Diskussionsrunde: Chigozie Obioma - Der dunkle Fluss

Es gibt 55 Antworten in diesem Thema, welches 11.552 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von kaluma.

  • Hier könnt ihr ab 17. April über das Buch Chigozie Obioma - Der dunkle Fluss diskutieren.


    Es gibt keine Abschnittseinteilung, da bis zu diesem Zeitpunkt alle das Buch komplett gelesen haben sollten.


    Viel Spaß :winken:


    mögliche Diskussionsthemen und Fragestellungen
    1. Hintergrund - Afrika, Nigeria, Ort des Geschehens
    Rolle der Familie
    Wertvorstellungen
    Gesellschaft und sozialer Status
    Was für ein Rolle spielt das Setting, also Afrika bzw. Nigeria?
    2. Haupt- und Nebenfiguren
    3. Schreibstil, Sprache/Ausdruck, Bilder/Motive
    4. Empfindungen, besondere Momente und Eindrücke, Interpretationen
    5. Gibt es aus Eurer Sicht grundlegende Elemente bzw. Unterschiede, die diesen Roman zu einem ganz besonderen werden lassen?
    6. Gibt es Romane, die ihr mit "Der dunkle Fluss" vergleichen würdet? Warum?

    LG, Dani


    **kein Forums-Support per PN - bei Fragen/Problemen bitte im Hilfebereich melden**

    Einmal editiert, zuletzt von Dani79 ()

  • Huhu ihr Lieben,


    endlich darf ich was zu dem Buch los werden, denn seit Tagen brennt es mir auf den Nägeln meine Gedanken zum Buch los zu werden.


    Familie:


    Ich fand es unheimlich interessant zu sehen wie der Umgang in der beschriebenen Familie ist, allerdings hat mich das doch alles sehr abgeschreckt. Für mich war da nur wenig Liebe zu erkennen, meist herrscht Streit und ständig droht Prügel. Da bin ich froh, dass das in Deutschland verboten ist. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die Brüder Angst vor der Peitsche des Vaters hatten, aber wenn selbst die Mutter mit dem Gürtel auf die Jungs los geht... :rollen:


    Auch das Verhältnis zwischen den Brüdern ist durch Gewalt geprägt, was mich total erschüttert hat. Da verwundert es kaum, dass am Ende nicht mehr alle Geschwister leben.


    Schreibstil:


    Ich finde den Schreibstil des Autors unheimlich angenehm. Ich hatte mir das anfänglich deutlich schwieriger vorgestellt, aber ich bin gut voran gekommen. Einziges Manko fand ich: die afrikanischen Begriffe haben bei mir anfänglich den Lesefluss gestört. Aber im Verlauf der Geschichte habe ich die dann einfach überflogen und dann ging es.


    Ansonsten habe ich das ganze Buch voller Post- Its, weil da für meinen Geschmack so viele tolle Sätze und Vergleiche drin sind.


    Zum Beispiel:


    S. 7: "... dass Vater und Mutter so etwas wie Herzkammern des Hauses waren..."


    S 8: "Informationsbrocken fallen wie Federn aus einem reich gefiederten Vogel..."


    S. 162: "Er sprach stoßweise, als wären seine Worte Grashüpfer,..."


    Hach keine Ahnung aber ich liebe solche Sätze, da gehe ich beim Lesen richtig auf.


    Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich ohne diese Postleserunde wohl niemals dieses Buch gekauft hätte, weil ich nicht gedacht hätte, dass es mich wirklich begeistern kann.


    Zum Inhalt:


    Ich will mich nicht mit langen Inhaltsbeschreibungen aufhalten, sondern nur erwähnen, dass ich Abulu, der angeblich die Zukunft vorhersehen kann, total unheimlich fand. Letztendlich sind aber alle Beteiligten doch irgendwie selbst an ihrem Unglück schuld gewesen, oder?


    Nun ja dann halte ich mich erst einmal bei weiteren Kommentaren zurück und schaue was ihr so vom Buch haltet. :winken:

    &WCF_AMPERSAND"Das Buch als Betriebssystem ist noch lange nicht am Ende&WCF_AMPERSAND" (H.M. Enzensberger)

  • Danke nici, daß du angefangen hast, ich hätte gar nicht gewusst, womit ich beginnen sollte! :smile:


    Jetzt muss ich aber erst einmal etwas zur Ehrenrettung der Familie schreiben, denn ich finde nicht, daß wenig Liebe in ihrem Umgang herrschte, allerdings zeigte sich diese doch eher in kleinen Dingen...wie z.B. als Boja Kennas Pass vernichtet hat, weil er ihn nicht verlieren wollte oder als einer der Jungs (mir fällt gerade nicht ein, wer das war und ich finde die Stelle auch auf Anhieb nicht) mit Ben in der Schule immer auf die Toilette gegangen ist. Daß der alltägliche Umgang eher rauh ist, verwundert mich jetzt nicht so sehr, es sind Jungs, alle altersmässig nicht weit auseinander, da kommt es sicher oft zu Streitereien. Aber wenn es wichtig war, hielten sie zusammen.
    Daß die Eltern aus unserer Sicht vielleicht sogar brutal wirken, mag schon sein..aber es ist noch nicht sooo lange her, daß es auch hier in Deutschland üblich war, Kinder zu schlagen und niemand als schlechte Mutter oder Vater angesehen wurde! Dort herrschen einfach (noch) andere Sitten, was nicht heissen mag, daß sie ihre Kinder nicht lieben.



    Bei Abulu muss ich dir zustimmen...der war mir auch unheimlich....und ich kann absolut nicht verstehen, wieso er da noch frei rumlaufen durfte! Ich kann auch nicht so wirklich nachvollziehen, wieso Ikenna diese Prophezeiung so zugesetzt hat...eigentlich hätten sie durch ihre Familie und ihre Erziehung doch immun gegen solch einen Mumpitz sein müssen!?! Aber irgendwie scheint das Umfeld doch einen weitaus grösseren Einfluss auf sie gehabt zu haben, als ihrem Vater lieb war.



    Den Schreibstil empfand ich auch als sehr angenehm...teilweise waren die Sätze auf Ibo wirklich etwas irritierend...aber irgendwann stellte ich fest, daß sie doch dazugehörten und ich sie auch ganz interssant fand...auch wenn ich sie nicht immer gelesen habe!

    Einmal editiert, zuletzt von Yoshi ()

  • Dann will ich auch mal ein paar Gedanken beisteuern, denn morgen bin ich den ganzen Tag unterwegs und kann erst abends wieder hier hineinschauen.


    Zum Thema Hintergrund/Nigeria usw.


    Mir drängten sich beim Lesen vor allem zwei Dinge auf:


    1. Spürbar wird eine alles durchziehende Unsicherheit, Instabilität, die aus den katastrophalen gesellschaftlichen Bedingungen resultiert, die das Leben aller beteiligten Personen vergiften. Wenn ich an Nigeria in den 90er Jahren denke, fällt mir als erstes Ken Saro-Wiwa ein. Ich kann mich noch lebhaft an die Ereignisse um ihn und seine Mitstreiter erinnern. Hier in diesem Buch erfährt man nun ein paar mehr politische Details (Abiola war mir kein Begriff mehr).


    2. Vergleiche mit andere nigerianische Autoren
    Ich habe mit Obioma nun vier nigerianische Autoren gelesen: Wole Soyinka, Buchi Emecheta, und Chimamanda Ngozi Adichie. Sehr nahe liegt der Vergleich mit Soyinkas "Aké - die Jahre der Kindheit", das ich 1987/88 gelesen habe, und das mir im Vergleich zu "Der dunkle Fluss" wesentlich freundlicher vorkam, auch wenn meine Erinnerung daran sehr lückenhaft ist. Man denkt immer, die Geschichte geht voran und alles wird besser. Im Fall Nigerias wohl eher nicht. Zu Soyinkas Jugendzeiten war es offenbar noch möglich, zu lernen und eine einigermaßen normale Kindheit zu haben, sich in der Familie gut aufgehoben zu fühlen. Wenn man die Bedingungen in der von Obioma geschilderten Familie anschaut, ist verglichen damit ein gewaltiger Rückschritt zu spüren. Man kann nicht allein aus dem Haus gehen, es gibt Überfälle/Einbrüche, Elend auf den Straßen, die Polizei kümmert sich nicht um Getötete usw. Ein normales Aufwachsen in Nigeria scheint unmöglich. Obwohl die Famile Agwu sogar noch privilegiert scheint, sehe ich die vier Brüder als exemplarisch für die nigerianische Gesellschaft an: so tötet sie einen Großteil ihrer Kinder, bzw. die Jugend hat keine Perspektive.


    Was nennt das Buch nun für Ursachen dafür?


    Die Familie:
    Zunächst fällt auf, dass der Umgang in der Familie von Vernachlässigung, Verständnislosigkeit und Gewalt geprägt ist. (Das gab es auch bei Adichie). Der Vater will zwar viele Kinder haben, aus denen achtbare Menschen werden sollen, (Statussymbol?), aber er ist nicht anwesend, um sie zu erziehen, und wenn er da ist und es Probleme gibt, wird kaum geredet und erklärt, sondern hauptsächlich geprügelt. Die Mutter ist ein eher simples Gemüt und die Kinder gehorchen ihr nicht, auch Bildung scheint nicht sehr hoch geschätzt zu werden, von der Schule werden nur Äußerlichkeiten erzählt. Das kann nicht gut gehen.
    Aber dass die Gewalt in der Familie derart eskaliert, fand ich schon schockierend.


    Die gesellschaftlichen Verhältnisse / Die Rolle Abulus
    Zusammen mit der allgemeinen gesellschaftlichen Unsicherheit und dem Verhalten der Mutter repräsentiert Abulu für mich das ungute Zusammenwirken von "altem Afrika" (Aberglauben) und den negativen Seiten des "neuem Afrika" (Verelendung). Dadurch, dass Ikenna, seine Brüder und letztlich auch die Mutter an Abulus Prophezeiung glauben, tritt sie ja überhaupt erst ein - eine selbsterfüllende Prophezeiung. Faszinierend geschildert fand ich, wie alle, selbst der friedliche Ben, so in diese Umstände verstrickt werden, dass sie keine Möglichkeit sehen, ihnen zu entkommen und sogar die beiden jüngeren letztlich zu Mördern werden.


    Diese Aspekte zeigen meiner Meinung nach eine tragische Verstrickung, bedingt durch die katastrophalen gesellschaftlichen Verhältnisse, aus denen zu entkommen einfach unmöglich ist. Aufgesetzte europäische Bildung reicht eben nicht, es muss auch die passende Geisteshaltung dahinterstehen und Aberglaube, Korruption usw. sind hier sehr hinderlich.


    Der Stil hat mir sehr gut gefallen, abgesehen von ein paar Stellen, an denen ich die Handlung etwas sprunghaft fand. Sehr interessant war es, immer wieder über den Alltag, die Ereignisse in der Stadt usw. zu lesen. Das ist alles schon sehr anders, verglichen mit dem Europäisch-Gewohnten. Allein alles rund um Abulu, in Europa wäre das undenkbar: schonmal dass er ständig nackt herumläuft, seine Taten, welche Macht ihm zugeschrieben wird usw.



    weil da für meinen Geschmack so viele tolle Sätze und Vergleiche drin sind.


    Ja, die fand ich auch sehr schön zu lesen, und besonders gut gefallen haben mir die Vergleiche der Personen mit Vögeln/Tieren, z.B. Ikenna ist ein Spatz usw. Sehr treffend.


    Das Buch hat mich sehr schnell gefesselt und in seinen Bann gezogen.


    Soweit erstmal meine ersten Gedanken dazu, ich hoffe ich konnte mich einigermaßen verständlich ausdrücken!

    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.

    Einmal editiert, zuletzt von kaluma ()

  • @ Yoshi: Ja das stimmt. Die Brüder haben sich unter einander schon gern, das spürte man auch deutlich. Die Story mit dem Pass fand ich total niedlich, aber ich konnte Ikenna auch total verstehen wie sauer er war. Auch die Mutter sorgt sich immer sehr um ihre Jungs. Ich mag mir gar nicht vorstellen wie es ist mit so vielen Kindern allein klar zu kommen. Wenn ich das richtig verstanden habe, dann waren es vier Jungs, die zusammen hingen, dann noch eine kleinere Schwester und ein weiterer kleinerer Bruder. Und der Mann weit weg. :rollen: HILFE!


    @ Kaluma: Ich habe noch nie etwas von nigerianischen Autoren gelesen, daher ist das für mich totales Neuland und so faszinierend. In den 90ern war ich noch zu klein, um die politischen Umwälzungen dort mitzubekommen, aber ich gebe dir Recht, dass man das beim Lesen spürt.


    Dauernd haben sie Angst abends alleine raus zu gehen, alles wird verriegelt und verrammelt. Wie muss es sein ständig in Sorge zu sein, dass man überfallen wird?


    Das Buch öffnete mir die Augen, dass unsere Probleme in Deutschland eigentlich um einiges kleiner sind als die der Menschen dort.


    Irgendwie finde ich auch, dass das Buch zur aktuellen Lage passt was Flüchtlinge etc. betrifft. Wenn man die Chance auf ein besseres Leben hat, würde man sich dafür entscheiden auch wenn es gefährlich ist oder würde man das Leid weiter ertragen? Ich bin froh, dass ich nicht vor so einer Entscheidung stehe...

    &WCF_AMPERSAND"Das Buch als Betriebssystem ist noch lange nicht am Ende&WCF_AMPERSAND" (H.M. Enzensberger)

  • Hallo,


    ein paar Seiten mußte ich heute noch zuende lesen, aber nun bin ich fertig und kann meine Eindrücke schildern.


    Inhaltliche Punkte:


    Wie ihr schon sagt, gibt es hier ja diverse Aspekte die man besprechen kann, ich möchte zuerst einmal an den Punkte Familie anknüpfen. Ich sehe die Familie zu Beginn eigentlich die ganze Zeit gar nicht so lieblos und gewalttätig wie ich es bei kaluma und nicigirl85 herauslese. Es gab eine starke Vaterfigur, die die Familie und vor allem die 4 älteren Jungs leitete. Er hatte große Pläne, wollte seinen Kindern eine bessere Zukunft ermöglichen, deshalb schickte er alle zur Schule auch wenn es einiges an Geld kostete. Auch Grundzüge von Anstand und Respekt wurden deutlich und man lies den Kindern einen Freiraum. Nicht überraschend waren für mich die Strafe (Peitsche) für Vergehen, denn auch in der Schule wurden Rohrstock als Erziehungsmethoden ja noch angewandt. Ich glaube dass es eine überholte aber regional durchaus gängige Bestrafung war, da wurde nicht lang rumgeredet. Meist folgte der Strafe väterlicherseits ja auch noch eine Belehrung. Nur deshalb würde ich nicht von lieblos sprechen.
    Im Gegenteil der Zusammenhalt zwischen den Brüdern war sehr intensiv.
    Die Frau hat die "Karriere-Entscheidung" ihres Mannes nur halbherzig mitgetragen und war mit 6 Kindern einfach überfordert. Ihr Mann hat das leider nicht verstanden und falsch eingeschätzt. Trotzdem hat sie ihre Kinder geliebt.
    Auch Bildung war ein wichtiges Thema fand ich, alle 4 Jungs haben viel gelesen, gingen regelmäßig zur Schule und der Vater selbst war gebildet und politisch interessiert. Für afrikanische Verhältnisse wie ich sie aus anderen Büchern kenne, wurde hier extrem viel gelesen auch klassische Stücke, die zwischendrin anklangen. Ich habe es als eher gebildeter empfunden.


    Soweit mein erster Eindruck zur Familie...


  • Jetzt muss ich aber erst einmal etwas zur Ehrenrettung der Familie schreiben, denn ich finde nicht, daß wenig Liebe in ihrem Umgang herrschte, allerdings zeigte sich diese doch eher in kleinen Dingen...wie z.B. als Boja Kennas Pass vernichtet hat, weil er ihn nicht verlieren wollte oder als einer der Jungs (mir fällt gerade nicht ein, wer das war und ich finde die Stelle auch auf Anhieb nicht) mit Ben in der Schule immer auf die Toilette gegangen ist. Daß der alltägliche Umgang eher rauh ist, verwundert mich jetzt nicht so sehr, es sind Jungs, alle altersmässig nicht weit auseinander, da kommt es sicher oft zu Streitereien. Aber wenn es wichtig war, hielten sie zusammen.
    Daß die Eltern aus unserer Sicht vielleicht sogar brutal wirken, mag schon sein..aber es ist noch nicht sooo lange her, daß es auch hier in Deutschland üblich war, Kinder zu schlagen und niemand als schlechte Mutter oder Vater angesehen wurde! Dort herrschen einfach (noch) andere Sitten, was nicht heissen mag, daß sie ihre Kinder nicht lieben.


    Doch, ich kann auch dir zustimmen und sehe auch, dass sowohl die Eltern ihre Kinder lieben und auch die Brüder sich untereinander lieben und zusammenhalten. Aber die Gewalt gibt es trotzdem. Auch hier bei uns war es lange Zeit so, dass Eltern glaubten, wer sein Kind richtig liebt, müsse es auch schlagen. Wir sind uns wohl alle einig, dass das nicht gut ist, und was für Charaktere dabei entstanden, wissen wir ja alle aus der Geschichte.


    Eine Schlüsselszene ist für mich die, wo der Vater herausbekommt, dass die Jungs am Fluss waren, und jeder bekommt sein Quantum Prügel und Ikenna als Ältester die meisten, weil der Vater annimmt, er wäre der Anführer gewesen. Dabei war Ikenna eigentlich derjenige, der das am wenigsten wollte und versucht hat, die anderen davon abzubringen.
    In dieser Situation hätte ein Gespräch und ein vorsichtiges Erkunden der Gründe der Jungs wohl deutlich mehr gebracht. Denn durch die Prügel hat Ikenna gelernt, dass es nichts bringt, sich für seine Brüder einzusetzen und das war eine verhängnisvolle Lektion.

    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.

  • schokotimmi


    Die Frau hat die "Karriere-Entscheidung" ihres Mannes nur halbherzig mitgetragen und war mit 6 Kindern einfach überfordert. Ihr Mann hat das leider nicht verstanden und falsch eingeschätzt. Trotzdem hat sie ihre Kinder geliebt.


    Auch das ist ein wichtiger Aspekt. Ich denke, beide Eltern haben die Situation falsch eingeschätzt, und die Mutter war komplett überfordert und hat deshalb erst so spät gemerkt, dass irgendetwas schiefläuft.
    Bezeichnend war ja auch, dass am Buchanfang zwar immer die Rede von 6 Geschwistern war, es aber viele Seiten dauerte, bis die beiden jüngsten erstmals erwähnt wurden. Durch den größeren Altersabstand führten sie ihre eigene Existenz, und die Mutter war ja sehr mit den beiden Kleinen beschäftigt.



    Auch Bildung war ein wichtiges Thema fand ich, alle 4 Jungs haben viel gelesen, gingen regelmäßig zur Schule und der Vater selbst war gebildet und politisch interessiert. Für afrikanische Verhältnisse wie ich sie aus anderen Büchern kenne, wurde hier extrem viel gelesen auch klassische Stücke, die zwischendrin anklangen. Ich habe es als eher gebildeter empfunden.


    Und trotzdem hat alle Bildung in diesem Fall nicht geholfen.

    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.


  • Und trotzdem hat alle Bildung in diesem Fall nicht geholfen.


    Das hat mich auch überrascht, es ist von Homer die Rede, von russischen Autoren und doch konnte es so schief laufen. Das fand ich wirklich erschreckend.
    Ein wenig erinnert mich dieser Punkt an das Buch "Exterm", wo einer auch Lesen lernt und nur immer ein Buch liest und dieses dann völlig falsch interpretiert. Auch die Kinder scheinen aus ihrer Lektüre nicht die entsprechenden Lehren gezogen zu haben...


    Ein zweiter inhaltlicher Punkt auf den ich eingehen will sind Antrieb und Motive der Figuren besonders der 4 Jungs. Ich glaube sie fühlten sich in einer sehr schwierigen Phase allein gelassen, besonders die beiden Älteren. Ikenna musste von heute auf morgen die Vaterrolle übernehmen, sie testeten gemeinsam die neuen Freiheiten und dann diese Prophezeiung. Es war nachvollziehbar dass sich hieraus eine Tragödie entwickeln kann. Interessant fand ich, wie wichtig christlicher Glaube war, wie sehr man sich von den afrikanischen Wurzeln abwenden wollte. Der Vater strebte ein Leben nach europäischem Vorbild an und wollte diese Karriere auch für seine Söhne. Die Söhne trugen das ganze mit, aber nur halbherzig. Immer wieder gab es dann doch Brüche und man folgte dem "Aberglaube" bis hin zur Prophezeiung. Dieser Konflikt ist in fielen Szenen sehr schön dargestellt. Hier fällt mir besonders Ikennas Abwenden vom Glauben ein, als er nicht mehr in die Kirche gehen will und seine Gedanken dazu sind durchaus verständlich. Das Mutter, die soweit ich mich erinnere zu dem Zeitpunkt schon von der Prophezeiung weiß, damit reagiert, dass sie Atheismus nicht akzeptiert, zeigt deutlich dass sie den Ernst der Lage überhaupt nicht erkannt hat.
    Bei der Frage nach den Motiven der Figuren komme ich immer wieder zur Erzählsicht nämlich auf Ben, er war ja zu den Ereignissen 9 -10 Jahre alt, praktisch ein Kind und konnte verschiedene "hormonelle" und daraus resultierende rebellische Einflüsse auf die beiden Älteren noch nicht nachvollziehen und trotzdem hatte er eine gute Beobachtungsgabe und v.a. einen guten Instinkt, auch wenn er dann eher den Erklärungen und dem Drängen des Bruders gefolgt ist.
    Empfandet ihr ihn Stellenweise nicht auch reif und den positiven Pol, neben den kleinen Kindern?


    Grüße
    schokotimmi

  • Mir hat das Buch wirklich gut gefallen, aber ich fand es schon ziemlich fremd - als ob ich gerade selber in einem fremden Land zu Gast bin und deswegen fand ich es teilweise sehr verwirrend und konnte dem Geschehen nur schwer folgen. Auch die Sprünge zurück in die Vergangenheit haben es teilweise für mich erschwert.


    Einige Dinge - wie zum Beispiel der regelmäßige Kirchgang, der Umstand, dass der Vater die Familie verlässt, um woanders zu arbeiten, werden mit einer gewissen Selbstverständlichkeit dargestellt, die mich zunächst irritiert hat. Dann kam ich aber darauf, dass das hauptsächlich mit mir selber zu tun hat: auch in deutschen/ europäischen/ westlichen Romanen (wie auch immer man das eingrenzen will) ist dies häufig der Fall und der Autor erwartet, dass der Leser als Repräsentant desselben Kulturkreises das einfach so versteht. Und der Autor hat halt über eine Welt geschrieben, die die seinige ist.


    Ich habe große Achtung vor dem Übersetzer, muss ich sagen, der dieses Selbstverständliche einfach so aufgreifen und ins Deutsche transportieren konnte!


    Ich fand die Familie und die Dynamik darin großartig gezeichnet und stimme Euch selbstverständlich zu, dass dort vieles ganz anders läuft als bei uns und deshalb schwer nachzuvollziehen ist. Das hat aus meiner Sicht auch so einiges mit den Wertvorstellungen zu tun: Ikenna als der Älteste nimmt eine ganz besondere Position ein, das war hier vielleicht früher mal der Fall, ist es aber längst nicht mehr, bzw. sollte es nicht sein. Ich hatte fast den Eindruck, dass ihm gewisse Aufgaben/Kompetenzen bezüglich der Erziehung seiner Brüder auferlegt werden, so als müsste er ganz, ganz schnell erwachsen werden und hätte keine Zeit mit Kindereien zu verplempern.

  • Zunächst fällt auf, dass der Umgang in der Familie von Vernachlässigung, Verständnislosigkeit und Gewalt geprägt ist. (Das gab es auch bei Adichie). Der Vater will zwar viele Kinder haben, aus denen achtbare Menschen werden sollen, (Statussymbol?), aber er ist nicht anwesend, um sie zu erziehen, und wenn er da ist und es Probleme gibt, wird kaum geredet und erklärt, sondern hauptsächlich geprügelt. Die Mutter ist ein eher simples Gemüt und die Kinder gehorchen ihr nicht, auch Bildung scheint nicht sehr hoch geschätzt zu werden, von der Schule werden nur Äußerlichkeiten erzählt. Das kann nicht gut gehen.
    Aber dass die Gewalt in der Familie derart eskaliert, fand ich schon schockierend.


    Den Eindruck der Vernachlässung und Verständnislosigkeit hatte ich irgendwie nicht - aus meiner Sicht ist es so, dass die Familie gewissen Gegebenheiten unterworfen ist und sich davon nicht losmachen kann wie bspw. die Arbeitssituation, die den Vater in eine andere Stadt zwingt, wenn er sich beruflich verbessern/ entwickeln will.
    Ich habe das Gefühl, die Jungs gehorchen ihrer Mutter nicht, weil sie eine Frau ist und daher nicht so viel zu sagen hat - eine Frage der Wertvorstellungen. Ich glaube, mit der Gewalt wird dort anders umgegangen als hier und in der Tat ist das schockierend aus unserer Sicht. Familie als Hort der Geborgenheit - das scheint dort - oder zumindest in dieser Familie - kene Bedeutung zu haben.

  • Ich habe gerade keine Zeit für einen längeren Diskussionsbeitrag, möchte aber schnell was zu den Erziehungsmethoden des Vaters schreiben. Gutheißen kann ich sie nicht, aber verstehen schon. Er ist fest davon überzeugt, das beste für seine Kinder zu tun, so wie so viele Eltern vor ihm auch. Vor gar nicht langer Zeit war das Prügeln von Kindern auch bei uns "state of the art". Zu ihrem eigenen Besten wohlgemerkt!


    Bedenken muss man, dass es sich bei der Familie um eine gläubige christliche Familie handelt, die ihre Bibel kennt. "Wer seine Rute schont, der hasst seinen Sohn; wer ihn aber liebhat, der züchtigt ihn beizeiten." (Sprüche Salomos 13, 24)
    Als Sprichwort gibt es diesen Spruch in leichten Abwandlungen in diversen Sprachen.
    "Wer seine Kinder liebhat, züchtigt sie."
    "Spare the rod and spoil the child."
    "Niño bien amado, niño bien castigo."
    "Qui aime bien châtie bien."
    "Den man älskar agar man."


    Ich habe mich auch manchmal augenrollend gefragt, wieso die Eltern (vor allem der Vater) die Gründe für ihre Ge- und Verbote nicht einfach erklären - dann würden die Kinder viel eher gehorchen, statt Übertretungen zu verheimlichen, sollte man meinen. Aber in einer so patriarchal organisierten Gesellschaft wie der im Buch ist es einfach selbstverständlich, dass man seinem Vater zu gehorchen hat. Wenn der was befielt, hat man zu gehorchen. Und er hat es nicht nötig seine Weisungen zu begründen. Nicht schön, aber "Solange du deine Füße unter meinen Tisch steckst...!" Nicht lange her, auch bei uns.


    Der Vater kommt überhaupt nicht auf die Idee, dass eine andere Handlungs- und Erziehungsweise möglich, geschweige denn besser sein könnte. Er tut, was er kann und was er als richtig gelernt hat. Nicht schön, aber verständlich.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Afrika ist anders:
    Das ist mein dritter nigerianischer Roman nach Helon Habila - Öl auf Wasser und Yejide Kilanko - Der Weg der Töchter. Ich habe aber trotzdem immer noch das Slum oder Dorf als Handlungsort – Vorurteil... diesmal haben mich gleich zu Anfang der Fernseher und die mehreren Kinderzimmer erwischt und mir deutlich gemacht, dass meine Erwartungen schon wieder falsch waren. Die Familie gehört, zumindest bis der Vater seinen gut bezahlten Job aufgibt, um näher an der Restfamilie zu sein, ziemlich sicher zur Mittelschicht. Es kümmert die Eltern auch finanziell nicht, ob die Kleidung der Kinder verloren geht oder verschmutzt und zerrissen ist. Andererseits teilen sich immer 2 Brüder ein Handtuch, was mich dann wiederum reichlich irritiert hat. Alleine daran, woran man die finanzielle Situation und Schicht der Familie festmacht, zeigen sich schon Unterschiede zwischen unserer und der dortigen Gesellschaft. Die relative Normalität von Korruption und Gewalt (Raubüberfälle) ist ein anderer Aspekt. Andererseits glaube ich, dass diese beiden Punkte für Nigerianer viel normaler sind als für uns. Hier zieht man auf dem Amt eine Nummer, dort gibt man einen Geldschein ab. Und Nachts geht man halt nicht auf die Straße. Es ist alles eine Frage der Gewohnheit.


    Genauso ungewohnt für uns und normal für die Brüder im Buch ist die Prügelstrafe, die ich ganz fürchterlich fand. Die zusammengerollte Peitsche war für mich der Inbegriff von Barbarei. Prügel mit einem Stock oder Gürtel ist ja okay (natürlich nicht…), aber die Peitsche dient einzig und allein der körperlichen Züchtigung und zeigt in ihrem Dasein schon die Akzeptanz von Prügelstrafen (im Gegensatz zum zweckentfremdeten Gürtel o.ä.)


    Familie:
    Ich glaube ja, ein großer Teil der Probleme resultiert aus der Abwesenheit von Familie. "Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen" ist ein angebliches afrikanisches Sprichwort (was für ein Rassismus, kennt jemand eine "europäisches" oder auch "asiatisches" Sprichwort?) Einerseits will der Vater eine moderne westliche Zukunft, andrerseits unmodern traditionell viele Kinder, jedoch ohne den traditionellen Zusammenhalt einer Großfamilie. Solange Vater und Mutter anwesend sind läuft es halbwegs, auch wenn ich die Kinder hier schon zu häufig sich selbst überlassen sind. Doch als der Vater nur noch ab und zu da ist, fehlt die Kontrollinstanz. Die Mutter war zuvor schon dem Vater untergeordnet (er hat sie auch geschlagen) und verfügt nicht über genügend Autorität um sich durchzusetzen. Hinzu kommt, dass Ike nun mal einfach in der Pubertät ist und alleine deswegen schon nicht mehr weiter Vaterersatz für seine jüngeren Brüder sein will, sondern seinen eigenen Weg sucht.


    Die Brüder
    Mir ist aufgefallen, dass die drei älteren Ibo-Namen tragen, Erzähler Ben und sein jüngerer Bruder (der ebenso wie die kleine Schwester keine Rolle in der Geschichte an sich spielt) aber englische Namen. Für mich spricht das dafür, dass der Vater sich mehr und mehr Richtung westliche Welt orientiert hat, vielleicht seinen Söhnen auch das Leben im Ausland oder unter Yoruba statt Ibo erleichtern wollte... (bei Mädchen ist das ja unwichtig, deswegen kriegt sie auch wieder einen traditionellen Namen...) Wenn man jetzt ganz viel interpretieren möchte, kann man auch sagen, dass die drei Älteren passenderweise traditioneller sind als Ben, zum Beispiel in ihrem Aberglauben.

  • schokotimmi: Mit Ben hast du recht, er kam mir auch teilweise reifer vor als seine Brüder...auf jeden Fall sehr viel zurückhaltender. Er mochte eigentlich nie Entscheidungen treffen und hat sich auch gerne untergeordnet. Selbst als er die Idee zur "Bestrafung" von Iya Iyabo hatte, hätte er sich am liebsten rausgehalten und sagte nur etwas, als es von ihm erwartet wurde. Er macht zwar immer mit, ist aber nie wirklich überzeugt davon. Vielleicht, um akzeptiert zu werden, er ist ja schliesslich der jüngste. Es ist sicherlich auch in Nigeria nicht selbstverständlich, daß ältere Geschister ständig die jüngeren in ihrer Freizeit dabei haben wolen.



    illy: Ja, das mit dem Handtuch, das zwei Kinder benutzen, fand ich auch seltsam. Da gibt es Spielkonsolen, die Kinder haben Taschengeld über das sie frei verfügen können und dann sowas!


  • schokotimmi: Mit Ben hast du recht, er kam mir auch teilweise reifer vor als seine Brüder...auf jeden Fall sehr viel zurückhaltender. Er mochte eigentlich nie Entscheidungen treffen und hat sich auch gerne untergeordnet. Selbst als er die Idee zur "Bestrafung" von Iya Iyabo hatte, hätte er sich am liebsten rausgehalten und sagte nur etwas, als es von ihm erwartet wurde. Er macht zwar immer mit, ist aber nie wirklich überzeugt davon. Vielleicht, um akzeptiert zu werden, er ist ja schliesslich der jüngste. Es ist sicherlich auch in Nigeria nicht selbstverständlich, daß ältere Geschister ständig die jüngeren in ihrer Freizeit dabei haben wolen.


    Wobei ich das gut nachvollziehen kann mit dem Raushalten wollen...
    Und dass er so viele Einfälle hat: sollte nicht auch Ben Professor werden nach dem Willen des Vaters? Das hat sicher seinen Grund, da wäre der Vater sicher nicht drauf gekommen, wenn er strohdumm wäre :zwinker:
    Aber eigentlich ist doch Entscheidungen treffen ein Zeichen von Reife - ich fand es ein bisschen unsympathisch (wenn auch in seiner Position als Jüngster durchaus nachvollziehbar), das er irgendwie immer zwischen allen Stühlen stecke und ein bisschen unverbindlich war.

  • Noch was anderes: ich finde es ja toll, dass viele bereits mehrere Bücher von nigerianischen Autoren gelesen haben. Meine Kenntnis westafrikanischer Literatur beschränkt sich auf ein paar ghanaische Krimis, deren Titel mir noch nicht einmal einfallen wollen - das andere ist dann schon alles aus dem arabischen Teil oder aber aus östlicheren /südlicheren Ländern Afrikas wie natürlich vor allem Südafrika.

  • Thema Ben:


    Einige haben hier ja Ben als reifer als seine Brüder empfunden. Könnte es nicht sein, dass dieser Eindruck entsteht, weil Ben als Erzähler agiert? Er ist ja bereits erwachsen als er uns die Geschichte von sich und seinen Brüdern näher bringt und Erinnerungen trügen ja auch so ein wenig, da sieht man sich meist in einem besseren Licht als andere. Was meint ihr?

    &WCF_AMPERSAND"Das Buch als Betriebssystem ist noch lange nicht am Ende&WCF_AMPERSAND" (H.M. Enzensberger)


  • Thema Ben:


    Einige haben hier ja Ben als reifer als seine Brüder empfunden. Könnte es nicht sein, dass dieser Eindruck entsteht, weil Ben als Erzähler agiert?


    Das kann sein. Allerdings erzählt er ja streng aus seiner kindlichen Perspektive, ohne die Ereignisse als Erwachsener zu hinterfragen. Eher denke ich, dass der "reifere" Eindruck daran liegt, dass wir ja von seinen Gedanken etwas mitbekommen, aber natürlich nichts vom Innenleben der älteren Brüder. Wie haben die gedacht? Welchen Zwängen haben sie sich wieder besseren Wissens unterworfen gefühlt? Das weiß Ben nicht, und mit ihm wir eben auch nicht.


    [hr]


    Was haltet ihr davon, die ganze Geschichte auf einem anderen Niveau als eine Beschreibung Nigerias zu sehen? Sobald der alles bestimmende Diktator (die britischen Kolonialherren) aus dem Haus ist, gehen sich die Brüder (die verschiedenen Volksgruppen Nigerias) gegenseitig an die Gurgel. Ich weiß zu wenig über die nigerianische Geschichte (der Bürgerkrieg in Biafra z. B.), um dem Gedanken weiter nachzugehen, aber auch im Buch wird ja von Differenzen zwischen den verschiedenen Völkern berichtet.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • ]
    Was haltet ihr davon, die ganze Geschichte auf einem anderen Niveau als eine Beschreibung Nigerias zu sehen? Sobald der alles bestimmende Diktator (die britischen Kolonialherren) aus dem Haus ist, gehen sich die Brüder (die verschiedenen Volksgruppen Nigerias) gegenseitig an die Gurgel. Ich weiß zu wenig über die nigerianische Geschichte (der Bürgerkrieg in Biafra z. B.), um dem Gedanken weiter nachzugehen, aber auch im Buch wird ja von Differenzen zwischen den verschiedenen Völkern berichtet.


    Das ist sicher eine Form der Symbolik, mit der der Autor ja durchgehend sehr stark arbeitet - ich glaube, um alles im Detail verstehen zu können, müsste man sich in der Geschichte Nigerias bzw. Westafrikas insgesamt sehr gut auskennen - das bezieht sich jetzt auf das gesamte Buch. Es könnte durchaus sein, dass es so eine Art Parabal zum Schicksal des Landes ist.


  • Das kann sein. Allerdings erzählt er ja streng aus seiner kindlichen Perspektive, ohne die Ereignisse als Erwachsener zu hinterfragen. Eher denke ich, dass der "reifere" Eindruck daran liegt, dass wir ja von seinen Gedanken etwas mitbekommen, aber natürlich nichts vom Innenleben der älteren Brüder. Wie haben die gedacht? Welchen Zwängen haben sie sich wieder besseren Wissens unterworfen gefühlt? Das weiß Ben nicht, und mit ihm wir eben auch nicht.


    [hr]


    Was haltet ihr davon, die ganze Geschichte auf einem anderen Niveau als eine Beschreibung Nigerias zu sehen? Sobald der alles bestimmende Diktator (die britischen Kolonialherren) aus dem Haus ist, gehen sich die Brüder (die verschiedenen Volksgruppen Nigerias) gegenseitig an die Gurgel. Ich weiß zu wenig über die nigerianische Geschichte (der Bürgerkrieg in Biafra z. B.), um dem Gedanken weiter nachzugehen, aber auch im Buch wird ja von Differenzen zwischen den verschiedenen Völkern berichtet.


    Stimmt das könnte natürlich auch sein, dass wir Ben als reifer empfinden, weil wir seine Gefühle und Gedanken miterleben, bei seinen Brüdern jedoch nicht.


    Ich persönlich weiß auch viel zu wenig über die nigerianische Geschichte, muss dir aber in gewisser Weise zustimmen, dass es so wirkt als wenn ohne den "Bestimmer" nichts läuft. Ich kann es persönlich absolut nicht nachvollziehen warum sich unterschiedliche Bevölkerungsgruppen bekriegen. In meinen Augen sollten doch alle friedlich neben einander leben können.

    &WCF_AMPERSAND"Das Buch als Betriebssystem ist noch lange nicht am Ende&WCF_AMPERSAND" (H.M. Enzensberger)