07 - Kapitel 7: Zeugnis ablegen: Vom Karnismus zum Mitgefühl

Es gibt 22 Antworten in diesem Thema, welches 4.945 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von kleinerHase.

  • Hier könnt ihr zu Kapitel 7 "Zeugnis ablegen: Vom Karnismus zum Mitgefühl" schreiben.

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • Ein schönes Beispiel von Tierliebe mit der Geschichte der Kuh Emily. Leider bedeutet das aber nicht, dass Menschen tatsächlich immer tierliebend sind, ganz im Gegenteil. Einzelschicksale finden immer mehr Beachtung als Unglücksfälle, die große Anzahlen von Individuen betreffen. Das ist bei Katastrophen, die viele Menschen auf einmal betreffen, auch nicht anders. Ich glaube nicht, dass überzeugte Fleischesser grundsätzlich weniger empathiefähig sind als andere Menschen. Sie sehen lediglich Tiere nicht als empathiebedürftig an, weil für sie kein Lebewesen dahintersteht, sondern ein Nahrungsmittel. Alles andere wird ausgeblendet.


    Und noch eine Steigerung des Trends der beiden vorangegangen Kapitel, ganz konkret zu werden und die Dinge beim Namen zu nennen. Melanie Joy klingt hier fast schon anklagend, was mir nicht gefällt. Auf diese Weise bekehrt man niemanden zu einer Lebensweise, die persönliche Einbußen oder Entbehrungen mit sich bringt. Das stete Wiederholen der Schlagworte "Zeugnis ablegen" empfinde ich fast schon als Indoktrination. Sinnvoller wäre es, immer wieder darauf hinzuweisen, welche Konsequenzen der Konsum von tierischen Produkten hat, und die Geduld aufzubringen, das Ergebnis abzuwarten. Nur wer sich aus eigenem Antrieb für eine Lebensweise entscheidet, steht auch wirklich dahinter.

    Einmal editiert, zuletzt von Doris ()

  • Bei dem Beispiel mit der Kuh hatte ich Tränen in den Augen. Allerdings finde ich es schwer vorzustellen, dass das Beispiel sich wirklich so abgespielt hat. Ich meine, wie kommt es, dass sich urplötzlich so viele Menschen dazu entschließen, der Kuh zu helfen? Nichtsdesotrotz finde ich die Geschichte schön.


    Ansonsten stimme ich Doris zu: zu viele Worte, die fordern, dass man sich gefälligst nun dafür entscheiden soll, Zeugnis abzulegen. So etwas treibt Menschen sehr weit weg von dem Entschluss, kein Fleisch zu essen.

  • Übrigens hieß die Kuh nicht Yvonne, sondern Emily. Ich habe es oben gerade ausgebessert. Irgendwann gab es mal eine Kuh in Bayern, die ebenfalls ausgebüxt ist, das war Yvonne.


  • Das stete Wiederholen der Schlagworte "Zeugnis ablegen" empfinde ich fast schon als Indoktrination.


    Ich finde diese Wortwahl ohnehin merkwürdig. "Zeugnis ablegen" ist religiös vorbelegt. Die ersten Jünger Jesu bekannten sich zu ihm trotz aller Gefahren von Verfolgung etc. Mit diesem "Zeugnis ablegen" gründet Joy einen Kreis von Vegetariern, die unter keinen Umständen mehr "schwach" werden dürfen und ihre Überzeugung auf jeden Fall verteidigen. Das hätte man auch etwas schwächer formulieren können.


    Gruß, Thomas

  • Ich finde die Wortwahl "Zeugnis ablegen" auch eher befremdlich hier und ein wenig zu pathetisch. Mich würde mal interessieren, wie es im Original heißt. Liest das Buch jemand auf englisch?

    ~ The world is quiet here ~


  • Allerdings finde ich es schwer vorzustellen, dass das Beispiel sich wirklich so abgespielt hat. Ich meine, wie kommt es, dass sich urplötzlich so viele Menschen dazu entschließen, der Kuh zu helfen?


    Ich kann mir vorstellen, dass man anders handelt, wenn diese Kuh plötzlich im eigenen Garten steht. Dann hat man die Wahl: Liefert man sie dem Schlachter, dem sie gerade entkommen ist und damit dem sicheren Tod aus? Dann wäre man selbst für ihren Tod mitverantwortlich. Oder hilft man ihr? Da hat plötzlich jeder einzelne die Entscheidung zu fällen, die sonst andere übernehmen und in dem Moment scheint das Mitgefühl ja doch zu überwiegen.

    ~ The world is quiet here ~

  • Schon, das kann ich mir auch vorstellen, aber war es nicht so, dass dann noch Geld gespendet wurde, um ein neues Zuhause für die Kuh zu bauen? Sogar vom Schlachter? Habe das Buch gerade nicht zur Hand und kann nicht nachsehen.


  • Ich finde die Wortwahl "Zeugnis ablegen" auch eher befremdlich hier und ein wenig zu pathetisch. Mich würde mal interessieren, wie es im Original heißt. Liest das Buch jemand auf englisch?


    @ Cookie
    lt. dem Beitrag von nimue im Allgemeinen Diskussionsthread kannst Du den Übersetzer direkt fragen. :winken:
    https://literaturschock.de/lit….msg740616.html#msg740616

    Das Leben besteht aus vielen kleinen Münzen, und wer sie aufzuheben versteht, hat ein Vermögen.<br />Jean Anouilh


  • Schon, das kann ich mir auch vorstellen, aber war es nicht so, dass dann noch Geld gespendet wurde, um ein neues Zuhause für die Kuh zu bauen? Sogar vom Schlachter? Habe das Buch gerade nicht zur Hand und kann nicht nachsehen.


    Ich denke mal, weil der Kuh dann ja schon ein Gesicht gegeben wurde. Sie hatte plötzlich eine Persönlichkeit und ist nicht mehr eine von vielen und mit einer kann man dann leichter Sympathie entwickeln. Da sind dann plötzlich alle ganz gerührt und spenden was, um sie zu retten. Damit wären wir dann ja auch wieder bei der Theorie von Melanie Joy: Hunde essen wir nicht, weil es "Persönlichkeiten" sind. Diese eine Kuh wurde durch ihre Flucht und die Aufmerksamkeit auch zu einer. Würde ich mal so sagen. :smile:


    Arjuna
    Danke. Dann versuche ich es da. Ich war mir nur irgendwie ziemlich sicher, dass eine von uns auf englisch las... :gruebel:

    ~ The world is quiet here ~


  • Ich finde die Wortwahl "Zeugnis ablegen" auch eher befremdlich hier und ein wenig zu pathetisch. Mich würde mal interessieren, wie es im Original heißt.


    "Bearing Witness: From Carnism to Compassion"


    Gruß, Thomas

  • "Bearing Witness: From Carnism to Compassion"


    Hast du das Buch denn auf englisch bei der Hand? Oder woher weißt du dass es im Buch so steht? Oder hast du den Titel einfach nur übersetzt?



    Ich war mir nur irgendwie ziemlich sicher, dass eine von uns auf englisch las... :gruebel:


    louzilla liest es auf englisch, allerdings hat sie sich schon länger nicht zu Wort gemeldet.


    Katrin


  • Hast du das Buch denn auf englisch bei der Hand? Oder woher weißt du dass es im Buch so steht? Oder hast du den Titel einfach nur übersetzt?


    Bei Amazon kann man das englische Inhaltsverzeichnis ansehen bei "Klick ins Buch".

  • Bei Amazon kann man das englische Inhaltsverzeichnis ansehen bei "Klick ins Buch".


    Danke, das habe ich nicht gewusst.


    Übrigens kann ich den Begriff "Zeugnis ablegen" echt nicht mehr hören, Joy verwendet den wirklich inflationär. Auf einer Doppelseite habe ich den Begriff nun gefühlte 20 Mal gelesen. Man kann es echt übertreiben. :rollen:


    Katrin


  • Ich finde die Wortwahl "Zeugnis ablegen" auch eher befremdlich hier und ein wenig zu pathetisch. Mich würde mal interessieren, wie es im Original heißt. Liest das Buch jemand auf englisch?


    Im Amerikanischen benutzt Joy zwei Ausdrücke: "bearing witness" und "witnessing", beide mit derselben Bedeutung. Und diese Bedeutung ist tatsächlich "Zeugnis ablegen", wie es ursprünglich im religiösen Kontext gebraucht worden ist, in den USA aber längst auch in einem säkularisierten Sinne verwendet wird, z. B. in der Politik oder in der Friedensbewegung: Ich habe etwas gesehen und begriffen (s. Joy, S. 156 Mitte), ich bekenne mich öffentlich dazu, es gesehen und begriffen zu haben (S. 156 unten) und ich handle entsprechend, d. h. ich bekenne mich auch mit meinem Handeln dazu (S. 157 unten).


    Das Problem im Deutschen ist, dass es einen ähnlich komplexen Begriff ohne religiöse Konnotation nicht gibt, daher musste diese leider in Kauf genommen werden. Bei Begriffen, die für uns "normaler" klingen würden, wie z. B. "hinsehen" oder "sich bekennen" (allerdings auch potenziell religiös), fehlt jeweils eine der genannten Bedeutungskomponenten.

  • Vielen Dank für die ausführliche Erklärung, photorin! :winken:
    Das hatte ich mir auch schon gedacht, dass es vermutlich im Deutschen noch einmal eine etwas andere Bedeutung hat. Leider bleibt es ja eben manchmal in einer Übersetzung nicht aus und die anderen Beispiele sind auch wirklich nicht passend. Aber ich finde es schon beruhigend, wenn es im Original nicht so sehr diesen religiösen "Beigeschmack" (mehr) hat :zwinker:

    ~ The world is quiet here ~

  • Ich finde dieses "Zeugnis ablegen" trotz allem einfach nur schrecklich. Aber mit dem Hintergrundwissen kann ich es zumindest nachvollziehen.
    Joy hat sich für mich schon wie eine von den Fernsehpredigern angehört. :rollen:


    Katrin

  • Ich muss gestehen, ich bin grade erst am Anfang von Kapitel 7, aber ich habe das Buch gestern Abend entnervt weggelegt. Auch wenn es darum geht, Beispiele für Empathie zu bringen, fand ich die gute Kuh Emily etwas...überzogen ist vielleicht das falsche Wort, aber mir war das einfach zuviel. Ganz viel Pathos - irgendwie komme ich darauf grade nicht klar. Für andere, die sich vielleicht noch nicht mit dem Thema beschäftigt haben, ist das vermutlich eine gute Geschichte, aber ich glaube, ich muss das Buch doch nochmal ein paar Tage weglegen, bevor ich es zu Ende lese.

  • Hallo Ihr Lieben,


    die Geschichte mit der Kuh Emily fand ich wirklich sehr herzerwärmend und kann mir das sehr gut vorstellen, dass Menschen, die zum einen zwar Kühe essen, dann aber zum anderen einer "besonderen" Kuh zur Freiheit verhelfen.


    Ich denke mal, weil der Kuh dann ja schon ein Gesicht gegeben wurde. Sie hatte plötzlich eine Persönlichkeit und ist nicht mehr eine von vielen und mit einer kann man dann leichter Sympathie entwickeln. Da sind dann plötzlich alle ganz gerührt und spenden was, um sie zu retten. Damit wären wir dann ja auch wieder bei der Theorie von Melanie Joy: Hunde essen wir nicht, weil es "Persönlichkeiten" sind. Diese eine Kuh wurde durch ihre Flucht und die Aufmerksamkeit auch zu einer. Würde ich mal so sagen. :smile:


    Ja, ich sehe das genauso. Emily hat auf einmal eine Persönlichkeit, einen Namen und ist nicht eine namenlose Kuh unter vielen. Außerdem hat sie gezeigt, dass sie ein Individuum ist, in dem sie geflohen ist und sich damit "menschlich" verhalten hat. Ich bin nämlich der Meinung, dass alle Menschen zur Empathie fähig sind, wir aber Tiere meistens "entmenschlichen" und sie als "Tiere" und nicht als eigenständige Lebewesen ansehen. Genauso wie Sklaven als Menschen 2. Klasse angesehen wurden, Menschen mit anderen Hautfarben etc. Sie werden "entmenschlicht" und damit fallen sie aus unserem Raster heraus, in dem wir Mitleid und Mitgefühl empfinden. Joy beschreibt das ja in einem der vorhergehenden Kapitel sogar ein bisschen und ich denke damit hat sie viel mehr den Nerv getroffen.



    Ich finde dieses "Zeugnis ablegen" trotz allem einfach nur schrecklich. Aber mit dem Hintergrundwissen kann ich es zumindest nachvollziehen.
    Joy hat sich für mich schon wie eine von den Fernsehpredigern angehört. :rollen:


    Das mit dem "Zeugnis ablegen" hat mich irgendwann auch nur noch mit den Augen rollen lassen. Das letzte Kapitel las sich echt wie eine Predigt und der Zeigefinger war schon ganz weit oben. Damit konnte sie mich ehrlich gesagt auch nicht mehr wirklich erreichen. Mit harten Fakten und Beispielen aus der Vergangenheit, wie sie es teilweise vorher gemacht hat, hatte sie da bei mir auf jeden Fall mehr Erfolg, als mit diesem dauernden Zeigefinger, der da in der Luft hängt. Das war eindeutig zu viel des Guten.


    Trotz allem hat mich das Buch zum Nachdenken angeregt und mich zumindest so weit gebracht, dass ich mir noch mehr Gedanken darüber mache, was ich esse. Zum kompletten Vegetarier oder Veganer werde ich so schnell nicht werden, aber ich achte gezielt darauf, dass ich einfach viele Tage hintereinander kein Fleisch esse.


    Liebe Grüße
    Tammy :winken:

    &WCF_AMPERSAND"Jeder der sich die Fähigkeit erhält, Schönheit zu erkennen, wird nie alt werden.&WCF_AMPERSAND" (Franz Kafka)

  • Ich habe das Kapitel nur überflogen, nach der ersten Seite mit dem Zeugnis hatte ich genug :err: Auch Emily war für mich an und für sich nichts Neues. Solche Einzelschicksale gibt es immer wieder. Aber ob die Menschen dadurch wirklich beginnen, das System zu hinterfragen? Obwohl Joy ja meinte, dass sich nach dieser Szene viele Menschen gemeldet hätten, die nun kein Fleisch mehr essen würden. Entflohene Kühe gab es hier in der Schweiz auch schon - aber die wurden dann alle per Gewehr getötet, in Folie verpackt und gegessen.


    Schade fand ich, dass der Anhang nur deutsche Adressen aufweist :sauer:

    //Grösser ist doof//