Werner Sonne - Jerusalem, Jerusalem

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    Jerusalem, 1947. Zurzeit von britischen Soldaten besetzt, seit langem leben arabische Menschen dort und jüdische Verfolgte und Holocaust-Überlebende kommen her, um ein neues Leben anzufangen. Friedlich verläuft das allerdings nicht. Man hat fast den Eindruck, dass der europäische Krieg hier weiter geführt wird. Von jeder der drei Seiten lernen wir in diesem Roman verschiedene Personen kennen, so dass man als Leser einen Eindruck von allen drei Standpunkten bekommt. Im Zentrum des Geschehens befindet sich das Hadassah-Hospital, in dem lange Zeit arabische und jüdische ÄrztInnen und PatientInnen friedlich miteinander gelebt und gearbeitet haben. Dieser hin und wieder auftauchende Schauplatz ist klug gewählt, um zwischenmenschliche Beziehungen und Freundschaften, bzw. Begegnungen der verschiedenen Fronten entstehen zu lassen.


    Leider gibt es im Roman eher wenig Erklärungen, was es mit den verschiedenen Fronten auf sich hat. Erst mit der Zeit konnte ich sie einordnen, aber als zwischenzeitlich dann verschiedene fast verfeindete Gruppierungen einer Front auftauchten, war ich vollends verwirrt. (Was aber Gott sei Dank nur eine kurze Zeit anhielt.) Im Nachwort erklärt der Autor nochmal einiges darüber. Diese Erklärungen hätte ich mir schon während des Lesens gewünscht. Es muss ja nicht super ausführlich sein, ein oder zwei Nebensätze dazu hätte ja bereits gereicht. Ich habe in letzter Zeit ein paar Romane über diesen Konflikt gelesen, wenn auch nicht gerade über Jerusalem, aber immerhin war ich nicht ganz ohne Vorkenntnisse. Darüber war ich froh, weil ich der Handlung ansonsten gar nicht hätte folgen können. Auch liegt der Fokus hier wirklich auf den Kampfhandlungen weniger auf den Protagonisten, wie der Klappentext vielleicht vermuten lässt. So schildert das Buch wirklich eindrücklich, wie schwierig die Etablierung des Staates Israel vor Ort war. Also ein durchaus interessantes Buch, da aber ein intensiver Fokus auf die Personen für mich fehlte, kam für mich kein Lesesog auf.


    Über den Stil will ich hier nichts sagen, weil ich ein wirklich schlecht formatiertes E-Book hatte, in dem Gedankenabsätze nicht deutlich wurden, auch war das Buch bis auf die ersten paar Seiten, komplett in kursiv geschrieben, hin und wieder haben sich mehrere Buchstaben, die da nicht hin gehörten, in den Text geschlichen, ... das war schon anstrengend. Das will ich aber dem Autoren nicht anlasten, weswegen ich den Stil hier nicht bewerten möchte.

  • Zugegebenermaßen wusste ich nicht, dass Werner Sonne auch Bücher schreibt - ich kannte ihn bislang nur als ehemaligen ARD-Korrespondenten. Allerdings habe ich ihn in dieser Rolle stets sympathisch gefunden, daher hat mich der hier vorliegende Roman und seine darin vermutete Meinung zum Nahostkonflikt neugierig gemacht.


    Jerusalem ist 1947 Teil des britischen Mandatsgebiets. Nachdem einerseits die 1917 beschlossene Balfour-Deklaration keine weitere Umsetzung erfährt, andererseits aber immer mehr Überlebende der Shoa in die Region kommen, wird der UN-Teilungsplan beschlossen und die Gewalt eskaliert zunehmend. Während die meisten jüdischen Einwohner die Idee, einen arabischen neben einem israelischen Staat zu schaffen, befürworten, lehnt die große Mehrheit der Araber diese ab.


    In einer Zeit, in der sich die Fronten weiter verhärten, kommt es auch zu ungewöhnlichen Entwicklungen: Judith hat das Konzentrationslager Dachau überlebt und muss doch weitere schwere Schicksalsschläge verkraften. Als sie nach einem Suizidversuch im Hadassah-Krankenhaus liegt, entwickelt sich eine zarte Freundschaft zu Hana, einer arabischen Schwester. Doch diese wird nicht nur einmal auf eine harte Probe gestellt - was angesichts der Zeichen der Zeit nicht sonderlich verwunderlich sein dürfte. Vor allem Dingen die Männer im Leben der beiden Frauen radikalisieren sich zunehmend und es zeigt sich wieder einmal, dass es nicht nur um Politik, Religion oder Macht geht, sondern um jahrhundertealte Ansprüche und menschliche Schicksale.


    Werner Sonne hat sich immer wieder in der Region aufgehalten und lässt sein Wissen und einiges an Recherche einfließen. Allerdings lässt er seine LeserInnen mit den Fakten der damaligen Positionen und Organisationen relativ alleine - zum Glück interessiere ich mich aber schon seit vielen Jahren für Israel, seine Staatsgründung und deren Vorgeschichte. Dadurch waren mir gewisse Positionen wie beispielsweise die in der jüdischen Untergrundorganisation Palamach vertretenen, schon geläufig - aufgrund der teilweise ziemlich zersplitterten 'Fronten' wäre mir der Einstieg ansonsten vermutlich deutlich schwerer gefallen.

    Im Grunde ist "Jerusalem, Jerusalem" eine perfekte Lektüre zum aktuell 70jährigen Jubiläum der Staatsgründung, denn der Roman befasst sich mit dem schwierigen Weg bis zum 14. Mai 1948.


    Werner Sonne ist in meinen Augen ein guter, keinesfalls tendenziöser Roman gelungen, bei dem stellenweise Vorkenntnisse nützlich sein können und in dem historische Fakten im Vordergrund stehen. Dabei sind die fiktiven Charaktere eher die Aufhänger, anhand derer die Geschichte erzählt und verknüpft wurde - nicht mehr und nicht weniger.


    4ratten

    Liebe Grüße

    Tabea