Pat Conroy - The death of Santini

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  • Pat Conroy - The death of Santini


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    Pat Conroys gesamtes Leben und Schaffen war stets überschattet von seiner Kindheit, allen voran den körperlichen und psychischen Misshandlungen, denen er und seine sechs Geschwister durch ihren Vater Don „Santini“ Conroy ausgesetzt waren, wobei die wunderschöne, aber gefühlskalte Mutter nicht wirklich eine Hilfe war. Conroys gesamtes bisheriges literarisches Schaffen ist geprägt von seinem eigenen Leben, seien es die autobiographischen Bücher (speziell „My losing season“) oder die Romane (speziell „The great Santini“, „The prince of tides“ und „Beach Music“). Die Geschichten, so unterschiedlich sie sind, folgen im Prinzip immer den gleichen Blaupausen und der Schmerz, die Wut und die Liebe, die Conroy selbst empfindet, machen sie zumindest für diese Leserin so unglaublich intensiv, schmerzhaft und gut. Ich bin normalerweise kein Fan solcher Bücher, aber manche ...


    Conroy scheint nun aber einen Punkt in seinem Leben erreicht zu haben, an dem er Vater und Mutter endlich gehen lassen will und das tut er, indem er die Geschichte seiner höchst dysfunktionalen Familie ein, wie er sagt, allerletztes Mal besucht, dieses Mal im vorliegenden Buch erneut nicht als Roman getarnt. Die Kindheit und Jugend werden nur kurz gestreift, obwohl sie immer wieder aufblitzen. Im Prinzip ist „The death of Santini“ eine Fortsetzung von „My losing season", wo er dem Teil seines Lebens besondere Aufmerksamkeit gewidmet hat.


    „The death of Santini“ setzt ungefähr zu der Zeit ein, als Conroy als junger Mann zu schreiben begonnen hat und erzählt davon, welche Reaktion seine Roman-Seelenstrips und -Abrechnungen in der Familie hervorgerufen haben und schildert noch einmal die unglaubliche Wandlung, die im Verhältnis zum schrecklichen Vater und in dessen Charakter stattgefunden hat, sodass Don Conroy als geliebter und von seinen Kindern betrauerter Mann gestorben ist. Als ich das in "My losing season" zum ersten Mal gelesen habe, war ich tatsächlich fassungslos.


    Trotz des Titels geht es aber nicht nur um „Santini“, Conroy behandelt auch die anderen großen Verluste in seinem Leben, den Tod seiner Mutter und den seines jüngsten Bruders, aber auch die komplette Entfremdung seiner ältesten Schwester.


    Ob er sich an die Ereignisse und vor allem die Unterhaltungen immer so erinnert, wie sie tatsächlich stattgefunden haben, oder so wie er das glaubt oder gerne hätte, das wissen wohl nur er und seine Geschwister. Gewidmet ist das Buch allen sechs von ihnen, auch den beiden Verlorenen.


    So erschütternd der Inhalt dieses Buches – aller seiner Bücher, streng genommen – klingt, so liest es sich nicht schrecklich. Man ertappt sich immer wieder dabei, dass man über seine trockenen Formulierungen lachen muss oder über den tiefschwarzen Humor der Geschwister Conroy, oft – genau wie sie selbst – an den unpassendsten Stellen. Gelesen habe ich es, wie die meisten Conroys, in wenigen Happen.


    Ich denke, es schadet nicht, wenn man den einen oder anderen Conroy-Roman, speziell „The great Santini“ und/oder das autobiographische „My losing season“ gelesen hat, vor diesem Buch, um die Vorgeschichte zu kennen. Wenn man das möchte. Zumindest weiß man dann ungefähr, worauf man sich hier einlässt. Ich war bewegt und hingerissen von diesem Buch, aber das wusste ich bereits auf der ersten Seite, ebenso die Bewertung.


    5ratten

  • Aaaah ... musst Du das denn ausgerechnet zu Beginn der (Buchkauf)Fastenzeit rezensieren? :grmpf: Jetzt weiß ich jedenfalls, was ich danach gleich kaufen muss!

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Valentine:
    Wäre ich wirklich fies, würde ich noch mal fest betonen, dass man vor "Death of Santini" am besten noch ein paar andere von ihm gelesen haben sollte. :breitgrins:

  • Valentine:
    Um aber wieder ernsthaft zu werden, ein Fehler wäre es nicht! Gerade zum Thema Vater und Familie "The great Santini" und "My losing season". Und das wiederum gibt erst so richtig Sinn nach "Lords of discipline". Sorry. :breitgrins:


    Aber ich habe mir selber auch ein Eigentor geschossen, weil ich jetzt endlich auf die Suche nach dem Film "The great Santini" gehen musste und nur ein unanständig teures spanisches Exemplar (hoffentlich mit englischer Spur!) finden konnte.

  • Hallo Grisel,


    ich bin mir gerade nicht sicher, ob "The death of Santini" und "The Great Santini" unterschiedliche Bücher sind. Letzteres habe ich vor vielen Jahren mit Begeisterung gelesen und wäre natürlich an einer Fortsetzung interessiert. Kannst du mich aufklären? Amazon hat mich nicht weitergebracht.


    Liebe Grüße
    Doris

  • Doris:
    Das sind zwei unterschiedliche Bücher und es ist natürlich ein bisschen verwirrend mit den Titeln.


    "The great Santini" ist ein Roman, in dem Conroy seine eigene Familiengeschichte in eine scheinbar fiktive Geschichte gepackt hat, die der Familie Meecham. Allerdings - absichtlich - nicht sonderlich gut getarnt, denn "Santini" war auch der Spitzname von Conroys realem Vater, Don Conroy, das unfreiwillige Vorbild für den Oger des Romans, Bull Meecham.


    "The death of Santini" ist kein Roman, sondern eine Autobiographie, in der Pat Conroy die Geschichte seiner eigenen Familie, der Conroys erzählt. Die Verbindung ist, dass "Death of Santini" schildert, wie der als Abrechnung geschriebene Roman letzten Endes dazu geführt hat, dass sich die reale Familie ausgesöhnt hat.


    Ich hoffe, ich habe Dich jetzt nicht komplett verwirrt. :breitgrins:

  • Nein, du hast mich nicht verwirrt. Jetzt blicke ich durch.


    Da ich Pat Conroys Bücher mag, könnte seine Biografie durchaus interessant für mich sein. Mal sehen, ob ich sie in der Bücherei in die Hände kriege. Dann kann ich ja mal reinschnüffeln. Den Roman über den großen Santini wollte ich schon immer ein zweites Mal lesen, vielleicht ist dann die Biografie der Anstoß dazu.


    Danke Dir! :smile:

  • Dass Pat Conroy ein schwieriges Verhältnis zu seinem Vater hatte, ist noch sehr euphemistisch ausgedrückt. Nicht von ungefähr kommt in seinen Romanen praktisch immer eine despotische, unnachgiebige, gewalttätige Vaterfigur vor, die allen Angst einflößt. Der echte Don Conroy, Marineflieger und Offizier, scheint ein Mensch gewesen zu sein, der als Romanfigur völlig überzogen gewirkt hätte, ein regelrechter Diktator, der weder vor körperlicher noch vor seelischer Gewalt zurückschreckte und in seiner Familie mit eiserner Hand das Regiment führte, während die Mutter, eine belesene Südstaatenschönheit, von ihrem ältesten Sohn einerseits verehrt und andererseits wegen ihrer Gefühlskälte ebenfalls gefürchtet wurde.


    Es ist eine zutiefst verkorkste Familie, in der Conroy aufwächst, geprägt von den hehren Idealen des Marine Corps und vom Katholizismus der irischstämmigen Familie väterlicherseits, beides von Haus aus keine Umfelder, in denen freies Denken erwünscht ist und sich Eltern und Kinder auf Augenhöhe begegnen. Die extremen Persönlichkeiten von Don und Peg Conroy verschärfen dies noch, und vieles, was Conroy hier erzählt, wirkt „stranger than fiction“. Der Umgang der Geschwister untereinander ist oft ruppig, aber auch von einem Galgenhumor geprägt, der auf Außenstehende befremdlich und manchmal gar geschmacklos wirken kann, aber sicher hilft, mit der Familiensituation klarzukommen. Zwei von Conroys sechs Geschwistern leiden unter heftigen psychischen Problemen, und auch der Autor selbst berichtet von seinen Selbstzweifeln, Depressionen und Zusammenbrüchen.


    Viele dieser Themen kommen versierten Conroy-Lesern bekannt vor, und in der Tat hat er vieles bereits in seinen früheren Büchern verarbeitet, schreibt hier aber in einem etwas nüchterneren Tonfall als bei seinen Romanen. Dafür geht er hier noch stärker in die Tiefe und hebt vor allem einen großen Wendepunkt hervor: die Veröffentlichung von „Der große Santini“, seinem ersten autobiographisch geprägten Roman, der zum Bruch mit einem Teil der erweiterten Familie, aber auch, völlig überraschend, zu einer Annäherung an seinen Vater führte.


    Dieses Selbstporträt mit dysfunktionaler Familie ist wahrlich kein Wohlfühlbuch, aber eine sehr interessante, um einen kleinen Abschnitt mit diversen Fotos ergänzte Komplementärlektüre zu Conroys Romanen.


    4ratten

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