António Lobo Antunes - Elefantengedächtnis

Es gibt 32 Antworten in diesem Thema, welches 8.792 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von kolokele.

  • Ich bin ja noch weit vom Ende entfernt, kann mir aber dennoch erklären, wie es kommen kann, dass ihm seine Lebenslust abhanden gekommen ist. Vielleicht trägt dazu bei, dass ich vom Fach bin, aber ich kenn Leute, die sind an viel weniger zerbrochen als am Krieg, einer zerbrochenen Ehe...meist reicht ja einfach schon die unbefriedigende Arbeit, wie es ja auch hier im Buch zu finden ist. Ein klassischer Auswuchs unsere Zeit ist ja z.B. Burnout.
    Bedenkt man nun, dass hier im Leben des Psychiaters alle genannten Dinge zusammentreffen, dann kann ich mehr als gut nachvollziehen, dass er es satt hat. Auch wenn es nicht eindeutig beschrieben ist und nur eine Interpretation.

    SUB=257


  • kolokele & Dora:
    Schön, dass ich nicht allein hinterherhinke. Meine Lektüre war nämlich in akuter Gefahr, ein Opfer des Proust-Syndroms zu werden (im Klartext: ich habe mich nicht ans Buch getraut). Aber heute habe ich in der U-Bahn die ersten 2 "Kapitel" (leider unnummeriert) gelesen und bin begeistert!


    Ufff! :schwitz: Gott sei Dank, hast du das "Proust-Syndrom schnell überwunden :zwinker: Ich lasse die Sprache einfach auf mich wirken. Hört sich vielleicht etwas irre an, aber für mich ist es wie ein Bild von verschiedenen Malern wie van Gogh, Chagall etc. :redface:
    Gefallen tut mir das Buch auch sehr und wenn ich hier lese, dass seine anderen Büchern viel besser sind, bin ich schon mehr als neugierig.

    Für mich ist dies ein Buch, das mein Bild von Antunes 'rundet' - aber nichts Neues hinzufügt - für jemanden, der mit diesem Buch Antunes neu entdeckt, will ich sagen - unbedingt 'Der Judaskuss' anhängen um zu erfahren, was er erlebt hat, was ihn zu dem gemacht hat, was er hier beschreibt und vor allem - wie jemand das Grausamste und Hässlichste -Krieg- mit der schönsten Sprache der Welt beschreibt um somit zu überleben!



    Und nach so viel melancholischem, traurigem und nachdenklichem, finde ich es so nett, dass letztes Jahr das 'Buch der Chroniken' von Antunes herausgekommen ist - das ist ein gutes Gegenmittel - damit man sieht, dass dieser Mann doch auch POSITIVE Dinge schreiben kann :smile:


    Erspart mir ja direkt die Frage, mit welchem Buch ich weitermachen kann. Und schön zu wissen, dass er auch positive Dinge schreiben kann.


    dubh: Das nenn ich aber Pech auf allen Linien :knuddel:


    Liebe Grüße
    wolves

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  • Hallo!


    Ich habe inzwischen (endlich) meine Zweitlektüre beendet und kann mich nun voll und ganz auf Antunes konzentrieren. Zum Parallellesen ist Antunes nämlich überhaupt nicht geeignet und er hat sich die volle Aufmerksamkeit verdient :zwinker:


    Ich bin mittlerweile auf S. 65 angekommen und meine anfängliche Antipathie dem Protagonisten gegenüber hat sich in Sympathie, gemischt mit etwas Mitleid, gewandelt.
    In Afrika muss er wohl furchtbare Erfahrungen gemacht haben, die Passagen fand ich sehr toll geschrieben ("was weiß der Idiot von Afrika" - "was weiß ich von Afrika"), die Zustände in der Anstalt sind furchtbar, mich wundert es nicht, dass er jegliche Lebensfreude verloren hat.


    Für den Umberto Eco-Bezug habe ich leider auch keine Erklärung, obwohl ich mich vor kurzem etwas näher mit Eco beschäftigt habe. Einzig dazu fällt mir ein, dass Eco ein wichtiger Semiotiker ist, vielleicht findet sich hier die Lösung.

    :blume:&nbsp; Herzliche Grüße!&nbsp; :blume: <br />creative


  • Bedenkt man nun, dass hier im Leben des Psychiaters alle genannten Dinge zusammentreffen, dann kann ich mehr als gut nachvollziehen, dass er es satt hat. Auch wenn es nicht eindeutig beschrieben ist und nur eine Interpretation.


    Ja, sicherlich - ich gebe dir recht - ich muss auch nicht mit Punkt und Komma BESCHRIEBEN haben, wie und warum er so geworden ist, wie er ist - für mich war es halt nur ein Vergleich mit seinen andern Büchern, die ich als stärker empfand - aber nichts desto trotz ist ja auch anzumerken, dass es ein Erstling ist (und eine ganze Menge Autoren haben ihr erstes Buch bei weitem nicht so gut hinbekommen :smile:) und ich dennoch die Lektüre nicht bedauert habe!




    Zum Parallellesen ist Antunes nämlich überhaupt nicht geeignet und er hat sich die volle Aufmerksamkeit verdient


    Würde ich auch meinen :zwinker:


    meine anfängliche Antipathie dem Protagonisten gegenüber hat sich in Sympathie, gemischt mit etwas Mitleid, gewandelt.


    Ja, ich hatte eigentlich von Anfang an das Gefühl, ich müsste ihn in den Arm nehmen und ganz fest drücken und ihm irgendwelche zuversichtlichen Sätze zuflüstern :smile:



    Liebe Grüsse,
    Kenavo

  • Hallo zusammen,
    inzwischen habe ich "Elefantengedächtnis" doppelt hier liegen...
    Nachdem ich es neu gekauft habe, habe ich natürlich das Vermisste wiedergefunden :schulterzuck:


    Aber jetzt zum Inhalt:
    Habe die ersten 40 Seiten gelesen und muss sagen, es gefällt mir.
    Die bildliche Sprache in endlosen Sätzen ist mit Momenten anstrengend, doch seine Metaphern stimmen, wirken nicht aufgesetzt, und doch bin ich erleichtert, wenn ich mal banale Satzteile lese, wie "...an der Wand stehenden Stühlen..." :zwinker:


    Charlotte Brontë ist natürlich originell, so wie auch ihr Ehemann


    http://de.wikipedia.org/wiki/S…2C_Marqu%C3%AAs_de_Pombal


    Voller Ironie auch der Vergleich der Saozinha-Heiligenbildchen mit Delvaux's Frauen, die so gar nichts heiliges an sich haben :breitgrins:


    Heute wird fleißig weitergelesen und dann werde ich wohl nicht mehr so schrecklich hinterherhinken...
    liebe Grüße
    dora


    [size=7pt]Edit: Jetzt geh ich mit Kenavo Kaffee trinken und Bücher kaufen...[/size] :winken:

    Einmal editiert, zuletzt von dora ()


  • Nachdem ich es neu gekauft habe, habe ich natürlich das Vermisste wiedergefunden :schulterzuck:


    Ha, vielleicht hast Du ja mein verlegtes gefunden?! :breitgrins:


    So, ich habe Elefantengedächtnis beiseite gelegt. Sorry, aber irgendwie komme ich gerade nicht mehr so richtig in die Leserunde hinein...


    Der portugiesische Autor gehört zu meinen erklärten Lieblingen - bislang habe ich alle deutschsprachigen Veröffentlichungen von ihm erstanden und gelesen. Aber trotz allem kann ich mit missionarischem Eifer nicht umgehen. Bitte nicht übel nehmen, da es nicht böse gemeint ist!
    Vermutlich sind Antunes` literarisches Können, seine Erlebnisse und Schilderungen für mich in einer Leserunde ungeeignet.


    Gruß
    dubh

    Liebe Grüße

    Tabea

  • Es fehlen mir jetzt noch ca 40 Seiten bis zum Ende, die ich wohl heute noch schaffen werde.


    Der anfängliche Enthusiasmus über Sprache und Stil verebbt ein wenig, ich erwische mich immer öfter dabei, Passagen quer zu lesen und mir - für die Handlung wesentliche - Teile herauszuspicken. Irgendwie habe ich jetzt, nach 170 Seiten, das Gefühl, weniger könnte in diesem Fall mehr sein!


    Nichtsdestotrotz ist es ein sehr beeindruckendes Werk, nicht zuletzt deswegen, weil es sein Erstlingswerk ist!
    Was ich noch nicht ganz gerafft habe - oder habe ich es überlesen? - warum hat er seine Familie verlassen?


    So, auf gehts, die letzten Seiten warten!

    :blume:&nbsp; Herzliche Grüße!&nbsp; :blume: <br />creative

  • Ich habe das Buch gestern noch beendet und mein Gesamtfazit ist doch ein sehr positives.



    Ich bin schon gespannt auf Eure Eindrücke!

    :blume:&nbsp; Herzliche Grüße!&nbsp; :blume: <br />creative

  • Guten Morgen :winken:


    Gestern habe ich das Buch beendet. Bei den letzten 20 Seiten ging es mir ähnlich wie creative. Mir wurde der Stil einfach ein wenig zu viel, vielleicht hatte auch meine Konzentration nachgelassen. :zwinker:



    Was ich noch nicht ganz gerafft habe - oder habe ich es überlesen? - warum hat er seine Familie verlassen?


    Erst das Nachwort von Frau Löffler gibt darauf Antwort, dass Antunes selbst nicht weiß warum er seine Frau verlassen hat und es sehr bereut hatte. Das würde Sinn ergeben,warum auch sein Protagonist (oder soll ich sagen Alterego?) nirgends erwähnt warum er seine Frau verlassen hatte.
    Vielen Dank auch für deinen Hinweis zu Umberto Eco. Das könnte die Lösung sein!


    Mir hat die Lektüre dieses Buches sehr gut gefallen, wenn es mir auch am Schluss etwas zu viel wurde. Und ich freue mich schon sehr darauf mehr von diesem Autor zu lesen, weil ich einfach neugierig geworden bin, wie seine anderen Bücher sind. Und so habe ich mir gestern noch "Der Judaskuss" und "Das Handbuch der Inquisitoren" bestellt.


    creative
    So habe ich das auch empfunden! :smile:
    Ich glaube auch noch, dass das Gruppengespräch bei ihm den Stein ins rollen gebracht hatte.


    Liebe Grüße
    wolves

    Einmal editiert, zuletzt von wolves ()

  • Hallo zusammen,


    dubh: :trost:


    Nach anfänglicher Begeisterung über Antunes' Schreibstil, rückt die Bedeutung von diesem immer mehr in den Hintergrund und der profunde Zynismus und die menschenverachtende Verbitterung des Professors beschäftigen meine Gedanken intensiv.
    Aus diesem Grund kann ich dieses Buch nicht einfach so weiterlesen, nach 5-6 Seiten muss ich es weglegen, um später das Gelesene noch und noch zu lesen, zu verarbeiten, zu erfassen und ich spüre, dazu bin ich im Moment nicht in der Stimmung und das ist irgendwie nicht fair gegenüber Antunes.


    Warum er seine Familie verlassen hat? Kann ein Mensch, der solchen Hass auf sich und seine Umwelt hat, ein Mensch, der enttäuscht von seiner Arbeit, seiner Vergangenheit, seiner Unfähigkeit seiner Lethargie und Phlegmatik zu entkommen, ein "normales" Familienleben führen?
    Und sein "Elefantengedächtnis" lässt nicht zu, alles einfach zu vergessen und neu anzufangen, was ja menschlich ist.


    dora

  • Ich kann das Buch immer nur in kleinen Portionen zu mir nehmen und bin daher erst auf S. 123 angelangt. Es gefällt mir nicht schlecht, aber, wie Creative schrieb,


    Der anfängliche Enthusiasmus über Sprache und Stil verebbt ein wenig


    Auch ich habe den Eindruck, dass einige Bilder nur um ihrer selbst willen da stehen, nicht wegen ihrer Bedeutung für das Buch.


    Ich schwanke immer wieder zwischen Abneigung und Sympathie für den Psychiater hin und her. Einerseits befindet er sich in einer schweren psychischen Lage (Ich bin ganz unten, in der tiefsten Tiefe angelangt, (...), da liege ich Küchenschabe auf dem Rücken und strample mit den Beinen, da gibt es keine Stütze mehr. (S. 76)), andererseits macht mir seine immer wieder durchscheinende menschenverachtende Haltung es nicht leicht, ihn zu mögen.
    Das Kapitel, in dem er heimlich seine Töchter beobachtet (S. 111-121) wiederum ließ mich tiefstes Mitleid mit ihm verspüren.


    Auch mir fehlt es an Erklärungsansätzen dafür, wieso es ihm so schlecht geht. Dass seine Ehe zerbrochen ist, sehe ich nicht als eine (von mehreren) Ursachen für seine psychische Situation, sondern als Folge eben dieser.


    Trotz aller Kritik bin ich froh darüber, auf diesen Autor aufmerksam geworden zu sein und werde garantiert mehr von ihm lesen.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Vor einigen Tagen habe ich das Buch schließlich auch beendet. Es fällt mir schwer, ein Fazit dazu abzugeben. Ein Gefühl der Enttäuschung hat sich bei mir mit zunehmender Seitenzahl immer deutlicher zu erkennen gegeben.

    Mir wird in diesem Buch einfach zu wenig geklärt. Weder, wie der Psychiater dahin gekommen ist, wo er sich gerade befindet, nämlich "ganz unten", noch, wohin er sich bewegen wird, wird deutlich. Creative meint, dass es nur noch aufwärts gehen kann, aber dem kann ich so nicht zustimmen, Mir scheint eher, dass er es sich da unten mittlerweile ganz gemütlich eingerichtet hat, und dass er keinen wirklichen Versuch macht, sein Leben zu verändern. Kenavos Beschreibung der Kneipenstammgäste, die nur klagen, aber nichts tun, könnte eine mögliche Zukunft zeigen. Aber das nur nebenbei.


    Es wird zu wenig erklärt, schrieb ich. Mir ist zwar klar, dass dies so gewollt ist, dass das Buch nur einen Momentausschnitt aus dem Leben des Psychiaters darstellen will, aber dennoch lässt mich das etwas unbefriedigt zurück. Hier stoßen also Antunes Intention und meine Erwartungen zusammen und lassen sich nicht unter einen Hut bringen. Außer einem Schulterzucken und einem "Na und, was soll das Ganze?" bleibt bei mir kein großer Eindruck zurück.
    Es ist allerdings möglich, dass dies bei einem zweiten Lesen ganz anders aussähe. Denn irgendwie habe ich schon den Eindruck, dass sich in diesem Buch mehr verbirgt, dass ich aufgrund seiner Fremdheit einfach nicht entdeckt habe, und das sich mir bei der Zweitlektüre erschließen könnte.


    Positiv kann ich auf jeden Fall vermerken, dass es bei mir Lust auf weitere Bücher von Antunes gemacht hat.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Ich hab jetzt gar nicht vor, viel dazu zu schreiben, ich stimme auch mit vielen eurer Eindrücke überein. Ich hab es auch endlich geschafft es zu Ende zu lesen, und ich bin ehrlich gesagt froh, denn ich hab mich zwischenzeitlich schon eher gequält, einige Tage ausgesetzt, zum Ende hin, gelang es mir dann wieder etwas flotter voranzukommen, aber insgesamt fand ich es schon sehr anstrengend.
    Ich will das Talent des Autors nicht in Frage stellen, denn das ist ohne Frage vorhanden, nur war es rückblickend betrachtet, nicht meins, zumindest nicht zu diesem Zeitpunkt.
    Vielleicht wage ich mich in 10 Jahren wieder an einen Antunes und bis dahin möge der Leser in mir reifen. ;)

    SUB=257