Michael Tietz - Apfeldiebe

Es gibt 1 Antwort in diesem Thema, welches 1.194 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Alice.

  • Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Sommerferien in einem Dorf im Schwarzwald: Die Äpfel auf der Obstwiese des alten Herrn Seiler sind schon fast reif, doch sind sie längst nicht so eine große Verlockung für die Dorfkinder wie der Dorfgriesgram befürchtet. Alex verbringt den Tag sowieso am liebsten im Wald, manchmal begleitet vom übergewichtigen Max und dessen kleinem Bruder Tim. Kasimir wird wegen seiner langen Haare und seiner Bravheit gehänselt und dient bei ihren Spielen meist nur als Opfer und Rufus, der Neuzugezogene, vergräbt sich sowieso lieber in seine Trauer. Doch als Max zufällig unter der alten Burg einen verschütteten Raum entdeckt, beschließen die fünf, ihn gemeinsam zu erforschen. Doch was dabei geschieht, wird ihr Leben für immer verändern.


    Tietz schildert in „Apfeldiebe“ wie sich eine relativ normale Situation, wenn auch von Konflikten und verschleierten Problemen geprägt, durch ein äußeres Ereignis in eine Extremsituation verwandelt und wie sich dadurch auch die Rollen, die die Menschen in ihrer Gruppe einnehmen, wandeln. Das war interessant und gut gemacht, auch wenn von Beginn an etwas zu viel seelischer Ballast auf den Kindern lastete. Der Autor bot so allerdings bei fast allen Figuren Gründe für ihre Handlungen und Eigenschaften an, die auch negative Verhaltensweise zumindest etwas erklärten. Da das für mich aber nicht immer als Entschuldigung reichte, fehlten mir letztlich dann doch Sympathieträger. Dass Max und Alex nicht dazu taugen, war von Beginn an klar und auch Gründe für ihr Verhalten und spätere Veränderungen vermochten diesen Eindruck nicht vollständig revidieren. Die drei schwächeren Kinder der Gruppe blieben mir zu passiv, vollständig konnten sie sich in meinen Augen nicht aus ihrer Opferrolle befreien.


    Ganz persönlich mochte ich nicht die Ansätze von Religiosität, die immer mal wieder auftauchten. Es mag ja durchaus gläubige Kinder (vielleicht auch gerade auf dem Land) geben, hier wurde jedoch mehrfach die Religion hervorgezogen und so realistisch die Suche nach etwas, was nach dem Tod kommt, in seinem Angesicht sogar sein mag – ich habe wenig Lust davon zu lesen.


    Für mich schwebte das Buch zudem auf einer seltsamen Grenze zwischen Jugend- und Erwachsenenroman. Von der Ausgangssituation her passt es sicherlich in den Jugendsektor, doch im Verlauf der Geschichte überschreitet der Autor so mache Grenzen und wird in seinen Schilderungen auch teilweise recht explizit – nichts für Kinder, würde ich dazu sagen und auch der Handlungsstrang des alten Seiler wirkt nicht, als würden ihn Jugendliche mit Vergnügen lesen. So wirkte „Apfeldiebe“ etwas unrund, so als hätte der Autor keine ganz klare Linie für seine Geschichte gehabt.


    Trotz aller Kritik fand ich "Apfeldiebe" sehr unterhaltsam, mein Gesamturteil lautet demnach "ganz nett" und so werde ich das hier noch liegende „Rattentanz“ vom gleichen Autor sicherlich auch noch lesen.


    4ratten

  • Fünf Jungen aus einem kleinen Ort geraten in einer Abenteuerspielsituation durch einen Erdrutsch in eine prekäre Lage - und (fast) niemand weiß, wo sie sich auch nur ungefähr aufhalten. Drei ihrer vier Elternhäuser sind auf irgend eine Weise problembeladen - wobei die extreme Situation zuspitzend auf das Verhalten der Kinder wirkt und zu mehr als einer Krisensituation führt; der Ausgang ist nicht für alle Teilnehmer positiv.


    Apfeldiebe ist als "All-Age-Roman" angegeben, aber ich stimme Illy zu, dass diese Einordnung etwas problematisch ist. Zwar sind die Spiel- und Gruppensituationen meist spannend und psychologisch realistisch beschrieben, aber ja - z.B. der Handlungsstrang um Gernot Seiler passt da schlecht.

    Wirklich gut an dem Buch fand ich die Darstellung der Beziehungen der Charaktere untereinander (z.B. der Geschwisterpaare..) und der unterschiedlichen Effekte, die die Extremsituation auf jeden Einzelnen hat: Alex geht aus der Prüfung gestärkt hervor, er konnte seine Stärken einsetzen und weiterentwickeln; bei Max dagegen zeigen sich seine negativen Züge überdeutlich und die Situation führr bei ihm aufgrund seiner psychischen Vorbelastung zum Zusammenbruch (vielleicht aber noch so rechtzeitig, dass ihm später geholfen werden kann??); Kasimir darf endlich Kameradschaft erfahren und schlägt sich wacker - auch aufgrund des stärkenden Hintergrunds seines intakten Elternhauses. Falls das Schicksal von Rufus so zufällig war, wie es mir erscheint, ist dieses allerdings ein bisschen eine "verschenkte" Möglichkeit in der Darstellung?! Timi wird seiner Rolle als "sozialer Kitt" zwischen den Extremcharakteren voll gerecht. Die finale Entwicklung des Gernot Seiler ist beeindruckend, aber doch noch nachvollziehbar.

    Der Autor selber gibt an, die Reaktionen der Eltern "bewusst ausgespart zu haben", aber da dennoch vom Geschehen im Dorf berichtet wird, klafft hier in der Handlung eine gewisse Lücke - gerade weil das verschiedene Verhalten der Elternteile solch großen Einfluss auf die Kinder hatte, hätten deren Reaktionen für mich dazugehört.

    Ja, die häuslichen Situationen der Kinder erscheinen extrem - aber nicht total irreal. Und die Konstellation der Gruppe (mit den dazugestoßenen "Einzelgängern") durchaus logisch.


    Jedenfalls ein Buch, über das man noch viel diskutieren könnte.