Emily Bronte - Sturmhöhe (Wuthering Heights)

Das Happyend am Schluss war schon, nach allen Quälereien, die die Protagonisten vorher erlitten hatten, sehr konstruiert. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Mensch, der wie Hareton nie Freundlichkeit und Zuwendung kennengelernt hat, sondern über Jahre schlimmster Psychofolter ausgesetzt gewesen ist, plötzlich durch ein bisschen Aufmerksamkeit zum liebevollen Gatten mutiert.

Ich bin Gott sei Dank nicht die einzige, die Probleme mit dem Kind von Isabella und Heathcliff hat! Kann mir auch nicht erklären, wo dieses Weichei herkommt...
Heathcliff foltert Hareton ja doch, wenn auch nicht körperlich. Hareton ist ja eigentlich nicht dumm, aber durch diese Erziehung ist er stolz darauf ungebildet zu sein. Dadurch ist die Konfrontation mit gebildeten Leuten um so schlimmer. Du wirst schon noch sehen, wie der arme Kerl zu leiden hat.

Naja, wie oben schon erwähnt, ist Hareton ja doch einigermaßen klug, und absolut in Cathy verliebt. Und er hasst es natürlich für seine mangelden Bildung verspottet zu werden. Und Hareton hat Zuwendung kennen gelernt - durch Heathcliff! Deswegen verteidigt er ihn bis aufs letzte und deshalb ist er auch der einzige, der wirklich über seinen Tod bestürzt ist. Auch wenn Heathcliff ihn natürlich nur manipuliert hat, hat er es doch geschafft Zuneigung bei dem Jungen zu erwecken. Also denke ich schon, dass er zu solch einem Wandel fähig ist, v.a. da sich Cathy wirklich redlich um ihn bemüht. Ebenso wie Heathcliff früher auch wollte, dass Nelly ihn 'anständig' mache, auch wenn er die Lintons eigentlich verachtet hat. Aus Liebe zu Cathy wollte er sich anpassen... Aber vielleicht verteidige ich das Ende auch nur, weil es mich ein wenig mit dem Buch versöhnt hat. :smile: Dass eben doch noch irgendetwas Gutes und Schönes vorhanden war!
Ach ja, nochwas: Was sagst du zu (Un-)Ähnlichkeit Linton-Heatchliff?

Linton konnte sich bei der Mutter doch nur zu einem Weichei entwickeln, ein Muttersöhnchen eben. Wäre er bei Onkel Edgar aufgewachsen, hätte sich diese Wehleidigkeit bestimmt in Grenzen gehalten. Der Einfluss des Vaters hat seine Leiden erst richtig ausbrechen lassen - heute sagen wir dazu "psychosomatische Erkrankung". Das letzte Drittel des Buches ist noch gemeiner und perfider als die eigentliche Cathy-Heathcliff-Edgar-Isabella-Geschichte. Wie dieser arme Junge totgequält wird, ist ekelhaft.

Wow, da gehen unsere Meinungen erst mal richtig auseinander. Dieser Junge leidet meines Erachtens in keinster Weise an psychosomatischen Störungen! Er ist einfach nur ein kleiner, verweichlichter, verwöhnter Widerling. Es ist ja bekannt, dass die Lintons unter einer schwachen Gesundheit zu leiden haben, und dieser Bengel ist einfach so verwöhnt, dass er sich in seiner Krankheit und wenn es auch nur eine Kleinigkeit ist, so wohlfühlt und sich so bemuttern lässt als wäre er dem Tode nahe. Und wie er Cathy und ihre Naiviät ausnutzt! Wie schon Nelly und später auch Cathy sagen, er hat einen schlechten Charakter. Und ich finde überhaupt nicht, dass man ihn zu Tode gequält hat. Man hat sich schlichtweg nicht mehr um ihn gekümmert, dann hatte er - was weiß ich - eine Lungenentzündung und ist (natürlich ohne entsprechende Pflege) daran gestorben. Wie Nelly sagte würde er wohl nie sein zwanzigstes Lebensjahr erreichen. Seine einzige wirkliche Erkrankung ist die seines Charakters!

Naja, aber körperlich tut er ihm ja nix an. Dass Hareton stolz auf seine Ungebildenheit ist, das hat Heathcliff gut hingekriegt. Irgendwie mag ich Hareton, ich finde er hat es nicht verdient von Heathcliff so manipuliert zu werden.

Vielleicht habe ich mich ungenau ausgedrückt - natürlich ist er verweichlicht und verwöhnt. Natürlich versucht er, mit Getue seinen Willen zu bekommen. Das machen ja viele Kinder. Ich kenne solche Blagen aus meinem Bekanntenkreis auch. Aber eine andere Qualität bekommt die Sache unter Heathcliffs "Leitung". Da ist es plötzlich kein Getue mehr, sondern ernst. Der Verfall ist nicht mehr aufzuhalten und wird durch die psychologisch gut dosierten Bösartigkeiten Heathcliffs noch forciert. Zuerst hat Linton vielleicht gedacht, dass er mit Papa auch Spielchen spielen kann, aber als er dann merkt, dass dieser Mann seine Vernichtung beabsichtigt, ist es schon zu spät. Erstaunt bin ich ein wenig, wie Du die unterlassene Hilfeleistung der Bewohner von Wuthering Heights einschätzt: sie haben ihn durch Vernachlässigung getötet, ihm medizinische Hilfe, mag sie noch so stümperhaft gewesen sein, verweigert - heutzutage geht man für sowas zu recht ins Gefängnis.

Du hast mich wohl falsch verstanden - natürlich war es absolut falsch, dass ihm die Bewohner von Wuthering Heights nicht geholfen haben. Aber sie haben ihn auch nicht 'zu Tode gequält'; darunter verstehe ich nämlich etwas anderes als unterlassene Hilfeleistung. Ich wollte damit sagen, dass ich nicht glaube, dass er aufgrund der allgemeinen Behandlung (tot quälen) gestorben ist, sondern an einer 'normalen' Krankheit, für die niemand etwas konnte. Man hätte ihm helfen müssen, aber man war an sich nicht die Todesursache.
Das Schlimme an Linton (und auch der Grund, warum ich kein Fünkchen Mitleid für ihn empfinden kann) ist, dass es obwohl er eben der Bösartigkeit seines Vaters ausgesetzt ist, immer noch Getue ist, also finde ich zumindest. Mir kommt er überhaupt nicht ernst vor, wenn er Cathy, die sich ja rührend um ihn kümmert, beschuldigt, sie trage Schuld an seiner Krankheit. Und auch als er sie nach Wuthering Heights lockt, ist er danach nur fies zu ihr! Er beschwert sich doch sogar, dass sie die ganze Nacht weine und er nicht schlafen könne! Das ist für mich in keinster Weise ernst, sondern reines Getue!

Wenn ich das noch richtig im Gedächtnis habe, wollte er Cathy gar nicht in Wuthering Heights haben, oder es war ihm zumindest gleichgültig. Das hat er doch nur getan, weil Heathcliff das erwartet hat und Linton sich eine bessere Behandlung erhoffte. Stockholm-Syndrom nennt man das.
Vielleicht haben wir eine unterschiedliche Definition von "quälen". Für mich bedeutet dieser Begriff nicht ausschließlich körperliche Gewalt, sondern ganz besonders auch psychische.

Ich stimme mit deiner Definition von 'quälen' überein, aber ich glaube trotzdem nicht, dass Linton wegen psychischer (oder physischer) Misshandlung krank geworden und daran gestorben ist, sondern die Krankheit eben einen rein natürlichen Ursprung (seine schwache Gesundheit) hat.
Und ich muss dir widersprechen, das Stockholm-Syndrom nennt man das nicht, denn ich kann mich nicht erinnern, dass Linton Mitleid oder anderen positive Gefühle gegenüber seinem Vater hatte, wobei es auch fraglich ist, ob man hier überhaupt von einer Entführung sprechen kann...
Ich denke, Linton hat Cathy nicht hergelockt, weil er sich eine bessere Behandlung erhofft hat, sondern weil er einfach Angst vor Heathcliff hatte. Selbst wenn es ihm gleichgültig sein sollte, ob sie da war, immerhin war sie trotzdem der Grund, warum er keine Angst mehr haben musste. Und ich finde es einfach unmöglich, dass er ihre Schwäche ihm gegenüber ausnutzt, um sich zu profilieren und sich dann beschwert, wenn sie damit nicht glücklich ist!

Ich habe gerade keine Zeit nachzusehen, aber er sagt an einigen Stellen, Cathy solle tun, was Heathcliff verlangt, damit er, Linton, nicht leiden müsse. Sein Vater ließe seine Wut dann an ihm aus.

Ich habe nicht verstanden worauf sich die angebliche Entführung bezieht. Auf Linton oder Cathy? Linton wurde m.E. nicht entführt. Als Vater hatte Heathcliff doch das Recht, den Aufenthaltort seines Sohnes zu bestimmen. Bei Cathy und Mrs. Dean sieht das natürlich ganz anders aus.
Sicher hat die schwache Gesundheit zum Tode geführt; wenn die psychischen Misshandlungen Lintons Tod nicht beschleunigt haben, dann war er vielleicht doch nicht das Weichei, für das wir ihn alle halten, sondern geistig robust oder entsprechend abgestumpft.