01 - Prolog, Teil 1 und Teil 2

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  • Oh, hier war ja was los in der letzten Stunde ... und ich dachte, es schlafen schon alle!?

    gagamaus: Ich freue mich wirklich sehr, dass Du so schnell in dem Roman angekommen bist und die Protagonisten schon alle ins Herz geschlossen hast! :)

    Aber was Emma und Alice empfinden wird sicherlich durch den Verlust der anderen noch multipliziert. Es ist ja, als wäre einem etwas abgeschnitten worden.

    Ja, ganz bestimmt und diese enge Verbundenheit der beiden resultierte natürlich zusätzlich auch aus dieser Kriegszeit, die sie als Kinder zuvor zusammen erlebt haben. Sie haben den Verlust des Vaters mitbekommen und erlebt, wie die Mutter sich schon damals in Ostpreußen etwas verändert hatte. Das alles hatte sie natürlich auch sehr eng zusammengeschweißt ...

    Man kann sich das gar nicht vorstellen, dass wirklich jeder psychologische Hilfe hätte gebrauchen können. Ein ganzes Volk - nein ein ganzer Kontinent - von Menschen mit Traumata. Irrsinn dieser Weltkrieg.

    Das war tatsächlich so und hatte dementsprechend auch psychologische Auswirkungen für die nächsten Generationen. Ich glaube, wir hatten bei meinem letzten Roman auch mal über das Thema gesprochen, auch über die tollen Bücher von Sabine Bode, die sich mit den Konsequenzen dieser Trauma für die Kinder und Enkel der Kriegsgeneration auseinandergesetzt hatte, oder?

    Dass sich die DDR-Bürger einredeten, dass es im Westen NICHT besser wäre und dass die sicher alle nicht glücklich wären. Wie konnte man das nur glauben, wo man selber an nichts rankam, für alles anstehen musste, nicht reisen durfte, sich duckten und Dinge tun musste, die man gar nicht wollte.

    Ich glaube, das kann man vielleicht nur aus der damaligen Zeit verstehen. Nach dem Krieg wollte viele Menschen ja etwas verändern und eine bessere und gerechtere Welt erschaffen. Und die Gesellschaft war ja auch noch viel stärker hierarchisiert als heute, in dem Sinne, dass es noch schwieriger war, aus seiner Schicht herauszukommen. Der Kommunismus bzw. Sozialismus schien daher vielen der richtige Weg, das zu verändern.

    Das klingt heute sehr idealistisch, aber damals, nach diesem furchtbaren Erlebnissen des Kriegs und gerade in den ersten Nachkriegsjahren haben wirklich viele daran geglaubt und nicht sofort gesehen, in welche Richtung sich das Regime in der DDR entwickelt.

    Zwischen all der "Fiktion" gibt es einen Abschnitt mit Haushofer. Ist der Mann eine reale Persönlichkeit?

    Hier muss ich leider verneinen. Sigmund Haushofer ist eine fiktive Figur ...:)

    Die Perspektivwechsel finde ich Klasse. Diesmal ohne zwei Zeitstränge, das kommt mir entgegen. Und dadurch wird die ganze Geschichte NOCH spannender.

    Das freut mich jetzt aber besonders.:) Ich wollte nämlich einfach nicht mehr in diesen zwei Zeitsträngen erzählen und ein bisschen fürchtet man als Autorin natürlich immer, ob die Leser/Leserinnen einem dabei auch folgen ...

  • Alice hat es ja irgendwie nicht so toll getroffen. Ja, der Russe hilft ihr selbstlos. Aber später im Heim, das war schwer. Keine Mutter, die sie auffing. Und als Irma weg war auch keine beste Freundin mehr. Und man merkt bei ihr, dass sie von den DDR-Marx-Thesen indoktriniert wird und das Ganze für gut und richtig hält. Eine Weile hat diese Art von Gehirnwäsche ja bei vielen funktioniert. Wobei ich das vor allem in den Zeiten, wo es noch keine Mauer gab, gar nicht richtig begreifen kann. Dass sich die DDR-Bürger einredeten, dass es im Westen NICHT besser wäre und dass die sicher alle nicht glücklich wären. Wie konnte man das nur glauben, wo man selber an nichts rankam, für alles anstehen musste, nicht reisen durfte, sich duckten und Dinge tun musste, die man gar nicht wollte. Ist schon schräg, wie der Mensch sich formen lässt und wie er sich dies Art von Unterdrückung schön reden konnte. Die Unterschiede der zwei Systeme und die Denkweisen kommen gut rüber.

    Perfekt meine Meinung: Und auch nach Ü60 Jahren noch immer den Kopf schüttel drüber: Hier geht es zwar um BRD und DDR-Zeiten, aber (auch wenn ich in meiner Jugend auch mal kurz dem Marxismus anhing und auf UZ-Festivals in Düsseldorf war .... - ist mir irgendwann aufgegangen, dass es die so viel gepriesene "Gleichheit und Einigkeit" auch in der sozialistisch geprägten DDR nicht gab. Nicht geben konnte, da der Mensch eben ist, wie er ist - auch dort gab es "Privilegien", die zu sehen und auch zu spüren waren, wenn man ein hohes Tier in der Partei war:

    Ich war mit meinem Vater VOR dem Mauerfall in der DDR und habe da ganz persönliche Erfahrungen (er hatte einen Freund aus Kriegszeiten in Torgau/Elbe - beide waren in Norwegen, aber keine Nazis GsD)... und konnte, kaum reingefahren bzw. "kontrolliert" - sehen, wie das im anderen System war: An der Tanke fuhr ein hohes Tier vor - an der Schlange der wartenden Trabis vorbei, in einem Wartburg: Dieser Herr musste nicht warten... (nur ein Beispiel)....

    Ich finde es historisch absolut toll, dass sich die DDR-Bürger friedlich wehrten - und letztlich (u.a. dank Gorbi!) zum Erfolg kamen, Deutschland wiedervereint wurde. Ein starkes Stück Geschichte, das Claire hier aufrollt!!!!


    Worauf ich eigentlich hinaus wollte: (Kommunistische Systeme versus "subversive imperialistische Systeme" )- ist für mich China: Bestes Beispiel für Unterdrückung und Gleichschaltung, siehe Hongkong!

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • Meine Mutter trommelt auch schon mit den Fingern auf dem Tisch vor Ungeduld. :)

    Wie schön. Das freut die Autorin aber ...:)

    Mir wurde in meiner Arbeit in einem hessischen Seniorenheim klar, welche Grenze (der Belastbarkeit) ich wohl überschritten hatte, als ich an einem Filmnachmittag (auf Wunsch einiger SeniorInnen) zeigte, wie Dresden im 2. WK bombardiert wurde: Ein Senior (den ich sehr mochte, er kam aus Ostpreußen) ging fast weinend hinaus, ich brach ab: Er erzählte mir, dass er auf der Flucht mitbekommen hatte, dass die russische Armee mit ihren Panzern einfach über die deutschen Flüchtlinge gefahren sind.... - wie gut konnte ich da verstehen, dass diese Bilder der Erinnerung einfach ZU VIEL für ihn waren.....

    Furchtbar, ich glaube, man kann gar nicht ermessen, was manche Menschen erlebt und durchgemacht haben. Ich kann diesen Senior auch nur zu gut verstehen ...

    - ist mir irgendwann aufgegangen, dass es die so viel gepriesene "Gleichheit und Einigkeit" auch in der sozialistisch geprägten DDR nicht gab. Nicht geben konnte, da der Mensch eben ist, wie er ist - auch dort gab es "Privilegien", die zu sehen und auch zu spüren waren, wenn man ein hohes Tier in der Partei war:

    Nein, am Ende hatten sie auch ihre Elite und Privilegien, die sie vergeben haben und es war eben keine Gesellschaft, in der alle "gleich" waren. Manchmal mussten sie übrigens auch schon Privilegien vergeben, um überhaupt in Konkurrenz zum Westen treten zu können. Dazu später vielleicht noch einmal mehr ...

  • Im Westen war es aber nicht weniger tragisch: Ich habe meine Examensarbeit über Heimerziehung (seit den 1950er Jahren) geschrieben und sehe da durchaus Parallelen: Auch in der BRD kam dies zuweilen einem Jugendknast und Willkür gleich!

    Finde ich toll, dass Du das erwähnst!!

  • Claire Winter


    Ja, die "Konkurrenz" zum jeweils anderen System ist mir auch bewusst (aus dieser Zeit heraus) und nach dem Lesen des 2. Leseabschnitts wird es auch noch politischer: Ich finde, Du hast exemplarisch (durch die Figuren) sehr gut die "verschiedene Denke" des jeweiligen Systems zum Ausdruck gebracht. Für mich übrigens bis heute auch eine "etwas wunde Stelle", da ich so einige persönliche Erfahrungen gemacht habe....


    Marion Gräfin von Dönhoff: Ich habe sie gegoogelt, habe GsD ein Buch meines Vaters von ihr (er hielt große Stücke auf sie, war lange ja Mithrsg. der "Zeit") und will mich noch mit ihr - in Sachen Ostpreußen - beschäftigen. Danke für Deinen Literaturtipp - ich habe hier "Kindheit in Ostpreußen" stehen; leider noch immer nicht gelesen - aber nach Deinem Roman wäre das die optimale Anschlusslektüre (irgendwie bewegt dieses Thema mein Herz wie kaum ein anderes deutscher Geschichte: all das Leid, der Stolz dieses mit Sicherheit wunderschönen Landstrichs - und die furchtbare grausame Art, wie mit den Menschen umgegangen wurde..., die wortwörtlich im Stich gelassen wurden. Unter Strafe gestellt, wenn sie vor der Kapitulation - die längst vorhersehbar war - geflüchtet wären.

    Ein bewegender Film dazu auch "Die Flucht" - mit Maria Furtwängler, die in ihrer Rolle brilliert. Das heutige Polen gehört übrigens auch zu den Gebieten, die für mich am meisten unter dem faschistischen Deutschland leiden mussten.... (und die Menschen, die dort leb(t)en..... Auch hier war ja die Annäherung sehr sehr zeitverzögert...


    Auch denke ich, dass die Angst "vor den Roten" nach Hitler-Deutschland auch vorhanden war - vielleicht nicht ganz ohne Grund?

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • Das war tatsächlich so und hatte dementsprechend auch psychologische Auswirkungen für die nächsten Generationen. Ich glaube, wir hatten bei meinem letzten Roman auch mal über das Thema gesprochen, auch über die tollen Bücher von Sabine Bode, die sich mit den Konsequenzen dieser Trauma für die Kinder und Enkel der Kriegsgeneration auseinandergesetzt hatte, oder?

    Stimmt, liebe Claire. Was mir deshalb auch an diesem Buch gefällt, dass es wie ein neues Puzzleteil zu Deinem vorhergehenden Roman ist. Das wird im nächsten Abschnitt noch deutlicher. Wir können einfach die Gedanken der letzten Runde mit Dir fortführen und Neues hinzufügen. 8o

    Ich glaube, das kann man vielleicht nur aus der damaligen Zeit verstehen. Nach dem Krieg wollte viele Menschen ja etwas verändern und eine bessere und gerechtere Welt erschaffen. Und die Gesellschaft war ja auch noch viel stärker hierarchisiert als heute, in dem Sinne, dass es noch schwieriger war, aus seiner Schicht herauszukommen. Der Kommunismus bzw. Sozialismus schien daher vielen der richtige Weg, das zu verändern.

    Ja, das stimmt. Rückblickend kann man leicht sagen, dass das DDR-System nicht funktioniert hat und der Kommunismus auch heute noch an Einigem krankt - wie auch der Sozialismus natürlich. Und es gab natürlich noch nicht diese mächtige freie Presse und das Internet, wo man sich unabhängig hätte informieren können. Das ich aber so schnell diese zwei Lager formiert und die Fronten verfestigt haben, finde ich trotzdem erschreckend. Aber wenn man liest, dass Tausende jede Woche aus der DDR in die BRD kamen und nicht zurück wollten, dann sieht man ja auch, dass genug Leute wussten, dass dieses System nicht das Gelbe vom Ei ist.

    :lesen:





  • Ich finde, Du hast exemplarisch (durch die Figuren) sehr gut die "verschiedene Denke" des jeweiligen Systems zum Ausdruck gebracht. Für mich übrigens bis heute auch eine "etwas wunde Stelle", da ich so einige persönliche Erfahrungen gemacht habe....

    Vielen Dank, es freut mich sehr, dass Du das schreibst. Und jetzt bin ich natürlich neugierig geworden, was Deine Erfahrungen angeht ... ;)

    Danke für Deinen Literaturtipp - ich habe hier "Kindheit in Ostpreußen" stehen; leider noch immer nicht gelesen - aber nach Deinem Roman wäre das die optimale Anschlusslektüre (irgendwie bewegt dieses Thema mein Herz wie kaum ein anderes deutscher Geschichte: ...

    Ich habe sehr viel bei meinen Recherchen über Ostpreußen gelesen, aber ihr Buch hat mich wirklich in besonderer Weise berührt. Zum einen hat sie einen wunderbaren Stil, aber dann klingt vor allem diese Liebe zu ihrer ehemaligen Heimat so durch. Ihre Familie war dort ja seit Jahrhunderten verwurzelt. "Kindheit in Ostpreußen" von ihr kenne ich allerdings nicht.

    Auch denke ich, dass die Angst "vor den Roten" nach Hitler-Deutschland auch vorhanden war - vielleicht nicht ganz ohne Grund?

    Da kann ich Dir nur zustimmen. Ganz sicher ist diese Angst nicht so schnell verloren gegangen ...

  • Ja, das stimmt. Rückblickend kann man leicht sagen, dass das DDR-System nicht funktioniert hat und der Kommunismus auch heute noch an Einigem krankt - wie auch der Sozialismus natürlich. Und es gab natürlich noch nicht diese mächtige freie Presse und das Internet, wo man sich unabhängig hätte informieren können. Das ich aber so schnell diese zwei Lager formiert und die Fronten verfestigt haben, finde ich trotzdem erschreckend. Aber wenn man liest, dass Tausende jede Woche aus der DDR in die BRD kamen und nicht zurück wollten, dann sieht man ja auch, dass genug Leute wussten, dass dieses System nicht das Gelbe vom Ei ist.

    Absolut! Und spätestens nach dem Aufstand im Juni 1953 hat sich dahingehen ja auch etwas grundlegend verändert, weil die Menschen mitbekommen haben, wie gewalttätig das Regime reagiert hat. Aber wie Du schon schreibst, es gab damals eben auch ein ganz anderes Mediensystem. Fernsehen hatte viele noch nicht und die Berichte im Radio und den Zeitungen waren oft zensiert. Generell fand ich es übrigens interessant, dass viele Menschen, mit denen ich gesprochen habe und die damals junge Erwachsene waren, erzählten, dass sie recht unpolitisch waren und mehr mit ihrem eigenen Leben beschäftigt waren. Die Informationen, die sie hatten, waren oft - natürlich nicht bei allen - ganz andere als die, über die wir heute verfügen. Und dann hieß in den Westen gehen, natürlich auch, alles zurückzulassen - nicht nur Besitz, sondern auch Freunde, Familie, eben alles was vertraut war. Das war wahrscheinlich ein gar nicht so einfacher Schritt ...

  • Und dann hieß in den Westen gehen, natürlich auch, alles zurückzulassen - nicht nur Besitz, sondern auch Freunde, Familie, eben alles was vertraut war. Das war wahrscheinlich ein gar nicht so einfacher Schritt ...

    Das wäre für mich als Familientier das Schwerste überhaupt. Ich denke, ich würde viel schlucken, nur um NICHT gehen zu müssen. Die jungen Leute sind da vielleicht etwas unbedarfter, könnte ich mir denken. Meine Söhne würden es sicherlich wagen.

    :lesen:





  • Das wäre für mich als Familientier das Schwerste überhaupt. Ich denke, ich würde viel schlucken, nur um NICHT gehen zu müssen. Die jungen Leute sind da vielleicht etwas unbedarfter, könnte ich mir denken. Meine Söhne würden es sicherlich wagen.

    Mir würde das auch sehr, sehr schwer fallen! Eine Verwandte von mir ist in Anfang August 1961 noch aus der DDR, dem Umland von Ost-Berlin, in den Westen geflohen und sie hat mir erzählt, wie schwierig diese Entscheidung auch emotional für sie war. Sie wusste ja nicht, ob sie z.B. ihre Schwester jemals wieder sehen würde. Die Eltern konnten ja zumindest, wenn sie Rentner waren, später zu Besuch kommen. Zudem hatte sie auch noch sehr große Angst, die zurückgebliebene Familie könnte durch ihre Flucht Schwierigkeiten mit den Behörden bekommen. Sie haben deshalb alles sehr lange und gründlich vorbereitet ...

    Aber ich glaube auch, wenn man jünger ist und sein Leben noch aufbaut, ist man genereller eher bereit, solche Entscheidungen zu treffen.

  • . Aber was Emma und Alice empfinden wird sicherlich durch den Verlust der anderen noch multipliziert. Es ist ja, als wäre einem etwas abgeschnitten worden. Und da ja keiner die "Leiche" des anderen wirklich gesehen hat, können sie das alle nicht verarbeiten. Dass die Mutter sich solche Vorwürfe macht, finde ich besonders schrecklich. Und das sie nicht darüber sprechen kann mit der verbliebenen Tochter. Auch wenn ich Rosa verstehen kann, so tut mir Emma doch leid. So etwas hinterlässt tiefe Narben und davon bekommen viele Menschen später Depressionen und ähnliches.


    Ebenfalls aufgefallen - und wieder mal sauer aufgestoßen - ist mir, dass viele Nazis ihre Denkweise einfach beibehalten haben und auch lautstark kundtun. Erschreckend aber das kannte ich ja spätestens aus vorhergehenden Romanen auch von Claire schon. X/

    Ich denke auch so, was die Depressionen angeht. Ich habe mal eine Doku gesehen, wo sich Forscher, Psychologen und Psychiatrer mit dem Thema Nachkriegsdepression befasst haben. Da ging es nicht nur um den ersten und zweiten Weltkrieg, sondern auch um andere Kriege wie den Vietnamkrieg, Afghanistan, Irak und andere. Diese Depressionen können noch an die zweite und dritte Generation weitergegeben werden. Das sind viele Faktoren die dabei zusammenkommen. Das war sehr interessant. Durch dieses " darüber reden wir nicht" wird das erlebte nicht verarbeitet und jeder muss mit seinen Dämonen alleine zurecht kommen.

    Da fand ich es interessant was Emma nach der Begegnung mit dem russischen Mann passiert ist. Sie erlitt einen Albtraum. Nicht verwunderlich, dass ist wie ein Trickerpunkt, der Bilder im Unterbewusstsein wieder aufleben lässt. Ich kenne das durch mein Trauma was ich über viele Jahre erleben musste ( hab ja schon mal darüber berichtet) da kann es einem richtig gut gehen und dann reicht ein Schlüsselerlebnis oder ein Gegenstand und man wird in die Zeit zurück versetzt und alles ist wieder präsent. Nur uns wird heutzutage geholfen und diese Hilfe haben Menschen wie Emma, Rosa und so viele mehr, nicht gehabt. Ganze Völker waren traumatisiert.


    Das Nazis nach dem Krieg führende Positionen bekommen haben und sogar im BND tätig waren, verstehe ich bis heute noch nicht. Sicher, sie hatten in bestimmten Positionen die Fähigkeiten, aber andere wären auch fähig gewesen, wenn man sie ausgebildet hätte.

    &quot; Bücher lesen heißt, wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben , über die Sterne&quot;<br />- Thomas Carlyle

  • Ich habe heute erst noch nach dem Massaker von Nemmersdorf gegoogelt. Manche Dinge notiere ich mir immer extra um dann in aller Ruhe nachlesen zu können. So wird man nicht dümmer^^ und erfährt zusätzlich einiges an Hintergrundwissen.


    Und als ich mir meine Notizen noch einmal durchgelesen habe, ist mir noch etwas aufgefallen. Der Vergleich zwischen den sowjetischen Lagern und den Konzentrationslagern. Ist gar nicht so weit hergeholt wenn ich nur an das Buch " So weit die Füße tragen" denke. Da gibt es ja einige in dieser Art, wo von den Zuständen in russischen Arbeitslagern berichtet wird.


    Claire Winter , danke für den Buchtipp " Kalte Heimat"

    &quot; Bücher lesen heißt, wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben , über die Sterne&quot;<br />- Thomas Carlyle

  • Diese Depressionen können noch an die zweite und dritte Generation weitergegeben werden. Das sind viele Faktoren die dabei zusammenkommen. Das war sehr interessant. Durch dieses " darüber reden wir nicht" wird das erlebte nicht verarbeitet und jeder muss mit seinen Dämonen alleine zurecht kommen.

    Ja, und wenn man darüber nachdenkt, ist es doch auch eigentlich sehr logisch, dass die Auswirkungen dieser Depressionen auch an die nächsten Generationen weitergegeben werden. Jemand, der über seine Gefühle und das, was er erlebt hat, nicht fähig ist zu sprechen, wird sich doch z.B. auch seinen Kindern gegenüber nicht emotional offen verhalten können, worunter diese wieder zu leiden haben und es später auch weitergeben etc.

    Das Nazis nach dem Krieg führende Positionen bekommen haben und sogar im BND tätig waren, verstehe ich bis heute noch nicht. Sicher, sie hatten in bestimmten Positionen die Fähigkeiten, aber andere wären auch fähig gewesen, wenn man sie ausgebildet hätte.

    Das ist ja auch unglaublich, aber diese Seilschaften haben auch nach dem Krieg so gut funktioniert, dass sich diese Nazis gegenseitig zurück in die Institutionen geholfen haben und wieder wichtige gesellschaftliche Positionen einnehmen konnte. Andersdenkende, also zum Beispiel Leute, die im Widerstand waren, und damals in die BRD zurückkehrten, hatten da keine großen Chancen. Die wurde übrigens gerne als Kommunisten diffamiert ...

  • Spät aber doch melde ich mich nun auch hier! Ich hab mich sehr auf diese Leserunde gefreut, auch wenn ich momentan recht wenig Lesezeit habe. Aber das wird sich in 2 bis 3 Tagen glücklicherweise wieder ändern.


    Wie schön, wieder einmal mit Euch allen gemeinsam zu lesen!


    In das Buch bin ich ganz schnell reingekommen: interessante Geschichte, toll aufgebaut, Protagonisten, mit denen man mitfiebert. Ich bin begeistert!


    Ich vermute mal, dass die handelnden Personen eigentlich fiktiv sind, aber für die Schicksale von unzähligen anderen stehen. Denn solche Familientrennungen gab es sicher viel zu oft.

    Schrecklich welche Folgen dies für die betroffenen Menschen hatte und auch für die nachfolgenden Generationen. Traumata die lange nachwirken!


    Bei Dr. Haushofer bin ich mir nicht so sicher, ob er tatsächlich gelebt hat oder ob er auch für jemand anderen steht. Auf alle Fälle gab es sicher genug Wissenschaftler, die in Moskaus Diensten standen - mehr oder minder freiwillig.


    Besonders gut gefallen mir die Beschreibungen des Lebens in Berlin, wie die Menschen in der geteilten Stadt gelebt haben und wie sie sich mit den politischen Gegebenheiten arrangieren mussten.


    Ein spannendes Buch und ich freu mich schon auf die nächsten Kapitel.

    Vernunft, Vernunft...

  • Oft schon habe ich mir vorzustellen versucht, was diese Menschen erlitten haben und wusste schon, dass es unter Strafandrohung verboten war, zu flüchten.

    Für mich ist das Leid, das die Menschen damals ertragen mussten völlig unvorstellbar. Deshalb finde ich solche Geschichten ja auch so interessant und wichtig. Denn wenn man an persönlichen Schicksalen Anteil nimmt, dann versteht man Situationen wesentlich besser, als wenn man nur "1000ende auf der Flucht" liest.


    Die Erwähnung von Kriegsheimkehrern durch Kais Vater fand ich ebenfalls sehr gelungen. Mir war direkt klar als sie den verwahrlosten Mann sieht, dass es jemand aus Kriegsgefangenschaft sein muss

    Stimmt! Es war klar, dass jemand aus der Kriegsgefangenschaft nach Hause gekommen ist. Das war ja auch immer wieder leidvoll für alle Familienmitglieder, denn Krieg und Gefangenschaft haben die Männer verändert und damit mussten jetzt alle zu leben versuchen.

    Vernunft, Vernunft...

  • Claire Winter  Kessi69


    Das trieb Blüten bis zur Diffamierung einiger überzeugter CDU und Anti-SPD-Wähler (mein Vater war einer davon) von Willy Brandt, immerhin mal ein Kanzler gewesen, da er einige Jahre im Exil verbrachte.....

    Mein Vater (seines Zeichens eigentlich Monarchist *1912) mochte die SPD gar nicht - und Brandt noch weniger. Was haben ich und mein Bruder mit ihm für politische Debatten bestritten (seine Kinder waren links, zumindest ich als Jüngste und mein Bruder - und zuweilen ging es hoch her, wenn über Politik gesprochen wurde... Die Nazis mochte er GsD überhaupt nicht - und es kursiert die Geschichte (er hat seine Ausbildung zum Gärtner in Berlin absolviert, als Hitler an die Macht kam), dass er NICHT den Hitlergruß machte - was damals unter Strafe stand. Solch einen Mann zu grüßen, war unter der Würde meines Vaters (was ich ihm noch heute hoch anrechne, auch wenn er nicht viel aus der Zeit des 2. WK - er wurde spät eingezogen, war in Norwegen) erzählte... wie so viele....

    Heute kann ich das besser verstehen: Es gibt so Unerträgliches, was Menschen erleben mussten, dass sie diese Erlebnisse für immer in ein Kästchen sperren, um es möglichst nie mehr aufzumachen (so wie Rosa, die nur mit dem Kapitel Flucht und Alleine-lassen ihrer Tochter Alice abschließen kann, wenn sie annimmt, dass diese nicht mehr am Leben ist. - Eine Art der Verdrängung, die uns Menschen zu eigen ist...

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • Auf alle Fälle gab es sicher genug Wissenschaftler, die in Moskaus Diensten standen - mehr oder minder freiwillig.

    Das hatte ich hingegen gar nicht so auf dem Schirm, dass auch Russland viele Wissenschaftler "in ihren Dienst stellte" - dass so einige in den USA an atomaren Programmen weiterforschen "durften", ist mir irgendwie eher im Gedächtnis.

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • Ich hab das nur schnell bei Wikipedia nachgelesen, weil ich nicht mehr wußte, woher ich das weiß. Aber: ja, auch die Sowjetunion hat, wie die USA, viele westeuropäischen bzw deutschen Wissenschaftler für die eigenen Ziele eingesetzt. Wikipedia spricht hier von ung 300.

    Vernunft, Vernunft...

  • ysa: Guten Morgen, ich freue mich sehr, dass Du auch schnell ins Buch reingekommen bist und begeistert bist! Wie schön. Vielen Dank!!:)

    Bei Dr. Haushofer bin ich mir nicht so sicher, ob er tatsächlich gelebt hat oder ob er auch für jemand anderen steht. Auf alle Fälle gab es sicher genug Wissenschaftler, die in Moskaus Diensten standen - mehr oder minder freiwillig.

    Also, Dr. Haushofer ist eine fiktive Figur, aber Du hast recht, es gab in der Realität etliche Wissenschaftler, die in Moskaus Diensten standen und ja sogar in der Sowjetunion arbeiten mussten. Ihre Dienste wurden nach dem Kriegs als ein Teil der "Reparationszahlungen" angesehen und viele durften erst Mitte der 50er Jahre wieder zurückkehren ...

    Besonders gut gefallen mir die Beschreibungen des Lebens in Berlin, wie die Menschen in der geteilten Stadt gelebt haben und wie sie sich mit den politischen Gegebenheiten arrangieren mussten.

    Das freut mich sehr, denn ich finde diese Zeit in Berlin auch selbst so ungeheuer spannend!