Diskussionsrunde: Chigozie Obioma - Der dunkle Fluss

Es gibt 55 Antworten in diesem Thema, welches 11.553 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von kaluma.

  • Ich fand nicht nur die Strafe, die Ben bekam, extrem hart, sondern auch die Tatsache, daß so intensiv nach den beiden gesucht wurde. Und das in einem Land und einer Gesellschaft, in der Gewalt nichts besonderes mehr ist, sondern fast schon auf der Tagesordnung steht. Dann auch noch für einen Mord an einem gefährlich Verrückten, der selbst hinter Gitter gehörte, er hat schliesslich seinen Bruder umgebracht oder habe ich das falsch verstanden?
    Da zeigt sich doch nur wieder, welchen Stellenwert das Militär in diesem Land hatte, denn wenn Ben diesen Soldaten nicht verletzt hätte, wäre sicher keiner auf die Idee gekommen, solch einen Aufstand zu veranstalten, nur um die zwei Mörder eines Verrückten zu finden!

  • @ Yoshi: Ich bin voll und ganz bei dir und verstehe nicht, dass niemand etwas gegen Abulu getan hat. Er hat viele in den Tod getrieben. Schon allein wegen seiner exhibitionistischen Handlungen hätte er ins Gefängnis gehört.


    Besonders schlimm fand ich wie Abulu sich an der Leiche einer Frau vergeht... :sauer:

    &WCF_AMPERSAND"Das Buch als Betriebssystem ist noch lange nicht am Ende&WCF_AMPERSAND" (H.M. Enzensberger)

  • Kopier sie ruhig hier rein - vielleicht ergibt sich daraus ja noch die eine oder andere Diskussion :zwinker:

    LG, Dani


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  • Ich fand nicht nur die Strafe, die Ben bekam, extrem hart, sondern auch die Tatsache, daß so intensiv nach den beiden gesucht wurde. Und das in einem Land und einer Gesellschaft, in der Gewalt nichts besonderes mehr ist, sondern fast schon auf der Tagesordnung steht. Dann auch noch für einen Mord an einem gefährlich Verrückten, der selbst hinter Gitter gehörte, er hat schliesslich seinen Bruder umgebracht oder habe ich das falsch verstanden?
    Da zeigt sich doch nur wieder, welchen Stellenwert das Militär in diesem Land hatte, denn wenn Ben diesen Soldaten nicht verletzt hätte, wäre sicher keiner auf die Idee gekommen, solch einen Aufstand zu veranstalten, nur um die zwei Mörder eines Verrückten zu finden!



    @ Yoshi: Ich bin voll und ganz bei dir und verstehe nicht, dass niemand etwas gegen Abulu getan hat. Er hat viele in den Tod getrieben. Schon allein wegen seiner exhibitionistischen Handlungen hätte er ins Gefängnis gehört.


    Besonders schlimm fand ich wie Abulu sich an der Leiche einer Frau vergeht... :sauer:


    Die Situation ist ja eine völlig andere, weswegen sie uns mit unserem Rechtsverständnis so überfordert, denke ich. Darum erschüttert sie uns auch so.


    Ich hatte es allerdings nicht so gelesen, dass Abulu seinen Bruder getötet, sondern vielmehr seine Mutter vergewaltigt hat.


    Und ja, Janine, die Leichenschändung zeigt in meinen Augen, wie krank Abulu gewesen ist. Mich hat diese Szene echt zum Würgen gebracht. Abulu würde bei uns nicht mehr auf der Straße herumlaufen können. Ich vermute, die Menschen hatten Angst vor ihm, weil viele seiner Vorhersagen eingetroffen sind. Und in vielen Nationen haben Geisteskranke einen Freibrief, weil sie nicht verantwortlich für ihre Taten gemacht werden.


    Wobei sie nicht so harmlos sind, wie sie erscheinen. Schließlich hat Abulu auch den Vater am Auge verletzt. Ich meine, dass dies auch der Grund ist, dass der Vater den Tod Abulus gut heißt.

    Das Leben ist das schönste Märchen. Hans Christian Andersen


  • [Ich bin manchmal über zu komplizierte Wörter gestolpert, wie Leviatahn oder Nyktophobier, denn selbst unter der Voraussetzung, dass Ben das ja als Erwachsener erzählt und selbst wenn er im Gefängnis viel Bildung abbekommen hätte (was ich bezweifle), finde ich diese Begriffe sprachlich ziemlich oberhalb vom restlichen Stil. Vielleicht sind diese Wörter aber auch im Englischen gebräuchlicher und es ist nur ein Übersetzungsholprer.


    Da kann ich dir durchaus zustimmen, obwohl es jetzt nicht den gesamten Lesefluss extrem beeinflusst. Allerdings halte ich die Begriffe nicht für so angebracht. Denn meiner Meinung nach - und da zweifle ich wie du - wird Ben im Gefängnis, einem Erwachsenengefängnis wohlgemerkt, keine Bildung erhalten haben. Wir können nur davon ausgehen, dass er danach die Möglichkeit zum Lernen hatte. Aber im Zusammenhang mit dem Erzählen sind die Worte (und es kommen weitere vor) wirklich sehr hohes Niveau, die nicht in Gänze zum übrigen Geschehen zu passen scheinen.

    Das Leben ist das schönste Märchen. Hans Christian Andersen


  • Ich meinte es noch ein bisschen anders: ich glaube, innerlich ist die Mutter bei ihren Kindern und lässt sie nicht verwahrlosen, obwohl sie sowohl geistig als auch möglicherweise moralisch überfordert ist mit dieser Situation - aber eine Verwahrlosung sehe ich immer noch nicht, denn das hat etwas mit Loslassen und Abwenden zu tun und das macht sie nicht - sie ist im wahrsten Sinne des Wortes ohnmächtig, zu handeln (sehe ich so)


    Das kann ich nachvollziehen. Die Mutter zeigt ja nach dem Tod der beiden Söhne, wie nahe sie ihnen ist und wie sehr sie leidet. Hinsichtlich der Erziehung ist sie überfordert, weil sie alleine klar kommen muss. Vor allem, wenn es sich um zwei pubertierende Jugendliche handelt...

    Das Leben ist das schönste Märchen. Hans Christian Andersen

  • Die Situation ist ja eine völlig andere, weswegen sie uns mit unserem Rechtsverständnis so überfordert, denke ich. Darum erschüttert sie uns auch so.


    Ich hatte es allerdings nicht so gelesen, dass Abulu seinen Bruder getötet, sondern vielmehr seine Mutter vergewaltigt hat.


    Zumindest hat Solomon erwähnt, daß er seinen Bruder umgebracht hat....es wird allerdings auch nicht genauer ausgeführt, ob der Bruder bei dem Angriff gestorben ist oder nicht. Allerdings fände ich es schon merkwürdig, daß alle daran glauben, wenn der Bruder noch munter durch die Gegend rennt!?! Die Familie lebte ja anscheinend in der gleichen Gegend wie die Jungs.

  • Da kann ich dir durchaus zustimmen, obwohl es jetzt nicht den gesamten Lesefluss extrem beeinflusst. Allerdings halte ich die Begriffe nicht für so angebracht. Denn meiner Meinung nach - und da zweifle ich wie du - wird Ben im Gefängnis, einem Erwachsenengefängnis wohlgemerkt, keine Bildung erhalten haben. Wir können nur davon ausgehen, dass er danach die Möglichkeit zum Lernen hatte. Aber im Zusammenhang mit dem Erzählen sind die Worte (und es kommen weitere vor) wirklich sehr hohes Niveau, die nicht in Gänze zum übrigen Geschehen zu passen scheinen.


    Hier muss ich ein wenig widersprechen - ich habe gelesen, dass er in seiner relativ isolierten Haft viel nachgedacht und auch viel gelesen hat. Bücher scheinen ihn wohl begleitet zu haben und ich denke somit, dass er in gewisser Weise auch gelernt hat. Bücher, Lesen und Bildung wurde ja auch in der Familie immer hoch gehalten, die Brüder haben viel gelesen und ich habe es so empfunden, dass er auch im Gefängnis viel gelesen hat.


    Grüße
    schokotimmi


  • Kopier sie ruhig hier rein - vielleicht ergibt sich daraus ja noch die eine oder andere Diskussion :zwinker:


    Ich wusste nicht, ob das ok ist. :redface:


    Hier meine Zitate, die ich alle so toll fand:


    S. 7: "... dass Vater und Mutter so etwas wie die Herzkammern des Hauses waren und sie Stillschweigen bewahrten wie das Herz das Blut."


    S. 8: "Gegen Einbruch der Dämmerung fielen dann die ersten Informationsbrocken aus Mutters Selbstgesprächen wie winzige Federn aus einem reich gefiederten Vogel..."


    S. 10: ... denn die Zukunft war das, was wir aus ihr machten, eine leere Leinwand, auf die sich alles Mögliche projizieren ließ."


    S. 42: "Ich möchte, dass ihr Fischer seid, die nach Träumen fischen..."


    S. 45: "... eine Kokosnuss, die in den Wassertank fällt, muss man gut waschen, bevor man sie isst."


    S 106: "... roch den Ärger schon von weitem, so wie Seeleute die ersten Anzeichen eines herannahenden Sturms erkennen."


    S. 109: "Mutter wollte etwas sagen, aber die Worte stolperten ihr rückwärts die Kehle hinunter, wie ein Mann, der eine Leiter hinunterfällt."


    S. 138: "Den Rest des Tages über war Mutter wie eine Straße voller Minen, die explodierten, wenn man ihnen zu nahe kam."


    S. 162: "... dass sich am Horizont aschgraue, watteförmige Wolken türmten, so dunkel, dass ich dachte, würde jetzt ein weißer Reiher daran vorbeifliegen, dann würde sein Kleid sich grau färben."


    S. 162: "Er sprach stoßweise, als wären seine Worte Grashüpfer, die ihm aus dem Mund sprangen und dann kurz stehen bleiben."


    Vielleicht habt ihr Lust darüber zu diskutieren oder teilt mit mir eure Lieblingsstellen? :breitgrins:

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  • @nici: Die Stelle mit den Herzkammern mochte ich auch! :smile:


    Eine meiner Lieblingsstellen ist nicht sehr poetisch, aber dafür lustig!


    Seite 186: Als Boja den Josef spielt und mal eben den Text verändert hat in :"Maria, ich werde dich nicht heiraten, denn du bist eine Ashewo!" :breitgrins:

  • Wobei sie nicht so harmlos sind, wie sie erscheinen. Schließlich hat Abulu auch den Vater am Auge verletzt. Ich meine, dass dies auch der Grund ist, dass der Vater den Tod Abulus gut heißt.


    Nun ja, immerhin hat der Vater versucht, Abulu umzubringen und der hat sich verständlicherweise gewehrt. Hätte ich in seiner Situation auch gemacht.


    Natürlich war Abulu eine Gefahr für seine Umwelt, aber als psychisch kranker Mensch gehörte er meiner Meinung nach genauso wenig ins Gefängnis wie Ben.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Wißt ihr welche Frage mich noch ein wenig beschäftigt - Kanada. Hier habe ich die Zusammenhänge nicht so recht verstanden, ein "Freund" hätte die Kinder mit nach Kanada und bei sich aufgenommen, einfach so? Es war ja nach meinem Verständnig kein Verwandter. Hier fehlt mir ein wenig das Verständnis, diese Verantwortung zu übernehmen, v.a. nach den Vorfällen am Ende.
    Kann mir hier jmd. auf die Sprünge helfen, aus Sicht des "Freundes" ist es für mich nicht nachvollziehbar, aus Sicht der Eltern, die ein "besseres" Leben für die Kinder wollen schon...

  • schokotimmi


    Es war ein Jugendfreund des Vaters. Ich habe mich selber gerade mal gefragt, ob ich die Kinder meiner Jugendfreunde bei mir aufnehmen würde, um sie aus einem Land wie Nigeria rauszuholen und ihnen Bildungschancen zu bieten: eindeutig ja, das würde ich.


    Ich kann mich gerade gar nicht erinnern, wie genau Mr. Bayo die Jungs kannte. (Ich glaube, sie hatten ihn ziemlich lange nicht gesehen). Ich kann also verstehen, dass du annimmst, jemand würde das Vertrauen verlieren, wenn in so einer Familie die Söhne sich gegenseitig umbringen. Entweder war also die Freundschaft zwischen diesem Mr. Bayo und dem Vater sehr eng, oder die Gewalt zwischen den Söhnen wurde auch von Mr. Bayo als eine Art Schicksal oder Fluch gesehen, aus dessen Wirkungsbereich man die jüngeren Söhne lieber entfernen sollte (und nicht als die Schuld der Jungs selbst).

    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.

  • Ja Mr. Bayo ist der Schulfreund des Vaters gewesen und soweit ich das verstanden habe, hatten die beiden ein sehr inniges, freundschaftliches Verhältnis, so wie Brüder dieses auch haben. Ansonsten denke ich, dass es in der afrikanischen Kultur durchaus üblich ist die eigenen Kinder wo anders unter zu bringen, wenn es ihnen da besser geht.


    Als die Jungs klein waren, war Mr. Bayo wohl mal zu Besuch und hat scheinbar einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Für mich hatte das so etwas wie früher (zu DDR- Zeiten) wenn Westbesuch kam, denn das war immer etwas Besonderes. Da gab es dann Schokolade oder coole Klamotten. Da hat man sich richtig drauf gefreut und so ähnlich habe ich mir die Besuche von Mr. Bayo vorgestellt. Ich denke, dass Menschen immer einen positiven Eindruck bei Kindern hinterlassen, wenn sie ihnen was mitbringen.

    &WCF_AMPERSAND"Das Buch als Betriebssystem ist noch lange nicht am Ende&WCF_AMPERSAND" (H.M. Enzensberger)

  • Seitdem ich "Der dunkle Fluss" gelesen habe, habe ich nicht übel Lust, noch einmal Wole Soyinkas "Aké - Die Jahre der Kindheit" zu lesen. Hätte von euch jemand Lust, sich mir da anzuschließen?

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    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.