Textliche Bereinigung von Ki/JuLi - verständliche Anpassung oder reine Zensur?

Es gibt 24 Antworten in diesem Thema, welches 7.007 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von sandhofer.

  • @Barti: Hast schon recht. Dennoch sträuben sich mir die spärlicher werdenden Haupthaare, wenn ich von Kürzungen/Anpassungen im Dienste der "political correctness" lese...


  • Ich gehe jetzt mal von mir aus:
    Meine Mutter hat die Bücher die ich gelesen habe, immer gesehen, weil sie in der Bücherei dabei war als ich sie mir ausgeborgt habe. Sie kannte sicherlich nicht immer den Inhalt des ganzen. Aber wenn ich was nicht verstanden habe, dann bin ich gekommen und habe sie gefragt.


    Wie gesagt: ums "Verstehen" geht es ja nicht. Es geht darum, dass vielleicht etwas als ganz selbstverständlich dargestellt wird, was so nicht dargestellt werden sollte.


    Zitat

    Ich denke, dass diese Diskussion derzeit die Wirkung von Büchern überschätzt.


    Wieso das denn? Die Frage stellt sich einfach für die Herausgeber: Sollte man ein bestimmtes Vokabular in einem Kinderbuch stehen lassen? Diese Frage ist ganz unabhängig von dem tatsächlichen Ausmaß der Beeinflussung. Einfach so zu tun als wäre das überhaupt kein Problem, finde ich auch keine Lösung.


    Zitat

    Ich habe als Kind gerne Fantasie Bücher gelesen und denke doch nicht dass am Mond grüne Männchen wohnen. Ich habe Raumschiff Enterprise gesehen und bei einer Ausstellung über die Mondlandung von Armstrong bin ich auch nicht Mr. Spock suchen gegangen.


    Rassismus und S.e.x.ismus sind aber leider nicht so deutlich nicht von dieser Welt wie ein Vulkanier...


    Zitat

    Ich bin nach wie vor überzeugt, dass das Vorleben der Eltern viel mehr Gewicht hat als irgendein Buch. Und wenn die Eltern Neger sagen, dann werden das auch die Kinder so lernen, auch wenn es in keinem Buch der Welt mehr zu finden sein wird.


    Das bestreitet ja niemand. Es geht darum, mit einem Problem umzugehen, das die Texte erzeugen, ganz unabhängig davon, dass ähnliche Probleme auch noch anderweitig erzeugt werden können.


  • Wie gesagt: ums "Verstehen" geht es ja nicht. Es geht darum, dass vielleicht etwas als ganz selbstverständlich dargestellt wird, was so nicht dargestellt werden sollte.


    Und da finde ich es dann umso wichtiger, dass die Eltern diese Sichtweise dann zurechtrücken. Dass es eben keine Neger mehr gibt, aber dass es eine Zeit gab, in der es selbstverständlich war, dass schwarze Menschen wie Dreck behandelt wurden. Wenn man diese Tatsache in Kinderbüchern verharmlost und alle negativ Wörter herausstreicht, dann verfälscht man die Geschichte. Man muss ihnen ja nicht das ganze Drama der Sklaverei vor Augen führen, aber es sollte rüber kommen, dass diese Menschen damals für die "Weißen" keine Menschen waren.



    Wieso das denn? Die Frage stellt sich einfach für die Herausgeber: Sollte man ein bestimmtes Vokabular in einem Kinderbuch stehen lassen? Diese Frage ist ganz unabhängig von dem tatsächlichen Ausmaß der Beeinflussung. Einfach so zu tun als wäre das überhaupt kein Problem, finde ich auch keine Lösung.


    Ich habe nur gemeint, dass ich finde, dass die Wirkung überschätzt wird. Kinder glauben nicht alles was in Büchern vorkommt. Sonst müsste ich auch sämtliche Zeichentrickfime umschreiben und neu drehen (siehe Tom&Jerry)



    Zitat von Jaqui

    Ich habe als Kind gerne Fantasie Bücher gelesen und denke doch nicht dass am Mond grüne Männchen wohnen. Ich habe Raumschiff Enterprise gesehen und bei einer Ausstellung über die Mondlandung von Armstrong bin ich auch nicht Mr. Spock suchen gegangen.


    Rassismus und S.e.x.ismus sind aber leider nicht so deutlich nicht von dieser Welt wie ein Vulkanier...


    Siehe oben: Eltern sollten sich ihrer Verantwortung werden und den Kindern die Sicht der Dinge erklären...



    Ich verstehe schon worauf du hinauswillst, aber ich denke, dass sich Kinder nach dem Lesen eines Buches nicht so viele Gedanken machen wie wir. Sie sitzen dann nicht und denken die ganze Zeit an das arme Nesthäckchen, wie es eingesperrt ist in einer Männerwelt. Kinder sind klüger als wir denken und ich würde keine Wörter aus den Büchern rausstreichen.


    Katrin

  • ... - wenn man es schon nicht hinbekommt, mit seinen Blagen über einen Text zu sprechen. Das wäre jedenfalls besser, als alles auszumerzen, was man derzeit für schlecht hält.


    Du verlangst viel von vielen Eltern, die nicht einmal Filme mit Kindern besprechen :breitgrins:
    Jüngst hat das übrigens auch die Lehrerin meiner kleinen 6-jährigen Freundin fertiggebracht: Die Kinder völlig unreflektiert vor eine DVD gesetzt und dann die Kinder heimgeschickt. Die konnten hinterher weder Sinn noch Handlung des Films erzählen.


    Ich halte den Einfluss des Elternhauses für das A&O. Damit will ich nicht unbedingt jeder Korrektur eine Absage erteilen, aber die Gefahr ist m.E. groß, dass um des Schutzes Willen viel zu viel ausradiert wird, weil man ja um mehrere Ecken und mit drei Schnaps im Kopf eine Assoziation herstellen könnte - und weil der Korrektor ja ohnehin gerade bei der Arbeit ist und dieses oder jenes Wort auch gleich noch mit korrigieren könnte.

    ☞Schreibtisch-Aufräumerin ☞Chief Blog Officer bei Bleisatz ☞Regenbogen-Finderin ☞immer auf dem #Lesesofa

  • Hallo zusammen!


    Es wird gemeldet, dass der englische Verlag die bekannte "Fünf Freunde" Reihe nun zum zweiten Mal sprachlich und wohl auch inhaltlich "zeitgemäßer" gemacht hat, indem rassistische oder S.e.x.istische Wörter und Handlungen aus dem Text getilgt wurden. Außerdem wurden offenbar auch Namen von Figuren verändert, die in irgendeiner Weise Anstoß erregen könnten.


    Nun, das Ganze ist ja nicht neu. Karl May wurde schon bald nach seinem Tod zum Jugendschriftsteller umfirmiert und seine Texte in ganz ähnlicher Weise überarbeitet. Bis heute sind sich wohl die wenigsten Käufer, die Karl May in den bekannten grünen Ausgaben lesen, dessen bewusst, dass hier Bearbeiter über Bearbeiter sprachlich wie inhaltlich an den Texten herumgefeilt haben.


    Doch es scheint, dass solche Bearbeitungen beim Publikum Erfolg haben. Es ist Eltern wohl lieber, ihrem Nachwuchs etwas anbieten zu können, das mit dem Mainstream-Denken geht, auch auf die Gefahr hin, dass sich so ein Text meilenweit vom Original entfernt. Der Verleger als Kaufmann wird also immer nachbessern lassen.


    Wer sich beschwert, sind die paar erwachsenen Fans - meist welche ohne pädagogische Belastung.


    Eine "Unantastbarkeit des Textes letzter Hand" halte ich gerade auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendliteratur für eine doppelte Fiktion: Meist lässt sich kein "Text letzter Hand" feststellen, da die Autoren selber wohl auch einer steten Veränderung zustimmen / zugestimmt haben; ihr Text ist ja letztlich kein Kunstwerk sondern Verbrauchsliteratur und soll als solche ihren Verbraucher auch stets und zu 100% dort abholen, wo er steht. Zum andern wird wohl in den meisten Fällen schon vor der Veröffentlichung von Lektoren und Verlegern solange an dem Text herumgefeilt, dass - überspitzt formuliert (aber nur ein bisschen!) die Urheberschaft z.B. eines Karl May eigentlich nicht mehr gegeben ist, wir also die Unantastbarkeit von etwas verlangen, das schon von einem Dutzend verschiedenster Hände durchgeknetet und umgeformt worden ist.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)