dadurch aber hops gegangen, deshalb war ich etwas betroffen.

  • Was für einer war es denn? Und kannst du ihn nicht direkt vor deine Rezi setzen?

  • Holden hat den Titel doch nur angepasst, damit andere deine Rezi auch finden können. Das ist doch schön! :winken:


    Das ist schon andern hier passiert. Tatsächlich ein unnötiger Eingriff in meine Freiheit als Rezensent. Mir hat man mal einen Titel abgeändert, weil ich mir erlaubte, die klassische Notation zu verwenden: Autornachname, Autorvorname: Titel. Man änderte das ab in Autorvorname Autornachname - Titel. Warum jetzt in diesem Forum die Mode einreisst, zuerst den Titel und dann den Autorennamen zu setzen, und somit die damals postulierte Einheitlichkeit wieder kaputt gemacht wird, entzieht sich meinem Vorstellungsvermögen. :winken:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Das wird sicher noch geändert.


    Gruß, Thomas