Hao Jingfang - Peking falten

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    Peking falten kommt als ruhige Erzählung ohne großes Tamtam und Brimborium daher. Hauptfigur ist Müllarbeiter Lao Dao, der mit seinen 48 Jahren nichts anderes kennt als den dritten Sektor. Wir folgen ihm als stiller Beobachter auf seinem Weg in den zweiten Sektor, wo er die Nachricht abholen soll, die ihren Weg in den ersten Sektor finden muss. Dabei ist diese Nachricht nichts weltbewegendes. Keine geheime Untergrundorganisation, die das System überwerfen will. Keine Revolution. Zum Thema Rebellion sagt die Autorin, „das sei ihr ein zu großes Klischee“ und meiner Meinung nach behält sie Recht damit.


    Peking falten kritisiert nicht nur das System sondern auch die Menschen. Die Menschen, die schulterzuckend ihr Schicksal hinnehmen und es den großen ‚Bonzen‘ damit erlauben, das System weiterzuführen.


    Im Vorwort des eBooks erfährt die Leserin so einiges darüber, warum sich chinesische Autoren bevorzugt im Genre Science Fiction tummeln. Literatur ist in China nicht so frei wie in westlichen Ländern. Zensur und Gedankenkontrolle sind mächtig verstärkt worden, was es den literarisch Schaffenden in China nicht leicht macht und Kritik am System fast komplett ausschließt. Im Science Fiction ist es noch möglich, die Kritik zu verpacken und ich denke, das ist ein wesentlicher Unterschied zum Science Fiction westlicher Länder. Etwas, das wir uns hier nur schwer vorstellen können. Vielleicht ist auch deswegen der Zugang zu chinesischer Science Fiction ein so schwieriger für viele Leser. Wir sind immerhin verwöhnt von Weltraumschlachten und davon, dass wir unsere Regierungen kritisieren können, wann immer uns beliebt. Dass chinesische Science Fiction hier das Mittel der Erzählung nutzt, um tatsächlich echte Kritik zu üben, hat natürlich nicht zwingend einen großen Unterhaltungswert für den westlichen Leser. Wie ich schon sagte, wir sind da alle sehr verwöhnt, was nicht unbedingt etwas schlechtes ist, aber doch einmal mehr zeigt, wie privilegiert und frei wir hier eigentlich leben. Sich dessen bewusst zu machen, dazu braucht es, so scheint es, Erzählungen wie diese.


    Deswegen überrascht es auch nicht, dass der Protagonist der Geschichte am Ende zu seinem vorherigen Leben zurückkehrt ohne groß über das nachzudenken, was er erlebt und erfahren hat. Hier gibt es keinen unerwarteten Twist, keine atemberaubenden spannenden Szenen. Peking falten kritisiert ruhig und mit Bedacht, wie gesagt, nicht nur das System sondern auch alle Menschen, die es ermöglichen. Der Hugo-Award ist in meinen Augen absolut verdient.

    Fazit

    Mit 60 Seiten liest sich die Erzählung sehr schnell. Das Vorwort erklärt so einiges, das wir als westliche Leser so vielleicht übersehen hätten und das mich – das muss ich ganz offen gestehen – den Text mit ganz anderen Augen lesen ließ. Absolut lesenswert und eine klare Leseempfehlung.


    Bewertung


    5ratten


    Hinweis: Die englische Übersetzung Folding Bejing kann kostenlos hier gelesen werden. Ich habe mir das Deutsche eBook für 1,99 geholt. Die Taschenbuchausgabe gibt es für 13 Euro beim Buchhändler Eurer Wahl. Ich werde mir diese wohl auch noch holen, wenn auch nur um dem deutschen Buchmarkt zu zeigen, dass es LeserInnen gibt, die an mehr chinesischer Science Fiction interessiert sind. Leider, leider zählen ja am Ende nur die Verkaufszahlen.

    ~~ noli timere messorem ~~

  • Ich hab die Kurzgeschichte inzwischen auch gelesen. Auf den ersten Blick leise und unspektakulär mit relativ wenig SF-Anteil (außer der großartigen Idee die schon der Titel beschreibt), auf den zweiten Blick eine Gesellschaftskritik . Ein bisschen gestört habe ich mich an der Tatsache, daß Lao Dao zwar im dritten Sektor geboren ist und ausschließlich dort gelebt hat, aber doch recht genau über Sektor 2 und 1 Bescheid wußte, viele Dinge die er dort sah und erlebte benennen konnte und sich dort im Grunde problemlos zurechtfand. Ein bisschen mehr Verunsicherung,Überraschung, Staunen, auch Ärger, hätte man da doch erwartet, angesichts der Lebensumstände als Müllsortierer in die er hineingeboren wurde. Aber dies ist vielleicht auch der Kürze der Geschichte geschulde, vielleicht ist es auch gewollt um noch stärker den Finger auf die in TheNightingale 's Rezi erwähnte Schicksalsergebenheit zu legen.


    Mir wars zu kurz und ein bisschen zu emotionsarm, die Idee an sich hätte mehr Details und mehr Ausarbeitung verdient und benötigt, aber als Kurzgeschichte aus einer uns doch recht fremden Gesellschaftsform trotzdem auf jeden Fall lesenswert . Macht jedenfalls durchaus Appetit auf den Roman der Autorin und dafür war die Veröffentlichung ja vielleicht auch gedacht.


    Nebenbei, das Cover für die Geschichte find ich wirklich sehr gelungen, darüber bin ich überhaupt erst auf die Geschichte aufmerksam geworden.

    Von den Sternen kommen wir, zu den Sternen gehen wir.

    Das Leben ist nur eine Reise in die Fremde.”

    (aus: "Die Stadt der träumenden Bücher")