Irmgard Keun - Das kunstseidene Mädchen

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    Kurzbeschreibung des Buches
    „Wollen Sie wissen, was ein Glanz ist? Ein Glanz ist - also es gibt Mädchen, die sind ganz eklig häßlich und können doch ein Glanz werden. Aber besser ist es schon, wenn man nicht wie ein totes Skelett aussieht. Und ich werde ein Glanz. Weil nämlich ein Glanz sein ist das Großartigste, was es gibt. Ich heiße somit Doris und bin getauft und christlich und geboren.“ (aus: Irmgard Keun: Das kunstseidene Mädchen)


    Das kunstseidene Mädchen ist ein Zeit- und Großstadtroman über die letzten Tage der Weimarer Republik. Erzählerin ist Doris, das kunstseidene Mädchen, eine kleine Büroangestellte, die ihren tristen Alltag mit Tagträumereien kompensiert. Als sie die Zudringlichkeiten ihres Chefs heftig zurückweist, wird ihr gekündigt. Sie findet eine kleine Stelle als Statistin am Theater und ergattert auf nicht ganz ehrliche Weise sogar einen Platz an der Schauspielschule. Ihre Träume scheinen auf dem besten Weg zu sein sich zu erfüllen, als sie bei einer Aufführung einen Satz sprechen darf. Nach dem Diebstahl eines Pelzmantels aber, der sie unwiderstehlich anzieht, scheint die beste Lösung, nach Berlin zu fliehen, um dort ein Filmstar, ein Glanz, zu werden.



    Über die Autorin
    Irmgard Keun, 1905 in Berlin geboren, begann nach einer kurzen Bühnenlaufbahn mit 21 Jahren zu schreiben. Sie emigrierte 1935. Von 1940 bis 1945 lebte sie illegal in Deutschland. Nach dem Krieg veröffentlichte sie noch zwei Romane, Bilder und Gedichte aus der Emigration sowie eine Erzählung. Außerdem arbeitete sie für Rundfunk und Zeitungen. Sie starb 1982 in Köln.
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    Meine Meinung
    Das kunstseidene Mädchen gehörte zu meinen ersten „Erwachsenenbüchern“. Ich habe es eines Tages aus dem elterlichen Bücherregal genommen und zu lesen begonnen. Seit dem habe ich dieses Buch schon zwei Mal gelesen und einmal als Hörbuch gehört. Warum? Ich hatte einfach immer wieder Lust darauf und mit jedem neuen Lesen las sich das Buch auch irgendwie anders. Dabei hatte ich anfangs durchaus meine Schwierigkeiten. Die Hauptperson war mir unsympathisch, ihr Handeln nicht nachvollziehbar. Sie war schnoddrig, unvernünftig, machte immer die gleichen Fehler. Aber irgendwann begann ich sie zu mögen, ihr Schicksal begann mich zu interessieren und ich wollte – genauso gerne wie sie selbst -, dass ihre Wünsche in Erfüllung gehen.
    Ich werde dieses Buch sicher noch einmal lesen.


    Liebe Grüße
    Kirsten :blume:

  • Mir erging es ganz ähnlich mit der Hauptfigur, ich fand sie opportunistisch und unsympathisch, und das war der Grund, warum mich das (Hör-)Buch auch nicht so richtig zu fesseln vermochte.


    Auf jeden Fall vermittelt das Buch ein authentisches Bild von Berlin in den berühmten 20er Jahren. Und vielleicht spricht es mich in ein paar Jahren bei einem zweiten Durchgang mehr an, wer weiß...


    Hattest Du auch das Hörbuch mit Juliane Köhler? Die Sprecherin fand ich sehr gut.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Zitat von "Valentine"

    Mir erging es ganz ähnlich mit der Hauptfigur, ich fand sie opportunistisch und unsympathisch, und das war der Grund, warum mich das (Hör-)Buch auch nicht so richtig zu fesseln vermochte.


    Es reizt mich aber auch, wenn ich Figuren nicht mag. Die machen mich neugierig. Das bezieht sich jetzt aber nicht auf abgrundtiefe böse Figuren - die sind in etwa so interessant wie jene, die nur gut sind -, sondern jene, die Ecken und Kanten haben, die das Potential für Gutes und Schlechtes in sich haben. Opportunistisch und unsympathisch, stimmt schon, aber man kann auch verstehen, warum sie so ist. Außerdem gibt es da doch noch die Stelle mit dem Blinden - scheint da nicht auch noch was Anderes durch?


    Zitat

    Auf jeden Fall vermittelt das Buch ein authentisches Bild von Berlin in den berühmten 20er Jahren. Und vielleicht spricht es mich in ein paar Jahren bei einem zweiten Durchgang mehr an, wer weiß...


    Auf jeden Fall war das Lesen für mich beim zweiten Mal anders.


    Ich hatte das Brigitte-Hörbuch mit Fritzi Haberland.


    Liebe Grüße
    Kirsten :blume:

  • Zitat von "Solas"

    ... Die Hauptperson war mir unsympathisch, ihr Handeln nicht nachvollziehbar. Sie war schnoddrig, unvernünftig, machte immer die gleichen Fehler. Aber irgendwann begann ich sie zu mögen, ihr Schicksal begann mich zu interessieren und ich wollte – genauso gerne wie sie selbst -, dass ihre Wünsche in Erfüllung gehen.


    Hallo Solas,


    genauso ging es mir auch und das finde ich bemerkenswert, weil ich sonst Charaktere meist von Anfang an unsympathisch oder sympathisch finde. Deshalb hat mir das Buch auch gut gefallen. Hast Du denn noch mehr von der Keun gelesen? Ich kenne sonst nur noch "Gilgi, eine von uns".


    Liebe Grüße
    Manjula

  • Zitat von "Manjula"


    Hallo Solas,


    genauso ging es mir auch und das finde ich bemerkenswert, weil ich sonst Charaktere meist von Anfang an unsympathisch oder sympathisch finde. Deshalb hat mir das Buch auch gut gefallen. Hast Du denn noch mehr von der Keun gelesen? Ich kenne sonst nur noch "Gilgi, eine von uns".


    Liebe Grüße
    Manjula


    Hallo Manjula,
    in manchen Büchern weiß man sofort, wer einem sympathisch ist bzw. zu sein hat (weil ihn der Autor so beschreibt) und wer nicht. In anderen Büchern wieder wird einem das schwer gemacht - eigentlich ist es schöner, wenn man sich langsam an eine Figur gewöhnt, weil diese Ecken und Kanten hat - wie wir alle, hoffentlich.
    Leider habe ich sonst nichts von I. Keun gelesen - erstaunlich, was? Irgendwie passiert mir das öfter, dass ich einen Autor quasi "aus den Augen verliere". Ich sehe deine Erwähnung jetzt mal ans Anreiz. :smile:


    Liebe Grüße
    Kirsten :blume:

  • Irmgard Keun - Das kunstseidene Mädchen
    Ausgabe der Büchergilde Gutenberg aus 2005
    Illustriert von Gerda Raidt.
    Mit einem Nachwort über die Autorin von Anna Barbara Hagin.



    Ich habe eine Ausgabe der "Büchergilde Gutenberg" gelesen. Es wird darauf hingewiesen, dass die vorliegende Ausgabe dem unveränderten Text der Erstausgabe folgt. (Da ich keine andere Ausgabe kenne, kann ich schlecht beurteilen, in wiefern sich der Text unterscheidet)
    Illustriert ist meine Ausgabe von digital bearbeiteten Bleistiftzeichnungen von Gerda Raidt, die sehr eindrucksvoll den Text des Buches unterstreichen, aus sich heraus zu leuchten scheinen.


    Mir ging es hier ähnlich wie euch. Ich fand die Hauptfigur einfach unsympathisch, unreif, naiv,...
    Je mehr ich las, desto mehr wurde mir allerdings auch ihre Tragik bewusst. Die falsche Auslegung von Liebe, die Suche nach dem Glanz, dem großen Erfolg, ein Leben voller Illusionen.
    Mich macht es betroffen, wie schnell sie in ihr Schicksal schlidderte und sich aus diesem Sumpf kaum selbst zu ziehen vermochte.


    Auch ich fand, soweit ich das beurteilen kann, das Sittenbild der 20er Jahre recht gut dargestellt. Immer wieder musste ich mir vor Augen führen, dass dieses Mädchen erst 18, 19 Jahre alt ist.


    Ergänzt wird das Buch durch ein Nachwort von Anna Barbara Hagin, indem sie über Irmgard Keun erzählt. Man mag vermuten, dass der Roman ein Stück weit autobiographisch daherkommt. War doch Keun Zeit ihres Lebens auf der Suche - vielleicht auch nach dem Glanz? -, ausgestattet mit viel Mut, aber auch einer großen Portion Naivität.


    Mich hat das Buch nachdenklich zurückgelassen. Ein Buch über das ich noch ein paar Tage sinnieren werde.

    🐌

  • "Das kunstseidene Mädchen" ist Doris, die auf keinen Fall "kunstseiden", also nicht wirklich wertvoll sein möchte. Sie lebt im Deutschland der 1930er Jahre und ist umgeben von Sorgen. Der arbeitslose Vater trinkt und die Mutter schuftet für wenig Lohn. Doris arbeitet als Anwaltsgehilfin und macht immer wieder Schreibfehler, sodass sie sich nicht anders zu helfen weiß, als mit dem Chef zu flirten. Dieser steigt irgendwann auf ihre Anmache ein - und als das dann passiert, weist sie ihn zurück und wird prompt entlassen.

    Ihre nächsten Optionen sind begrenzt, bis sie eine Anstellung am Theater bekommt. Dort findet Doris keinen Anschluss an die Schauspielerinnen und Mitarbeiterinnen und erfindet eine Affäre mit einem der leitenden Theaterleute. Als dies auffliegt, stiehlt sie einen Pelzmantel und taucht nach Berlin unter.

    Dort ist Doris dann völlig auf sich gestellt und schlägt sich mit wenig aussichtsreichen Männergeschichten durch.

    Das Buch endet, wie es beginnt und hat während der gesamten Geschichte kaum positive oder glückliche Momente. Ob Doris besser zurechtkäme, wenn sie mehr Bildung hätte, wie sie es sich für sich selbst immer wünschte? Ob sie eine Zukunft hat, in der sie glücklich wird?

    Die Hauptfigur Doris hat sehr einseitige Ziele. Für sie zählt das Aussehen und die Erscheinung, nicht aber die eigene Absicherung. Manchmal habe ich beim Lesen gedacht, dass sie vielleicht zu wenige Chancen hatte in der rauen Gesellschaft der Weimarer Republik.

    Die Sprache Keuns im Buch war einer der Gründe, wieso ich sehr lange mit dem Lesen gewartet habe und das Buch lange in meinem SuB stand. Dann habe ich es angefangen und wurde sofort in den Bann gezogen. Ich habe "Das Kunstseidene Mädchen" in wenigen Lesestunden durchgelesen und fand es zwar unglaublich traurig und tragisch, aber gleichzeitig hab ich viel mitgenommen, über das ich noch lange nachdenken werde.