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Wenn Édouard Louis von seiner Kindheit erzählte, konnte man Abneigung herauslesen, die er gegen seinen Vater verspürte. Er erzählte von körperlicher und verbaler Gewalt, vom Unverständnis seines Vaters für das Leben, das sein Sohn lebt und davon, dass er keinen Stolz oder Freude über seine Leistungen gemerkt hat.
Jetzt erzählt er eine andere Geschichte. Es ist nicht so, dass sich Vater und Sohn nahe gekommen sind. Aber jetzt lässt er auch schöne Erinnerungen zu, die ihn seinen Vater in einem anderen Licht sehen lassen. Aber auch mich, denn in den drei Romanen von Édouard Louis, die ich vor diesem hier gelesen hatte, war der Vater immer eine düstere Gestalt. Ich hatte ihn immer als groß, laut und brutal vor Augen. Ein Mann, der seine Familie einschüchtert und klein hält.
Plötzlich ist er derjenige, der klein ist. Ein alter Mann, der in seinem Sessel auf seinen Tod wartet. Die Jahre der Armut und harten Arbeit haben seinen Körper kaputt gemacht. Mit seinen gesundheitlichen Problemen wird er alleine gelassen, der Staat fühlt sich nicht zuständig für den alten Mann. Sein Sohn ist über diese Ungerechtigkeit zornig und prangert die Verantwortlichen an, aber er kann nichts tun, damit sich an der Situation etwas ändert.
Aber trotz allem neu gewonnenen Verständnis für seinen Vater ist das Buch doch keine Unterhaltung mit ihm. Vielmehr spricht Édouard Louis in seinen Zeilen zu ihm. Der Abstand zwischen den Beiden ist also immer noch da. Eine schwierige Geschichte, die mich etwas ratlos zurückgelassen hat. Wollte der Autor wirklich Frieden mit seinem Vater schließen, oder ging es ihm um etwas Anderes?
Liebe Grüße
Kirsten