Sehr geehrte Autorin!
Des Künstlers Seele ist durch bloße Kritik kränkbar (ich liebe solche Worte, als Privatperson im persönlichen Dialog, sagt es doch über den Redner selbst einiges aus).
Kann ein (Kunst-) Werk unpersönlich sein?
Der Stil?
Die Erzählart und –weise?
Und kritisiere ich dann nicht auch den Künstler mit seinem Werk?
Eigentlich wollte ich mit den anderen Leseratten zusammen öffentlich Ihr Buch lesen und besprechen.
Eigentlich.
Nach einigen Seiten, es waren vierundsiebzig (74) um genau zu sein, habe ich das Buch weggelegt und nicht vor es wieder aufzunehmen.
Warum?
Es hat mir nicht gefallen.
Nun wurde gesagt, einfach nur „Buch gefällt mir nicht.“, gilt nicht.
Haben Sie sich, werte Autorin, noch nie gefragt was es bedeutet eine ehrliche Meinung einzufordern?
Als bewanderter Internet-Foren-Leser weiß ich, dass mit ehrlicher Kritik immer wohlwollende gemeint ist. Wer anders handelt, verstößt gegen die Netikette.
Eine Frage: „Und … wie hat dir meine Geschichte gefallen?“ mit zwei möglichen Antworten.
a) „Gut.“
„Schön.“
Abgehackt.
b) „Überhaupt nicht.“
„Warum nicht!“
Und schon muss ich mich rechtfertigen.
Hätte ich „Oh ja, sehr gut.“ gesagt, stünde jetzt ein Bier vor mir …
Warum um alles in der Welt sollte ausgerechnet ich „Die Dialoge und Redewendungen sind steif und verkrampft.“, sagen?
Selbst wenn es mein subjektives Empfinden spiegeln sollte, wäre es nicht massive Kritik an Ihrem geistigen Schaffen? An Ihrem Handwerk? An Ihnen?
Wer bin ich, der sich so etwas anmaßt?
Nur weil ich ehrlich sein soll?
Wäre es da nicht viel netter ich würde „ehrlich“ schreiben: „Besonders die Dialoge, einfach toll gemacht!“?
Außerdem: Laufe ich nicht in Gefahr, Ihnen ein Beispiel geben zu müssen, wie es meiner Ansicht nach besser zu machen sei; das Gerede griffiger und treffender formuliert werden könnte?
Ich will Ihnen mal was sagen: Sie sind die Schriftstellerin; Sie wollen mich unterhalten und nicht umgekehrt.
Sie, die Autorin, sind an mich, den Leser, herangetreten, haben mir Unterhaltung und Kurzweil angeboten. Oder warum sonst haben Sie dieses Buch geschrieben?
ICH muss nicht schreiben können, ICH bin der Leser!
Könnte ich es besser, glauben Sie mir, würde ich mir meine Bücher selbst schreiben - und bräuchte Ihre Kreativität und Ihr Handwerk nicht!
Nun sind wir schon einmal beim Thema: Selbst wenn Dialog und Handlung in einer fiktiven Welt, zu einer fiktiven Zeit spielen, enthebt es Sie nicht der Pflicht der Stimmigkeit, der Logik, der Nachvollziehbarkeit (Bäh, was für ein Un-Wort!). Ihre Pflicht, nicht meine.
By the way, wie man so schön auf Neudeutsch sagt, oder aber auch, wenn wir schon einmal dabei sind: Genauso unverständlich ist es für mich, dass sich mir die handelnden Personen in Ihrer Geschichte, nicht in ihrem Wesen und ihrer Dimensionalität erschließen.
Denn wenn es so wäre, bräuchte ich nicht nachzufragen, bräuchten Sie, werte Autorin, sich nicht zu erklären.
Klar ist es lustig, wenn jemand in einer Figur einen sechzigjährigen Schnupftabakdosenträger vermutet, jemand anders einen zweiundvierzigjährigen Professor für angewandte Menschlichkeit.
Und wer sich irrt, hat die Geschichte falsch verstanden …
Und dann noch etwas: Bitte kommen Sie mir nicht mit dem Argument, auch andere geniale Autoren würden nicht von allen Leuten verstanden – ich habe Ihr Buch gekauft, nicht das der anderen.
Wenn Sie Ihr Versprechen mir gegenüber nicht einhalten, können Sie mich und alle anderen dafür nicht zur Verantwortung ziehen; von mir auch noch erwarten ich solle mich dafür rechtfertigen!
Aha! Ihr Buch hat also bei einem Wettbewerb gewonnen.
Und?
Was sagt uns das?
Lässt das den Rückschluss zu, Ihre Geschichte sein besonders gut?
Oder könnte ich eventuell davon ausgehen, dass die anderen teilgenommenen Texte (noch) schlechter waren als der Ihre ist?
Darf ich Sie daran erinnern, dass ich ursprünglich nur sagen wollte:
„Tut mir Leid, ich werde das Buch nicht weiter lesen und auch nicht kommentieren. Es gefällt mir einfach nicht.“
SIE wollten meine Meinung hören.