Alex Beer - Unter Wölfen

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    Inhalt (s. Verlagsseite) :


    Nürnberg 1942: Isaak Rubinstein, der ständig in Angst um seine Familie lebt, bittet eine Widerstandskämpferin um Hilfe. Doch ihre Gegenforderung ist hart: Isaak soll die Gestapo infiltrieren und sich dazu als Sonderermittler Adolf Weissmann ausgeben – jenen Mann, der vom Führerhauptquartier beauftragt wurde, den Mord an einer berühmten Schauspielerin aufzuklären. Was niemand weiß: Der Kriminalist hat den Anschlag, den die Widerstandsgruppe auf ihn verübt hat, überlebt. Mitten unter Wölfen zieht sich das Netz immer weiter zu und die Gefahr, enttarnt zu werden, ist allgegenwärtig …



    Meinung:


    Eigentlich bin ich Geschichten aus der Zeit des zweiten Weltkriegs schon überdrüssig. Ob in der Schule damals oder wenn man sich durch gewisse Sender im Fernsehen zappt - das Thema wird von allen Seiten durchgekaut. Andererseits ist es gerade in der heutigen Zeit wichtiger denn je, sich zu erinnern an eine Phase in unserer Geschichte, die man eigentlich lieber verdrängen würde, so grausam wie sie war.


    Der Reiz des Romans "Unter Wölfen" lag für mich beim Lesen des Inhalts vor allem in dem Versteckspiel eines Judens, der die Gestapo infiltriert. Das klang für mich nach purem Nervenkitzel und versprach einen ganz anderen Blickwinkel auf den ganzen Apparat, als man es sonst vielleicht kennt. Leider liegt gerade im Klappentext/Inhalt auf der Verlagsseite der erste Kritikpunkt, denn es wird viel zu viel verraten, was erst später im Verlauf der Handlung passiert. So heftige Spoiler sollte man eigentlich vermeiden, da sie für mich einiges an Spannung herausgenommen haben. Dies ist allerdings nicht der Fehler der Autorin, sodass es für mich schlicht nicht in die Bewertung eingeht.


    "Unter Wölfen" ist mein erster Roman der Autorin Alex Beer und hat mich von der ersten bis zur letzten Seite begeistert. Sowohl der Schreibstil, als auch der gut recherchierte Inhalt und die Spannung, die sich im Verlauf der Geschichte immer mehr steigert und den Roman zu einem echten Pageturner macht.


    Stilistisch ist Alex Beers Schreibstil genau nach meinem Geschmacht. Sie schafft es, schnörkellos und ohne zu viel abzuschweifen eine Atmosphäre zu schaffen, die einen sofort in das Geschehen eintauchen lässt. Wie ein Film läuft die Handlung vor dem inneren Auge ab und detaillierte Recherche seitens der Autorin lässt das Nürnberg der 40er Jahre mit allen seinen schönen und schrecklichen Seiten wieder auferstehen. Genauso sorgfältig und präzise sind die Charaktere ausgearbeitet.


    Den Kritikpunkt, die Handlung sei unglaubwürdig und Isaak mache seinen Job zu gut, kann ich nur bedingt unterschreiben. Einerseits wirkt die Gestapo tatsächlich etwas dümmlich und Isaak wie ein Profi. Das scheint auf den ersten Blick unrealistisch zu sein. Bei genauerer Betrachtung sehe ich allerdings keinen Grund, warum es sich nicht so hätte abspielen können. Dies zu erklären ohne zu detailliert auf den Inhalt einzugehen ist mir kaum möglich. Am besten sagt es sich mit Worten, die Isaak ähnlich selbst verwendet: Die Menschen sehen oft einfach das, was sie sehen wollen.


    Die Spannung ist das, was mich an diesem Roman letztendlich am meisten begeistert und gefesselt hat. Mehrere Handlungsstränge, die jeder für sich schon spannend und interessant zu lesen sind, wurden geschickt miteinander verwoben und ineinander verwickelt, sodass man von der Geschichte komplett gefesselt wird. Dabei verzichtet Alex Beer auch nicht darauf, die Grausamkeit der Nazis detailliert und eindringlich zu beschreiben. Man bleibt beim Lesen nicht verschont davon und wird förmlich in den Strudel der Verzweiflung hineingezogen, die Isaak angesichts der Verschleppung und (geplanten) Ermordung der Juden empfindet. Es fällt immer wieder schwer, zu glauben, dass Menschen zu so etwas fähig sind...


    Auch wenn das Buch für mich dieses Jahr ein absoluter Favorit ist, möchte ich gerne ein Viertelpünktchen für das Ende abziehen. Hier hätte ich mir dann doch etwas mehr Realismus gewünscht. Aber vielleicht ist es die Überleitung zu einer Fortsetzung? Dann wäre ich besänftigt.


    5ratten

    :kaffee:

  • Auch für mich liegt der Reiz der Handlung an Isaaks Blickwinkel auf die Geschichte. Ein Jude der ausgerechnet inmitten der deutschen Polizei ermittelt und auch noch einen Mann spielen soll, der sogar mit jemandem wie Himmler persönlich bekannt ist.

    Ich kenne Alex Beers Emmerich Romane, die ich sehr gerne mag und auch für ihre lebendige Erzählweise schätze. Für mich funktioniert Unter Wölfen aber irgendwie nicht ganz so gut. Ja ich lese ganz gerne weiter und es ist definitiv kein schlechtes Buch. Allerdings habe ich auch ein paar Kritikpunkte, die für mich dafür sorgen, das es kein Highlight werden wird. Ich finde die historischen Hintergründe werden etwas zu sehr nach Erklärmanier eingebaut. Das sorgt aber dafür das dieser sich nicht wie Zahnräder ineinander fügen sondern eben, das mir jetzt erstmal erklärt werden soll, wie dieses oder jenes zeitlich einzuordnen ist. Hinzu kommt, das der Mordfall und die Hintergründe irgendwie hm... wie soll ich sagen, eine Nummer zu groß mit einander verknüpft werden. Es wirkt für mich nicht ganz Rund. Die Hintergründe sind dermaßen groß, ich weiß auch nicht, das finde ich ehrlich gesagt nicht realistisch.


    Einerseits ist es zwar glaubwürdig, das Isaak resigniert wirkt und wenig kämpferisch. Gleichzeitig fand ich es aber auch schwierig... dieses Narrativ vom Juden, der sich quasi zur Schlachtbank führen lässt und dann in letzter Sekunde von einer Deutschen gerettet wird... Nun ja, es wäre an der Zeit mal darüber nach zu denken, Juden und Jüdinnen auch mal anders darzustellen.


    Weiterhin nervt es mich ehrlicherweise das Clara wohl als so eine Art Loveinterest der Hauptfigur aufgebaut ist. Ich finde man hätte auch einfach sagen können, ok, die beiden sind getrennt und es besteht auch keine romantische Gefühlslage mehr, aber eben noch eine freundschaftliche. Gut, ich mag die Figur auch nicht besonders :lachen:

  • Da mein Beitrag etwas lang war, habe ich ihn nun aufgeteilt. So lässt sich denke ich mal alles auch leichter lesen.

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    Spannung kam mir persönlich etwas zu wenig auf. Mir fehlte der stärkere Fokus auf der Tatsache das Isaak jederzeit enttarnt werden könnte. Er hat einerseits auch kaum Zeit großartig Angst zu entwickeln, aber gleichzeitig wirkt es manchmal so, als ob die Autorin vergessen hätte, das z.B. seine Familie in großer Gefahr schwebt oder eben auch im Raum steht, das Isaak eben kein Ermittler ist und im Grunde nicht wirklich weiß, was er tut. Und das sorgt dann dafür das es unpassend eingestreut wirkt, wenn die Familie Rubinstein doch erwähnt wird. Eben als ob es der Autorin dann wieder eingefallen wäre, wer ihre eigene Romanfigur so ist. Und das ist auch der Grund weshalb ich das zum Teil als weichgespült empfunden habe. An anderer Stelle verlieren sich die Figuren in Nazi-Floskeln, die wie im Theater einstudiert wirken, die aber kein lebendiges Gespräch kennzeichnen.


    Irgendwie hat die Autorin das Wien der 20er Jahre lebendiger und glaubwürdiger erzählt. Keine Ahnung woran das genau liegt. Vielleicht konnte sie sich in die Mentalität der Zeit besser hineinversetzen.


    Es ist wie gesagt nicht so, das mir der Roman nicht trotzdem gefällt. Ich habe gerne weiter gelesen, weil ich schon wissen wollte wie Isaak das Ganze klären wird und auch wie er es schaffen wird nicht auf zu fliegen. Da es bereits einen 2. Band gibt, ist dieser Punkt kein Spoiler^^


    Mir fehlten nur eben ein paar Dinge, die das Ganze Runder und lebendiger erzählt hätten. Ich gebe zu, das ich mir mehrmals dachte, ein Volker Kutscher hätte mir das Ganze glaubwürdiger erzählt.


  • Den Aspekt der Täuschung fand ich persönlich dafür durchaus realistisch, wenn man etwas sehen möchte sieht man es auch. Wie auch im Roman erwähnt wird, einen Juden erkannte man in Deutschland nicht an seiner Kleidung oder gar an anderen Merkmalen. Warum ich das betone? Das Ostjudentum ist in dieser Zeit teilweise noch anders und dort konnte man Juden und Jüdinnen dann auch an der Sprache (jiddisch wird in Deutschland so gut wie gar nicht mehr gesprochen zu diesem Zeitpunkt sogar schon lange nicht mehr.) durchaus schnell erkennen.

    Die meisten jüdischem Mitbürger*innen in Deutschland waren sehr säkular und waren selten bis gar nicht in der Synagoge anzutreffen.

    Juden und Jüdinnen lebten in Deutschland nicht in einem eigenen Kosmos sondern waren Teil der Gesellschaft und waren auch ganz normal in den Alltag eingebunden. Das sieht man auch z.B. wenn man sich bekannte Politiker der Weimarer Republik anschaut. Und genau diese Integration ist auch der Grund weshalb von vielen Seiten (nicht nur von jüdischer im Übrigen) unterschätzt wurde, die Rassistisch und Menschverachtend die neue Gesetzgebung wirklich war und vor allem konnte sich auch niemand vorstellen, das etwas wie der Holocaust wirklich passieren würde.

  • Zum Schluss...

    Ich denke ich weiß, was mich nun eigentlich wirklich gestört hat. Mich quasi wie ein Stein im Schuh gezwickt hat. Es ist an ein paar Stellen einfach zu weichgespült. Zu wenig sperrig. Es gab mehrere Möglichkeiten die Handlung in eine weniger glatt gebügelte Richtung zu lenken und diese Chancen hat die Autorin nicht genutzt.

    Da bleibt dann statt echter Grausamkeiten mehr so Wunschvorstellung und Kitsch zurück.


    3ratten

  • Ich gebe zu, das ich mir mehrmals dachte, ein Volker Kutscher hätte mir das Ganze glaubwürdiger erzählt.

    Kutscher ist aber auch eine sehr hohe Messlatte. Neben dem sehen so ziemlich alle anderen alt aus ;)

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen