Teil III - Seite 135 bis 194 (Kapitel 11 - 29)

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    LG, Dani


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  • Mit dem Stück geht es langsam voran. Die Rollen werden besetzt, Requisiten besorgt und geprobt. In dieser Zeit sinniert Felix kurz über seine Aufgabe als Regisseur. Seine Einstellung gefällt mir: Das Stück ist die Hauptsache. Seine Aufgabe ist es, den Schauspielern zu helfen, es aufzuführen. Keine Anzeichen eines Egotrips. Anhand der Requisiten vermute ich aber, dass er kein Regisseur nach meinem Geschmack wäre. Ich mag es nicht, wenn klassische Stücke derart überladen sind, und das auch noch von lauter Kitsch. Ein bisschen was geht immer, aber nicht so viel.


    Im 25. Kapitel beginnt dann die heiße Phase. Ich glaube, das ist ein wichtiger Moment für Felix' weitere Pläne, auch wenn das Stück irgendwie nicht richtig lebt. Der Funke ist noch nicht übergesprungen. Bis die Truppe einen Vorschlag macht und etwas eigenes einstudiert. Es ist gut, aber Felix bringt es nicht übers Herz, das zuzugeben, obwohl er Eigeninitiative gefordert hatte. Sieht er sich um seine Rachepläne gebracht?


    Welche Bedeutung entwickelt Anne-Marie für ihn, die den Jungs geholfen hat, ihre eigene Inszenierung aufzustellen? Es ist möglich, dass er in ihr seine kleine Miranda als Erwachsene sieht, und Anne-Marie ist höchst normal im Gegensatz zur Miranda im Stück und in seiner Phantasie. Trotzdem mag er die junge Frau. Er hat auch ein Problem, seine makellose Tochter in Form eines Fotos unter die Sprößlinge der Gefangenen zu mischen. Am Ende dieser Phase bricht Felix zusammen. Ich glaube, das ist ein wichtiges Kapitel für den weiteren Verlauf.


    Etwas später will Miranda selbst im Stück mitspielen. Logischerweise wehrt er zuerst ab, denn dann müsste er sie mit anderen Menschen teilen. Er möchte offensichtlich seine Illusion von ihr erhalten, weil er einsam ist. Aber wie in dem Stück holt das Leben die junge Frau ein und sie will daran teilhaben.


    Als im 28. Kapitel Caliban sich in seinem Monolog mehrfach als "Hexensaat" bezeichnete, beschlich mich unvermittelt der Gedanke, dass Felix gar nicht selbst zum Täter wird (falls er sie überhaupt umbringen will - es gibt ja auch andere Möglichkeiten der Rache), sondern einen seiner Schauspieler entsprechend instrumentalisiert, wie TochterAlice weiter vorne schon vermutete. Andererseits: Wenn er zum Täter wird, könnte er sich in seiner Gefängniszelle (= Insel) für alle Zeiten mit Miranda zurückziehen. Es wird spannend.

  • Felix zieht Anne-Marie ja richtig ins Vertrauen - ob ihm das nicht zum Verhängnis wird? Die Notizen, die er ihr präsentiert, dürfen keineswegs in fremde Hände gelangen - ob das auch wirklich so hinhaut? Ich habe so meine Zweifel!


    Felix ist halt wirklich ein besonderer Typ! Sein Einfluss wirkt durch Feinde an hoher Stelle (S. 162) - ziemlich ungewöhnlich!


    Und das Stück von Felix wurde durch seine eigenen Leute "unterwandert" - ob sein Vorhaben so klappt wie geplant? Seine Schauspieler agieren doch sehr selbständig, und Anne-Marie leistet auch noch Schützenhilfe. Lässt sich das so durchziehen? Aber vielleicht geht es ja in die richtige Richtung und Felix bekommt durch diese Parts sogar noch Unterstützung. Wobei - ein guter Regisseur lässt bekanntlich die anderen glauben, dass sie selbständig agieren, setzt aber selber - quasi unmerklich - seine besten Ideen um. Und zweifellos ist Felix ein guter Regisseur - also mal schauen, wo die Reise hingeht.


    Sehr, sehr gut hat mir das Requisiten-Shopping von Felix gefallen - die Verkäufer müssen sich ja wirklich ihren Teil gedacht haben! Ich bin gespannt, wie das alles so umgesetzt wird. Mir schwant Gewaltiges - in welche Richtung auch immer! Vor allem in dem Laden, in dem das Bondage-Artige Zeug eingesorgt wurde, ging es sehr unterhaltsam zu.


    Ich habe das Gefühl, dass sich die Figuren von Anne Marie und Miranda im Theater & wahren Leben vermischen. Ist das nun gut oder schlecht - für das Stück und für Felix? Vieles davon spielt sich ja auch tatsächlich in seinem Kopf ab - wird er von beiden Mirandas vereinnahmt, besiegt oder was auch immer? Vielleicht ja auch auf unterschiedlichen (Daseins)Ebenen...


  • Mit dem Stück geht es langsam voran. Die Rollen werden besetzt, Requisiten besorgt und geprobt. In dieser Zeit sinniert Felix kurz über seine Aufgabe als Regisseur. Seine Einstellung gefällt mir: Das Stück ist die Hauptsache. Seine Aufgabe ist es, den Schauspielern zu helfen, es aufzuführen. Keine Anzeichen eines Egotrips. Anhand der Requisiten vermute ich aber, dass er kein Regisseur nach meinem Geschmack wäre. Ich mag es nicht, wenn klassische Stücke derart überladen sind, und das auch noch von lauter Kitsch. Ein bisschen was geht immer, aber nicht so viel.


    Ich wäre schon neugierig - sowohl wegen der Änderungen im Stück als auch wegen der Requisiten


    Welche Bedeutung entwickelt Anne-Marie für ihn, die den Jungs geholfen hat, ihre eigene Inszenierung aufzustellen? Es ist möglich, dass er in ihr seine kleine Miranda als Erwachsene sieht, und Anne-Marie ist höchst normal im Gegensatz zur Miranda im Stück und in seiner Phantasie. Trotzdem mag er die junge Frau. Er hat auch ein Problem, seine makellose Tochter in Form eines Fotos unter die Sprößlinge der Gefangenen zu mischen. Am Ende dieser Phase bricht Felix zusammen. Ich glaube, das ist ein wichtiges Kapitel für den weiteren Verlauf.


    Ja, das ist ja auch für mich ein zentraler Punkt in diesem Absatz - was und wer ist Miranda und was wird aus ihr innerhalb des weiteren Geschehens?


    Als im 28. Kapitel Caliban sich in seinem Monolog mehrfach als "Hexensaat" bezeichnete, beschlich mich unvermittelt der Gedanke, dass Felix gar nicht selbst zum Täter wird (falls er sie überhaupt umbringen will - es gibt ja auch andere Möglichkeiten der Rache), sondern einen seiner Schauspieler entsprechend instrumentalisiert, wie TochterAlice weiter vorne schon vermutete. Andererseits: Wenn er zum Täter wird, könnte er sich in seiner Gefängniszelle (= Insel) für alle Zeiten mit Miranda zurückziehen. Es wird spannend.


    Ich finde auch, die Tendenz zu dieser Art des Agierens verdichtet sich, aber was wird die "Tat" sein? Ich mag nicht glauben, dass es Mord ist, jetzt eigentlich noch weniger als vorher

  • Das Stück nimmt Gestalt an!
    Und wieder beeindruckt mich die akribische Vorgehensweise von Felix! Er ist und bleibt ein Theatermann, bedenkt - fast - alle Eventualitäten, lenkt seine Schauspieler mit kluger Hand, bringt ihnen den Sturm nahe, schafft es, ihn ihnen überhaupt erst schmackhaft zu machen.
    Als Regisseur war er vor seinem Fall, der ja ein Sturz war, schon außergewöhnlich, als Theaterpädagoge ist er es nicht minder!
    Die Handschrift der Autorin, keine Frage...


    Aber es war klar, dass nicht alles so glatt ablaufen würde, wie in den drei vorangegangenen Jahren. Zum einen ist "Der Sturm" ein schwieriges Stück und weniger für die Gefängnisinsassen geeignet als die Stücke vorher. Und da braucht es Felix ganze Geschicklichkeit und viele Zugeständnisse, viele Kompromisse, mit denen er sich nicht unbedingt wohl fühlt, um sein Projekt durchzubekommen. Man spürt sein Ringen und muss seine Methoden, seinen Einfallsreichtum einfach bewundern!
    Ich finde ihn auch erstaunlich demokratisch, er lässt unglaublich viel Mitbestimmung zu. Auch wenn dies auf Kosten seines Verständnis des Stückes geht!
    Zum anderen steht diese Aufführung unter einem ganz anderen Stern als die Vorgänger. Da stand im Grunde nichts auf dem Spiel für Felix. Jetzt tut es das schon! Sein Plan muss gelingen.
    Wie ich schon vermutet hatte, ging er zwar natürlich mit dem Rachegedanken an die Arbeit am Sturm, aber keineswegs mit einer konkreten Idee, wie er seine Rache in die Tat umsetzen würde.
    Das hat sich langsam entwickelt. Aber jetzt weiß er, wie es klappen könnte...
    Aber unsicher ist er! Unsicher und - unglücklich. Zuviel lässt er sich von seinen Schauspielern, angeführt von Anna-Marie, in seine Vorstellungen hineinreden. Er, der Prospero, muss darum bangen, dass seine große und wichtige Rolle auf eine bloße Nebenrolle reduziert wird.


    Und auch mit sich selbst und seiner imaginären Tochter hat er Schwierigkeiten. Sie beginnt, ihm immer mehr zu entgleiten. Er leidet darunter.
    Aber ich meine, dass dies, obwohl es erst einmal nicht so scheint, der Beginn seiner Gesundung sein könnte, oder das Ende seiner viel zu langen Trauerzeit andeutet. Auch für ihn, obwohl er müde ist und nicht mehr jung, muss es die Möglichkeit geben, weiter zu leben, richtig zu leben - und nicht nur zu existieren... ( ich sehe ihn als charismatischen zukünftigen Theaterpädagogen! )
    Aber das wird wohl erst dann funktionieren, wenn sein Plan gelingt. Im Moment steht er, so scheint mir, auf recht wackligen Füßen...


  • Ich finde auch, die Tendenz zu dieser Art des Agierens verdichtet sich, aber was wird die "Tat" sein? Ich mag nicht glauben, dass es Mord ist, jetzt eigentlich noch weniger als vorher


    Felix halte ich für viel zu zivilisiert, um einen Mord zu begehen! Und da er über einen Riesenfundus an originellen Ideen verfügt, wäre Mord viel zu simpel.
    Nein, es wird etwas Spektakuläres sein, etwas, das die beiden Minister entlarvt als die erbärmlichen Opportunisten, die sie sind.
    Und auch um Einkesseln, Angsteinjagen geht es. Deshalb die Taucherbrillen, schwarz, unheimlich, den Großteil des Gesichtes verdeckend... Diesen Plan, zu dem die Häftlinge gehören, hatte er ja schon frühzeitig.

  • Felix arbeitet unbeirrt weiter - einerseits an der Inszenierung des Sturms und andererseits an der Inszenierung seiner Rachen. Diesbezüglich sieht Felix langsam wie es ablaufen könnte Tony und Sal von Trollen umgeben. Von ihnen gehütet. Von ihnen bedroht. Zu einer bibbernden Masse reduzeirt - Troll & Söhne halt...


    Etwas später bezeichnet er die Trolle als ultimative Waffe. Ich hoffe ja wirklich, dass M. Atwood von allzu blutiger Rache Abstand genommen hat - Prosperos Rache ist ja auch nicht Mord und Totschlag, oder? Allerdings fallen mir dann natürlich sofort auch wieder die Schüsse im Prolog ein... und ich bin wieder ratlos!
    Der Gedanke, dass Felix die Gefangenen zu Trollen macht, sie zu ausführenden Kräften seiner Rache umfunktioniert, gefällt mir ganz und gar nicht!


    Anne-Marie wird seine Verbündete. Aber sie wird auch zur Verbündeten der Schauspieler. Sie unterstützt sie und ihre Ideen bezüglich des Theaterstückes und der Rap des bösen Bruders Antonio ist einfach großartig! Auch wenn Felix seine zustimmung dazu nur zögerlich geben kann. Eifersucht? Sicher! Dabei könnte er doch stolz sein. Schließlich sind das ja nur die Folgen seiner Arbeit. Und ich glaube nicht, dass dieser Monolog unbedingt von Prospero gesprochen werden muss, um die Rache auch gut auf die Bühne zu bringen!
    Wirklich zu Herzen gehend fand ich die Idee mit den besonderen Bildern, die kurzzeitig wie Sterne leuchten sollen. Stimmt schon - ist ein wenig schmalzig... aber hin und wieder hab ich sehr viel übrig für Kitsch! :redface:


    Der Zusammenbruch, der folgt, wird entscheidend für den Rest der Handlung: Felix ist in seiner Trauer verloren und einsam. Erkennt er, dass er selber gleichzeitig Gefangener und Wärter ist?


    Sein Einkaufsbummel ist interessant und amüsant. Auch weil erstmals die Requistien "gezeigt" werden. Alles wird phantastisch und nachdem der Sturm ja ein Märchenspiel ist, darf die Phantasie ruhig ein wenig überborden mit blauen Flügeln und Echsenaugen.
    Ein sehr interessanter Satz ist mir da auch noch aufgefallen. Auf der Seite 177 steht: Es genügen ein paar Dinge: Das Gehirn vervollständigt dann das Bild
    War das bei mir nicht mit dem Prolog so? Der Hinweis auf Schüsse und das Wissen, dass Rache ein wichtiges Element der Geschichte ist und prompt fürchte ich eine blutige Geschichte. Dabei sind Regisseure doch Fachleute für Theaterblut...


    Es ist immer wieder beklemmend für mich, wie lebendig und lebensbestimmend Miranda für Felix ist. Wie sollte er ihr sagen, dass nur er sie sehen kann. Sie würde es niemals glauben Schrecklich! Bei diesen Sätzen mußte ich schon schwer schlucken. Seine Trauer scheint endlos und unüberwindbar. Aber wenn seine Miranda eher ein Ariel ist (und davon bin ich ziemlich überzeugt) dann wird er sie loslassen müssen!


    Damit habe ich jetzt die Notizen von 3 Uhr Früh (Nachtdienst) kurz zusammengefasst.
    Alles in allem: wir sind mitten in dieser Geschichte in der Geschichte!
    Nach wie vor finde ich die Hinweise auf die Theaterarbeit, das Erarbeiten eines Theaterstückes wirklich informativ und spannend!


    Es ist ein tolles Buch, aber das Lesen mit Euch gemeinsam macht es zu etwas ganz Besonderem!


    :winken:

    Vernunft, Vernunft...

    Einmal editiert, zuletzt von ysa ()

  • Sein Einkaufsbummel ist interessant und amüsant. Auch weil erstmals die Requistien "gezeigt" werden. Alles wird phantastisch und nachdem der Sturm ja ein Märchenspiel ist, darf die Phantasie ruhig ein wenig überborden mit blauen Flügeln und Echsenaugen.
    Ein sehr interessanter Satz ist mir da auch noch aufgefallen. Auf der Seite 177 steht: Es genügen ein paar Dinge: Das Gehirn vervollständigt dann das Bild


    Interessant und amüsant - genau so! Und wieder offenbart Margaret Atwood ihre Liebe zum Detail, die mich die ganze Zeit schon entzückt! Wie exakt doch alles geplant ist! ( dass selbst bei akribischer Planung nicht alles so laufen mag, wie gewünscht, ist dabei nie ausgeschlossen, - und Felix darf das während der Proben bereits erfahren...)
    Obwohl ich nicht unbedingt eine Anhängerin des experimentellen Theaters bin, mag ich überbordende Phantasie doch sehr! Und dein Zitat finde ich Klasse! Es ist wahrhaftig zutreffend! Es lebe die Phantasie!
    Und um diese anzuregen, gibt es keinen Besseren als Shakespeare...


  • Es ist immer wieder beklemmend für mich, wie lebendig und lebensbestimmend Miranda für Felix ist. Wie sollte er ihr sagen, dass nur er sie sehen kann. Sie würde es niemals glauben Schrecklich! Bei diesen Sätzen mußte ich schon schwer schlucken. Seine Trauer scheint endlos und unüberwindbar. Aber wenn seine Miranda eher ein Ariel ist (und davon bin ich ziemlich überzeugt) dann wird er sie loslassen müssen!


    Er sollte sie vor allem um seines eigenen Wohles willen loslassen. Ich kann verstehen, dass der Schmerz groß ist, aber nach 12 Jahren sollte Felix an sich selbst denken und sein Leben leben, ohne Rücksicht auf Miranda. Er bindet sich gedanklich und blockiert sich damit. Ich habe aber das Gefühl, dass Miranda irgendwie selbständiger wird - so blöd das klingt bei einer imaginären Person. Vielleicht macht er einen Wandel durch und sieht es unbemerkt realistischer als früher.


    Was mir nicht aus dem Kopf geht, sind die neun Gefängnisse, die ganz am Anfang dieses Abschnittes gesucht werden. Ich habe den Sinn nicht ganz verstanden. Es wurden auch nur acht gefunden. Wenn ich es richtig verstanden habe, könnte der Sturm selbst eines sein, weil er alle zumindest vorübergehend gefangen setzt oder auf die Insel verfrachtet hat. Nur so ein Gedanke.

  • Etwas später bezeichnet er die Trolle als ultimative Waffe. Ich hoffe ja wirklich, dass M. Atwood von allzu blutiger Rache Abstand genommen hat - Prosperos Rache ist ja auch nicht Mord und Totschlag, oder? Allerdings fallen mir dann natürlich sofort auch wieder die Schüsse im Prolog ein... und ich bin wieder ratlos!


    Blutige Rache kann ich mir nicht vorstellen - Felix' Rache wird viel subtiler sein! Allerdings kann ja immer etwas schiefgehen..., das würde dann den Prolog erklären, wenn der nicht ( und das traue ich Margaret Atwood durchaus zu! ) zur Irreführung des Lesers vorangestellt wurde. Alles ist Illusion...
    Und dass nicht alles nach Plan verläuft, können wir ja gerade in diesem Leseabschnitt hier verfolgen.




    Felix ist in seiner Trauer verloren und einsam. Erkennt er, dass er selber gleichzeitig Gefangener und Wärter ist?


    Felix kann sich sehr gut selbst analysieren. Er macht sich bezüglich seiner Person nichts vor. Wenn er früher einmal ein aufgeblasener, selbstverliebter Theatermann war, so ist er das nach zwölf Jahren selbstgewählter Einsamkeit nicht mehr.
    Also ja - ich glaube wirklich, dass er sein persönliches Dilemma genau kennt!

  • Er sollte sie vor allem um seines eigenen Wohles willen loslassen. Ich kann verstehen, dass der Schmerz groß ist, aber nach 12 Jahren sollte Felix an sich selbst denken und sein Leben leben, ohne Rücksicht auf Miranda. Er bindet sich gedanklich und blockiert sich damit. Ich habe aber das Gefühl, dass Miranda irgendwie selbständiger wird - so blöd das klingt bei einer imaginären Person. Vielleicht macht er einen Wandel durch und sieht es unbemerkt realistischer als früher.


    Das sehe ich wirklich auch so und ich bin mir fast sicher, dass irgendetwas in dieser Art noch thematisiert wird. Allerdings schafft es Felix ja durchaus, nicht vollständig in seine Miranda-Scheinwelt abzugleiten - das ist ja immerhin ein Vorteil für ihn!
    Ja... ich hatte beim Lesen auch das Gefühl, dass Miranda irgendwie in die Pubertät kommt und sich ein weng loslöst!
    Miranda ist ein sehr interessanter psychologischer Aspekt - obwohl jedes Gespräch mit Miranda für mich tieftraurig und beklemmend ist!
    :geschenk:

    Vernunft, Vernunft...

  • Felix' Zauber-Tochter Miranda wird Ariel, wie sie es für mich von Anfang an war, Felix tanzt immer noch auf dem seidenen Faden zwischen Selbsterhaltung und das Leben verschlingender Trauer, ich weiß nicht genau welchem Teil davon ich seine Rachegedanken zuordnen soll.
    Das Theaterstück nimmt seinen Lauf, entgleitet ihm teilweise, was er gleichermaßen interessiert wie beunruhigt verfolgt. Das Stück nimmt Formen an, ich sehe viele Szenen bereits vor Augen und das Buch ist weiterhin wirklich spannend, anregend und begeistert zu lesen.


    Wirklich beindruckend wie viele Erzähl- und Gedankenebenen sich öffnen und alle miteinander verwoben sind! Das ist wirklich jemand am Schreiben der sein Metier beherrscht und sich viele Gedanken über das Leben im Allgemeinen, Shakespeare und dieses Buch im Besonderen gemacht hat.


    Gleichzeitig fällt mir (wieder) auf wie sehr Frau Atwood doch auf der Höhe der Zeit ist, sie hat ja nun schon ein wirklich fortgeschrittenes Alter und nicht viele Schriftsteller ihrers Alters sind noch gewillt sich derart mit Gepflogenheiten und Veränderungen aufgrund Internet/neuer Medien usw. zu beschäftigen, die aktuelle Zeit genau zu beobachten, zu analysieren, offen und ohne sich nur auf Rückwärtsgewandtheit und Nostalgie auszuruhen, sie hat einen interessierten, dazu kritischen, überaus scharfen Blick auf die Entwicklungen dieser Zeit.


    Beindruckend und sehr berührend find ich die Momente in denen die "Wahrheit" durchbricht, die tiefe Trauer Felix' , die alles in seinem Leben bestimmt, alles andere im Grunde überlagert, selbst die Inszenierung der Rache ist im Grunde nur "Ablenkung". Einer dieser Momente z.B. als die Hälftlinge ihm anbieten, er könne doch zu der Bilderserie der Häflingskinder auch etwas beisteuern.
    Er nimmt an, daß sie nichts wissen von seiner Vergangenheit, ich könnte mir aber durchaus vorstellen, daß Anne-Marie doch auch den Häfltingen gegenüber "geplaudert" hat.


    Eine Szene in der mir mulmig wurde, ist die, in der er 8handz verspricht Haftverkürzung zu bekommen, wenn er nur das mit der "Überwachung" gut hinbekommt. Aber hier begibt er sich auf immer dünneres Eis. Es beleibt immens spannend wie es weitergeht und letztlich ausgeht. Man kann über Felix' Pläne mutmaßen, aber ich mach mich innerlich schon für die ein oder andere Überraschung bereit.


    Oder auch der Moment, als er Mirandas Schritte im Schnee sucht, immer wieder dieser Grad zwischen Fantasie und Wahnsinn. Seine Einkaufstour fand ich einerseits auch amüsant, andererseits auch teilweise todtraurig.


    Auch die Mischung aus Originalzitate, den veränderten (Rap-)Sequenzen der Hälftlinge und der Gedanken Felix' zu "Der Sturm" ist gelungen und intensiver kann man sich diesem Stück kaum näheren. Nebenher lese ich immer mal wieder in meine Ausgabe vom "Sturm" rein.


    Das Buch hat echt alles was das Leserherz begeistert :smile:
    Ich komm nur so relativ langsam voran, weil ich nur wenig Lesezeit insgesamt hab momentan und die Lektüre aber auch wirklich in Ruhe genießen will.

    Von den Sternen kommen wir, zu den Sternen gehen wir.

    Das Leben ist nur eine Reise in die Fremde.”

    (aus: "Die Stadt der träumenden Bücher")



    Einmal editiert, zuletzt von Firiath ()

  • Gleichzeitig fällt mir (wieder) auf wie sehr Frau Atwood doch auf der Höhe der Zeit ist, sie hat ja nun schon ein wirklich fortgeschrittenes Alter und nicht viele Schriftsteller ihrers Alters sind noch gewillt sich derart mit Gepflogenheiten und Veränderungen aufgrund Internet/neuer Medien usw. zu beschäftigen, die aktuelle Zeit genau zu beobachten, zu analysieren, offen und ohne sich nur auf Rückwärtsgewandtheit und Nostalgie auszuruhen, sie hat einen interssierten, dazu kritischen, überaus scharfen Blick auf die Entwicklungen dieser Zeit.


    Sie IST auf der Höhe der Zeit! Ihr Über-alles-Informiertsein, ihre Bereitschaft, "mit" der Zeit zu gehen, ist ein weiterer Beweis für ihre hohe Ernsthaftigkeit und Klasse als Schriftstellerin!
    Und ich bin überzeugt, dass jeder Schriftsteller ihrer Güte ( sooo viele gibt es davon nicht...) aber auch eine ganze Reihe anderer, noch älterer und nicht ganz von Atwoods Niveau, es genauso macht!
    Wenn schon nicht aus dem Bedürfnis heraus, mithalten zu können, dann doch, um keine Verkaufseinbußen ihrer Werke hinnehmen zu müssen... Also rein pragmatisch gesehen, sind die ewig Gestrigen nicht gut beraten!



    Auch die Mischung aus Orginalzitate, den veränderten (Rap-)Sequenzen der Hälftlinge und der Gedanken Felix' zu "Der Sturm" ist gelungen (...)
    Das Buch hat echt alles was das Leserherz begeistert


    Super ist das! Absolut großartig! Nicht alles muss hypermodern sein im Theater heutzutage, - aber die Ideen der Fletcher-Insassen sind so originell und gleichzeitig so stimmig, dass ich ihre Auffassung des Stücks für rundum gelungen halte - auch, wenn Felix nicht so ganz dieser Meinung ist. Aber klar, damit wird seiner eigenen Rolle viel weggenommen. Und das ist etwas, was kein Schauspieler mag....
    Und - das Buch hat ganz sicher genau das, was mein Leserherz begehrt!

  • Ich hab vorhin im Garten nochmal über das Ganze nachgedacht... auch über dieses 9. Gefängnis - vielleicht meint Felix damit daß jede Rolle sich selbst das Gefängnis ist, jeder Protagonist bleibt in seiner Rolle, muß darin bleiben, weil es ihm vom Schriftsteller so aufgezwungen wurde.


    Außerdem hab ich nochmal über die Trauer von Felix' nachgedacht, seineTrauer geht einher mit dem Gefühl von Schuld, er gibt sich die Schuld an Mirandas Tod, weil seine Arbeit ihm wichtiger war, weil er keine Anrufe entgegennahm, deshalb kommt er auch nicht darüber hinweg und diese Schuld ist ihm letzlich auch ein Gefängnis.


    Außerdem bin ich wirklich gespannt wie es mit der "Geist"-Miranda weitergeht, inzwischen haben ja auch andere ihre "Anwesenheit" bemerkt, ich mag diese feine Andeutung von Übersinnlichkeit die damit in die Geschichte verwoben wird.


    Bin gespannt auf wie vielen Ebenen wir "Der Sturm" noch präsentiert bekommen.

    Von den Sternen kommen wir, zu den Sternen gehen wir.

    Das Leben ist nur eine Reise in die Fremde.”

    (aus: "Die Stadt der träumenden Bücher")



    Einmal editiert, zuletzt von Firiath ()


  • Wirklich beindruckend wie viele Erzähl- und Gedankenebenen sich öffnen und alle miteinander verwoben sind! Das ist wirklich jemand am Schreiben der sein Metier beherrscht und sich viele Gedanken über das Leben im Allgemeinen, Shakespeare und dieses Buch im Besonderen gemacht hat.


    Da kann ich Dir nur voll und ganz zustimmen: M. Atwood beherrscht ihr Metier, sie schafft es, den Leser zu leiten, zu lenken und vor allem zu fesseln! Ich glaube, dass dieses Buch auch jene begeistert, die mit Shakespeare nicht viel anfangen können oder sich nicht die Mühe machen wollen, Shakespeare kennenzulernen. Dieses Buch gefällt und fasziniert! Und ich gebe zu: ich lasse mir von ihr wirklich gerne Shakespeare erklären! :zwinker:

    Vernunft, Vernunft...


  • Gleichzeitig fällt mir (wieder) auf wie sehr Frau Atwood doch auf der Höhe der Zeit ist [...]


    Stimmt, da ist sie wirklich am Ball geblieben.



    Oder auch der Moment, als er Mirandas Schritte im Schnee sucht, immer wieder dieser Grad zwischen Fantasie und Wahnsinn.


    In der Hinsicht ist er ziemlich labil. Er sieht ihre Schritte nicht im Schnee, sie hat kein Zimmer in seiner Hütte, sie will selbständig sein und in dem Stück mitspielen. Es ist überdeutlich, dass sie sich lösen will. Er weiß unbewusst, dass er sich da in Richtung Wahnsinn bewegt, denn gedanklich wird sie ja von ihm gesteuert. Sie ist ein Wesen seiner Phantasie. Aber er will sie nicht teilen und zwingt sie in die Isolation. Fast das ganze 27. Kapitel dreht sich um dieses Thema. Der Titel passt sehr gut: "Die du nichts von dem weißt, was du bist."

  • Da kann ich Dir nur voll und ganz zustimmen: M. Atwood beherrscht ihr Metier, sie schafft es, den Leser zu leiten, zu lenken und vor allem zu fesseln! Ich glaube, dass dieses Buch auch jene begeistert, die mit Shakespeare nicht viel anfangen können oder sich nicht die Mühe machen wollen, Shakespeare kennenzulernen. Dieses Buch gefällt und fasziniert! Und ich gebe zu: ich lasse mir von ihr wirklich gerne Shakespeare erklären! :zwinker:


    Das ist ganz sicher so! Sie weist den Weg zu dem Barden, vor dem viele zurückschrecken, weil sie ihn für unverständlich und nicht mehr zeitgemäß halten. Dass dem nicht so ist, demonstriert Atwood eindringlichst mit ihren Gefängnisszenen, der Erarbeitung des Sturms durch die Insassen, klug geleitet von dem begnadeten Pädagogen Felix ( oder M.A. selbst ).
    Ich persönlich habe Shakespeare immer gemocht - aber durch den Roman hier gewinnt er noch eine ganz andere Qualität für mich dazu, ich sehe ganz neue Aspekte! Das macht mich richtig glücklich!

  • Hier wurde auch schon erwähnt, dass Frau Atwood, obwohl sie nicht mehr die Allerjüngste ist, trotzdem noch über Medien und Internet, moderne Kommunikationstechnik etc gut informiert ist. Dem kann ich nur zustimmen! Mit dem Rückschluss, dass sie damit auch ganz deutlich macht, wie aktuell und immerwährend Shakespeare ist. Denn die Grundelemente seiner Geschichte sind auch heute noch überaus aktuell.
    :winken:

    Vernunft, Vernunft...

  • Hallo,


    auch ich habe nun das Entstehen des Stückes verfolgt, von ersten Proben, über die Rollenverteilung, die Einkäufe und die Ergänzung bzw Veränderung ganzer Szenen. Ich finde das Auf und Ab der Inszenierung sehr glaubhaft dargestellt, ich bin nicht vom Theater aber genau so stelle ich mir das vor...


    Daneben der Wahnsinn und die Einsamkeit die immer wieder und immer deutlicher hervortreten. Ich bin mir unsicher wohin es führt, aber für mich hängt die Rache zurückzuführen auf den Rauswurf und Mirandas Tod unmittelbar zusammen, wenn die Rache genommen ist verschwindet auch Miranda, auf welche Art auch immer. Die Frage steht dann. Was ist mit Felix....


    Auch ich mag die Umsetzung von Atwood zumindest um Längen besser "die störrische Braut"


    LG
    Schokotimmi


  • Hier wurde auch schon erwähnt, dass Frau Atwood, obwohl sie nicht mehr die Allerjüngste ist, trotzdem noch über Medien und Internet, moderne Kommunikationstechnik etc gut informiert ist. Dem kann ich nur zustimmen! Mit dem Rückschluss, dass sie damit auch ganz deutlich macht, wie aktuell und immerwährend Shakespeare ist. Denn die Grundelemente seiner Geschichte sind auch heute noch überaus aktuell.
    :winken:


    Darüber sind sich nicht nur Shakespeare-Freunde einig! Und wenn jemand wie Felix am Werk ist, der, wiewohl auch lenkend, seine Schauspieler ihre eigene Interpretation mit den ihnen möglichen Mitteln auf die Bühne bringen lässt, dann kann, wie wir hier sehen, etwas sehr Zeitgemäßes, sehr Überzeugendes entstehen!
    Die drei Werke, die Felix mit den Gefängnisinsassen in den Jahren zuvor aufgeführt hat, und deren Interpretation ansatzweise beschrieben ist, scheinen mir auch sehr gegenwartsbezogen interpretiert worden zu sein - das könnte ein interessantes weiteres Buch werden! Aber da wir Frau Atwood wohl nicht mitmachen....