James Scott/Joanne Robertson - Solange ich atme, hoffe ich

Es gibt 15 Antworten in diesem Thema, welches 3.779 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Kirsten.

  • James Scott und Joanne Robertson - Solange ich atme, hoffe ich
    Verschollen im Himalaya. Eine Geschichte vom Überleben
    (1993)


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    Klappentext:
    Die Chance, im Winter länger als eine Woche im Himalaya ohne Nahrung und Schutz zu überleben, beträgt eins zu einer Million. James Scott hielt es gegen jede Wahrscheinlichkeit 43 Tage aus - und überlebte, mit nichts als zwei Schokoladenriegeln und Charles Dickens "Great Expectations" in der Tasche. Obwohl niemand außer ihr an ein Überleben glaubte, ließ seine Schwester Joanne die ganze Zeit über nach ihm suchen.
    Eine wahre Geschichte über die Willensstärke und die Kraft der Hoffnung, die sich den Teufel um Wahrscheinlichkeiten schert. Ein großes Buch.



    Ich begleite derzeit James Scott auf seinem Trip durch Schnee und Eis in einiger Entfernung von Katmandu und meine gesträubten Haare kommen gar nicht mehr zur Ruhe. Unfassbar, dass jemand mit dieser Ausrüstung eine solche Tour unternimmt und auch noch ein Buch darüber schreibt! Kaum zu glauben, dass er damit wirklich 43 Tage lang überlebte.


    Eigentlich wollte James mit einem Freund in Katmandu ein praktisches Jahr als Arzt in der Ausbildung beenden, doch sie bekommen keine Anstellung. Um die letzten Tage nicht ungenutzt verstreichen zu lassen, beschließen sie einen Rundtrip durchs Gebirge. Dabei müssen sie sich trennen und James gerät auf dem Rückweg in Not, als er den Weg verliert und sich auf Vermutungen verlässt, um wieder ins Tal zu kommen. Er befindet sich oberhalb der Schneegrenze und gerät in schwere Schneefälle. Seine Ausrüstung besteht aus diversen Kleidungsstücken, wobei die im Dezember 1991, als er unterwegs war, noch Meilen vom heutigen Stand der Kleidung entfernt sein mussten. Da ihn seine Bergschuhe sozusagen drückten, ist er in Turnschuhen unterwegs, obwohl schon beim Aufbruch die ersten Schneeflocken fallen. Weiter hat er einen Schlafsack, mehrere Bücher, Post :rollen: und als Verpflegung ganze zwei Schokoriegel dabei. Die Wasserflasche hat er unterwegs verloren.


    Schon bald verliert er die Orientierung (keinen Kompass dabei) und versinkt mehrfach bis zu den Hüften in Gebirgsbächen. Trotzdem geht er weiter, ohne sich umzuziehen. Das geht so ein paar Tage. Er findet abends immer einen halbwegs geschützten Platz, wo er seinen Schlafsack ausbreiten kann und mit seinen letzten trockenen Klamotten und einem T-Shirt auf dem Kopf (keine vernünftige Mütze dabei) die Nacht verbringt und angesichts seines Todes Abschiedsbriefe an seine Lieben schreibt (leere Blätter und Kugelschreiber hat er).


    Im Wechsel mit James' Kapiteln erzählt seine Schwester Joanne, wie die Nachricht seines Verschwindens Zuhause in Australien aufgenommen wird und welche Rettungsmaßnahmen die Familie veranlasst.


    Meine Güte. Ich kann mir kaum vorstellen, dass man ohne vernünftige Ausrüstung und völlig durchnässt in Schnee und Eis sechs Tage verbringen kann, ohne auch nur den Hauch von Erfrierungen zu erleiden. Ob diese Geschichte wirklich so passiert ist? Ich bin gespannt, wie das weitergeht.

  • Inzwischen habe ich ein wenig recherchiert und festgestellt, dass James Scott tatsächlich so lange in den Bergen verschollen war.


    Seine Schwester Joanne war damals in Katmandu, um die Rettungsaktionenen voranzutreiben. Ohne Geld lief nichts, sämtliche Einsätze mussten direkt von James' Familie bezahlt werden. Joanne war fest entschlossen, James lebend oder tot zu finden, deshalb dauerte die Suche so lange an. Normalerweise hätten die nepalesischen Behörden die Suche schon nach wenigen Tagen eingestellt. Man muss Joanne ihren Einsatz hoch anrechnen, aber ihre Art und die Reaktion auf Land und Leute lassen mich den Kopf schütteln, ganz wie über die unangemessene Ausrüstung ihres Bruders.


    Als sie in Katmandu ankommt, lässt sie kein gutes Wort an den Menschen und deren Lebensumstände. Nach ihren Worten liest es sich fast, als hätten die Einwohner von Katmandu es sich selbst ausgesucht, so zu leben. Da kommt eine latente Arroganz zum Vorschein, die Möchtegern-Erhabenheit des Reichen gegenüber armen Menschen. Das macht sich nicht sehr gut im Buch, aber ihr ist das offensichtlich nicht bewusst. Sie hat auch generell sehr wenig Geduld, ärgert sich schnell über die beteiligten Helfer und Behörden und findet immer Schuldige, wenn etwas nicht klappt. Ziemlich unsympathisch.

  • Bei James kann ich nur den Kopf schütteln. Mit dieser Ausrüstung machen vernünftige Leute nicht mal ein den deutschen Alpen eine Tour, und er ist damit im Himalaya unterwegs? Wie dumm kann man sein?

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Er hat eben darauf vertraut, dass er schon mehrere Touren gemacht hat und seine Erfahrung ausreicht. Ob er allerdings vorher auch schon in Schnee und Eis unterwegs war, weiß ich nicht. Im Fall dieser Tour hatte er sich auf Auskünfte der Einheimischen verlassen, die ihm sagten, dass es kein Problem werden dürfte. Der Pass, den er überqueren wollte, liegt aber auf 4600 Meter, und da sollte man im Dezember schon mal mit Schnee rechnen. Dass er mit Turnschuhen loszog, hat übrigens niemand verstanden.


    Ich bin inzwischen fertig mit dem Buch. Die Rettungsmaßnahmen zogen sich weiter hin, bis James am 43. Tag endlich entdeckt und geborgen wurde. Sehr viel länger hätte sich das Abenteuer aber nicht hinziehen dürfen, denn seine Konstitution war schon ziemlich am Boden. Trotz Turnschuhen hatte er kaum Erfrierungen an den Füßen. Sein großes Glück war, dass er unter einem Felsüberhang einen trockenen Unterschlupf fand und zwischendurch seine nasse Kleidung in der Sonne trocknen konnte. Zu trinken hatte er Dank des Schnees genug, aber der Vitaminmangel machte sich stark bemerkbar und führte dazu, dass sich sein Gleichgewichtssinn und Sehvermögen nicht mehr vollständig regenerierten.

  • Ich bin immer noch nicht ganz überzeugt von James' Kompetenz in den Bergen. Aber ich habe mir den Titel auf alle Fälle notiert, vielleicht tue ich ihm ja Unrecht. Unsere Bib hat das Buch- zu meiner großen Überraschung.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.


  • Ich bin immer noch nicht ganz überzeugt von James' Kompetenz in den Bergen.


    *zustimm* Ich bin wirklich kein geübter Bergwanderer, aber ich hatte immer angemessenes Schuhwerk, den Temperaturen angepasste Kleidung (auch mit richtiger Mütze) und genügend zu essen dabei, selbst wenn es nur eine kürzere Tour war. Alles Dinge, die man brauchen könnte. Aber niemals Post, Romane oder Reiseführer, die mit der Tour nichts zu tun hatten. Um sich die Zeit zu vertreiben, falls man irgendwo festsitzt, genügen ein Würfel und ein Kartenspiel.



    Insgesamt fand ich das Buch nicht schlecht. Die Geschichte ist spannend und übermittelt deutlich die Botschaft, dass man auch im worst case versuchen muss, die Ruhe zu bewahren. Nur dann ist man in der Lage, vernünftige Überlegungen anzustellen und diese umzusetzen. Niemals aufgeben, ganz nach dem Vorbild von James und seiner Schwester.


    Dass James ziemlich seine Tour ziemlich naiv angegangen ist, steht auf einem anderen Blatt. Doch auch mit einer adäquaten Ausrüstung hätte er in Bergnot geraten können. Es ist bewundernswert, wie er sich mit seinen geringen Mitteln und mentaler Stärke aufrecht erhalten und motivieren konnte. Seine Schwester Joanne war nicht besonders sympathisch, was aber der Ausnahmesituation geschuldet sein mag. Trotzdem entschuldigt das nicht, manchen Helfern Absicht oder Unvermögen zu unterstellen. Nepal ist nun einmal nicht Australien. Müsste ich Joanne bewerten, würde sie es gerade auf eine Ratte schaffen :zwinker:.


    Durch den ständigen Wechsel der beiden Erzähler bleibt die Geschichte spannend, selbst wenn man das Ende schon kennt. Der minutiös geschilderte Ablauf der Suchaktion hätte jedoch gerne etwas straffer sein dürfen, das war mitunter direkt verwirrend.


    4ratten

  • Mit dieser Ausrüstung machen vernünftige Leute nicht mal ein den deutschen Alpen eine Tour, und er ist damit im Himalaya unterwegs? Wie dumm kann man sein?


    Ach, das machte "man" als Rucksacktourist in Nepal damals so. Er war damit bei weitem nicht der Einzige. Mein Bruder z. B. war Mitte der 80er in Badeschlappen! um das Annapurnamassiv herumgewandert. Zwar im Sommer, aber trotzdem... :rollen: . Er traf damals jede Menge Leute, die ähnlich "ausgerüstet" waren, das war in gewissen Kreisen sozusagen "state of the art". Total bescheuert natürlich, aber weit verbreitetes Verhalten.

    Wir sind irre, also lesen wir!

    Einmal editiert, zuletzt von Saltanah ()

  • Oh, gut, dann sage ich nichts mehr. Da war James ja direkt gut ausgerüstet mit seinen Turnschuhen. Als ich noch häufiger auf Bergwanderungen (von Bergsteigen kann ich dabei nicht reden) unterwegs war, sind wir auch ab und an auf Sandalengänger gestoßen, was aber bei allen anderen nur Kopfschütteln hervorrief. Solche Leute kann man aber auch nicht davon überzeugen, dass sie leichtsinnig sind.


    Ich hoffe, dein Bruder erfreut sich noch bester Gesundheit, Saltanah :zwinker:.

  • Was mich dabei nervt, ist dass solche Leute das Leben der Rettungsmsannschaften unnötig in Gefahr bringen. Sei es durch grandiose Selbstüberschätzugn oder mangelnde Ausrüstung... aber am Berg lassen kann man sie natürlich auch nicht :grmpf:

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Bei James kann ich nur den Kopf schütteln.


    Mittlerweile habe ich das Buch angefangen und frage mich, wie man so dumm sein kann. Im Buch ein Foto, das kurz vor dem Aufbruch aufgenommen wurde. Man sollte nicht meinen, dass er im Winter im Himalaja unterwegs ist :rollen:

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.


  • Ah, jetzt liest du es auch, Kirsten. Ich bin gespannt, was du von dem fragwürdigen Abenteuer hältst.


    :popcorn:


    Meine Meinung
    "Fragwürdig" trifft die Sache wirklich gut. Ich habe schon weiter oben geschrieben, dass ich nicht verstehen kann, wie jemand so blauäugig einfach losziehen kann. Aber als ich dann gelesen habe, dass James ohne Verpflegung aufgebrochen ist, sich von seinem Freund getrennt hat, Karten einfach ignorierte und dann noch seine Bergschuhe gegen Turnschuhe getauscht hat, weil er Blasen bekommen hat :schulterzuck: Ganz ehrlich: wie blöd kann man sein?


    Schon am zweiten Tag hat er aufgegeben und wie sich später herausstellt, war er nicht so weit von einem rettenden Weg entfernt... da kann er mich nicht damit überzeugen, dass ihn das mentale Training vom Karate wieder hochgezogen hat. Vieles, was er geschrieben hat, klang nach aufgeben und nicht nach mentaler Stärke.


    Über seine Schwester habe ich mich auch ärgern dürfen. Bei ihr hatte ich den Eindruck, als ob sie jedem außer ihrem Bruder die Schuld gibt. Anfangs glaubte man, dass James auf einem anderen Trek unterwegs war, weil eine Gruppe ihn mit einem anderen Wanderer verwechselt hat. Darüber hat sie sich furchtbar aufgeregt, weil diese Gruppe sich nicht mehr richtig erinnern konnte. Auch wenn es ihr Bruder war: er war nur einer von vielen Wanderern und die meisten waren wahrscheinlich sogar besser vorbereitet als er.


    Nein, die Geschichte der beiden hat mich nicht überzeugt. Sie hat nur den Eindruck bestätigt, den ich von Doris' Rezi gewonnen habe.
    2ratten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Wie Saltanah weiter oben schrieb, war es damals gar nicht ungewöhnlich, dass so schlecht ausgerüstete Bergsteiger unterwegs waren. In gewisser Hinsicht kann ich das sogar nachvollziehen, wenn ich daran denke, wie ich früher übers Wochenende spontan irgendwo hingefahren bin, ohne viel einzupacken - allerdings immer im näheren Umkreis und nicht in Regionen mit extremer Rahmenbedingungen. Wie alt war Scott, als er das Abenteuer erlebte? Stand das irgendwo?

  • Er wirkte auf mich sehr jung, aber an ein genaues Alter kann ich mich nicht erinnern.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Ganz oben habe ich geschrieben, dass er als Arzt in der Ausbildung ein praktisches Jahr absolvierte, deshalb schätze ich ihn auf etwa 24 bis 25 Jahre. Gerade als angehender Arzt sollte er die Gefahren von Kälte richtig einschätzen können.

  • Das sollte er, hat er aber nicht. Er hat die Sitaution von Anfang an falsch eingeschätzt und konnte sich das nicht eingestehen. So zumindest habe ich mir die groben Fehler erlärt, die er am Anfang gemacht hat.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.