01 - bis Seite 70

Es gibt 48 Antworten in diesem Thema, welches 9.319 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von TochterAlice.


  • Erst nach dem Auspacken aus der Folie merkt man, wie edel der Einband wirklich ist. Es fühlt sich ganz samtig an und die Muscheln schimmern so schön. Muscheln wie Gehirnwindungen. Allein dafür sollte es schon einen dicken Stern geben. Und wie mir gerade erst auffällt passt es optisch auch zu "Alles Licht...". Tolles Verlagskonzept. :klatschen:


    Die Optik und Haptik ist wirklich bestechend, ein echtes Schmuckstück im Regal! :smile:


    Ich habe auch darüber nachgedacht. Ich finde aber, Alma macht einen glücklichen Eindruck, wenn sie ihre Erinnerungen anschauen darf. Auch wenn sie sie sofort wieder vergisst. Im Augenblick, in dem sie die Erinnerungen "anschaut" empfindet sie wohl schon so etwas wie Glück. Das finde ich irgendwie schön. Und gerade da sie ja sonst ganz alleine ist und sich niemand um sie kümmert, ist es doch zumindest ein kleines Stückchen Freude. Was würde sie sonst den ganzen Tag machen? Rumsitzen? Fernsehen? Ich kann es nicht rundweg ablehnen, aber wie alles müsste man halt Gesetze und Regeln schaffen, dass so etwas richtig genutzt werden kann.


    Hier könnte man sicher lange diskutieren über den moralischen Aspekt dieser Errungenschaft. So ganz abtun möchte ich die Technologie nicht, vor allem da die Probanden (in dem Falle Alma) selbst darüber entscheiden können, ob sie mit ihren eigenen Erinnerungen gefüttert werden oder nicht. Die Auswüchse dagegen, wie wir es in den Abschnitten mit Luvo erleben, lassen mich wieder zurück schrecken. Ich bin also zwiegespalten.



    Aber was hat es mit dieser besonderen Kassette auf sich, die Pheko in der Küche aufbewahrt? Ist es möglicherweise genau die, die Roger und Luvo suchen?


    Der Gedanke ist mir auch schon gekommen. Das wäre ja echt ein Ding, Luvo muss die ganzen Massen von Kassetten durcharbeiten und dabei liegt die eine, die er finden soll, im Küchentisch. Würde aber irgendwie Sinn machen für die Handlung. :zwinker:



    Aus unserer momentanen Sicherheit heraus denken wir bestimmt anders, als zu einem Zeitpunkt, an dem wir direkt betroffen sind.


    Genau, darüber habe ich auch nachgedacht. Wie würde ich selbst mich entscheiden, wenn absehbar ist, dass ich meine kompletten Erinnerungen verliere? Würde ich mich nicht auch diesem Verfahren unterziehen, um zumindest zeitweise "ich" zu bleiben?



    Alma scheint sich bei der Anwendung ja nicht eigentlich zu erinnern, sondern die Szene erneut zu durchleben. Man versuchte dabei wohl eine Erinnerung an eben dies "neu-durchlebte" zu speichern und somit zu erhalten.


    So habe ich es auch verstanden.



    Heißt das nicht im Grunde genommen, dass wir uns praktisch nur über unsere Erinnerung definieren?


    Gegenfrage: über was sonst?



    Anthony Doerr macht das gut, anfangs Fragen aufzuwerfen, die sich nicht aus dem Kontext beantworten lassen und sich erst aufklären, wenn man weiterliest, etwa die Schritte auf der Treppe, die ich erst Almas verwirrtem Geisteszustand zugeschrieben und als eingebildet abgetan hatte.


    Das hast du schön formuliert, genauso ist es. Er hat das wirklich gut drauf, seine LeserInnen zunächst zu verwirren, dann neugierig zu machen und am Ende eine Erklärung zu liefern.



    Auch Almas Perücke war so ein Thema. Ich dachte, sie hat ihre Haare vielleicht infolge einer Chemotherapie oder einer Krankheit verloren, doch dann war von den vier Ports in ihrem Kopf die Rede, und es wurde klar, dass wir uns nicht in der Gegenwart befinden oder zumindest nicht in der Realität.


    Da ging es mir wie dir. Die Perücke hat mich zunächst stutzen lassen, war dann aber logische Folge der OP und ein gutes Mittel, das Ganze zu erklären.


    Daran musste ich auch denken, ich habe das neulich bei einem Bericht über die CeBIT gesehen und fand es unglaublich gruselig. Irgendwelche Implantate, die keinen medizinischen Nutzen haben, finde ich ziemlich krank.


    Ich hab den Bericht auch gesehen und mich empört. Dann fiel mir ein, dass alle meine Tiere gechipt sind und ich wurde ganz schnell kleinlaut... :redface:



    Bei den ersten Seiten hat es mich noch sehr gestört, dass das Buch im Präsens geschrieben ist. Gerade den ersten Satz fand ich seltsam: "Die vierundsiebzigjährige Alma Konachek wohnt in Vredehoek..." Das liest sich doch eher wie ein Zeitungsartikel oder ein Schüleraufsatz. Als man dann mehr über Alma und ihre Situation erfahren hat, fand ich die Zeitform dann wieder passend. Alma lebt ja selbst nur in der Gegenwart, an ihre Vergangenheit kann sie sich nicht erinnern. Jedes Ereignis aus Almas Sicht kann also nur im Hier und Jetzt stattfinden.


    Mir hilft das Präsens bei Einordnen der Geschehnisse, weil ja doch immer wieder Rückblenden eingeflochten werden, die dann in der Vergangenheitsform geschrieben sind. Aber irritiert hat mich dieser erste Satz auch, wenn auch nur kurz.

    :lesen: Kai Meyer - Die Bibliothek im Nebel


  • Schön, wie hierbei der Bogen zur Welt der Archäologie gespannt wird; ein passendes Thema, um gerade die Vergänglichkeit des Lebens aus einer noch ganz anderen Perspektive zu beleuchten. "Wir sind Zwischenformen" denkt sich Luvo und löst dabei bei mir ein seltsames Gefühl der Bedeutungslosigkeit aus. Er selbst übrigens tut mir furchtbar leid, denn er hat überhaupt keine eigenen Erinnerungen und dient ebenfalls nur als Gefäß für die Zwecke anderer.


    Die Archäologie als Analogie zu dem, was Luvo da betreibt, ist ein sehr stimmiges Bild, das mir so noch gar nicht aufgefallen ist. Luvo betreibt praktisch Gedächtnis-Archäologie.

    ~~better to be hated for who you are, than loved for who you&WCF_AMPERSAND're not~~<br /><br />www.literaturschaf.de


  • Die Archäologie als Analogie zu dem, was Luvo da betreibt, ist ein sehr stimmiges Bild, das mir so noch gar nicht aufgefallen ist. Luvo betreibt praktisch Gedächtnis-Archäologie.


    Stimmt, das wäre mir beim Solo-Lesen gar nicht so bewusst geworden. Er legt Teilchen frei, wobei die Reihenfolge nicht unbedingt chronologisch ist.

    Das sind keine Stirnfalten. Das ist ein Sixpack vom Denken.

  • Die Archäologie als Analogie zu dem, was Luvo da betreibt, ist ein sehr stimmiges Bild, das mir so noch gar nicht aufgefallen ist. Luvo betreibt praktisch Gedächtnis-Archäologie.


    Ja, und er ist damit eine der tragischsten Figuren: Hat selbst keine Identität und wird dazu missbraucht, andere Identitäten auszuspionieren. Das ist mir noch gar nicht richtig aufgefallen.



    Gegenfrage: über was sonst?


    Im Prinzip hast du Recht: Das Gehirn wird von Erfahrungen geformt, durch die wir ein bestimmtes Verhalten lernen. Man muss, denke ich, vielleicht zwischen Erinnerung und Erfahrung unterscheiden.

  • Hierzu fällt mir gerade eine Zitat von der schon erwähnten Penelope Lively ein, die sagt:
    "Was mich interessiert, ist das Gedächtnis, die Art und Weise, wie Menschen und Landschaften aus Erinnerungen zusammengesetzt sind."

    :lesen: Kai Meyer - Die Bibliothek im Nebel


  • Im Prinzip hast du Recht: Das Gehirn wird von Erfahrungen geformt, durch die wir ein bestimmtes Verhalten lernen. Man muss, denke ich, vielleicht zwischen Erinnerung und Erfahrung unterscheiden.


    Aber wenn man sich an eine Erfahrung nicht mehr erinnern kann, wie kann man sich darüber definieren?


    Bleibt vielleicht noch der Instinkt... wobei das auch ein schwammiger Begriff ist, in diesem Zusammenhang jedenfalls.

    :lesen: Kai Meyer - Die Bibliothek im Nebel


  • Aber wenn man sich an eine Erfahrung nicht mehr erinnern kann, wie kann man sich darüber definieren?


    Bleibt vielleicht noch der Instinkt... wobei das auch ein schwammiger Begriff ist, in diesem Zusammenhang jedenfalls.


    Vielleicht ist das der Unterschied zwischen Erfahrung und Erinnerung: Erfahrung muss nicht unbedingt bewusst abgerufen werden, vieles haben wir verinnerlicht. Das geht dann schon Richtung Instinkt. Erinnerungen sind eher etwas Bildhaftes, ein Film, den wir bewusst abspulen können, an dem wir uns erfreuen (oder mit Schaudern daran denken).


    Bei Demenzkranken wird Hirnstruktur zerstört, was sie irgendwann lebensunfähig macht. Jemand, der an totaler Amnesie leidet, kann trotzdem weiterleben und aus Unbewusstem schöpfen.


  • Vielleicht ist das der Unterschied zwischen Erfahrung und Erinnerung: Erfahrung muss nicht unbedingt bewusst abgerufen werden, vieles haben wir verinnerlicht. Das geht dann schon Richtung Instinkt. Erinnerungen sind eher etwas Bildhaftes, ein Film, den wir bewusst abspulen können, an dem wir uns erfreuen (oder mit Schaudern daran denken).


    Bei Demenzkranken wird Hirnstruktur zerstört, was sie irgendwann lebensunfähig macht. Jemand, der an totaler Amnesie leidet, kann trotzdem weiterleben und aus Unbewusstem schöpfen.


    Sehr schön herausgearbeitet! :klatschen: Ja, damit kann ich was anfangen.


    Wie kommts, dass du dich so gut in dem Thema auskennst?

    :lesen: Kai Meyer - Die Bibliothek im Nebel

  • Stimmt, das wäre mir beim Solo-Lesen gar nicht so bewusst geworden. Er legt Teilchen frei, wobei die Reihenfolge nicht unbedingt chronologisch ist.


    Ein wirklich schöner Vergleich, auf den ich von selber auch nicht gekommen bin.



    Bei Demenzkranken wird Hirnstruktur zerstört, was sie irgendwann lebensunfähig macht. Jemand, der an totaler Amnesie leidet, kann trotzdem weiterleben und aus Unbewusstem schöpfen.


    Und könnte theoretisch ja auch wieder Neues lernen und neue Erfahrungen sammeln.


    Was mich noch interessieren würde: wie funktioniert diese Aufzeichnung der Erinnerungen technisch? Erinnerungen sind ja nichts, was man filmen oder per Tonaufnahme festhalten kann - eine Erinnerung einzufangen ist im Grunde doch genauso, wie einen Gedanken aufzuzeichnen.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen






  • Was mich noch interessieren würde: wie funktioniert diese Aufzeichnung der Erinnerungen technisch? Erinnerungen sind ja nichts, was man filmen oder per Tonaufnahme festhalten kann - eine Erinnerung einzufangen ist im Grunde doch genauso, wie einen Gedanken aufzuzeichnen.


    Das hab ich mich auch gefragt. Vor allem, weil Alma sich ja nicht mehr aktiv erinnern kann. Wenn man davon ausgeht, dass Gedanken (=Erinnerungen) elektrische Impulse sind, kann man die vielleicht irgendwie aufzeichnen, aber eben nur, wenn diese erzeugt werden, also im Moment des Erinnerns. Alles in allem ist diese Behandlungsmethode doch ziemliche Sciencefiction.


  • Alles in allem ist diese Behandlungsmethode doch ziemliche Sciencefiction.


    Gut, dass es mir nicht alleine so geht :breitgrins: Für die Erzählung ist es ja nicht von Belang, wie genau das funktioniert, aber ich musste trotzdem drüber nachdenken.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Hallo ihr Lieben,


    ich konnte nun endlich auch anfangen zu lesen.
    Allerdings weiß ich noch nicht so genau, was ich von dem Büchlein halten soll. Einerseits finde ich es sprachlich wunderschön, z.B.


    „und leisen, raubtierhaften Autos“ (S. 11)
    „Eine Bodendiele im Wohnzimmer quiekt.“ (S. 11)
    „Die Uhr unten im Wohnzimmer tickt und tickt und lässt die Nacht verrinnen.“ (S. 13)


    Die Aufzählung könnte ich schier unendlich fortsetzen :)


    Andererseits ist es mir einfach etwas zu knapp. Doerr vermag zwar, mit wenigen Worten viel auszusagen, aber mir wäre es lieber, wenn die Handlung noch ein bisschen mehr ausgeschmückt wäre. Aber gut, es ist eben eine Novelle und kein Roman. Dann kann ich das dem Autor nicht ankreiden ;)


    Die Geschichte an sich finde ich sehr erschreckend. Im ersten Moment mag es vielleicht positiv erscheinen, dass die Erinnerungen gerettet werden können, aber wie man sieht, wird auch schon gleich wieder Schindluder damit getrieben.


    Die beteiligten Personen sind allesamt auf ihre Art interessant. Alma ist mir zwar nicht besonders sympathisch, schon allein aufgrund der Tatsache, dass sie rassistisch ist. Trotzdem tut sie mir unendlich leid, weil sie immer mehr in den Strudel der Demenz gerät und immer verlorener wirkt. Hinter ihrem Rücken soll ihr Haus verkauft und sie aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen werden.


    Roger ist hinter einem Schatz her. Er will Alma bestehlen. Dies ist natürlich verwerflich, aber anscheinend sitzt er auch ganz schön in der Bredouille. Trotzdem ist es nicht in Ordnung, dass er den Waisen Luvo als Erinnerungszapfer missbraucht. Der scheint ja ganz clever zu sein und ich hoffe, er wird sich letztendlich gegen Roger behaupten können.


    Pheko ist natürlich der absolute Lichtblick in diesem Szenario. Obwohl er von Alma nicht gerade gut behandelt wurde und sie auch vergisst, ihn zu bezahlen, dient er ihr treu und loyal. Seine Gedanken, dass er Alma bestehlen könnte, bevor andere sich das Haus samt Inhalt unter den Nagel reißen, kann ich gut nachvollziehen. Schließlich geht es ihm und seinem Sohn sehr schlecht. Die Zustände in dem Township sind ja wirklich schrecklich. Aber wahrscheinlich ist er am Ende doch zu ehrlich.


  • Andererseits ist es mir einfach etwas zu knapp. Doerr vermag zwar, mit wenigen Worten viel auszusagen, aber mir wäre es lieber, wenn die Handlung noch ein bisschen mehr ausgeschmückt wäre. Aber gut, es ist eben eine Novelle und kein Roman. Dann kann ich das dem Autor nicht ankreiden ;)


    So ging es mir auch, mir ging vieles einfach zu schnell. Ich bin wirklich kein Fan von richtig dicken Büchern, aber diese 135 Seiten waren mir für die Geschichte einfach zu knapp.


    Ich frage mich dann aber, wie ein Autor entscheidet, ob er aus einer Idee jetzt einen Roman oder eine Novelle/Kurzgeschichte macht. Weil er nicht mehr zu erzählen hat oder weil er mehrere gute Ideen in einem Buch mit kürzeren Geschichten unterbringen will?

    ~~better to be hated for who you are, than loved for who you&WCF_AMPERSAND're not~~<br /><br />www.literaturschaf.de


  • Und Luvo der Erinnerungszapfer (was für ein Begriff) - ich schätze mal, der Junge wird die richtige Erinnerung noch finden und Rogers hoffentlich nichts davon sagen. Luvo hatte ja bis jetzt ein schreckliches Leben und ich habe das Gefühl, dass Almas Erinnerungen zu seinen eigenen werden, da er selber kaum welche zu haben scheint als Waisenkind. Ich bin gespannt ob er den Gorgonops findet.


    Ach ja, und was ist auf Kassette 4510? :zwinker:


    Ich hoffe auch, dass Luvo Roger nichts sagen wird, wenn er die gesuchte Erinnerung findet. Ob sie wohl auf Kassette 4510 ist?
    Dass Almas Erinnerungen zu Luvos werden könnten, ist eine interessante Idee.



    Und noch etwas ist mir in den Sinn gekommen: Eigentlich ist Alma genauso hilflos ihrer Umwelt ausgeliefert wie Pheko. Ihr ganzer Reichtum nützt ihr nichts mehr, sie ist diesem Roger hilflos ausgeliefert, wird von ihrem Buchhalter praktisch entmündigt und wird in irgendeinem Pflegeheim landen.


    Am Ende sind wir alle gleich, und mitnehmen können wir im Tod auch nichts. Trotzdem hat Alma sicher ein angenehmeres Leben geführt, wenn vielleicht auch kein glücklicheres als Pheko.




    Anthony Doerr macht das gut, anfangs Fragen aufzuwerfen, die sich nicht aus dem Kontext beantworten lassen und sich erst aufklären, wenn man weiterliest, etwa die Schritte auf der Treppe, die ich erst Almas verwirrtem Geisteszustand zugeschrieben und als eingebildet abgetan hatte.


    Oh ja, die Schritte auf der Treppe haben mich anfangs auch total irritiert. Oder auch, dass sie dann einfach einen Zettel schreibt "Großer Mann im Garten", anstatt dem nachzugehen, was dieser Mann in ihrem Garten zu suchen hat bzw. warum ihre Haustür offen steht.


  • Ich frage mich dann aber, wie ein Autor entscheidet, ob er aus einer Idee jetzt einen Roman oder eine Novelle/Kurzgeschichte macht. Weil er nicht mehr zu erzählen hat oder weil er mehrere gute Ideen in einem Buch mit kürzeren Geschichten unterbringen will?


    Das ist eine gute Frage :)
    Oft ist es ja so, dass ein Autor entweder nur das eine oder nur das andere schreibt. Oder manche beginnen mit Kurzgeschichten, ehe sie sich an ein längeres Werk trauen. Aber natürlich gibt es auch Autoren, die bunt durcheinander alles schreiben. Hier wäre es wirklich interessant zu erfahren, was den Ausschlag gegeben hat.


  • Mir hilft das Präsens bei Einordnen der Geschehnisse, weil ja doch immer wieder Rückblenden eingeflochten werden, die dann in der Vergangenheitsform geschrieben sind. Aber irritiert hat mich dieser erste Satz auch, wenn auch nur kurz.


    Ich lese eigentlich oft Romane, die im Präsens geschrieben sind. Das fand ich nun gar nicht ungewöhnlich. Aber eure Erklärungen sind natürlich einleuchtend.




    Die Archäologie als Analogie zu dem, was Luvo da betreibt, ist ein sehr stimmiges Bild, das mir so noch gar nicht aufgefallen ist. Luvo betreibt praktisch Gedächtnis-Archäologie.


    Dieses Buch eignet sich super für eine Leserunde, denn es stecken so viele Aspekte drin, auf die man allein gar nicht kommt. ;)


  • Dieses Buch eignet sich super für eine Leserunde, denn es stecken so viele Aspekte drin, auf die man allein gar nicht kommt. ;)


    Stimmt, schon klasse, was man da alles gemeinsam herauslesen kann :smile:

    Das sind keine Stirnfalten. Das ist ein Sixpack vom Denken.

  • So nun kann ich auch endlich etwas zur Runde beitragen. Gestern Abend als ich auf dem eReader angefangen habe, da konnte ich mir schon richtig vorstellen, wie mein Postbote in seinem Auto sitzt und mein Büchlein genießt. :zwinker:


    Ich muss gestehen, dass ich noch nie eine Novelle gelesen habe und daher gar nicht so richtig wusste, was mich da eigentlich erwartet. Zudem ist es mein erstes Buch von Anthony Doerr. Die Sprache ist einfach nur der Hammer. Ich war teilweise mehr mit Zitaten markieren beschäftigt als mit dem Lesen. So viele schöne Beschreibungen, wie Lilli auch schon erwähnt hat. Da bekomme ich beim Lesen Gänsehaut, was ich außer bei dem aktuellen Buch von Benedict Wells und bei "Die Sache mit dem Dezember" hatte.


    Mit Alma konnte ich irgendwie am meisten mitfühlen (auch wenn ich sie nicht sonderlich mag), was wohl daran liegt, weil ich sowohl meine Oma als auch die von meinem Mann erlebt habe, wie sie durch Demenz nach und nach abgebaut haben. Es ist schrecklich miterleben zu müssen wie man irgendwann gar nicht mehr erkannt wird. Schlimmer kann das eigentlich nur noch sein, wenn man es bei den eigenen Eltern erlebt. Wenn man selbst davon betroffen ist, dann schätze ich mal, dass einen das total verunsichert, weil man sich so gern erinnern will, es aber einfach nicht klick macht. Der Vater meiner besten Freundin hatte vor einigen Jahren einen Schlaganfall und manches Mal hat er Schwierigkeiten das richtige Wort zu finden was er sagen will. Je mehr er grübelt, desto wütender wird er. So stelle ich mir das in etwa dann auch mit Demenz vor.


    Die Idee Erinnerungen aufzeichnen zu können, ist zwar schön, birgt aber offensichtlich auch Gefahren. Es ist ja immer die Frage mit wem man dann auch die Erinnerungen teilen will und mit wem nicht.


    Ich weiß nicht wie es euch geht, aber für mich sind Erinnerungen das non plus Ultra. Deswegen muss auch jeder runde Geburtstag und jedes größere, andere Ereignis gefeiert werden, denn man weiß nie wie lange man von dem ein oder anderen etwas hat.

    &WCF_AMPERSAND"Das Buch als Betriebssystem ist noch lange nicht am Ende&WCF_AMPERSAND" (H.M. Enzensberger)


  • Dass Almas Erinnerungen zu Luvos werden könnten, ist eine interessante Idee.


    In gewisser Weise werden sie das ganz bestimmt. Zwar nicht als Erinnerung an eigenes Erleben, aber daran, dass er sie gesehen/nachempfunden hat.


    Zitat

    Oh ja, die Schritte auf der Treppe haben mich anfangs auch total irritiert. Oder auch, dass sie dann einfach einen Zettel schreibt "Großer Mann im Garten", anstatt dem nachzugehen, was dieser Mann in ihrem Garten zu suchen hat bzw. warum ihre Haustür offen steht.


    Vielleicht, weil sie sich noch dessen bewusst ist, dass sie nur kurze "Fenster" zur Verfügung hat, in denen sie bei klarem Verstand ist?



    Ich lese eigentlich oft Romane, die im Präsens geschrieben sind. Das fand ich nun gar nicht ungewöhnlich.


    Ich auch nicht, aber es gibt viele Leser, die das Präsens als Erzählzeit nicht mögen.


    @nicigirl: für mich sind Erinnerung auch sehr wichtig, und ich bin auch der Meinung, dass Erinnerungen Identität stiften, schließlich ist die Person, die wir heute sind, ja von genetischer Ausstattung und bestimmten Veranlagungen abgesehen ganz stark das Ergebnis dessen, was wir erlebt haben.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • @ gagamaus: Puh die Sache mit deiner Mom ist echt hart, danke dass du uns daran teilhaben lässt. Ich hätte da auch enorm Angst gehabt, wenn ich in der Situation gesteckt hätte. Ähnliche Erfahrungen mit dem Krankenhaus habe ich auch schon gemacht. Als mein Mann sich an einem Freitag dem 13. fast 2 Finger gänzlich abgetrennt hat mit der Kreissäge (Knochen war durch), da musste er in der Notaufnahme auch 45 min. warten. Die OP war dann nur am selben Tag, weil er privat versichert ist. Ich mag mir gar nicht vorstellen, was ohne dem gewesen wäre, wahrscheinlich hätte er dann nur noch 3 Finger. :entsetzt:

    &WCF_AMPERSAND"Das Buch als Betriebssystem ist noch lange nicht am Ende&WCF_AMPERSAND" (H.M. Enzensberger)