Karl-Heinz Göttert - Die Sprachreiniger: Der Kampf gegen Fremdwörter und der deutsche Nationalismus

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    Titel: Die Sprachreiniger: Der Kampf gegen Fremdwörter und der deutsche Nationalismus
    Autor: Karl-Heinz Göttert


    Allgemein:

    368 S.; Propyläen Verlag, 2019


    Inhalt:

    Zitat

    Nirgendwo entwickelte sich der Sprachnationalismus des 19. Jahrhunderts so rigoros und militant wie in Deutschland. Und nirgendwo waren die Folgen derart fatal. Karl-Heinz Göttert liefert mit seiner historischen Studie des Allgemeinen deutschen Sprachvereins eine bittere Realsatire aus dem Giftschrank der deutschen Kulturgeschichte – mit hohem aktuellen Bezug.

    „Schmach über jeden Deutschen, der seine heilige Muttersprache schändet!“ So wetterte Otto Sarrazin 1914 gegen alle, die es wagten, aus Fremdsprachen übernommene Lehnwörter zu verwenden. Er war der Vorsitzende des Allgemeinen deutschen Sprachvereins, der zwischen 1886 und 1943 versuchte, die deutsche Sprache von fremden Einflüssen reinzuwaschen. Unter viel Applaus fochten seine Mitglieder darum, Worte wie „Sauce“ oder „Dame“ aus dem Wortschatz zu entfernen. Dabei verband sich dieser Kampf mit einem Chauvinismus, der geradewegs in Fremdenhass mündete, den Kriegsausbruch als Chance auf Deutsch als Weltsprache begrüßte und schließlich den Rassismus der Nazis aufnahm. Der Germanist Karl-Heinz Göttert hat die so erfolglose wie unheilvolle Geschichte dieses dogmatischen Intellektuellenzirkels umfassend recherchiert. Sein Buch zeigt, wie vernunftbegabte Bildungsbürger auf nationalistische Abwege geraten.



    Meine Meinung:

    Die Sprachreiniger beschreibt sehr anschaulich die historischen Zusammenhänge, in denen der deutsche Sprachverein entstehen konnte. Gerade auch das geistige Klima, das sich immer stärker hin zum Nationalismus wendete, ist dabei einer der Nährböden gewesen, in denen sich der Verein entfaltet hat. Dabei wird auch klar, dass es ich hier keinesfalls, um einen nach wissenschaftlichen Standards ausgerichteten Verein handelte. Ihm gehörten Laien an, die der Meinung nach waren, sich zur deutschen Sprache äußern zu müssen. Und zwar in einer Sprache, die klar auf einen deutschen Nationalismus ausgerichtet war.


    Die Ablehnung von Fremdwörtern hatte bei genauerer Betrachtung nichts mit sprachwissenschaftlichen Hintergründen zu tun. Stattdessen berief man sich auf die Vorstellung, das Deutsche (überhaupt alle Sprachen) habe einen "Wesenskern", der bedroht sei. Und diesen Kern gelte es zu schützen. Sprache wird dabei mit einer deutschen Identität verknüpft die sich ganz auf das "deutsch sein" konzentriert. Als Feindfolie gelten vor allem Wörter die aus dem französischen und englischen entnommen wurden. Zum Teil neu geschaffene Wörter, zum Teil solche, die schon länger in der Sprache genutzt wurden.


    Göttert führt dabei verschiedene Beispiele auf und zeichnet nach und nach die Geschichte des Sprachvereins nach. Dabei stehen auch einige Vertreter im Fokus. Z.B. Otto Sarrazin. Gerade durch diese Einzelpersonen wird die Einbettung in die nationale Gesinnung deutlich.


    Interessant war für mich persönlich nicht nur die Diskussion, die über Sprache und insbesondere Fremdwörter geführt wurden, sondern vor allem die Darstellung des nationalen Klimas in dem der Verein überhaupt erst entstehen konnte. So trägt das Buch auch dazu bei, die Bausteine, die zur politischen Stärkung der NSDAP führten, besser zu verstehen. Spannend fand ich auch, welche Wörter zum Teil heute noch verwendet werden (z.B. Fahrschein statt Billett).

    An ein paar Stellen hatte das Buch ein paar Längen aufzuweisen, die vielen Einzelbeispiele wirken manchmal etwas ermüdend, weil man sie nicht immer so gut aus einander halten kann.


    Im Zuge des heutigen politischen Klimas, und neuen Diskussionen um die deutsche Sprache z.B dem Gendern fand ich persönlich "Die Sprachreiniger" als bereichernd. Nicht nur weil die Diskurse von damals durchaus auch heutigen Diskursen gleichen, sondern auch, weil es meinen eigenen Blick auf die Thematik des Buches geschärft hat. Ich finde, Göttert regt mit seinem Buch auch zum Nachdenken darüber an, wie man heutigen Diskussionen um Nationalismus und Sprache begegnen will.

    Aufgrund der kleinen Längen ziehe ich eine Ratte ab, empfehle das Buch aber unbedingt weiter:


    4ratten

  • Sehr interessantes Thema, danke für die Rezi!


    Weißt Du, ob Otto Sarrazin was mit Thilo zu tun hat?

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen