Petra Hartlieb: Weihnachten in der wundervollen Buchhandlung
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Nach ihrem ersten Buch über ihre "wundervolle Buchhandlung" widmet sich Petra Hartlieb im zweiten Band speziell der Weihnachtszeit in ihrer Buchhandlug in Wien.
Das Buch ist in Kapitel über verschiedene Aspekte der Vorweihnachtszeit in der Buchhandlung gegliedert, die sich jeweils mit Auswirkungen des Buchhändlerlebens auf Berufs- und Privatleben von Hartlieb und ihrem Mann und dem Familienleben mit ihren Kindern (oder dem Mangel daran) befassen.
Das Buch umfasst nur 160 Seiten und ist schnell gelesen.
Meine Meinung:
Hui! Ich habe das Buch schnell und mit Spannung gelesen, aber vermutlich nicht aus den von der Autorin beabsichtigten Gründen. Für mich ist das Buch eine Art Biografie-Krimi. Statt zu ergründen, wer der Mörder ist, ergründet man, wer Petra Hartlieb sein könnte und was sie sagen möchte. Vordergründig möchte sie auf unterhaltsame, witzige Art von ihrer wundervollen Buchhandlung erzählen. Hier geht es schon mal los: Das erste Buch kaufte ich, weil ich ein Loblied auf die Buchhandlung lesen wollte. Spätestens im zweiten Band frage ich mich, ob der Titel nicht ironsich gemeint war!
Wer das erste Buch gelesen hat, erinnert sich an sehr viel "Amazon-Gebashe". Das zweite Buch muss dieses Thema auch einmal am Anfang unterbringen, könnte dann aber den Untertitel tragen "Mein Burnout als Buchhändlerin".
Zunächst mal Punkte, die mir auffallen:
Frau Hartlieb arbeitet freiwillig in einer Buchhandlung, die ihr gehört! Trotzdem vergeht keine Seite ohne Jammern über lange Arbeitstage. In der Vorweihnachtszeit teilt sie sich mit ihrem Mann die Tage auf - sie arbeitet tagsüber im Laden, er nachts in der Buchannahme und am Einsortieren der Bücher. Das fehlende Eheleben wird gar nicht erwähnt, nur Müdigkeit, Überforderung, Stress. Andere habe einen ebenso langen Arbeitstag, können aber abends für ihre Kinder noch kochen. Man könnte jetzt denken, die armen Eheleute wären bei der Arbeit alleine, aber nein, sie haben zahlreiche Mitarbeiter, von denen eine erkannt zu haben scheint, dass sie Frau Hartlieb ständig emotional auffangen und aufbauen muss. Frau Hartlieb bricht auch bei kleinsten Unstimmigkeiten - Geburtstag, und morgens müssen noch Kästen geleert und Bücher einsortiert werden - in Tränen aus. Was wohl ein Fernfahrer macht, der am Geburtstag morgens noch im Ausland im Stau steht oder ein Chirurg, der am Geburtstag mehrere Stunden operieren muss?
Positiv sei hier vermerkt, dass alle Kollegen bzw. Angestellten gut wegkommen, sie sind Menschen, sie sind lieb und überarbeitet. Kunden dagegen teilt Frau Hartlieb in zwei Kategorien ein, die etwas überraschen:
Das sind einmal die Kunden, die zu Freunden wurden. Diese zeichnen sich mehrheitlich dadurch aus, dass sie Frau Hartlieb Dienstleistungen oder Essen kostenlos zur Verfügung stellen und sogar aufdrängen, weil sie wohl den Eindruck vermittelt, einen der schwersten Jobs auf Erden zu haben und alleine nicht klar zu kommen. Hände hoch, wer schon mal seiner "Lieblingsbuchhändlerin" Brathähnchen oder Suppe in den Laden gebracht hat! Oder Schokolade und Pralinen. Oder sie im Taxi ins Restaurant gefahren hat und dann ihr Essen bezahlt hat. Oder einen dreiviertel Tag für sie kostenlos Geschenke verpackt hat.
Und dann sind da die anderen Kunden. Diese sind ärgerlicherweise Kunden, haben Fragen und Wünsche und behandeln Frau Hartlieb wie eine normale Dienstleisterin und ohne Rücksichtnahme und Dankbarkeit, die sie doch eigentlich im Vorfeld erwarten dürfte. Einige sind so frech, ihre Meinung über Geschenkpapier zu äußern, das ihnen nicht gefällt! Da bricht dann die Angestellte - nicht Frau Hartlieb - auch mal in Tränen aus. So etwas ist ja für einen Erwachsenen auch wirklich schwer zu ertragen!
Da Frau Hartlieb Bücher schreibt, ist sie bekannt und erwartet das teilweise auch. Eine Kundin äußert etwa zu einer anderen "Wissen Sie eigentlich, wen Sie da vor sich haben!" Aha, die Lokalprominenz, bitte etwas unterwürfiger reden!
Kunden haben die furchtbare Angewohnheit, erst kurz vor Ladenschluss im Laden zu erscheinen und dann noch freundliche und geduldige Bedienung zu erwarten. Es ist ja auch eine Frechheit, dass Kunden meist tagsüber arbeiten und es erst kurz vor Ladenschluss um 18 Uhr in den Laden schaffen! Dass möglichst "pünktlich abgesperrt" wird, weil das Personal völlig erledigt ist, wird mehrfach erwähnt.
Ein anderer Punkt, der auffällt und immer wieder (mir jedenfalls) sauer aufstößt, ist diese Manie, von Freunden kostenlos Gefallen anzunehmen. Man will Urlaub machen - Freund bietet Wohnung am Urlaubsort an. Freund lädt zum Essen ein. Freundin hilft bei der Arbeit. Freunde laden die Kinder zum Abendessen ein, damit die mal etwas anderes als selbstgekauften Döner bekommen. Freunde laden zum Abendessen ein, man kommt aber nur, weil "es so gute Freunde sind, dass sie es aushalten, wenn wir einfach kommen, nichts mitbringen, uns hinsetzen, essen und trinken, so gut wie keine Konversation betreiben und danach wieder gehen". Einmal ist noch jemand anderer eingeladen und besitzt die Frechheit, die Gesellschaft mit Anekdoten unterhalten zu wollen. Über den wird noch eine andere Anekdote erzählt, dann kommt der Nachsatz "liebe..., ich habe das aber nicht aus Rache gemacht".
Irgendwann kommt das erstaunliche Geständnis "ich mag keine Buchhändlerinnen, die ständig jammern!" und die Erkenntnis: Bitte bleiben Sie nicht aus Mitleid mit uns dem Laden fern, wir müssten sonst schließen!
Zwischen all diesen verwirrenden Aussagen sucht der Leser (mMn) nach "Petra Hartlieb". Wer ist sie? Eine begeisterte Buchhändlerin, die manchmal missverständlich über ihren Job schreibt, deren Humor nicht jeder (wie ich z.B.) versteht? Eine - wie einmal in einem Buch einer Lehrerin gelesen - Frustziege, die kurz vor dem Burnout steht und eigentlich ihren Beruf hasst? Ein einfach völlig überarbeiter Mensch, der es aber nicht schafft, mal kürzer zu treten? (Da sind so viele Mitarbeiter im Laden - kann man nicht mal einen Tag mehr pro Woche freinehmen? Oder mal ein paar Stunden früher gehen, wenn einen das so sehr belastet?)
Und: Warum kommen immer noch Kunden in den Laden, wenn man ihnen per Buch sagt, dass sie eigentlich nur nerven, belasten und stören?
Wie kann es sein, dass man selbst einen Teil seiner Kunden als Zumutung betrachtet, aber fast alle Dienstleistungen, die jedenfalls im Buch erwähnt werden, von "Freunden" als Vorzugsleistung, nach Dienstschluss oder kostenlos angeboten, teils aufgedrängt, bekommt und keine Diskrepanz sieht? Warum darf man am Wochenende seinen ITler (wie immer der Mensch heißt, der sich um die Internetverbindungen kümmert) aus dem Bett klingeln und dann noch ein bisschen meckern, dass er eine Stunde fürs Ankommen braucht, sich aber gleichzeitig über den Kunden beschweren, der nach 18 Uhr 24 Pixiebücher verpackt haben möchte? Der "Doktor" (mir war nicht klar, wer das genau ist) wird aber selbstverständlich noch reingelassen, wenn er nach 18 Uhr an die Tür klopft. Vermutlich, weil der noch mal etwas für einen tun könnte.
Wie gesagt - mag sein, dass ich den Humor falsch verstanden habe. Ich lese vor allem: Keine Zeit für Kinder, ständig müde und mies gelaunt, muss aber für die Kunden den Entertainer geben, leichter Hass auf Kunden, die Service wünschen und sich dabei nicht zürückhalten, sondern auch fragen, wenn der Laden voll ist. Es gibt ein Buch mit dem Titel "Hilfe, die Kunden kommen" - Frau Hartlieb scheint das besonders in der Weihnachtszeit auch so zu empfinden und es gibt eine Szene, in der das lebhaft beschrieben wird.
Nach all dem Meckern müsste das Buch jetzt null bis eine Ratte bekommen, das wird aber nicht passieren. Man liest gerde wegen dieser Unstimmigkeiten, man möchte dahinter kommen, was eigentlich los ist, wie sich die ganzen Unstimmigkeiten erklären lassen, ob man einfach nur den Humor nicht versteht und vielleicht Absätze als Jammern versteht, die eigentlich lustig gemeint waren. Immer wieder fragt man sich: Wie meint sie das? Warum arbeitet sie denn noch dort? Warum fordert sie Verständnis und Rücksichtnahme von anderen, die sie selbst ihren Kunden nie entgegen bringen würde?
Eine unfassbare Stelle beschreibt einen Weinachtstag, an dem ein Stammkunde seine bestellten Bücher abholen möchte. Keines der Bücher ist da. Verständlicherweise rastet der Kunde ein bisschen aus. Später entschuldigt er sich, Frau Hartlieb entschuldigt sich auch, ist aber - im Buch - weiterhin der Meinung: Der Mann hätte früher bestellen sollen - natürlich nicht bei amazon! - und es einfach lieb lächelnd hinnehme müssen, dass seine Bücher einfach nicht da sind oder "mal ein paar Tage vorher fragen können". Was für eine Eigenwerbung für den eigenen Laden! Nach dem ganzen Amazongebashe würde man denken, dass die Betreiberin gerade nicht zugibt, eventuell nicht rechtzeitig liefern zu können ud das - in der Vorweihnachtszeit - den Kunden auch nicht sagen zu wollen/ können.
Ich habe das Buch jedenfalls als eine Biografie einer Frau gelesen, die in bestimmten Bereichen realitätsfern und empathielos ist und keinerlei Selbstreflexion besitzt und es gerade aus diesen Gründen sehr spannend gefunden. Dafür gebe ich mal vier Ratten.
Wären die Ratten Symbole für Sympathiepunkte für Frau Hartlieb, so wie sie sich in dem Buch darstellt, würde da nur eine sitzen.
LG von
Keshia