Teil V - Seite 257 bis 307

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    LG, Dani


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  • Die letzten Seiten sind gelesen und ich bleibe zwiegespalten zurück:


    einerseits finde ich es grandios, welche Aufgabe Felix für seine Schüler noch gefunden hat. Das Schicksal der einzelnen Personen weiterzudenken. Mir gefällt dieses Gedankenspiel ausgesprochen gut! Und die Ergebnisse der Häftlinge sind bemerkenswert: natürlich gefällt mir der Gedanke, dass Ariel ein Umweltschutzgeist wird! Das passt doch wirklich zu ihm!


    Der böse Bruder Antonio - grausam, aber "realistisch". Miranda wehrhaft und Gonzalo würde sein persönliches Atlantis gründen. Ich denke, er hat endgültig genug von der ganzen Sippe! Und Caliban als Sohn Prosperos? Auch ein interessanter Gedanke!
    Die Schauspieler haben sich wirklich intensiv mit dem Stück und ihren Rollen auseinandergesetzt.


    Soweit gefällt mir die Entwicklung sehr gut, ich finde sie stimmig und logisch.


    Ebenso gefällt mir sein Abschied von Miranda. Felix schafft es endlich sie frei zu geben auch um selber weiter leben zu können.


    Aber der Epilog "Setz Mich Frei"...
    Felix muss seine Höhle verlassen, da seine Vermieter sich unkonventionell verabschiedet haben. Wie Prospero wird er den Zauberstab zerbrechen, sein Buch ins Wasser werfen.

    Er wird zum Beobachter:
    Dass Freddie Assistent des Direktors wird ist für meinen Geschmack ein wenig zuviel, aber das geht noch so einigermaßen. Anne-Marie ist auch dabei als Chefchoreografin.
    Aber was soll da eine Kreuzfahrt? Eine Parodie, die mir in diesem Zusammenhang nicht zusagt? Felix als Alternativprogramm zu Schlagersängern? Und Prospero beim Line Dancing? Denn, auch wenn er jetzt seine Rache hatte, ein klein wenig Prospero war er schon immer und wird es auch immer sein. Gut... jeder muss sich entwickeln, die Rache ist erledigt, ein neues Leben muss begonnen werden.... Aber gleich so? In trauter Zweisamkeit mit 8Handz?
    Und Estelle zieht die notwendigen Strippen...


    Neeiiinnn... ich möchte eine andere Zukunft für Felix...


    Ich gebe also zu, dass mir dieses Ende vorerst einmal nicht behagt. Zumindest diese gräsliche Kreuzfahrt.... könnte er nicht eine Vortragsreise für Gefängnisdirektoren machen oder ein Buch schreiben? Oder etwas ganz anderes... Anne-Marie würde ihm doch sicher das Stricken beibringen - soll sehr entspannend sein.
    :gruebel:


    Ich werde den letzten Teil sicherheitshalber noch einmal lesen... :lesen:

    Vernunft, Vernunft...

    Einmal editiert, zuletzt von ysa ()

  • Der Schluss des Sturm bleibt offen - und Shakespeare fordert in typischer Manier sein Publikum dazu auf, ihn durch ihre Anerkennung, ihren Applaus freizusetzen, ihn aus seinem Gefängnis zu entlassen!


    Die Schauspieler der Fletcher-Justizvollzugsanstalt haben ihre eigenen Vorstellungen von dem Ausgang des Stücks, die ich allesamt interessant finde, wiewohl mir gerade die Version des Teams Böser Bruder Antonio haarsträubend vorkommt! Zu viele Tote! Aber sie passt zu Antonio, der, und da sind sich alle einig, die böseste Figur des Stückes ist.
    Interessant ist in diesem Zusammenhang die Reaktion der übrigen Teams: alle wollen ein Happy End, selbst die härtesten unter ihnen!


    Team Gonzalo favorisiert zweite Chancen, lässt niemanden umkommen und schickt seinen Helden zurück auf die Insel zwecks Errichtung eines republikanischen Königreichs. Idealistisch!
    Am besten freilich gefällt mir die Vision des Teams Hexensaat! Ich mag es, wie Caliban ein neues Leben gegeben wird. Und ich mag auch die Vorstellung von Prospero als Calibans richtigem Vater...


    Durch die Interpretation der Figur Caliban habe ich ganz neue Denkanstöße bekommen. Ich sehe ihn nun in einem neuen Licht, lange nicht so negativ, wie er mir vor dem Lesen des Romans hier erschienen ist. Caliban hat viele Facetten, ist vielleicht die interessanteste und ausbaufähigste Figur in "Der Sturm".
    Dagegen war mir Antonio nie so böse erschienen, wie ihn die Häftlinge gesehen haben und wie ihn Shakespeare möglicherweise auch gemeint hat.


    Überhaupt sehe ich Shakespeares Stück nach dem Lesen von "Hexensaat" von einer ganz anderen Warte als zuvor. Ich habe es einfach viel besser verstanden - dank Margaret Atwood, die ihre eigene Auffassung des Sturms hier kunstvoll durch Felix und die Häftlinge/Schauspieler dargelegt hat.


    Aber was ist denn nun mit Felix? Wie Prospero durch den Applaus der Zuschauer, so wird auch er aus seinem Gefängnis entlassen ( dem neunten Gefängnis! ) - und kann nun seinerseits seine Tochter gehen lassen. So wie Prospero seine Miranda mit Ferdinand nach Neapel ziehen ließ.


    Aber was fängt er mit seiner Freiheit an? Wie Prospero hat er kein Interesse daran, in sein altes Leben zurückzukehren. Die Kreuzfahrt ist nur ein Urlaub. Aus der Zelle zieht er aus. Den Gefangenen verspricht er zwar ein neues Stück im nächsten Jahr, sagt aber nicht, dass er wieder als Regisseur dabei sein wird.
    Also ist auch bei Felix alles offen - und jeder Leser kann einen plausiblen Fortgang ersinnen....
    Dieses Ende, das eigentlich keines ist, erscheint mir passend - und ich bin vollauf zufrieden damit. Ich muss nicht alles so genau wissen, behalte mir gerne vor, es selber weiter zu denken!


  • Der Schluss des Sturm bleibt offen - und Shakespeare fordert in typischer Manier sein Publikum dazu auf, ihn durch ihre Anerkennung, ihren Applaus freizusetzen, ihn aus seinem Gefängnis zu entlassen!


    Ganz eindeutig: meinen Applaus, meine Anerkennung und meine Bewunderung haben sie - Shakespeare sowieso schon länger und M. Atwood jetzt auch!
    Der Schluss des Stückes bleibt offen - bei Shakespeare ebenso wie bei M. Atwood. Und da mit der abschließende Teil nicht wirklich gefällt, bleibt es mir überlassen, mir ein neues "Ende" zusammenzudenken. :zwinker:



    Die Schauspieler der Fletcher-Justizvollzugsanstalt haben ihre eigenen Vorstellungen von dem Ausgang des Stücks, die ich allesamt interessant finde, wiewohl mir gerade die Version des Teams Böser Bruder Antonio haarsträubend vorkommt! Zu viele Tote! Aber sie passt zu Antonio, der, und da sind sich alle einig, die böseste Figur des Stückes ist.
    Interessant ist in diesem Zusammenhang die Reaktion der übrigen Teams: alle wollen ein Happy End, selbst die härtesten unter ihnen!


    Ja! Das ist mir auch wirklich aufgefallen und hat mich berührt - alle wollen ein gutes Ende, alle wollen ein wenig Hoffnung behalten bzw gewinnen! Auch im Gefängnis ist Hoffnung enorm wichtig, lebensfördernd und handlungsbestimmend.



    Durch die Interpretation der Figur Caliban habe ich ganz neue Denkanstöße bekommen. Ich sehe ihn nun in einem neuen Licht, lange nicht so negativ, wie er mir vor dem Lesen des Romans hier erschienen ist. Caliban hat viele Facetten, ist vielleicht die interessanteste und ausbaufähigste Figur in "Der Sturm".
    Dagegen war mir Antonio nie so böse erschienen, wie ihn die Häftlinge gesehen haben und wie ihn Shakespeare möglicherweise auch gemeint hat.


    Genau so habe ich es empfunden - denn diese Interpretation des Caliban lässt mich meine eigenen Vorurteile in Frage stellen! Gewaschen, gebürstet und in neue Kleider gesteckt... und die Welt ist eine andere! Wie wahr! Und der Gedanke, dass Caliban Prosperos Sohn ist, gefällt mir gut! Und als Kind von Prospero und Sycorax hat er sicher noch großartige Fähigkeiten!



    Überhaupt sehe ich Shakespeares Stück nach dem Lesen von "Hexensaat" von einer ganz anderen Warte als zuvor. Ich habe es einfach viel besser verstanden - dank Margaret Atwood, die ihre eigene Auffassung des Sturms hier kunstvoll durch Felix und die Häftlinge/Schauspieler dargelegt hat.


    Ulrike, mir geht es ebenso: ich habe den Sturm noch einmal erlebt und erfahren. Alle Erklärungen von Atwood sind außerordentlich interessant und anregend! Ihre Art zu lehren - durch Felix und auch durch die Häftlinge - einfach großartig!


    Ehrlich: von Mme Atwood würde ich mir gerne noch mehr Werke des großen Barden erklären lassen! :herz: Das Buch ist ein Geschenk und mit Euch allen zusammen zu lesen ein wunderbares Erlebnis! Herzlichen Dank!
    :winken:

    Vernunft, Vernunft...

  • Was für eine witzige Art, die Zigaretten für die Gefangenen zu präparieren - und Felix ist durchaus gerecht: jeder erhält die gleiche Menge. Und von Felix wird es nie mehr einen Sturm geben, bzw. nie mehr eine Inszenierung davon, denn das war der Höhepunkt.


    Es ist wirklich genial, wie die Jungs ihre Teamaufgaben lösen, wobei ich durchaus ein paar Lieblinge hatte: bspw. Team Arial mit ihrem Klimawandel-Gedanken, der zeigt, wie Shakespeare ins Hier und Jetzt katapultiert wird und auch hier eine tolle Figur macht - Shakespeare passt einfach immer und veraltet nie. Ebenso hat mir der komplett andere Stil des Team Gonzalo, der Optimismus und Pessimismus einander gegenüberstellt, supergut gefallen. Weniger hingegen diejenige von Team Antonio, ich empfinde sie als so negativ und zerstörend.


    Felix verhält sich ja fast väterlich, indem er allen die gleiche Punktzahl gibt und niemanden bevorzugt. Und die Einlage von Anne-Marie mit den drei Göttinnen ist natürlich super! Auch, wie sie sich den Gefangenen gegenüber verhält - total loyal, aber so respekteinflößend, dass niemand auf die Idee käme, etwas "Schlimmes" mit ihr anzustellen. Sie hat zusammen mit Felix die "Knasties" dazu gebracht, über sich selbst hinauszuwachsen und super kreativ zu werden!


    Genau wie ihr Liebster Freddie es tut in der Aufgabe, die ihm anvertraut wurde! Und ich habe den Eindruck, dass Freddie und Anne-Marie auf Felix' Seite wechseln, so etwas wie seine Kinder weden. Tollkühn auf eine gewisse Art und Weise, wie er Toni und Sal ausschaltet- ganz gewaltfrei!

  • Spannungstechnisch ist im letzten Teil nicht mehr viel passiert. Hier weicht Atwood vom üblichen Aufbau eines Romans ab, was ich ein bisschen schade finde. Die Aufführung im Gefängnis war in der Hinsicht ein arg früher Höhepunkt.


    Interessant wird aber die Schlussbesprechung mit der Darstellung eines alternativen Endes für jede Gruppe. Damit erhalten die Häftlinge auch ein bisschen Spielraum. Diejenigen ohne tragende Rolle bekommen die Möglichkeit zu beweisen, dass sie mehr Fähigkeiten haben als nur Statisten darzustellen. Ich wüsste gerne, ob Felix das auch abgehalten hätte, wenn er es nicht als Teil seines Kurses brauchen würde. Am besten gefallen hat mir Ariels Kampf gegen den Klimawandel, der ihn als Luftgeist natürlich persönlich betrifft und deshalb gut nachvollziehbar ist.


    Ganz so uneingeschränkt Happy-End-lastig fand ich diesen Abschnitt aber nicht. Anne-Marie geht nicht gerade zimperlich mit ihren Opfern um. Die Antonio-Truppe zieht alle negativen Register, erdolcht Prospero, lässt Gonzalo vom Schlaganfall ereilen und Miranda vergewaltigen. Es steht auch zu lesen: Den anderen gefällt diese Geschichte nicht. Sie hat kein Happy-End und es gibt keine Erlösung. Auch wenn PPod, der nicht zur Antonio-Truppe zählte, eine versöhnliche Lösung vorschlägt. Oder habe ich das alles falsch verstanden? Von Milde und Vergebung keine Spur. Ganz im Gegensatz zu Felix, der angesichts der Leichtigkeit, mit der er die ganze Täuschung auf die Beine stellte, wahrscheinlich auch einen tödlichen Unfall hätte inszenieren können und darauf verzichtet hat.


    Kann man durch die selbst entworfenen Schicksale eigentlich Rückschlüsse auf die Charaktere der Gefangenen ziehen? Eigentlich wissen wir viel zu wenig über sie.


    Was mir gut gefiel, war ein kleines Detail bei der Schilderung von Anne-Marie, die am Ende ihrer Darstellung Glitzerkonfetti in die Luft warf. Stand nicht relativ weit am Anfang des Buches, dass Felix früher in seiner Zeit am Theater irgendwann in jeder Aufführung unbedingt Glitzerkonfetti streuen musste? Das wäre wirklich eine liebevolle Geste gewesen, gerade so wie von der Tochter für den Vater.


    Das 9. Gefängnis, über das ich mir schon Gedanken gemacht hatte, wird auch erklärt.


    Der Epilog hat längst nicht mehr die Klasse wie die vorangegangenen Kapitel. Alles klingt ein bisschen danach, dass ein Abschluss her muss. Sehr zufrieden gestellt hat mich aber, dass Felix endlich den Absprung von seiner ureigenen Tochterphantasie findet und Miranda ziehen lassen kann.

    Einmal editiert, zuletzt von Doris ()


  • Was mir gut gefiel, war ein kleines Detail bei der Schilderung von Anne-Marie, die am Ende ihrer Darstellung Glitzerkonfetti in die Luft warf. Stand nicht relativ weit am Anfang des Buches, dass Felix früher in seiner Zeit am Theater irgendwann in jeder Aufführung unbedingt Glitzerkonfetti streuen musste? Das wäre wirklich eine liebevolle Geste gewesen, gerade so wie von der Tochter für den Vater.


    Diese Detail hat mir auch sehr gefallen.


    Die Überlegungen über das weitere Leben der "Sturm"-Protagonisten fand ich auch sehr interessant, überhaupt hab ich aus dem Buch nochmal viele Interpretationen und Gedanken über Shakespeares Sturm und besonders auch Caliban bekommen.
    Der "Caliban" in Hexensaat waren vielleicht auch die Häftlingen, alle zusammen, jeder mit seiner Vergangenheit, seinem Charakter, seinen Vergehen, eingesperrt im Gefängnis so wie Caliban auf seiner Insel. Caliban läßt vielfältige Deutungen zu, so wie auch die Häftlinge alle doch sehr verschiedene Seiten gezeigt haben, kaum jemand ist nur gut oder nur böse.


    Das Ende mit der Kreuzfahrt und seiner Vortragreise zusammen mit Estelle fand ich auch erstmal etwas mau. Andererseits, Felix ist nicht mehr der Jüngste, er hat jahrelang in einer Art Ausnahmezustand gelebt und muß jetzt irgendwie zu einem "normalen" Leben, zu einem Alltag zurückfinden, möglicherweise ohne große Highlights, vielleicht nimmt er da erstmal was sich ihm anbietet und wer weiß, vielleicht ist da so eine Kreuzfahrt erstmal nicht die Schlimmste aller Möglichkeiten. Obwohl ich ihn mir da schon auch eher wie "die zwei Alten in der Muppet-Show" vorstelle. Wer weiß ... vielleicht inszeniert er dann danach ein Stück über Kreuzfahrten :breitgrins: , schön bissig und mit ein bisschen Glitzerkonfetti bei der Abendgala.


    Sehr schön fand ich wie das Loslassen seiner Tochter erzählt wurde und schön fand ich auch daß dieser Hauch von Übersinnlichkeit blieb, die leise Andeutung, daß etwas von Miranda ihn wirklich die ganze Zeit begleitet hat...


    Anne-Maries Interpretation von Mirandas Zukunft fand ich gelungen, wenngleich auch etwas schräg. Ich glaub aber dieses Hinweisen darauf, daß Miranda von den Häftlingen nur und ausschließlich als "Opfer" gesehen wurde, ohne jede Möglichkeit sich zu wehren, eine eigene Meinung zu äußern oder dagegen zu sein, war auch typisch für Atwood, hat sie doch in ihren Büchern viele feministisch inspirierte Themen behandelt. Mir hat da als Kontrakpunkt zu den Gedanken von Team Antonio gut gefallen.




    EDIT:
    Zufällig entdeckt und weil wir ja gerade etwas von der Autorin gelesen haben, Hier ein kurzes Interview mit Margaret Atwood aus der "Zeit". Ich hätte zu gern gelesen was sie für die "Future Library" geschrieben hat, aber das werd ich dann wohl nie erfahren.

    Von den Sternen kommen wir, zu den Sternen gehen wir.

    Das Leben ist nur eine Reise in die Fremde.”

    (aus: "Die Stadt der träumenden Bücher")



    Einmal editiert, zuletzt von Firiath ()


  • Ehrlich: von Mme Atwood würde ich mir gerne noch mehr Werke des großen Barden erklären lassen!


    So geht es mir auch. Ich habe zwar ein bisschen Sekundärliteratur zu Shakespeare, aber Atwood hat ihre ganz eigene Art, das Stück den Lesern nahezubringen. Schade nur, dass ihr eigenes Werk daneben fast ein bisschen kurz kommt. Wie dieses Buch wohl bei ihren Fans ankommt, die Shakespeare nicht kennen oder nichts mit ihm anfangen können? Ich stelle mir das vor wie bei "Ulysses": So viele Andeutungen und so wenig davon erkannt. Aber Margaret Atwood hat den Status, solche Themen aufgreifen zu können und ihre Stammleser nicht zu enttäuschen. Die bereitgestellte Inhaltsangabe des "Sturm" wäre allerdings am Anfang des Buches besser platziert. Es schauen nicht alle vor dem Lesen hinten ins Buch rein.



    Das Ende mit der Kreuzfahrt und seiner Vortragreise zusammen mit Estelle fand ich auch erstmal etwas mau. Andererseits, Felix ist nicht mehr der Jüngste, er hat jahrelang in einer Art Ausnahmezustand gelebt und muß jetzt irgendwie zu einem "normalen" Leben, zu einem Alltag zurückfinden, möglicherweise ohne große Highlights, vielleicht nimmt er da erstmal was sich ihm anbietet und wer weiß, vielleicht ist da so eine Kreuzfahrt erstmal nicht die Schlimmste aller Möglichkeiten.


    Weißt du das nicht? Viele Neurentner gehen erst mal auf Kreuzfahrt :zwinker:. Insofern wird Felix wieder ganz durchschnittlich. Aber richtig in Rente geht er ja noch nicht.


  • Sehr schön fand ich wie das Loslassen seiner Tochter erzählt wurde und schön fand ich auch daß dieser Hauch von Übersinnlichkeit blieb, die leise Andeutung, daß etwas von Miranda ihn wirklich die ganze Zeit begleitet hat...


    Da kann ich nur zustimmen! Schön, zart, poetisch war überhaupt die Geschichte mit Felix' Tochter, die ihn zwölf Jahre lang begleitet hat - und dann langsam gehen durfte.
    Den Beginn dieser Loslösung bemerkte ich, als Felix bei Fletcher zu arbeiten anfing, also wieder zaghafte Schritte ins Leben machte. Und dann ist sie sanft immer mehr entschwunden - und doch war sie irgendwie da. Wunderschön erzählt von Margaret Atwood...

  • So geht es mir auch. Ich habe zwar ein bisschen Sekundärliteratur zu Shakespeare, aber Atwood hat ihre ganz eigene Art, das Stück den Lesern nahezubringen. Schade nur, dass ihr eigenes Werk daneben fast ein bisschen kurz kommt. Wie dieses Buch wohl bei ihren Fans ankommt, die Shakespeare nicht kennen oder nichts mit ihm anfangen können? Ich stelle mir das vor wie bei "Ulysses": So viele Andeutungen und so wenig davon erkannt. Aber Margaret Atwood hat den Status, solche Themen aufgreifen zu können und ihre Stammleser nicht zu enttäuschen. Die bereitgestellte Inhaltsangabe des "Sturm" wäre allerdings am Anfang des Buches besser platziert. Es schauen nicht alle vor dem Lesen hinten ins Buch rein.


    Ja, da schließe ich mich auch an, von ihr würd ich mir noch mehr Shakespeare-Neufassungen wünschen.
    Insgesamt glaub ich schon, daß sie sich wirklich sehr bemüht hat, sich selbst und ihre eigenen Ambitionen zurückzustellen und wirklich Shakespeare gerecht zu werden.
    ich werd sehr bald ihr neues Buch "Das Herz kommt zuletzt" anpacken, hab jetzt richtig Lust drauf, weil mir mit "Hexensaat" wieder bewußt wurde, was für eine großartige Schriftstellerin sie ist. Überhaupt werd ich mich wohl nach und nach auch durch ältere Bücher lesen.




    Auch mir hats sehr viel Freude gemacht mit Euch und Euren Gedanken und Überlegungen dazu, dieses Buch zu lesen :sonne:

    Von den Sternen kommen wir, zu den Sternen gehen wir.

    Das Leben ist nur eine Reise in die Fremde.”

    (aus: "Die Stadt der träumenden Bücher")




  • Ja, da schließe ich mich auch an, von ihr würd ich mir noch mehr Shakespeare-Neufassungen wünschen.
    Insgesamt glaub ich schon, daß sie sich wirklich sehr bemüht hat, sich selbst und ihre eigenen Ambitionen zurückzustellen und wirklich Shakespeare gerecht zu werden.
    ich werd sehr bald ihr neues Buch "Das Herz kommt zuletzt" anpacken, hab jetzt richtig Lust drauf, weil mir mit "Hexensaat" wieder bewußt wurde, was für eine großartige Schriftstellerin sie ist. Überhaupt werd ich mich wohl nach und nach auch durch ältere Bücher lesen.


    Ich finde auch, sie könnte noch dies und das von Shakespeare adaptieren - wobei ich aber wirklich auch interessiert bin an den "Neudichtungen" der anderen Autoren, die bisher erschienen sind. Ich habe davon bisher nur das von Anne Tyler gelesen, die sowieso eine meiner Lieblingsautorinnen ist und das hat mir auch sehr gut gefallen.
    Bei weiteren Werken von Margaret Atwood halten mich ein bisschen diese Zukunftsthemen ab, auf die springe ich nicht an...

  • Hallo,


    ich habe ja nun doch noch fast aufgeschlossen, nach dem verzögerten Beginn und ich glaube ich muss das ganze erstmal setzen lassen. Ganz so überragend fand ich den letzten Teil nämlich nicht, der Spannungsbogen ist für mich zu früh aufgelöst wurden, ja die Geschichten der erdachten Zukünfte der Personen waren interessant und bildeten nach dem interaktiven Theaterstück nochmal einen formellen Abschluss zu diesem Projekt, aber wirklich weitergebracht hat es mich und meine Empfindungen zu diesem Buch nicht.



    Genau diese Gedanken kann ich bestätigen, der Höhepunkt war da, aber es fehlt ein ebenso passender Abschluss...
    Alle Dinge werden einfach nur noch aufgelöst, soweit das möglich ist, aber zu keiner der Protagonisten erfährt man noch wirklich etwas.


    Hier sind wir wieder bei dem Unterschied Drama vs. Roman - bei einem Drama braucht es das für mich nicht, hier in der Romanform fehlt es mir und ich empfinde es unvollständig.


    Aber ich mache mir erstmal meine Gedanken zum Buch als Ganzes...


    Viele Grüße
    schokotimmi


  • Hier sind wir wieder bei dem Unterschied Drama vs. Roman - bei einem Drama braucht es das für mich nicht, hier in der Romanform fehlt es mir und ich empfinde es unvollständig.


    Dazu ist der hintere Klappentext aufschlussreich. Hier steht, dass dieses Stück für Atwood besonders verlockend war, weil Shakespeare viele Fragen offen lässt. Ein paar der Protagonisten hat sie ja ein Ende gegönnt, wenn auch ein knapp forumuliertes, aber in den meisten Fällen bleibt offen, was mit den Leuten passiert. Vielleicht hat sie sich da dem Vorbild angeschlossen.


  • ( ... ) der Höhepunkt war da, aber es fehlt ein ebenso passender Abschluss...
    Alle Dinge werden einfach nur noch aufgelöst, soweit das möglich ist, aber zu keiner der Protagonisten erfährt man noch wirklich etwas.


    So ist es! Und genau so ist Shakespeare mit "Der Sturm" verfahren. Der Höhepunkt war Prosperos Rache, danach war sozusagen die Luft raus aus dem Stück. Man erfährt wenig mehr.
    Nicht umsonst hat Felix seine Schauspieler aufgefordert, sich zu überlegen, was mit den Charakteren weiter geschehen könnte! Und nicht umsonst auch hat Margaret Atwood das Ende ihres Romans offen gelassen.
    Mir gefällt das gut, denn es passt einfach. Und es sagt uns etwas über die Genauigkeit, mit der Atwood vorgegangen ist. Der großen Linie des Shakespeare-Stücks ist sie haargenau gefolgt!

  • Dazu ist der hintere Klappentext aufschlussreich. Hier steht, dass dieses Stück für Atwood besonders verlockend war, weil Shakespeare viele Fragen offen lässt. Ein paar der Protagonisten hat sie ja ein Ende gegönnt, wenn auch ein knapp forumuliertes, aber in den meisten Fällen bleibt offen, was mit den Leuten passiert. Vielleicht hat sie sich da dem Vorbild angeschlossen.


    Im ersten Moment ging es mir auch so, nachdem das Stück im Gefängnis gelaufen war, kam dann im Grunde nur noch das "Nachgeplänkel" , wobei mir besonders der Teil mit dem "Weiterdenken" der Häflinge sehr gut gefiel, auch der Abschied oder das Freigeben von Miranda fand ich wie oben schon gesagt wirklich sehr berührend, mit der Kreuzfahrt-Geschichte hadere ich noch etwas, das ist ein bisschen wie Ernüchterung, aber ja... wie Doris schon sagt, viele ältere Herrschaften gehen erstmal auf Kreuzfahrt und irgendwie muß ich bei dem Gedanken an Felix auf dem Kreuzfahrtschiff auch schmunzeln. Insgesamt kann man aber natürlich sagen, daß nach der Aufführung im Gefängnis die Luft ein bisschen raus war.
    Nach einigem Nachdenken kann ich aber gut damit leben, auch in den Theaterstücken ist es oft so daß nach der großen "Auflösung" noch ein bisschen Ordnen und Aufklären kommt, was meist dann schon etwas "nüchterner" ist. Ich denke Margaret Atwood hat sich bewußt, vielleicht sogar diszipliniert, ganz eng an das Stück gehalten, möglichkerweise auch als Verbeugung vor Shakespeare (ich bin mir sicher ihr wären alternative Enden eingefallen). Ich denke wie man es dann empfindet hat auch was mit der eigenen Erwartungshaltung zu tun und ich bin mir gar nicht so sicher was ich eigenlicht erwartet hatte, mir gewünscht hatte und ob es mir jetzt lieber wäre sie hätte ab irgendeinem Punkt die Geschichte in eine andrere Richtung gelenkt. Ich hatte jedenfalls sehr viel Freude mit dem Buch, intellektuell wie emotional.
    Ich muß auch noch über eine Gesamtbewertung nachdenken und schreib dann die Rezi.



    ***



    Ihr habt ja teilweise auch schon eins der anderen Bücher aus dem Shakespeare-Projekt gelesen, wie war es da, z.B. bei "Die störrische Braut" , wurde da freier interpretiert oder sich auch eher eng ans Original gehalten?

    Von den Sternen kommen wir, zu den Sternen gehen wir.

    Das Leben ist nur eine Reise in die Fremde.”

    (aus: "Die Stadt der träumenden Bücher")



    Einmal editiert, zuletzt von Firiath ()

  • Ich denke Margaret Atwood hat sich bewußt, vielleicht sogar diszipliniert, ganz eng an das Stück gehalten, möglichkerweise auch als Verbeugung vor Shakespeare.


    Ich bin, wie ich vorher auch schon ausgeführt habe, überzeugt davon, dass sich Margaret Atwood mit "Hexensaat" vor Shakespeare nicht nur verbeugte sondern auch sich selbst die Ehre gab, das Stück des Barden für die heute lebenden Generationen zu erzählen, getreu dem Vorbild! Und dann konnte sie auch nicht aus dem offenen Ende des "Sturms" ein rundes, stimmiges Ende für Felix konstruieren!
    Überhaupt ist sie keine Autorin, die gerne alle Fragen ihrer Leser beantwortet, womit ich sagen möchte, dass sie gerne Rätsel aufgibt, dass sie den Leser zum Mit- und Weiterdenken auffordert.
    Mir gefällt das! Ich möchte gerne am Ende auch meine eigene Phantasie spielen lassen...

  • Hallo,


    ich habe noch ein wenig darüber nachgedacht und ja es ist in Ordnung dass die Autorin die Enden (analog des Originals) offen läßt, trotz allem fehlt mir die Tiefe, das besondere eines Romans, denn ihre Interpretationen der einzelner Szenen oder Handlungsteile waren sehr anregend und inspirierend und genau dass hat mir am Ende gefehlt.
    Ich habe nicht erwartet, dass sie alles erklärt und Dinge weiter führt. Aber es fehlt am Ende etwas, dass die Sache rund macht.


    Aber das ist wirklich "nörgeln" auf hohem Niveau, ich fand die Adaption "Der Sturm" um längen besser als "Der Widerspenstigen Zähmung", hier war das Ende einfach nur gruselig Happy End Hollywood-mäßig.
    Zu deiner Frage Firiath: Auch bei "Die störrische Braut" wurde sich von den Ereignissen ans Original gehalten. Der Reiz der verschiedenen Ebenen hier durch das Theaterstück fehlte dort gänzlich.
    Aber vllt. bin ich da auch der falsche Ansprechpartner, das Buch wurde ja nicht so sehr kritisiert, wie ich das tue... :redface: Hier trotzdem der Link


    Beim Querlesen meiner Rezi zur "Störrischen Braut" stelle ich fest, dass ich dort neben anderen Dinge auch schon die "Tiefe" bemängelt habe. Das scheint wohl an mir und meinen Erwartungen an die Adaptionen zu liegen. :rollen:


    Viele Grüße
    schokotimmi


  • ich habe noch ein wenig darüber nachgedacht und ja es ist in Ordnung dass die Autorin die Enden (analog des Originals) offen läßt, trotz allem fehlt mir die Tiefe, das besondere eines Romans, denn ihre Interpretationen der einzelner Szenen oder Handlungsteile waren sehr anregend und inspirierend und genau dass hat mir am Ende gefehlt.
    Ich habe nicht erwartet, dass sie alles erklärt und Dinge weiter führt. Aber es fehlt am Ende etwas, dass die Sache rund macht.


    Guten Morgen!
    Ich kann Dir nur wirklich zustimmen: es ist nicht notwendig, alles zu erklären und zu einem mehr oder weniger guten Ende zu bringen. Ein offenes Ende ist manchmal sehr reizvoll! Aber das Ende, das hier geschrieben wurde, war im wirklich - im Gegensatz zum restlichen Buch - etwas "einfach", zu wenig "gehaltvoll", zu wenig anregend. So ist es mir auch gegangen - was aber meiner Begeisterung für das Buch, die großartige Idee und deren Umsetzung keinen Abbruch tut!



    Aber das ist wirklich "nörgeln" auf hohem Niveau, ich fand die Adaption "Der Sturm" um längen besser als "Der Widerspenstigen Zähmung", hier war das Ende einfach nur gruselig Happy End Hollywood-mäßig.
    Zu deiner Frage Firiath: Auch bei "Die störrische Braut" wurde sich von den Ereignissen ans Original gehalten. Der Reiz der verschiedenen Ebenen hier durch das Theaterstück fehlte dort gänzlich.
    Aber vllt. bin ich da auch der falsche Ansprechpartner, das Buch wurde ja nicht so sehr kritisiert, wie ich das tue... :redface:


    Auch hier: volle Zustimmung! Ich hab die störrische Braut alleine (ohne Leserunde) gelesen, weil ich dieses Projekt, Shakespeare "neu" zu schreiben, wirklich toll finde.... aber die störrische Braut war überhaupt nicht mein Fall! Und ich hab mich über viele positive Kritiken gewundert! Jetzt seh ich, dass ich mit dieser Meinung wenigstens nicht alleine dasteh! :zwinker:


    :winken:

    Vernunft, Vernunft...

  • Ich kann Dir nur wirklich zustimmen: es ist nicht notwendig, alles zu erklären und zu einem mehr oder weniger guten Ende zu bringen. Ein offenes Ende ist manchmal sehr reizvoll! Aber das Ende, das hier geschrieben wurde, war im wirklich - im Gegensatz zum restlichen Buch - etwas "einfach", zu wenig "gehaltvoll", zu wenig anregend. So ist es mir auch gegangen - was aber meiner Begeisterung für das Buch, die großartige Idee und deren Umsetzung keinen Abbruch tut!


    Wenn Raum für eigenen Überlegungen bleibt, kann das oft ganz reizvoll sein. Ich muss nicht immer für alles ein konkretes Ende haben. Manchmal möchte man als Leserin ja auch ein bisschen selbst inszenieren. Das habe ich bei anderen Büchern auch schon zum Ausdruck gebracht. Aber wenn die Charaktere zu vage bleiben oder mir einer besonders aufgefallen ist, über den ich mehr wissen möchte, aber keine Informationen mehr bekomme, stört mich das schon. Das führt oft zu falschen Rückschlüssen oder Erwartungen. Im Verspekulieren bin ich ganz groß :smile:. Die Häftlinge haben ja eine nicht unbedeutende Rolle gespielt, deshalb hatten sie mehr Aufmerksamkeit verdient. In der Hinsicht fand ich die selbst ausgedachte Fortführung der Schicksale aufschlussreich, denn daraus kann ich Rückschlüsse über die Charaktere ziehen.