01 - Prolog, Teil 1 und Teil 2

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  • Hallo liebe MitleserINNEN, hallo liebe Claire,


    hier startet am 08.08.2020 endlich die langersehnte Leserunde zu "Kinder ihrer Zeit". Ich begrüße alle Teilnehmerinnen herzlich und ganz besonders Claire Winter. Schön, dass es mit unserer Runde geklappt hat und Du Dir die Zeit nimmst, uns bei der Lektüre Deines neuen Romans zu begleiten. :)


    Ich habe mich bei der Einteilung an den Buchabschnitten orientiert. Es dürfte also auch für die E-book-Leserin keine Probleme geben.

    Hier könnte Ihr zu den Teilen 1 und 2 schreiben.


    Da Ihr alle alte Leserunden-Profis seid, spare ich mir alle Einleitungen und wünsche uns allen einfach viel Spaß beim Lesen und Austauschen.

    Fröhliche Lesegrüße :winken:

    Claudia





    :lesen:

    :lesen:





  • Guten Morgen liebe Leserunde,


    ich freue mich auch sehr, dass es heute losgeht und wünsche Euch allen jetzt erst einmal viel Spaß beim Lesen von Teil 1 und 2 ... :lesen:


    Liebe Grüße, :)


    Claire

  • Hallo ihr Lieben,


    meinen vorletzten Urlaubstag habe ich dann doch direkt mit dem ersten Leseabschnitt im Garten verbracht und ich bin ehrlich gesagt hin und weg.


    Zu Beginn der Lektüre hatte ich mich ja schon gefragt wie es überhaupt zur Trennung der Zwillinge kommen kann, aber das hat Claire wirklich sehr einleuchtend und spannend geschildert. Auch wenn es gerade weit über 30 Grad draußen sind, so habe ich doch die eisige Kälte gespürt auf der Flucht.


    Mir war übrigens gar nicht bekannt, dass es ein Fluchtverbot gab. Schon schrecklich, dass die Erwartungshaltung war, dass die Menschen sich für Hitler und den Endsieg aufgeben, wo doch zu der Zeit bereits klar war, dass das nicht mehr zu schaffen ist.


    Ich mochte außerdem, dass wir den Krieg nicht nur aus der Sicht von Rosa und den Mädchen, also den Deutschen erleben, sondern die Erlebnisse der Russen uns über Sergej vermittelt werden. Manche Romane sind da eher einseitig in ihrer Beleuchtung der Geschehnisse, hier zum Glück nicht.


    Sowohl Alice glaubt ihre Familie sei tot als auch umgekehrt. Es fällt mir schwer mir so etwas vorzustellen, da ich mit meiner Familie so unfassbar eng verbunden bin. Plötzlich alleine zu sein, würde mich massiv überfordern.


    Als Berlin- Fan ist es schon spannend über die Westberliner zu lesen, die zum billig einkaufen in den Osten gehen. An einigen beschriebenen Ecken bin ich schon oft vorbeigegangen und konnte mir alles richtig gut vorstellen.


    Ich kann übrigens absolut verstehen, dass Emma ihren Geburtstag nicht feiern will, weil sie ihre Schwester so sehr vermisst. Mir ergeht es immer so mit meinem Hochzeitstag, der nun keiner mehr ist. Es war mal der schönste Tag meines Lebens und jetzt nach einigen Jahren Trennung habe ich an dem Tag trotzdem immer Bauchweh und ein Unwohlsein, obwohl ich über das Ganze drüber hinweg bin.


    Alice ihr Los ist für meinem Geschmack schon etwas härter. Ein sozialistisches Kinderheim ist sicher kein Spaß.


    Die Erwähnung von Kriegsheimkehrern durch Kais Vater fand ich ebenfalls sehr gelungen. Mir war direkt klar als sie den verwahrlosten Mann sieht, dass es jemand aus Kriegsgefangenschaft sein muss.


    Zu dem Thema hat mich übrigens Eva Völlers "Ein Traum vom Glück" tief berührt.


    So nun werde ich das Buch aber für heute weglegen, sonst suchte ich es in einem Rutsch durch und das ist bei einer Leserunde ja nun nicht Sinn der Sache. ;) Und ich bin natürlich ganz gespannt auf eure Eindrücke.

    &WCF_AMPERSAND"Das Buch als Betriebssystem ist noch lange nicht am Ende&WCF_AMPERSAND" (H.M. Enzensberger)

  • @nicigirl: Du hast ja schon ersten Leseabschnitt gelesen, sehe ich gerade! Wie toll - ich freue mich sehr, dass Du "hin- und weg" bist!! Vielen Dank. :) Ich habe bei meinen Recherchen über Ostpreußen übrigens auch die "eisige Kälte" gespürt. Mich haben die Zeitzeugen-Berichte und vieles, was ich über die Flucht damals gelesen habe, wirklich sehr, sehr berührt. Es gibt Fotos, die ich mir angeschaut hatte, die ich immer noch im Kopf habe. Deshalb freue ich mich doppelt, wenn sich diese Emotionen jetzt auch für dich beim Lesen des Romans spiegeln ...

    Mir war übrigens gar nicht bekannt, dass es ein Fluchtverbot gab. Schon schrecklich, dass die Erwartungshaltung war, dass die Menschen sich für Hitler und den Endsieg aufgeben, wo doch zu der Zeit bereits klar war, dass das nicht mehr zu schaffen ist.

    Das fand ich auch schrecklich. Die Bevölkerung hatte dadurch keine Chance, während die Führungsriege der Nazis in Ostpreußen heimlich Pläne geschmiedet hatte, um noch rechtzeitig zu entkommen, was ihnen dann auch erst einmal gelungen ist.

    Ich mochte außerdem, dass wir den Krieg nicht nur aus der Sicht von Rosa und den Mädchen, also den Deutschen erleben, sondern die Erlebnisse der Russen uns über Sergej vermittelt werden.

    Danke! :) Das war mir auch sehr wichtig. Mir ist bei diesem Buch auch noch einmal völlig neu bewusst geworden, die Sowjetunion als Land mit seinen Bevölkerung sehr viel mehr als die anderen (die westlichen) Alliierten unter den Deutschen gelitten hatten. Die Blockade von Leningrad, bei der so viele Menschen zu Tode gehungert wurden, ist nur ein Beispiel dafür. Dass sich dann so viel Hass, Wut und der Wunsch nach Rache entladen hat, als man deutschen Boden betreten hat, muss man, glaube ich, auch vor diesem Hintergrund sehen. Auch wenn es schrecklich ist, was damals passiert ist und wie so oft Unschuldige, wie die vielen vergewaltigten Frauen, getroffen hat.

    Als Berlin- Fan ist es schon spannend über die Westberliner zu lesen, die zum billig einkaufen in den Osten gehen.

    Ich lebe ja in Berlin und einiges wusste ich auch aus Erzählungen aus dem Familien- und Bekanntenkreis, aber trotzdem war für mich auch noch einmal super spannend diese Zeit zu recherchieren.

    Zu dem Thema hat mich übrigens Eva Völlers "Ein Traum vom Glück" tief berührt.

    Das Buch notiere ich mir dann auch mal ...:)


    Viele Spaß weiter beim Lesen!

  • Ich habe heute auch den wüstesten Tag dieser erneuten "Heißzeit" - früher hieß das übrigens "Sommer" - zum Lesen genutzt und bin auch (trotz Hitze) gut in die Handlung hineingekommen...


    Claire's Stil gefällt mir sehr gut; vieles transportiert für mich neben dem eigentlichen Text weiteren Raum für Spekulationen - und der Tiefgang, die Emotionen sind sehr authentisch und gehen unter die Haut.


    Ich bin jetzt schon sehr gespannt, wie der Prolog sich später klären wird und fand die Flucht aus Ostpreußen sehr bewegend, berührend. Oft schon habe ich mir vorzustellen versucht, was diese Menschen erlitten haben und wusste schon, dass es unter Strafandrohung verboten war, zu flüchten.

    Vielleicht ist mir daher besonders die Geschichte Ostpreußens wichtig, obwohl ich noch immer (trotz einiger Bücher darüber und auch eigener Recherchen) das Gefühl habe, dass man das Leid, die Angst und die Kälte kaum nachvollziehen kann, so furchtbar muss es gewesen sein (Irma steht in diesem Zusammenhang exemplarisch für ein solches Schicksal und ich hoffe, Alice wird sie durch Sergej wiederfinden).


    Rosa bewies großen Mut, überhaupt aufzubrechen und die Schrecken dieser Zeit sind sehr authentisch. Tragisch die Trennung der Zwillinge und das Wissen als Leser, dass beide - wie auch die Mutter - denken, dass die andere Zwillingsschwester tot sein muss (die besondere Verbundenheit bei Zwillingen finde ich bis heute unglaublich interessant; da meine Mutter eine Zwillingsschwester hatte - und auch immer fühlte, wenn es dieser schlecht ging; umgekehrt war dies wohl auch so - damit will ich mich schon lange intensiver beschäftigen...)


    Die Nachkriegszeit in Berlin wird auch sehr bildhaft beschrieben; die Ruinen, die Zettel von Menschen, die vermisste Familienangehörige suchen, die Verzweiflung, nicht zu wissen, ob sie leben oder tot sind....

    Ich wusste nicht, dass es zwei Währungen gab und die West-Berliner in den Osten zum Einkaufen gingen 1950; ich habe die Stadt noch vor dem Mauerfall ein wenig kennengelernt und fand die Fahrt durch den Zonensektor (wir fuhren von Fulda aus) unheimlich. "Kennen" ist auch zuviel gesagt, ich war in Kreuzberg, da dort eine Kommilitonin wohnte, die wir besuchten.


    Emma gefällt mir übrigens sehr; ebenso wie Alice - beides starke Persönlichkeiten, wie mir scheint. Mit Emma teile ich die Liebe zu Sprachen - und war auch mal kurz davor Dolmetscherin/Übersetzerin als Berufsziel anzuvisieren.. Bis heute frage ich mich, wieso hier (im früher französischen Sektor) auch Amerikaner waren. Aber mein erster Satz, den ich in Englisch hörte, kam von einem amerikanischen Soldaten (do you want a chewing-gum? ;) So etwas vergisst man nicht - aber wie gesagt, im SW, nicht in Berlin.... hmmmm... (obwohl Ramstein nicht allzu weit entfernt ist und in "K-town" - Kaiserslautern viele US-Soldaten stationiert waren/sind - obwohl jetzt ja so einige abgezogen werden (sollen)...


    Zuerst dachte ich, dass Emma mal Journalistin werden möchte (wegen der Freude an Druckerschwärze :) und mit Zeitungen hat sie ja auch zu tun, da sie Rosa vertritt: Ich hoffe, dass es gesundheitlich bergauf geht bei der Mutter und finde, dass Max ein guter Freund ist: In was er sich allerdings noch verstricken wird (in Sachen Agenten und Spione in Berlin, denn davon wimmelte es in der Zeit des Kalten Krieges nur so...), ist derzeit noch unklar. Ich hoffe, er ist vorsichtig -


    Eine der interessantesten Stellen im Roman ist für mich auch die Szene, in der Emma ganz augenscheinlich mit ihrer Schwester verwechselt wird: Dass Rosa sich der Option verschließt, ihre Tochter Alice könnte noch am Leben sein, verstehe ich irgendwie: Viele Menschen haben damals derart unter der Ungewissheit gelitten, ob der/die Angehörige, nahe Familienmitglieder noch leben - oder nicht mehr, gar den Verstand verloren... Die Hoffnung Emma's hingegen finde ich ebenfalls nachvollziehbar - und bin sicher, dass sich die Zwillinge wiedertreffen werden: Nur wann und wo - ist derzeit noch unklar....


    Das Schicksal von Alice ist ungleich schwerer; von Kinderheim zu Kinderheim transferiert, lediglich Sergej als Fürsprecher an der Seite, ein so trauriges und trostloses Leben für ein Kind! Über Erziehungsheime dieser Zeit - Spezialheime und die berüchtigten "Jugendwerkhöfe" gibt es Dokus - übelst, welchen Schikanen Jugendliche dort knastähnlich unterworfen waren. Prozesse zogen sich (soweit ich mich erinnere) über die nächsten Jahrzehnte, bis diese menschenverachtenden Einrichtungen endlich aufgelöst wurden.

    (Ich habe mich mal sehr mit Heimerziehung beschäftigt und nach dem Krieg war dies mit den heutigen Jugendwohngruppen u.ä. nicht zu vergleichen - eine üble, sehr üble Geschichte). Fand es gut, dass Claire dieses Thema hier mitverfolgte - und bin sehr gespannt, wohin es Irma verschlagen hat!


    Abschließend muss ich noch anmerken, dass ich mich schon fragte, wie ein hoher russischer Oberst oder Offizier wie Sergej ein deutsches Mädchen so beschützen kann wie Alice; abgesehen von seinen persönlichen Motiven: Er verlor seine Tochter Karina - und Alice ist im gleichen Alter... Später wird es ja zum Ende von Teil 2 aufgeklärt - teilweise zumindest - und es wird klar, dass es nicht ungefährlich für beide gewesen ist. Den "undurchsichtigen" Genossen Grigorjew ordne ich übrigens in die Welt der Agenten und Spione ein; ich bin sicher, dass dies in Zusammenhang mit "Kalter Krieg" noch Thema werden wird - und brenzlig könnte es auch werden, da es keine ungefährliche Zeit war.....


    Ach, ich freu mich schon aufs Weiterlesen - und darauf, sich auszutauschen!

    À demain! - Bis morgen also :winken:

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • Sagota: Guten Morgen, ich freue mich sehr, dass Du auch gleich gut in die Geschichte hineingekommen bist - trotz Hitze (in Berlin waren gestern ja 35 Grad!) - und wir uns hier wieder lesen ... :)

    Claire's Stil gefällt mir sehr gut; vieles transportiert für mich neben dem eigentlichen Text weiteren Raum für Spekulationen - und der Tiefgang, die Emotionen sind sehr authentisch und gehen unter die Haut.

    Vielen Dank! Das freut mich wirklich sehr. :):)

    Vielleicht ist mir daher besonders die Geschichte Ostpreußens wichtig, obwohl ich noch immer (trotz einiger Bücher darüber und auch eigener Recherchen) das Gefühl habe, dass man das Leid, die Angst und die Kälte kaum nachvollziehen kann, so furchtbar muss es gewesen sein

    Das kann ich gut nachvollziehen, mich lässt diese Geschichte von Ostpreußen auch nicht richtig los. Ein Buch, das Du vielleicht auch schon kennst und mich sehr berührt hat, war die Autobiografie von Marion Gräfin Dönhoff ("Namen, die keiner mehr nennt"). Ihre Familie stammt aus Ostpreußen und sie musste selbst fliehen. Sie schreibt sehr ergreifend darüber und hat mir Ostpreußen auch sehr nahgebracht.

    Tragisch die Trennung der Zwillinge und das Wissen als Leser, dass beide - wie auch die Mutter - denken, dass die andere Zwillingsschwester tot sein muss (die besondere Verbundenheit bei Zwillingen finde ich bis heute unglaublich interessant; da meine Mutter eine Zwillingsschwester hatte - und auch immer fühlte, wenn es dieser schlecht ging; umgekehrt war dies wohl auch so - damit will ich mich schon lange intensiver beschäftigen...)

    Die Verbundenheit von Zwillingen hat auch etwas sehr Faszinierendes. Ich habe mich im Vorfeld dieses Romans mit einige Menschen unterhalten, die Zwillinge sind und sie haben alle davon berichtet. Eine sehr traurige Geschichte fand ich dabei, dass jemand, den ich kenne, als Kind seinen Zwillingsbruder verloren hatte. Er erzählte mir, dass er auch später als Erwachsener immer das Gefühl gehabt hätte - und bis heute hat - ihm würde eine Hälfte fehlen ...

    Ich wusste nicht, dass es zwei Währungen gab und die West-Berliner in den Osten zum Einkaufen gingen 1950; ich habe die Stadt noch vor dem Mauerfall ein wenig kennengelernt und fand die Fahrt durch den Zonensektor (wir fuhren von Fulda aus) unheimlich.

    Das kann ich mir vorstellen. Es war ja auch wirklich eine andere Welt, vor allem, wenn man nicht in Berlin lebte und der Ost-Sektor mit zum Alltag gehörte. Hier ist es vielleicht ganz interessant zu erwähnen, dass es damals nicht nur in West-, sondern auch Ost-Berlin Sightseeing-Busfahrten gab, um den Besuchern die Überlegenheit des jeweiligen anderes Systems vor Augen zu führen. Das wurde in Ost-Berlin zum Beispiel gerne an der "modernen" Architektur demonstriert ...

    Mit Emma teile ich die Liebe zu Sprachen - und war auch mal kurz davor Dolmetscherin/Übersetzerin als Berufsziel anzuvisieren..

    Oh ja? Das kann ich gut verstehen. Ich habe übrigens einen wahnsinnigen Respekt vor dem Beruf des Dolmetschers/Übersetzers, weil er solche ungeheuren Konzentration erfordert ...

    Dass Rosa sich der Option verschließt, ihre Tochter Alice könnte noch am Leben sein, verstehe ich irgendwie: Viele Menschen haben damals derart unter der Ungewissheit gelitten, ob der/die Angehörige, nahe Familienmitglieder noch leben - oder nicht mehr, gar den Verstand verloren...

    Ja, das war wirklich ein Trauma, dass die Menschen dabei durchlitten haben und es ist auch ein Schutz, dass Rosa sich dieser Möglichkeit so völlig gegenüber verschließt.

    Über Erziehungsheime dieser Zeit - Spezialheime und die berüchtigten "Jugendwerkhöfe" gibt es Dokus - übelst, welchen Schikanen Jugendliche dort knastähnlich unterworfen waren. Prozesse zogen sich (soweit ich mich erinnere) über die nächsten Jahrzehnte, bis diese menschenverachtenden Einrichtungen endlich aufgelöst wurden.

    Das war wirklich furchtbar und zum Teil unvorstellbar, was in diesen Heimen passiert ist!

    Später wird es ja zum Ende von Teil 2 aufgeklärt - teilweise zumindest - und es wird klar, dass es nicht ungefährlich für beide gewesen ist.

    Ja, dass Sergej Alice rettet bringt sie beide in Gefahr - denn es war natürlich nicht erlaubt, einer Deutschen oder einem Deutschen zu helfen. Ohne dass ich hier zu viel verraten will, hat das langfristig auch Konsequenzen ...

    Ach, ich freu mich schon aufs Weiterlesen - und darauf, sich auszutauschen!

    Viel Spaß weiter :lesen: - und ich freue mich auch sehr auf den Austausch ... :)

  • Mir ist bei diesem Buch auch noch einmal völlig neu bewusst geworden, die Sowjetunion als Land mit seinen Bevölkerung sehr viel mehr als die anderen (die westlichen) Alliierten unter den Deutschen gelitten hatten. Die Blockade von Leningrad, bei der so viele Menschen zu Tode gehungert wurden, ist nur ein Beispiel dafür. Dass sich dann so viel Hass, Wut und der Wunsch nach Rache entladen hat, als man deutschen Boden betreten hat, muss man, glaube ich, auch vor diesem Hintergrund sehen. Auch wenn es schrecklich ist, was damals passiert ist und wie so oft Unschuldige, wie die vielen vergewaltigten Frauen, getroffen hat.


    Na ja irgendwie spielt das im Geschichtsunterricht keine Rolle. Auch wenn die Taten beider Seiten schrecklich waren, so kann man es doch in gewisser Weise verstehen. Der Mensch ist auch nur ein "Tier" und nicht umsonst sagen ja viele "Rache ist süß". Man merkt es ja auch heute noch im Alltag, dass wenn jemand Macht bekommt, aber nicht die hellste Kerze auf der Torte ist (Trump), auch gern mal über die Stränge schlägt.


    Das Buch notiere ich mir dann auch mal ...

    Ende August erscheint dazu der zweite Teil. Meine Mom hat es gelesen und fand es auch super. Nach dieser Leserunde werden meine Eltern sicher dein Buch auch verschlingen.



    Vielleicht ist mir daher besonders die Geschichte Ostpreußens wichtig, obwohl ich noch immer (trotz einiger Bücher darüber und auch eigener Recherchen) das Gefühl habe, dass man das Leid, die Angst und die Kälte kaum nachvollziehen kann, so furchtbar muss es gewesen sein

    Ja es muss schon schlimm sein die Heimat zu verlieren und nur noch das zu haben, was man am Leib trägt. Was ich mir am wenigsten vorstellen kann, weil wir es einfach nicht kennen: Hunger. Wir wissen doch gar nicht wie sich das anfühlt.



    Ich wusste nicht, dass es zwei Währungen gab und die West-Berliner in den Osten zum Einkaufen gingen 1950; ich habe die Stadt noch vor dem Mauerfall ein wenig kennengelernt und fand die Fahrt durch den Zonensektor (wir fuhren von Fulda aus) unheimlich.

    Wenn ich mich recht entsinne, dann war die D- Mark 9 Mal mehr wert als die DDR - Mark. Natürlich konnten die West- Berliner da gut sparen.


    Ich bin ja in der DDR aufgewachsen und ich kann mich noch sehr gut an das Heizen mit Kohle erinnern und wie das gerochen hat. Bekannte von mir haben in einem Kleiderwerk gearbeitet. Ich mag mir nicht vorstellen wie es ist edle Kleidung für den Westen zu produzieren, die man niemals tragen wird, weil man sie sich nicht leisten kann und auch gar nicht an sie herankommt. So muss es den Menschen heute in Bangladesch und Co gehen.



    Die Verbundenheit von Zwillingen hat auch etwas sehr Faszinierendes. Ich habe mich im Vorfeld dieses Romans mit einige Menschen unterhalten, die Zwillinge sind und sie haben alle davon berichtet. Eine sehr traurige Geschichte fand ich dabei, dass jemand, den ich kenne, als Kind seinen Zwillingsbruder verloren hatte. Er erzählte mir, dass er auch später als Erwachsener immer das Gefühl gehabt hätte - und bis heute hat - ihm würde eine Hälfte fehlen ...


    Ich kenne auch ein Zwillingspaar und die haben mir das bestätigt, dass diese Verbundenheit vorhanden ist. Finde ich schon toll.


    Es ist schon schlimm, wenn ein Geschwister stirbt, aber bei Zwillingen wahrscheinlich nochmal härter.

    &WCF_AMPERSAND"Das Buch als Betriebssystem ist noch lange nicht am Ende&WCF_AMPERSAND" (H.M. Enzensberger)

  • Na ja irgendwie spielt das im Geschichtsunterricht keine Rolle. Auch wenn die Taten beider Seiten schrecklich waren, so kann man es doch in gewisser Weise verstehen. Der Mensch ist auch nur ein "Tier" und nicht umsonst sagen ja viele "Rache ist süß".

    Ja, - und Rache war das auf jeden Fall bei vielen. Ich erinnere mich, dass ich für meine Recherchen ein Buch gelesen haben, in dem wurde berichtet, dass manche sowjetischen Soldaten erzählten, sie hätten sich heute schon zwei oder drei Mal gerächt und damit war dann gemeint, dass sie zwei oder drei Frauen vergewaltigt hatten. Das fand ich sehr erschütternd.

    Ende August erscheint dazu der zweite Teil. Meine Mom hat es gelesen und fand es auch super. Nach dieser Leserunde werden meine Eltern sicher dein Buch auch verschlingen.

    Habe ich bereits notiert - und ich freue mich, wenn Deine Eltern meinen Roman auch lesen! :)

    Ich bin ja in der DDR aufgewachsen und ich kann mich noch sehr gut an das Heizen mit Kohle erinnern und wie das gerochen hat.

    In West-Berlin wurde vor allem in den Altbauten auch noch lange mit Kohle geheizt. Zumindest, als ich noch studiert habe. Deshalb waren aber auch große Wohnungen sehr preisgünstig zu haben. Im Winter roch die ganze Stadt nach Kohle ...

  • Auch von mir ein Hallo an euch und dich liebe Clair.


    Nach einiger Wartezeit war ich schon sehr gespannt auf den neuen Roman. Ich kann jetzt schon sagen, dass ich sehr begeistert bin.

    Der Prolog fängt sehr geheimnisvoll und spannend an. Die Frage ist nun, wer die junge Frau und wer der Verfolger ist. Sicher wird diese Szene uns zu einem späteren Zeitpunkt aufklären.


    Das es damals ein Fluchtverbot gab wusste ich, umso mutiger fand ich Rosa ihre Entscheidung, es doch zu wagen. Das es so ein dramatisches Ende nehmen wird, hat mich sehr betroffen. Ich weiß durch meine Tanten, die Zwillinge sind, wie verbunden sie sich fühlen. So kann ich mir gut vorstellen wie sich Emma und Alice fühlen. Auch wenn jeder vom anderen glaubt, dass jeweils der andere tot ist, so bleibt ein Gefühl der Unwissenheit.

    Rosa tat mir in dem Moment der Entscheidung, als die Häuser schon brannten, unendlich leid. Abwägen zu müssen, welches Kind zu retten realistisch ist, einfach grausam. Aber die Angst vor den Russen war einfach zu mächtig.


    Was mir auch hierbei aufgefallen ist, dass über das Vergangene nie gesprochen wird. Das war in so vielen Familien so, wie auch bei meinen Großeltern, die aus dem Sudetenland geflohen sind. So auch bei Rosa und Emma, zu schrecklich sind die Erinnerungen. Doch Emma würde gerne über einiges sprechen, leider ohne Erfolg. Diese Verbundenheit zwischen Zwillingen, zu spüren ob der andere noch lebt, soll es tatsächlich geben. Und dieses nicht wissen ob Alice noch am Leben ist, lässt Emma nicht zur Ruhe kommen.


    Rosa hat trotz allem, sich und Emma durch die schlimme Zeit gebracht und nun führen sie ein bescheidenes aber ein gutes Gutes. Und sie sind zusammen, während Alice alleine ist.

    Allerdings mache ich mir um Rosa ihren Gesundheitszustand große Sorgen und ich hoffe inständig, dass sie so weit es geht, gesund bleibt.

    Emmas Freund Max finde ich eine interessante Charaktere. Auch er und seine Familie haben einiges durch gemacht. Er ist so wie Emma ein Außenseiter. Bei ihm allerdings, weil sie damals nach Amerika geflüchtet waren.

    Was mich immer wieder erschreckt, wie die Flüchtlinge noch nach dem Krieg beschimpft worden sind, wo doch alle so viel Leid erlebt haben.


    Sergej ist auch sehr interessant. Gut das ihn Alice so sehr an seine Tochter erinnert hatte, denn nur so konnte sie überleben.

    Ich bin so froh, dass sich Sergej die ganze Zeit weiterhin um Alice gekümmert und sie im Auge behalten hat. So blieb ihr das schlimmste in den Heimen erspart.

    Mir ist als haben Emma und Alice einige Parallelen. Bei Alice ist es Sergej, bei Emma Major Carter. Und die Sache mit den Sprachen ist auch noch da. Nur die politische Überzeugung wird bei beiden eine andere Richtung einnehmen.


    Die damalige politische Situation zwischen Ost und West ist ja bekannt, aber Clair hat viele interessante Fakten mit eingebracht, die ich so noch nicht kannte.

    Operation Ossawakim, war mir zum Beispiel nicht bekannt. Da kam das erste mal der Physiker ins Spiel. Und von der Kampftruppe, in der Max ist, wusste ich auch noch nichts.


    Irma ihr Schicksal ist auch tragisch und noch dazu so ungerecht. Diese speziellen Einrichtungen, wo sie vielleicht hingekommen ist sind nicht tragbar. Ich bin ja in der DDR groß geworden und die Jugendwerkhöfe gab es auch zu meiner Zeit ( eigentlich bis 1989) noch. Ich hatte zwei Jungen an meiner Schule, die dort hin gekommen sind und habe sie viele Jahre später einmal wieder getroffen. Die wurden dort gebrochen und waren psychische Frak's. Schlimm was sie dort erleben mussten, dass kommt der Hölle gleich.


    Der Mann der Emma am Arm gepackt hatte, beschäftigt mich auch noch. Er dachte bestimmt, dass es Alice ist.


    Dann war da noch die Rot Kreuz Karte, die Rosa zerissen hat. Eine Chance, Alice vielleicht doch zu finden, die verloren gegangen ist. Obwohl ich mich auch dabei frage, ob es möglich gewesen wäre auch vermisste Menschen zu finden, die im Ostblock gelebt haben.

    Alles sehr spannend, ich war auch sofort in der Geschichte drin. Bei Clair ihrem Schreibstil nicht verwunderlich.

    &quot; Bücher lesen heißt, wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben , über die Sterne&quot;<br />- Thomas Carlyle

    Einmal editiert, zuletzt von Kessi69 ()

  • Sagota

    Eine der interessantesten Stellen im Roman ist für mich auch die Szene, in der Emma ganz augenscheinlich mit ihrer Schwester verwechselt wird: Dass Rosa sich der Option verschließt, ihre Tochter Alice könnte noch am Leben sein, verstehe ich irgendwie: Viele Menschen haben damals derart unter der Ungewissheit gelitten, ob der/die Angehörige, nahe Familienmitglieder noch leben - oder nicht mehr, gar den Verstand verloren... Die Hoffnung Emma's hingegen finde ich ebenfalls nachvollziehbar - und bin sicher, dass sich die Zwillinge wiedertreffen werden: Nur wann und wo - ist derzeit noch unklar....


    Abschließend muss ich noch anmerken, dass ich mich schon fragte, wie ein hoher russischer Oberst oder Offizier wie Sergej ein deutsches Mädchen so beschützen kann wie Alice



    Ja die Szene hat mich auch noch eine Weile beschäftigt und ich glaube fast, dass es da vielleicht noch etwas geben wird. Dieser Markov war ja ganz scharf drauf, die Identität des Mädchens in Erfahrung zu bringen.


    Wahrscheinlich wäre es Sergej nicht gelungen, deshalb hat er ihr auch eingebleut ja nicht deutsch zu sprechen. Aber schon sehr gewagt, welches Risiko er auf sich genommen hat.

    &quot; Bücher lesen heißt, wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben , über die Sterne&quot;<br />- Thomas Carlyle

  • Claire Winter

    Ja, - und Rache war das auf jeden Fall bei vielen. Ich erinnere mich, dass ich für meine Recherchen ein Buch gelesen haben, in dem wurde berichtet, dass manche sowjetischen Soldaten erzählten, sie hätten sich heute schon zwei oder drei Mal gerächt und damit war dann gemeint, dass sie zwei oder drei Frauen vergewaltigt hatten. Das fand ich sehr erschütternd.


    Meine alte Chefin damals wurde von den Russen , als diese Rache nehmend über Deutschland rollten, in Gefangenschaft genommen und in ein russisches Arbeitslager gebracht. Aber bis sie dort ankam wurde sie täglich vergewaltigt. Bei uns in der DDR gab es ein monatlichen Beitrag, den jeder Arbeitnehmer zahlen musste. Das war für die " deutsch sowjetische Freundschaft" und sie wollte diesen Beitrag natürlich für das was man ihr angetan hat, nicht bezahlen. Da legte man ihr nahe, dass das ganze Kollektiv darunter leiden würde, sie wurde also unter Druck gesetzt. Folgedessen hat sie den Kollegen zu Liebe diesen Beitrag geleistet.

    So kann ich auch verstehen, dass Rosa so einen Hass auf die Russen hat. Sie musste dem Grauen in die Augen sehen, sie glaubt ihr Kind wurde ermordet oder verschleppt. Da hat man keine Sympathien übrig.

    &quot; Bücher lesen heißt, wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben , über die Sterne&quot;<br />- Thomas Carlyle

  • Kessi69: Guten Abend, wie schön, dass Du auch gleich einen guten Einstieg hattest und der Anfang Dich schon begeistern konnte! Das freut mich sehr. :)

    Das es damals ein Fluchtverbot gab wusste ich, umso mutiger fand ich Rosa ihre Entscheidung, es doch zu wagen. Das es so ein dramatisches Ende nehmen wird, hat mich sehr betroffen.

    Für mich hatte das auch beim Schreiben immer etwas Tragisches an Rosas Figur, dass sie ihrem Instinkt folgt, um ihre Töchter zu schützen und dann durch Alices Krankheit doch am Fortkommen gehindert und von den Russen eingeholt wird ...

    Was mir auch hierbei aufgefallen ist, dass über das Vergangene nie gesprochen wird. Das war in so vielen Familien so, wie auch bei meinen Großeltern, die aus dem Sudetenland geflohen sind. So auch bei Rosa und Emma, zu schrecklich sind die Erinnerungen.

    Ja, dieses nicht- darüber-Sprechen war wirklich etwas, dass in den meisten Familien im Nachkriegsdeutschland stattfand und sich ja noch über Jahrzehnte gehalten hat. Das war wie ein Tabu. Dadurch konnte aber sehr Vieles auch nie aufgearbeitet werden.

    Was mich immer wieder erschreckt, wie die Flüchtlinge noch nach dem Krieg beschimpft worden sind, wo doch alle so viel Leid erlebt haben.

    Das hat mich ehrlich gesagt auch wirklich schockiert, wie schwer es die Flüchtlinge in Deutschland hatten, wie sehr man sie ausgegrenzt, ausgenutzt und diskriminiert hat, und dass sie keineswegs willkommen waren. Es gibt ein sehr beeindruckendes Buch "Kalte Heimat" (von Andreas Kossert), dass sehr berührend darüber berichtet.

    Die damalige politische Situation zwischen Ost und West ist ja bekannt, aber Clair hat viele interessante Fakten mit eingebracht, die ich so noch nicht kannte.

    Operation Ossawakim, war mir zum Beispiel nicht bekannt. Da kam das erste mal der Physiker ins Spiel. Und von der Kampftruppe, in der Max ist, wusste ich auch noch nichts.

    Das freut mich sehr, vieles war mir übrigens vor meinen Recherchen auch nicht so bekannt. Vor allem über die "Kampftruppe gegen Unmenschlichkeit" hatte ich vorher nur wenig gewusst, fand sie aber gerade so faszinierend, weil sie ein so typisches Phänomen dieser Kalten Kriegszeit war. Mehr zu der KgU bestimmt auch noch einmal später ...

    Obwohl ich mich auch dabei frage, ob es möglich gewesen wäre auch vermisste Menschen zu finden, die im Ostblock gelebt haben.

    Das war zumindest sehr schwierig und mit immensen Einschränkungen verbunden, weil man auf die Zusammenarbeit mit den Behörden in den Ostblockstaaten angewiesen war, die den Westen ja genauso als Feind ansahen wie der Westen umgekehrt den Osten ...

  • Meine alte Chefin damals wurde von den Russen , als diese Rache nehmend über Deutschland rollten, in Gefangenschaft genommen und in ein russisches Arbeitslager gebracht. Aber bis sie dort ankam wurde sie täglich vergewaltigt. Bei uns in der DDR gab es ein monatlichen Beitrag, den jeder Arbeitnehmer zahlen musste. Das war für die " deutsch sowjetische Freundschaft" und sie wollte diesen Beitrag natürlich für das was man ihr angetan hat, nicht bezahlen. Da legte man ihr nahe, dass das ganze Kollektiv darunter leiden würde, sie wurde also unter Druck gesetzt. Folgedessen hat sie den Kollegen zu Liebe diesen Beitrag geleistet.

    Das ist wirklich furchtbar, man mag sich gar nicht vorstellen, wie sich Deine Chefin damals gefühlt haben muss ...

  • Wie schön, dass ihr alle so gut und intensiv in unserer Runde angekommen seid. Genau so hab ich mir das erhofft. :P


    Ich bin jedes Mal wieder begeistert WIE schnell ich in Claires Bücher-Welten angekomen bin und WIE schnell ich ihre Heldinnen ins Herz schließe. Und Max natürlich aber der kommt ja erst etwas später. ;)


    Ich kenne auch ein eineiiges Zwillingspärchen, die man aber sowohl optisch als auch charakterlich schon immer gut unterscheiden konnte. Über die Jahre haben sie auch nicht mehr so eine enge Beziehung wie als Kinder und Teenager. Das gibt es also auch. Aber was Emma und Alice empfinden wird sicherlich durch den Verlust der anderen noch multipliziert. Es ist ja, als wäre einem etwas abgeschnitten worden. Und da ja keiner die "Leiche" des anderen wirklich gesehen hat, können sie das alle nicht verarbeiten. Dass die Mutter sich solche Vorwürfe macht, finde ich besonders schrecklich. Und das sie nicht darüber sprechen kann mit der verbliebenen Tochter. Auch wenn ich Rosa verstehen kann, so tut mir Emma doch leid. So etwas hinterlässt tiefe Narben und davon bekommen viele Menschen später Depressionen und ähnliches. Aber der Krieg hat ja überhaupt nur Menschen hinterlassen, die solche Erschütterungen erlebt haben. Man kann sich das gar nicht vorstellen, dass wirklich jeder psychologische Hilfe hätte gebrauchen können. Ein ganzes Volk - nein ein ganzer Kontinent - von Menschen mit Traumata. Irrsinn dieser Weltkrieg. =O


    Alice hat es ja irgendwie nicht so toll getroffen. Ja, der Russe hilft ihr selbstlos. Aber später im Heim, das war schwer. Keine Mutter, die sie auffing. Und als Irma weg war auch keine beste Freundin mehr. Und man merkt bei ihr, dass sie von den DDR-Marx-Thesen indoktriniert wird und das Ganze für gut und richtig hält. Eine Weile hat diese Art von Gehirnwäsche ja bei vielen funktioniert. Wobei ich das vor allem in den Zeiten, wo es noch keine Mauer gab, gar nicht richtig begreifen kann. Dass sich die DDR-Bürger einredeten, dass es im Westen NICHT besser wäre und dass die sicher alle nicht glücklich wären. Wie konnte man das nur glauben, wo man selber an nichts rankam, für alles anstehen musste, nicht reisen durfte, sich duckten und Dinge tun musste, die man gar nicht wollte. Ist schon schräg, wie der Mensch sich formen lässt und wie er sich dies Art von Unterdrückung schön reden konnte. Die Unterschiede der zwei Systeme und die Denkweisen kommen gut rüber.


    Ebenfalls aufgefallen - und wieder mal sauer aufgestoßen - ist mir, dass viele Nazis ihre Denkweise einfach beibehalten haben und auch lautstark kundtun. Erschreckend aber das kannte ich ja spätestens aus vorhergehenden Romanen auch von Claire schon. X/


    Zwischen all der "Fiktion" gibt es einen Abschnitt mit Haushofer. Ist der Mann eine reale Persönlichkeit? Nehme ich mal an. Bin mal gespannt, welche Rolle der hier noch spielt.


    Und natürlich bin ich gespannt, wann die Schwestern sich wieder treffen. Ich fürchte ja fast, dass die Mutter das nicht erleben könnte. Ihre Konstitution macht mir Sorgen.


    Die Perspektivwechsel finde ich Klasse. Diesmal ohne zwei Zeitstränge, das kommt mir entgegen. Und dadurch wird die ganze Geschichte NOCH spannender. Ich kann es kaum aus der Hand legen.

    :lesen:





  • Ich kann übrigens absolut verstehen, dass Emma ihren Geburtstag nicht feiern will, weil sie ihre Schwester so sehr vermisst. Mir ergeht es immer so mit meinem Hochzeitstag, der nun keiner mehr ist. Es war mal der schönste Tag meines Lebens und jetzt nach einigen Jahren Trennung habe ich an dem Tag trotzdem immer Bauchweh und ein Unwohlsein, obwohl ich über das Ganze drüber hinweg bin

    Das kann ich voll und ganz nachvollziehen. Es gibt auch bei mir so ein paar Tage, die ich wie Du ganz ätzend finde. :(

    Den Geburtstag meines Vaters - der schon gestorben ist - finde ich als Gedenktag aber sehr schön. Ist aber auch nicht mein eigener Geburtstag. Das dass für Emma schwer ist, ist nachvollziehbar.

    Die Erwähnung von Kriegsheimkehrern durch Kais Vater fand ich ebenfalls sehr gelungen. Mir war direkt klar als sie den verwahrlosten Mann sieht, dass es jemand aus Kriegsgefangenschaft sein muss.

    Ich habe das Gefühl, dass Kais Vater noch eine negative Rolle spielen könnte. Irgendwie war sein Auftritt für mich bedrohlich. :/



    Dass sich dann so viel Hass, Wut und der Wunsch nach Rache entladen hat, als man deutschen Boden betreten hat, muss man, glaube ich, auch vor diesem Hintergrund sehen. Auch wenn es schrecklich ist, was damals passiert ist und wie so oft Unschuldige, wie die vielen vergewaltigten Frauen, getroffen hat.

    Kriegsgräuel gab und gibt es ja von jeder Seite und jeder Nationalität in jedem Krieg und immer wieder. Diese dienten auch dazu, den Feind zu demütigen und zu schwächen. Da kommen viele Beweggründe zusammen, die man in Friedenszeiten kaum nachvollziehen kann. Leider sind es immer die Schwächsten, die die Opfer sind.

    :lesen:





  • Zu dem Thema hat mich übrigens Eva Völlers "Ein Traum vom Glück" tief berührt.

    Das Buch habe ich auch schon gelesen und es hat auf seine Weise diese Zeit auch sehr gut eingefangen. Ich kann es auch empfehlen. :thumbup:



    Ich wusste nicht, dass es zwei Währungen gab und die West-Berliner in den Osten zum Einkaufen gingen 1950; i

    Ich wusste das zwar, aber ich finde es immer wieder frappierend, dass die Leute danach wieder in den Osten zurück sind und vom Westen auch oft noch eine negative Meinung mitgenommen haben. Sehr seltsam, wie schnell die Menschen sich da auseinander diffidiert haben. Vor allem, wo doch sicherlich viele im anderen Sektor Freunde und Verwandte gehabt haben müssen. :/



    Eine der interessantesten Stellen im Roman ist für mich auch die Szene, in der Emma ganz augenscheinlich mit ihrer Schwester verwechselt wird: Dass Rosa sich der Option verschließt, ihre Tochter Alice könnte noch am Leben sein, verstehe ich irgendwie: Viele Menschen haben damals derart unter der Ungewissheit gelitten, ob der/die Angehörige, nahe Familienmitglieder noch leben - oder nicht mehr, gar den Verstand verloren... Die Hoffnung Emma's hingegen finde ich ebenfalls nachvollziehbar - und bin sicher, dass sich die Zwillinge wiedertreffen werden: Nur wann und wo - ist derzeit noch unklar....

    Stimmt, diese Stelle birgt die Hoffnung, dass irgendwann in hoffentlich naher Zukunft alles rauskommt und die Schwestern sich finden.


    Die Mutter möchte nicht noch mehr verletzt werden und lässt deshalb alle Hoffnung fahren. Sehr traurig. Aber im Innersten kann sie das alles nicht verwinden und ich denke auch daran erkrankt sie. Ich kenne einige Frauen, die an gebrochenem Herzen leiden. (aus unterschiedlichsten Gründen) Bei Ärzten durchaus ein reales Krankheitsbild, welches man nicht unterschätzen sollte.



    Den "undurchsichtigen" Genossen Grigorjew ordne ich übrigens in die Welt der Agenten und Spione ein; ich bin sicher, dass dies in Zusammenhang mit "Kalter Krieg" noch Thema werden wird - und brenzlig könnte es auch werden, da es keine ungefährliche Zeit war.....

    Ja, ich denke, noch einige Darsteller werden ihre Rollen verändern und die Entwicklung der BRD und der DDR stellvertretend mitmachen.

    :lesen:





  • Der Mensch ist auch nur ein "Tier" und nicht umsonst sagen ja viele "Rache ist süß".

    Da triffst du den Nagel auf den Kopf. Das Animalische in uns versuchen wir wegzureden aber es sitzt tief in uns drin.

    Habe ich bereits notiert - und ich freue mich, wenn Deine Eltern meinen Roman auch lesen!

    Meine Mutter trommelt auch schon mit den Fingern auf dem Tisch vor Ungeduld. :)



    Ich bin ja in der DDR aufgewachsen

    Super - wir sind ein gemischtes Leserundenteam. Das ist spannend, wenn man auch die "andere " Seite hört.



    Was mir auch hierbei aufgefallen ist, dass über das Vergangene nie gesprochen wird. Das war in so vielen Familien so, wie auch bei meinen Großeltern, die aus dem Sudetenland geflohen sind.

    Mein Vater kam aus Schlesien mit Bruder und Mutter und er hat sehr viel davon erzählt. Das fand ich toll. Wie auch mein bayerischer Großvater, der so einiges aus dem Krieg zu berichten wusste. Leider haben tatsächlich mehr Menschen versucht mit Schweigen zu Vergessen oder sogar Ungeschehen zu machen. Und die psychischen Probleme haben ihr übriges getan.



    Irma ihr Schicksal ist auch tragisch und noch dazu so ungerecht.

    Ob Alice je die ganze Wahrheit herausfinden wird?

    :lesen:





  • nicigirl85  Claire Winter


    Den Kohlegeruch habe ich auch in meinen ersten Lebensjahren erlebt (das Saarland war bis in die 70er ein typisches Bergbaugebiet, die letzte Grube schloss in den 90ern, glaube ich) und im Studium hatten wir in der Küche einen alten Küchenofen (mit Umlauf, weiß ;) Den liebte ich sehr - eine tolle Wärme (in meinem Zimmer stand ein "Kanonenofen" - klein, rund wie ein dickeres Rohr - mit Holz befeuert: Es wurde augenblicklich warm im Zimmer, egal wie kalt es vorher war...)

    An leichten Kohlegeruch im Winter über der Stadt (Saarbrücken) kann ich mich auch noch vage erinnern....

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • Irma ihr Schicksal ist auch tragisch und noch dazu so ungerecht. Diese speziellen Einrichtungen, wo sie vielleicht hingekommen ist sind nicht tragbar. Ich bin ja in der DDR groß geworden und die Jugendwerkhöfe gab es auch zu meiner Zeit ( eigentlich bis 1989) noch. Ich hatte zwei Jungen an meiner Schule, die dort hin gekommen sind und habe sie viele Jahre später einmal wieder getroffen. Die wurden dort gebrochen und waren psychische Frak's. Schlimm was sie dort erleben mussten, dass kommt der Hölle gleich.

    Im Westen war es aber nicht weniger tragisch: Ich habe meine Examensarbeit über Heimerziehung (seit den 1950er Jahren) geschrieben und sehe da durchaus Parallelen: Auch in der BRD kam dies zuweilen einem Jugendknast und Willkür gleich!

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • Claire Winter

    Ja, - und Rache war das auf jeden Fall bei vielen. Ich erinnere mich, dass ich für meine Recherchen ein Buch gelesen haben, in dem wurde berichtet, dass manche sowjetischen Soldaten erzählten, sie hätten sich heute schon zwei oder drei Mal gerächt und damit war dann gemeint, dass sie zwei oder drei Frauen vergewaltigt hatten. Das fand ich sehr erschütternd.


    Meine alte Chefin damals wurde von den Russen , als diese Rache nehmend über Deutschland rollten, in Gefangenschaft genommen und in ein russisches Arbeitslager gebracht. Aber bis sie dort ankam wurde sie täglich vergewaltigt. Bei uns in der DDR gab es ein monatlichen Beitrag, den jeder Arbeitnehmer zahlen musste. Das war für die " deutsch sowjetische Freundschaft" und sie wollte diesen Beitrag natürlich für das was man ihr angetan hat, nicht bezahlen. Da legte man ihr nahe, dass das ganze Kollektiv darunter leiden würde, sie wurde also unter Druck gesetzt. Folgedessen hat sie den Kollegen zu Liebe diesen Beitrag geleistet.

    So kann ich auch verstehen, dass Rosa so einen Hass auf die Russen hat. Sie musste dem Grauen in die Augen sehen, sie glaubt ihr Kind wurde ermordet oder verschleppt. Da hat man keine Sympathien übrig.

    Mir wurde in meiner Arbeit in einem hessischen Seniorenheim klar, welche Grenze (der Belastbarkeit) ich wohl überschritten hatte, als ich an einem Filmnachmittag (auf Wunsch einiger SeniorInnen) zeigte, wie Dresden im 2. WK bombardiert wurde: Ein Senior (den ich sehr mochte, er kam aus Ostpreußen) ging fast weinend hinaus, ich brach ab: Er erzählte mir, dass er auf der Flucht mitbekommen hatte, dass die russische Armee mit ihren Panzern einfach über die deutschen Flüchtlinge gefahren sind.... - wie gut konnte ich da verstehen, dass diese Bilder der Erinnerung einfach ZU VIEL für ihn waren.....

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)